S. 30 / Nr. 9 Registersachen (f)

BGE 63 I 30

9. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. März 1937 i. S. Lussy gegen Wyrsch
und Lussy und Regierungsrat Nidwalden.

Regeste:
Ist Beschwerde zulässig gegen Abweisung einer «Einsprache» gegen eine
Anmeldung beim Grundbuchamt? (Erw, 1).
Versteigerung von Erbliegenschaften unter den Erben gemäss Art. 612 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 612 - 1 Eine Erbschaftssache, die durch Teilung an ihrem Werte wesentlich verlieren würde, soll einem der Erben ungeteilt zugewiesen werden.
1    Eine Erbschaftssache, die durch Teilung an ihrem Werte wesentlich verlieren würde, soll einem der Erben ungeteilt zugewiesen werden.
2    Können die Erben sich über die Teilung oder Zuweisung einer Sache nicht einigen, so ist die Sache zu verkaufen und der Erlös zu teilen.
3    Auf Verlangen eines Erben hat der Verkauf auf dem Wege der Versteigerung stattzufinden, wobei, wenn die Erben sich nicht einigen, die zuständige Behörde entscheidet, ob die Versteigerung öffentlich oder nur unter den Erben stattfinden soll.
ZGB
muss öffentlich beurkundet werden (Erw. 2).


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A. - Die Geschwister Josy und Alois Lussy sind die Erben ihres Vaters, M.
Lussy, zu dessen Erbschaft die Liegenschaft Kataster Nr. 132 in Stans gehört.
Die Erbansprüche der Josy Lussy sind gepfändet.
Zum Zwecke der erbrechtlichen Teilung dieser Liegenschaft wurde von der
zuständigen Gerichtsbehörde ein Vertreter der Erbengemeinschaft bezeichnet und
deren Verkauf unter Mitwirkung des Betreibungsamtes auf dem Wege der
Versteigerung unter den Erben angeordnet. An der vom Vertreter der
Erbengemeinschaft, Fürsprech J. Wyrsch, auf den 4. Juli 1936 angesetzten
Steigerung blieb Josy Lussy aus und wurde der Zuschlag um Fr. 22000.- an Alois
Lussy erteilt. Das Steigerungsprotokoll wurde vom Vertreter der
Erbengemeinschaft, von Alois Lussy und vom Betreibungsbeamten unterzeichnet.
Als die beiden Erstgenannten am 6. Juli beim Grundbuchamt die Eintragung
anmeldeten, trug Josy Lussy auf Abweisung der Anmeldung an. Darauf schrieb ihr
das Grundbuchamt am 7. Juli: «... Auf Ihr Begehren vom 6. Juli abhin um
Rückweisung der Anmeldung kann daher nicht eingetreten werden. Ich gebe Ihnen
hievon Kenntnis, dass gegen diese Verfügung innert 10 Tagen seit deren
Mitteilung Beschwerde geführt werden kann». Hierauf führte Josy Lussy beim
Regierungsrat des Kantons Nidwalden Beschwerde mit dem (ersten) Antrag, der
Grundbuchverwalter sei zu verhalten, das Begehren des Erbschaftsverwalters
Wyrsch um Eintragung der Liegenschaft Grundbuch Nr. 132 Stans in das Grundbuch
abzuweisen.
B. - Der Regierungsrat von Nidwalden hat am 13. Oktober 1936 die Beschwerde
abgewiesen.
C. - Gegen diesen Entscheid hat Josy Lussy beim Bundesgericht als
Verwaltungsgericht Beschwerde geführt mit dem Antrag, der Grundbuchverwalter
sei zu verhalten, die Anmeldung des Erbschaftsverwalters zur Übertragung des
Grundeigentums an Alois Lussy abzuweisen.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Der angefochtene Entscheid ist ein solcher einer kantonalen
Aufsichtsbehörde über die Grundbuchämter. Zwar betrifft er keine der in Art.
103 der Grundbuchverordnung abschliessend oder in Art. 104 beispielsweise
angeführten Verfügungen des Grundbuchverwalters. Indessen ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. I Abs. 3 des
Anhanges zum VDG zulässig, nachdem die Vorinstanz einen materiellen
Beschwerdeentscheid gefällt hat, ohne zunächst die Vorfrage zu prüfen, ob die
bei ihr geführte Beschwerde überhaupt zulässig sei; auch ist die von der
Vorinstanz als Partei behandelte Beschwerdeführerin gemäss Art. 9 Abs. 1 VDG
berechtigt, Beschwerde zu erheben. Höchstens könnte sich fragen, ob der
angefochtene Entscheid nicht deshalb von vorneherein aufgehoben werden müsse,
weil er habe eine Streitsache erledigen wollen, die gar nicht zum Gegenstand
einer Beschwerde gegen den Grundbuchverwalter gemacht werden könne. Doch kann
dies dahingestellt bleiben, weil der angefochtene Entscheid auch aus dem Grund
aufgehoben werden muss, dass er zum Nachteil der Beschwerdeführerin auf einer
Verletzung materiellen Bundesrechtes beruht. Nachdem sich das Grundbuchamt
durch die Einsprache der Beschwerdeführerin, deren Beschwerde und den
Entscheid der Vorinstanz von der Eintragung hat abhalten lassen, ist ein
materieller Beschwerdeentscheid des Bundesgerichtes insofern sachdienlich, als
er eine ungerechtfertigte Eintragung im Grundbuch zu verhindern vermag, die
gegebenenfalls nur durch gerichtliche Klage beseitigt werden könnte. Hieraus
ergibt sich eine genügende Legitimation der Beschwerdeführerin zur Sache.
2. - Die streitige Eintragung dürfte nur auf Grund eines Ausweises über das
Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden.(Art. 905 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 905 - 1 Verpfändete Aktien werden in der Generalversammlung durch die Aktionäre und nicht durch die Pfandgläubiger vertreten.
1    Verpfändete Aktien werden in der Generalversammlung durch die Aktionäre und nicht durch die Pfandgläubiger vertreten.
2    Verpfändete Stammanteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung werden in der Gesellschafterversammlung durch die Gesellschafter und nicht durch die Pfandgläubiger vertreten.672
ZGB).
a) Auf das Verfügungsrecht des Alois Lussy kommt nichts an, weil er nur
zusammen mit seiner Schwester und

