S. 327 / Nr. 57 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 64 I 327

57. Urteil vom 24. November 1938 i. S. Krisenabgabeverwaltung des Kantons
Zürich gegen Zürcher Frauenverein für alkoholfreie Wirtschaften.


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Regeste:
Krisenabgabe. Die nach geschäftlichen Grundsätzen durchgeführte Verpflegung
von Personen in alkoholfreien Wirtschaften gegen angemessenes Entgelt ist,
auch wenn sie in vorbildlicher Weise erfolgt, nicht Gemeinnützigkeit im Sinne
von Art. 15, Zif. 3, KrisAB.

A. - Die Genossenschaft Zürcher Frauenverein für alkoholfreie Wirtschaften
bezweckt nach § 2 der Statuten «die Reform des Wirtschaftswesens durch Hebung
und Ausbreitung der alkoholfreien Wirtschaft, in welcher sie ein wesentliches
Mittel zur Bekämpfung des Alkoholismus erblickt». Die Mitglieder bezahlen
Jahresbeiträge von Fr. 3.- und Fr. 1.- (§§ 13 und 14). Sie haften nicht für
die Verbindlichkeiten der Genossenschaft (§ 36) und haben keinen Anteil am
Gewinn der Unternehmung
(§ 4).
Die Genossenschaft will durch vorbildliche Einrichtung und Ausstattung ihrer
Wirtschaften und Gasthäuser und

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Wahrung guten Tons und guter Sitten in den Betrieben ihre Unternehmungen zu
Einrichtungen erheben, die dem Volkswohl dienen (§ 9). Die Betriebe sollen
nach geschäftlichen Grundsätzen geführt werden und die Bedürfnisse aller
Gesellschaftsklassen nach Möglichkeit berücksichtigen, nicht den Charakter von
Wohltätigkeitsanstalten tragen und nicht durch zu billige Abgabe der
Lebensmittel den Privatunternehmern die Haltung alkoholfreier Wirtschaften
unmöglich machen (§ 3). Gute Honorierung der Geschäftsleitung und Fürsorge für
das ganze übrige Personal ist statutarisch vorgeschrieben (§§ 10 und 11). Die
Arbeit der Vorstandsmitglieder wird im übrigen in der Regel nicht honoriert (§
5).
Das Vermögen der Genossenschaft wird gebildet aus den Mitgliederbeiträgen,
Legaten und Geschenken, sowie den Überschüssen des Wirtschaftsbetriebes (§
32). Es wird verwendet zur Erweiterung der Tätigkeit der Genossenschaft, zur
Anlegung von Reserven sowie zur Bekämpfung des Alkoholismus und zur
Ausbreitung der alkoholfreien Wirtschaft. Die Mitglieder haben keinen Anspruch
darauf (§ 34). Bei Auflösung der Genossenschaft ist es Institutionen
zuzuwenden, deren Zweck die Bekämpfung des Alkoholismus ist (§ 38).
B. - Die Genossenschaft war für die eidgenössische Kriegssteuer und für die
erste Periode der Krisenabgabe als steuerfrei anerkannt worden, wegen
Gemeinnützigkeit. Anlässlich der Veranlagung für die II. Periode der
Krisenabgabe wurde die Frage neu geprüft und diesmal verneint. Die kantonale
Rekurskommission hat einen hiegegen erhobenen Rekurs gutgeheissen. Zur
Begründung wird im wesentlichen ausgeführt: Der Zweck der Genossenschaft, die
Bekämpfung des Alkoholismus durch die Eröffnung und den Betrieb alkoholfreier
Wirtschaften, sei gemeinnützig. Die Genossenschaft unterscheide sich von
andern Unternehmen darin, dass der Betrieb alkoholfreier Wirtschaften nicht in
Erwerbsabsicht, sondern unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsreform
betrieben

