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BGE-65-II-127


S. 127 / Nr. 24 Familienrecht (d)

BGE 65 II 127

24. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. September 1939 i. S. Augustin gegen
Bürgergemeinde Solothurn.

Regeste:
Verwandtenunterstützung (Art. 328
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
/29
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 29 - 1 Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen.
ZGB). Beitragspflicht verheirateter
Verwandter grundsätzlich nur aus eigenem Vermögen und Erwerb. Bei
Gütergemeinschaft fällt der Anteil des Pflichtigen am Gesamtgut als eigenes
Vermögen in Betracht.
En ce qui concerne les dettes d'aliments (art. 328 s. CC), la personne mariée
n'est tenue, en principe, que sur sa propre fortune et sur le produit de son
propre travail. Lorsqu'elle est mariée sous le régime de la communauté de
biens, sa part des biens matrimoniaux compte comme sa fortune propre.
Per quanto concerne i debiti dipendenti da assistenza tra parenti (art.
328-329 CC), la persona coniugata è tenuta, in massima, soltanto in base alla
propria sostanza e al prodotto del proprio lavoro. Se vive sotto il regime
della comunione dei beni, la sua parte dei beni matriniomali conta come sua
propria sostanza.

Der 64jährige August Flury wird von der Bürgergemeinde Solothurn unterstützt.
Aus einer im Jahre 1920 geschiedenen Ehe hat er zwei Töchter, die in Amerika
leben und mit denen er seit vielen Jahren keine Beziehungen mehr unterhält.
Eine 66jährige Schwester des Flury ist

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mit Dr. med. Augustin verheiratet. Die Eheleute leben unter der
Gütergemeinschaft nach dem alten Recht von Baselland. Das Gesamtgut beläuft
sich auf Fr. 104730.­, das Nettoeinkommen des Ehemannes auf Fr. 18500.­.
Dieser kommt für den Unterhalt einer Tochter und ihrer zwei Kinder auf.
Die Bürgergemeinde Solothurn belangte Frau Dr. Augustin vor dem Regierungsrate
des Kantons Baselland auf Leistung eines Beitrages von Fr. 50.­ an die
monatlichen Unterstützungsauslagen von Fr. 120.­ an ihren Bruder gemäss Art.
328
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
/9
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 9 - 1 Öffentliche Register und öffentliche Urkunden erbringen für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist.
ZGB. Mit Entscheid vom 18. November 1938 hat der Regierungsrat das
Gesuch gutgeheissen.
Mit der vorliegenden Berufung verlangt Frau Augustin Flury Aufhebung des
Entscheids und Abweisung des Gesuchs der Bürgergemeinde, eventuell Rückweisung
der Sache an die Vorinstanz zur Aktenvervollständigung und neuen Entscheidung.
Die Bürgergemeinde Solothurn beantragt Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Unterstützungsbedürftigkeit, des August Flury wird von der
Berufungsklägerin nicht bestritten. Ihre Unterstützungspflicht hängt davon ab,
ob sie sich «in günstigen Verhältnissen» im Sinne des Art. 329 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
ZGB
befindet. In dieser Hinsicht geht die Rechtsprechung dahin, dass verheiratete
Blutsverwandte Unterstützungsbeiträge nur aus dem eigenen Vermögen oder Erwerb
zu leisten haben, nicht aus dem Einkommen ihres Ehegatten, auch wenn sie
gerade dank diesem Einkommen in günstigen Verhältnissen leben (BGE 45 II 510,
57 I 259, 64 II 82). Im vorliegenden Falle ist jedoch das von der Vorinstanz
berücksichtigte Vermögen nicht das Mannesvermögen, sondern das Gesamtgut der
beiden unter allgemeiner Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten. Selbst wenn
nach dem massgebenden kantonalen Rechte die Befugnis der

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Verwaltung oder sogar der Verfügung dem Ehemanne allein zustehen sollte, ist
das Vermögen doch Eigentum beider Gatten, und der Anteil der Ehefrau kann,
selbst während der Dauer der Ehe, festgestellt und zur Befriedigung ihrer
Gläubiger herangezogen werden (Art. 185
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 185 - 1 Die Gütertrennung wird auf Begehren eines Ehegatten vom Gericht angeordnet, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt.
ZGB). Es wäre daher unbillig, diesen
Anteil ausser Betracht zu lassen, wenn es sich um die Frage handelt, ob die
Ehefrau günstig genug gestellt ist, um einen Bruder zu unterstützen. Die
Vorinstanz hat demnach grundsätzlich mit Recht das eheliche Gesamtgut
berücksichtigt; und da dieses über Fr. 100000.­beträgt und die Beklagte nicht
behauptet, dass sie bei der Auflösung desselben weniger als die Hälfte zu
beanspruchen habe, erscheint ein monatlicher Beitrag von Fr. 50 an die
Unterhaltsauslagen von Fr. 120.­ nicht übersetzt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Entscheid des Regierungsrates des Kantons
Baselland vom 18. November 1938 bestätigt.
65 II 127 01. Januar 1938 21. September 1939 Bundesgericht 65 II 127 BGE - Zivilrecht

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