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Miterbin, der Beschwerdeführerin, über die zur Erbschaft gehörende
Liegenschaft verfügen kann (i. c. durch deren Überführung in sein
Alleineigentum), jedoch die Beschwerdeführerin jede Mitwirkung bei der
streitigen Verfügung abgelehnt hat. Dagegen kann freilich ein Vertreter der
Erbengemeinschaft, der gemäss Art. 612
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 612 - 1 Eine Erbschaftssache, die durch Teilung an ihrem Werte wesentlich verlieren würde, soll einem der Erben ungeteilt zugewiesen werden.
1    Eine Erbschaftssache, die durch Teilung an ihrem Werte wesentlich verlieren würde, soll einem der Erben ungeteilt zugewiesen werden.
2    Können die Erben sich über die Teilung oder Zuweisung einer Sache nicht einigen, so ist die Sache zu verkaufen und der Erlös zu teilen.
3    Auf Verlangen eines Erben hat der Verkauf auf dem Wege der Versteigerung stattzufinden, wobei, wenn die Erben sich nicht einigen, die zuständige Behörde entscheidet, ob die Versteigerung öffentlich oder nur unter den Erben stattfinden soll.
ZGB von der zuständigen Behörde zur
Versteigerung einer Erbschaftsliegenschaft unter den Erben beauftragt worden
ist, als ermächtigt angesehen werden, über die Liegenschaft durch deren
Zuschlag an den höchstbietenden Miterben zu verfügen.
b) Der Ausweis über den Rechtsgrand liegt in dem Nachweise, dass die für
dessen Gültigkeit erforderliche Form erfüllt ist (Art. 965 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 965 - 1 Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung, Löschung dürfen in allen Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden.
1    Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung, Löschung dürfen in allen Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden.
2    Der Ausweis über das Verfügungsrecht liegt in dem Nachweise, dass der Gesuchsteller die nach Massgabe des Grundbuches verfügungsberechtigte Person ist oder von dieser eine Vollmacht erhalten hat.
3    Der Ausweis über den Rechtsgrund liegt in dem Nachweise, dass die für dessen Gültigkeit erforderliche Form erfüllt ist.
ZGB). Der
Vertrag auf Eigentumsübertragung an einer Liegenschaft, insbesondere der
Grundstückkauf, bedarf zu seiner Verbindlichkeit regelmässig der öffentlichen
Beurkundung (Art. 657 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 657 - 1 Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung.
1    Der Vertrag auf Eigentumsübertragung bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung.
2    Die Verfügung von Todes wegen und der Ehevertrag bedürfen der im Erbrecht und im ehelichen Güterrecht vorgeschriebenen Formen.
ZGB, Art. 216 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 216 - 1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
1    Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
2    Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.76
3    Vorkaufsverträge, die den Kaufpreis nicht zum voraus bestimmen, sind in schriftlicher Form gültig.77
OR). Von dieser Regel darf
gemäss Art. 229 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 229 - 1 Auf einer Zwangsversteigerung gelangt der Kaufvertrag dadurch zum Abschluss, dass der Versteigerungsbeamte den Gegenstand zuschlägt.
1    Auf einer Zwangsversteigerung gelangt der Kaufvertrag dadurch zum Abschluss, dass der Versteigerungsbeamte den Gegenstand zuschlägt.
2    Der Kaufvertrag auf einer freiwilligen Versteigerung, die öffentlich ausgekündigt worden ist und an der jedermann bieten kann, wird dadurch abgeschlossen, dass der Veräusserer den Zuschlag erklärt.
3    Solange kein anderer Wille des Veräusserers kundgegeben ist, gilt der Leitende als ermächtigt, an der Versteigerung auf das höchste Angebot den Zuschlag zu erklären.
OR abgesehen werden im Falle, dass der Kaufvertrag auf
einer freiwilligen Versteigerung, die öffentlich ausgekündigt worden ist und
an der jedermann bieten kann, abgeschlossen wird, dadurch nämlich, dass der
Veräusserer den Zuschlag erklärt. Da als Voraussetzung für diese Ausnahme
ausdrücklich aufgestellt ist, an der Steigerung müsse jedermann bieten können,
so lässt sie sich nicht anwenden auf Versteigerungen von Erbschaftssachen
unter den Erben, wo also nur die Erben bieten können. Gerade die öffentliche
Auskündigung und die unbeschränkte Teilnahme bieten gewisse Garantien, um
derentwillen die öffentliche Beurkundung nicht mehr unerlässlich erscheinen
mag, an denen es aber bei blosser Versteigerung in dem zum voraus
geschlossenen Kreis von einigen wenigen Erben eben fehlt. Auf die weitere
Ausnahme des Art. 634 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 634 - 1 Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
1    Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
2    Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form.
ZGB, wonach der Erbteilungsvertrag zu seiner
Gültigkeit bloss der schriftlichen Form bedarf, und zwar auch bezüglich der
Liegenschaften (BGE 47 II 251), kommt für den vorliegenden Fall nichts