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werde und dass jede Beteiligung der Mitglieder am Gewinn und am Vermögen der
Genossenschaft statutarisch unwiderruflich ausgeschlossen sei.
C. - Gegen diesen Entscheid hat die Krisenabgabeverwaltung Zürich die
verwaltungsgerichtliche Beschwerde ergriffen mit dem Antrag «den Entscheid
wegen Verletzung des Art. 15 KrisAB. aufzuheben und die Einschätzung zur
Festsetzung des abgabepflichtigen Einkommens und Vermögens an die
Rekurskommission zurückzuweisen».
D. - Die Rekurskommission hat auf ihren Entscheid und die Ausführungen des
Rekursbeklagten verwiesen.
Dieser hat die Abweisung der Beschwerde beantragt und ausgeführt:
Die Krisenabgabeverwaltung wolle den Entscheid, ob der Frauenverein
gemeinnützig im Sinne von Art. 15 KrisAB sei oder nicht, davon abhängen
lassen, ob «er zur Führung seines Unternehmens Opfer bringt». Dass seitens des
Frauenvereins als juristischer Person für den idealen Zweck Opfer gebracht
werden, sei klar. Er führe seine Wirtschaften derart, dass lediglich die
Selbstkosten gedeckt werden und dass es dem Verein möglich sei, die Stiftung
für die Angestellten zu dotieren und auch Bestrebungen zu unterstützen, die
gegen die Gefahren des Alkohols kämpfen. (Die Schweizerische Stiftung für
Gemeindestuben erhalte z. B. jährlich Fr. 20000.- .) Das Opfer des Vereins
bestehe darin, dass auf Verzinsung des Eigenkapitals vollständig verzichtet
werde. Das Vermögen des Frauenvereins rühre nicht von Betriebsgewinnen her,
sondern von Schenkungen und Legaten Dritter, sowie von der
Liegenschaftenmarktentwicklung in Zürich. Diese habe eine starke
Wertsteigerung der Liegenschaften der Rekursbeklagten bewirkt, besonders in
der Zeit seit 1914. Diese Wertsteigerung wirke sich jedoch für den
Frauenverein lediglich auf dem Papier aus (hohe Bewertung für die
Steuerbilanz), praktisch jedoch in keiner Weise, da die Liegenschaften derart

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mit dem Betrieb verbunden seien, dass dessen Zweck bei Realisation der
Liegenschaften gar nicht mehr erfüllt werden könnte.
Es dürfe einzig und allein (gemäss bisheriger Praxis zu Art. 17 KStB und Art.
15 KrisAB) darauf abgestellt werden, ob die Zwecksetzung des Frauenvereins
vollständig altruistisch sei oder ob noch egoistische Interessen von
Initianten oder Genossenschaftern verfolgt werden. In dieser Hinsicht habe die
kantonale Rekurskommission zutreffende Feststellungen gemacht.
Wenn der Frauenverein seine ständig beschäftigten Verwaltungsratmitglieder,
die tatsächlich die Direktion eines sehr umfangreichen Wirtschaftsbetriebes
leiten und dieser Leitung ihre ganze Arbeitskraft widmen, honoriere, könne
dies niemals dazu führen, den Verein als solchen als nicht gemeinnützig zu
bezeichnen (umso weniger als eine Reihe anderer Genossenschafter ohne Honorar
mitarbeiten). Es liege hier derselbe Fall vor, wie wenn die Stiftung pro
Juventute ihre Sekretäre besolde.
Es werde auf VSA Bd. V S. 334 verwiesen: Eine juristische Person habe einen
ausschliesslich gemeinnützigen Zweck (dort Erhaltung von Natur- und
Kunstdenkmälern, hier Bekämpfung des Alkoholismus). Zur Beschaffung der Mittel
für den Zweck werde eine Erwerbstätigkeit ausgeübt (Betrieb einer Wirtschaft).
Die Steuerfreiheit sei damals bejaht worden.
E. - Die Vernehmlassung der eidgenössischen Steuerverwaltung lautet zu Gunsten
der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen, die Steuerbefreiung somit
verneint,
in Erwägung:
1.- In Frage steht die Anwendung von Art. 15, Zif. 3, KrisAB. Zu dessen
Auslegung s. BGE 63 I 318 ff. Hier handelt es sich speziell um die Frage, ob
bei dem Rekursbeklagten ein ausschliesslich gemeinnütziger Zweck vorliege.

