S. 359 / Nr. 60 Obligationenrecht (d)

BGE 64 II 359

60. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. November 1938 i. S.
Meier gegen Trüb.

Regeste:
Schenkung von Hand zu Hand, Art. 242
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 242 - 1 Eine Schenkung von Hand zu Hand erfolgt durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten.
1    Eine Schenkung von Hand zu Hand erfolgt durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten.
2    Bei Grundeigentum und dinglichen Rechten an Grundstücken kommt eine Schenkung erst mit der Eintragung in das Grundbuch zustande.
3    Diese Eintragung setzt ein gültiges Schenkungsversprechen voraus.
OR, durch Errichtung eines Sparheftes auf
den Namen des zu Beschenkenden und Übergabe des Sparheftes.

Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte Meier hatte auf den Namen der Klägerin, der Stieftochter seines
Sohnes, in Schenkungsabsicht ein Sparheft angelegt und es seinem Sohne zur
Verwaltung übergeben. Nach der Scheidung der Ehe der Mutter der

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Klägerin mit seinem Sohne weigerte sich der Beklagte, der Klägerin das
Sparheft herauszugeben. Die Klage der Klägerin auf Herausgabe des Sparheftes
wird von allen Instanzen geschützt.
Aus den Erwägungen:
2.- Im weiteren fragt sich nun, ob durch die Vorkehren, die der Beklagte zur
Durchführung seines Willens getroffen hat, eine rechtsgültige Schenkung
zustande gekommen ist. Diese Frage ist rechtlicher Natur und daher vom
Bundesgericht zu überprüfen.
a) Durch die in Schenkungsabsicht erfolgte Anlegung eines Sparheftes auf den
Namen eines Dritten allein kommt eine Schenkung noch nicht zu stande; es
bedarf hiezu vielmehr noch der Annahme durch den Beschenkten oder dessen
Vertreter. Diese Annahme braucht indessen nicht ausdrücklich zu sein. Sie kann
auch stillschweigend erfolgen und ist sogar zu vermuten, sofern mit der
Schenkung keine Lasten verbunden sind (BECKER, N. 3 zu Art. 239
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 239 - 1 Als Schenkung gilt jede Zuwendung unter Lebenden, womit jemand aus seinem Vermögen einen andern ohne entsprechende Gegenleistung bereichert.
1    Als Schenkung gilt jede Zuwendung unter Lebenden, womit jemand aus seinem Vermögen einen andern ohne entsprechende Gegenleistung bereichert.
2    Wer auf sein Recht verzichtet, bevor er es erworben hat, oder eine Erbschaft ausschlägt, hat keine Schenkung gemacht.
3    Die Erfüllung einer sittlichen Pflicht wird nicht als Schenkung behandelt.
OR). Es genügt
deshalb, wenn der Schenker dem Beschenkten oder seinem Vertreter von der
Anlage Kenntnis gibt und dieser weder ausdrücklich noch durch konkludentes
Verhalten die Annahme ablehnt. Dass im vorliegenden Fall die Mutter der
Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin oder ihr Stiefvater als ihr
Vermögensverwalter die Annahme der Schenkung irgendwie abgelehnt hätten, ist
nicht dargetan.
b) Die für eine Schenkung von Hand zu Hand erforderliche Übergabe der Sache an
den Beschenkten oder dessen Vertreter steht ausser Zweifel, da ja der Beklagte
das Sparheft seinem Sohne, dem Stiefvater der Klägerin ausgehändigt hat und
nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz die Behauptung des
Beklagten, er habe das Sparheft seinem Sohne als seinem Vermögensverwalter
übergeben, nicht erwiesen ist. Unter diesen Umständen braucht nicht näher
geprüft zu werden, ob dem in Frage stehenden Sparheft Wertpapiercharakter
zukomme, oder

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ob es sich dabei um eine blosse Beweisurkunde mit Legitimationsklausel handle,
bei der das Forderungsrecht nicht an den Besitz der Urkunde geknüpft ist, so
dass schon die in der Anlage auf den Namen des Beschenkten liegende Anweisung
des Schenkers an die Sparkasse als Schuldnerin, den auf dem Sparheft
angelegten Betrag dem Beschenkten zu schulden, als Übergabe der Sache
anzusehen wäre (BGE 52 II 289, 51 II 318).
c) Mit Recht hat die Vorinstanz sodann auch die Befugnis des Stiefvaters der
Klägerin, für diese die Schenkung anzunehmen, bejaht; denn stand ihm auch die
väterliche Gewalt über seine Stieftochter nicht zu, so verwaltete er doch das
Vermögen des Mädchens, das in seinem Haushalt lebte und als zu seiner Familie
gehörig betrachtet wurde.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 64 II 359
Date : 01. Januar 1937
Published : 08. November 1938
Source : Bundesgericht
Status : 64 II 359
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Schenkung von Hand zu Hand, Art. 242 OR, durch Errichtung eines Sparheftes auf den Namen des zu...


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OR: 239  242
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