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an, weil sie die Unterzeichnung aller Erben oder ihrer Bevollmächtigten
voraussetzt, während es hier an jeglicher Unterschrift der Beschwerdeführerin
oder eines Bevollmächtigten derselben fehlt. Noch weniger trifft zu, dass die
Versteigerung unter den Miterben gar nicht einen Kaufvertrag darstelle,
überhaupt nicht einen Vertrag auf Eigentumsübertragung, sondern dass den
Erwerbsgrund das richterliche Urteil Über die Anordnung der dann am 4. Juli
vollzogenen Steigerung darstelle, weshalb der Erwerber gemäss Art. 656 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 656 - 1 Zum Erwerbe des Grundeigentums bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
1    Zum Erwerbe des Grundeigentums bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
2    Bei Aneignung, Erbgang, Enteignung, Zwangsvollstreckung oder gerichtlichem Urteil erlangt indessen der Erwerber schon vor der Eintragung das Eigentum, kann aber im Grundbuch erst dann über das Grundstück verfügen, wenn die Eintragung erfolgt ist.

und 665 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 665 - 1 Der Erwerbsgrund gibt dem Erwerber gegen den Eigentümer einen persönlichen Anspruch auf Eintragung und bei Weigerung des Eigentümers das Recht auf gerichtliche Zusprechung des Eigentums.
1    Der Erwerbsgrund gibt dem Erwerber gegen den Eigentümer einen persönlichen Anspruch auf Eintragung und bei Weigerung des Eigentümers das Recht auf gerichtliche Zusprechung des Eigentums.
2    Bei Aneignung, Erbgang, Enteignung, Zwangsvollstreckung oder Urteil des Gerichts kann der Erwerber die Eintragung von sich aus erwirken.
3    Änderungen am Grundeigentum, die von Gesetzes wegen durch Gütergemeinschaft oder deren Auflösung eintreten, werden auf Anmeldung eines Ehegatten hin im Grundbuch eingetragen.575
ZGB die Eintragung von sich aus erwirken könne. Hiefür kommen
nur solche gerichtliche Urteile in Betracht, die das Eigentum unmittelbar
demjenigen zusprechen, welcher seine Eintragung anmeldet, was hier nicht der
Fall ist, und zudem würde, es hier an der von Art. 18 der Grundbuchverordnung
in fine geforderten urteilsmässigen Ermächtigung zur Eintragung fehlen. -Nun
hat aber über die Versteigerung vom 4. Juli vorderhand nur eine
privatschriftliche Beurkundung der Teilnehmer an derselben stattgefunden,
nicht eine öffentliche Beurkundung durch einen nach dem kantonalen Recht dafür
zuständigen Beamten. Ob diese allfällig, ohne Wiederholung der Versteigerung
in Anwesenheit eines Urkundsbeamten, nachgeholt werden könne, kann
dahingestellt bleiben; denn auch wenn die nachträgliche öffentliche
Beurkundung auf kein Hindernis stiesse, so fehlt es jedenfalls gegenwärtig an
diesem Erfordernis für die angemeldete Eintragung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird begründet erklärt, der angefochtene Entscheid aufgehoben
und das Grundbuchamt angewiesen, die Anmeldung abzuweisen.
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Document : 63 I 30
Date : 01. Januar 1936
Published : 11. März 1937
Source : Bundesgericht
Status : 63 I 30
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Ist Beschwerde zulässig gegen Abweisung einer «Einsprache» gegen eine Anmeldung beim Grundbuchamt?...


Legislation register
OR: 216  229
ZGB: 612  634  656  657  665  905  965
BGE-register
47-II-251 • 63-I-30
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