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2.- Als Zweck des Rekursbeklagten wird in den Statuten angegeben die Reform
des Wirtschaftswesens durch Hebung und Ausbreitung der alkoholfreien
Wirtschaft, in der ein wesentliches Mittel zur Bekämpfung des Alkoholismus
erblickt wird. Der Rekursbeklagte führt in Zürich alkoholfreie Gasthöfe und
Wirtschaften. Er bietet dadurch dem Publikum die Gelegenheit, angenehm
eingerichtete und gut betriebene alkoholfreie Lokale zu besuchen, statt
Wirtschaften mit Alkoholgenuss, und wirkt so auf diesem Gebiet auch
bahnbrechend und beispielgebend. Hiebei hat man es mit einer Wirksamkeit ganz
grossen Umfangs zu tun. Im Jahre 1935 waren 16 Betriebe, worunter zwei
Gasthäuser, vorhanden neben gewissen Aussen- und Gelegenheitsbetrieben. Die
Betriebseinnahmen waren im Jahre 1934 4,14 und im Jahre 1935 3,65 Millionen.
Auf Ende 1935 bestanden, neben einem ausgewiesenen Vereinsvermögen von Fr.
135000.- und offenen Reserven von Fr. 208000.- stille Reserven in der Höhe von
2,8 Millionen Fr. Die Wirtschaften des Rekursbeklagten werden «nach gesunden
geschäftlichen Grundsätzen» geführt. Sie «sollen nicht den Charakter von
Wohltätigkeitsanstalten tragen und sollen nicht durch zu billige Abgabe der
Lebensmittel den Privatunternehmern die Haltung alkoholfreier Wirtschaften
unmöglich machen» (Statuten § 3).
Die Führung dieser alkoholfreien Betriebe ist die eigentliche Aufgabe, die
sich der Rekursbeklagte gesetzt hat, wie das schon in seinem Namen «Zürcher
Frauenverein für alkoholfreie Wirtschaften» zum Ausdruck kommt. Die
Veranstaltungen für die Heran- und Fortbildung des Personals und die Fürsorge
für dieses sind damit zusammenhängende Nebenaufgaben. Man kann daher nicht
sagen, diese ganze Betätigung des Rekursbeklagten sei nur Mittel zu dem Zweck
der Reform des Wirtschaftswesens und der Bekämpfung des Alkoholismus. Sie ist
in Wahrheit selber schon der unmittelbare Hauptzweck des Vereins. und jenes
Ziel ist nur der mittelbare

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Zweck. welcher der Tätigkeit des Rekursbeklagten die allgemeine Richtung
weist. Und bei der Frage, ob der Rekursbeklagte nach Art. 15, Zif. 3, KrisAB
von der Abgabepflicht befreit sei, kommt es darauf an, nicht ob der mittelbare
Zweck für sich betrachtet, sondern ob die unmittelbare Aufgabe des
Rekursbeklagten, die Führung der alkoholfreien Wirtschaften, ausschliesslich
gemeinnützigen Charakter habe.
3.- Stellt sich die Frage in dieser Weise, so ist ihre Verneinung gegeben. Das
Unternehmen des Rekursbeklagten ist ein gewerblicher Grossbetrieb, der nach
bewährten kaufmännischen Gesichtspunkten geführt wird und sich in seinen
einzelnen Betriebsstätten nach aussen ganz ähnlich darstellt, wie die
alkoholfreien Wirtschaften anderer Gewerbetreibender. Wie dort bezahlen die
Kunden den angemessenen Preis für Speise und Trank. Auch beim Rekursbeklagten
sind sie nicht irgendwie Empfänger einer Wohltat. Vom Standpunkt der
Genossenschaft selber aus ist der Betrieb insofern ein Erwerbsunternehmen, als
Überschüsse tatsächlich erzielt werden. Und wenn es auch nicht auf Gewinne
abgesehen ist und die Vermögensvermehrung zum grossen Teil ohne Zutun des
Vereins erfolgt ist (Wertzuwachs auf Liegenschaften), so soll doch zum
mindesten der Betrieb sich selber erhalten, wobei ein zahlreiches Personal
sein gutes Auskommen findet und die Träger der obersten Leitung in
geschäftsmässig grosszügiger Weise honoriert werden. Die kleinen
Mitgliederbeiträge spielen in der Ökonomie des Rekursbeklagten keine Rolle; er
ist weder auf sie, noch auf sonstige Zuwendungen angewiesen.
Von andern ähnlichen Betrieben unterscheidet sich das Unternehmen des
Rekursbeklagten freilich dadurch, dass es nicht auf individuellen Gewinn
abzielt. Eine Verteilung von Reingewinn an Mitglieder oder Angestellte findet
nicht statt. Das Vermögen bleibt zweckgebunden auch im Falle der Auflösung der
Genossenschaft unter Ausschluss jedes Anspruchs der Mitglieder (in diesen

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Beziehungen sind die Statuten als unabänderlich erklärt). Hier zeigt sich in
der Tat der gemeinnützige Grundzug des Unternehmens. Deshalb erscheint es aber
doch noch nicht als ein ausschliesslich gemeinnütziges im Sinne des Art. 15,
Zif. 3. Nach der Praxis genügt hiezu nicht, dass ein Unternehmen in
allgemeiner Weise den Interessen der Bevölkerung dient und dass bei ihm das
individuelle Gewinnstreben fehlt (BGE 63 I 319 und die dortigen Zitate). Der
Begriff der Gemeinnützigkeit im Sinne des KrisAB ist freilich unbestimmt und
nicht leicht zu definieren. Wie immer man ihn näher umschreiben mag, so steht
doch fest, dass die nach geschäftlichen Grundsätzen durchgeführte Verpflegung
von Personen in alkoholfreien Wirtschaften gegen angemessenes Entgelt, auch
wenn sie in vorbildlicher Weise erfolgt, an sich noch nicht Gemeinnützigkeit
ist. Und wenn beim Unternehmen des Rekursbeklagten, neben den gewerblichen
Merkmalen und seiner starken und finanzkräftigen Stellung im wirtschaftlichen
Leben, nach Zweck und Ziel eine gemeinnützige Seite vorhanden ist, so kann es
doch nicht als ausschliesslich gemeinnütziges anerkannt werden, das im Sinne
des Art. 15 , Zif. 3, Anspruch auf Befreiung von der Krisenabgabe hätte.
Zu Unrecht beruft sich der Rekursbeklagte für seinen Standpunkt auf den in VSA
5 333 ff. abgedruckten Entscheid des eidgenössischen Finanzdepartementes. In
diesem Entscheid wurde ein Verein zur Pflege der Ortsgeschichte, Sammlung von
kunstgeschichtlichen Gegenständen, Erhaltung von Natur- und Kunstdenkmälern
als gemeinnützig im Sinne des StempelG., Art. 17, Abs. 2, erklärt, obgleich er
aus der Verpachtung einer Schlosswirtschaft gewisse Einkünfte hatte. Dabei
wurde indessen bemerkt, dass es sich, damit trotzdem Steuerbefreiung
stattfinde, um eine blosse Nebeneinnahme handeln müsse und dass die fragliche
Betätigung neben der Ausübung der gemeinnützigen Zwecke keine selbständige
Bedeutung haben dürfe. Diese Vorbehalte würden gerade im

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vorliegenden Fall wirksam werden; denn hier ist der Wirtschaftsbetrieb nicht
untergeordnete Nebensache neben der Verfolgung anderweitiger gemeinnütziger
Zwecke, sondern er ist die eigentliche Aufgabe des Vereins. Es ist daher kein
Zweifel, dass auch im Sinne jenes Entscheides die Steuerfreiheit des
Rekursbeklagten zu verneinen wäre.
Soweit der Rekursbeklagte aus seinen Erträgnissen Zuwendungen für
Wohlfahrtszwecke (Angestelltenfürsorge, Bekämpfung des Alkoholismus) macht,
können sie im Sinne von. Art. 48 II und 51 bei der Berechnung des
abgabepflichtigen Reingewinns in Abzug gebracht werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 I 327
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 24. November 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 I 327
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Krisenabgabe. Die nach geschäftlichen Grundsätzen durchgeführte Verpflegung von Personen in...


Gesetzesregister
VSA: 15
BGE Register
63-I-316 • 64-I-327
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
genossenschaft • alkoholismus • frage • unternehmung • opfer • stiftung • charakter • juristische person • arbeitnehmer • beendigung • entscheid • direkte bundessteuer • erhöhung • bruchteil • autonomie • öffentlicher zweck • kantonales rechtsmittel • begründung des entscheids • begünstigung • berechtigter
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