S. 74 / Nr. 17 Doppelbesteuerung (d)

BGE 62 I 74

17. Auszug aus dem Urteil vom 8. Mai 1936 i. S. Metallophon Co. A.-G. gegen
Verwaltungsgericht Bern.


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Regeste:
Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV: Wenn der in ein Veranlagungsverfahren Einbezogene die
Steuerhoheit des betreffenden Kantons bestreitet, so ist diese Frage vor jedem
weitern Veranlagungsverfahren vorweg zu entscheiden, auch wenn das kantonale
Recht ein solches Verfahren nicht kennt.

Aus dem Tatbestand:
Die Rekurrentin ist eine Aktiengesellschaft mit Rechtsdomizil in Glarus, aber
mit faktischem, Domizil in Bern. Sie wurde pro 1933 von den bernischen
Steuerbehörden zur Einreichung einer Selbstsatzungserklärung aufgefordert,
lehnte aber deren Einreichung wie auch weitere Auskünfte deswegen ab, weil sie
im Kanton Bern nicht steuerpflichtig sei. Daraufhin wurde die Rekurrentin von
Amtes wegen veranlagt, wogegen sie die staatsrechtliche Beschwerde erhob. Das
Bundesgericht hat daraufhin die Rekurrentin als in der Tat im Kanton Bern
steuerpflichtig erklärt; es hat aber trotzdem den bernischen
Veranlagungsentscheid aufgehoben, mit der
Begründung:
3.- Die Rekurrentin ficht die bernische Steuerveranlagung ausser dem Grundsatz
auch noch dem Betrag nach an. Dem Betrag nach ist eine kantonale
Steuerveranlagung vom Bundesgericht grundsätzlich nur aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV zu prüfen,
und zwar auch wenn es sich um eine Ermessensschätzung wegen Nichterfüllung der
Auskunftspflicht durch den Steuerpflichtigen handelt. Der Staatsgerichtshof
hat dann zu prüfen, ob die kantonalgesetzlichen Voraussetzungen für eine
Ermessensschätzung ohne Willkür haben als erfüllt betrachtet werden können.
und wenn ja,

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ob die Ermessensschätzung nicht auf einer willkürlichen Überschreitung der
behördlichen Ermessensfreiheit beruhe. Anders aber verhält es sich, wenn der
Besteuerte sich darum nicht auf das Veranlagungsverfahren eingelassen hat,
weil er nach seiner Auffassung der Steuerhoheit dieses Kantons überhaupt nicht
unterliegt.
Die aus Art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV abgeleiteten Doppelbesteuerungsgrundsätze grenzen die
kantonalen Steuerhoheiten gegeneinander ab. Sie bestimmen den örtlichen
Geltungsbereich der kantonalen Steuerrechte unter sich, und zwar den Bereich
des formellen wie des materiellen Rechts. Wer nach Doppelbesteuerungsrecht der
Hoheit nicht dieses, sondern eines andern Kantons untersteht, kann also von
diesem Kanton nicht nur nicht mit einer Steuer belegt, sondern auch nicht in
ein Steuerveranlagungsverfahren einbezogen werden. Bestreitet der zur
Veranlagung Herangezogene die Steuerhoheit des Veranlagungskantons, so muss
vor jedem weitern Veranlagungsverfahren zuerst rechtskräftig erkannt werden,
ob er dieser Steuerhoheit überhaupt unterliege (vgl. BGE 60 I 346 f.). Die
Fortsetzung des Veranlagungsverfahrens vor einem solchen Entscheid verletzt
Art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV, es sei denn, dass das Bundesgericht in einem frühern
staatsrechtlichen Verfahren bei gleicher Sachlage die Steuerhoheit des
Veranlagungskantons über den gleichen Steuerpflichtigen schon bejaht habe.
Dieser Anspruch des Bürgers auf Vorausbeurteilung der Steuerhoheitsfrage
besteht auf Grund von Art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV, ohne Rücksicht darauf, ob das kantonale
Recht ein solches Vorverfahren kenne oder nicht.
Allerdings kann der von einem andern Kanton Besteuerte die Einrede aus Art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11

BV unter Umständen auch noch im Rechtsöffnungsverfahren geltend machen, sobald
auf Grund des ausserkantonalen Veranlagungsentscheides in seinem Kanton die
Rechtsöffnung verlangt wird; er kann auch nach Abweisung der Einrede durch den
Rechtsöffnungsrichter dagegen die Doppelbesteuerungsbeschwerde erheben.
Ausserdem kann er die Doppelbesteuerungsbeschwerde schon gegen die ersten
Massnahmen des

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Veranlagungskantons, namentlich also schon gegen die Aufforderung zur
Selbstschatzung erheben. Wenn aber im erstern Fall (BGE 51 I 204; 59 I 26) die
im Rechtsöffnungsverfahren erhobene Doppelbesteuerungseinrede rechtskräftig
abgewiesen wird, so ist dann eben der Veranlagungsentscheid vollstreckbar,
ohne dass dem Besteuerten noch Gelegenheit zur Erhebung seiner materiellen
Einreden gegen ihn gegeben wäre. Im zweiten Fall kann der zur Besteuerung
Herangezogene wohl einer Veranlagung dadurch zuvorkommen, dass er die
Doppelbesteuerungsbeschwerde ans Bundesgericht schon bei Einleitung des
Veranlagungsverfahrens erhebt. Er hat aber aus Art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV selbst ein Recht
darauf, der Beschwerde ans Bundesgericht vorgehend erst den kantonalen
Instanzenzug ganz oder teilweise zu erschöpfen - dies obschon die
Doppelbesteuerungsbeschwerde dessen vorgehende Erschöpfung nicht verlangt (BGE
48 I 501). Deshalb steht ihm ein Anspruch darauf zu, dass dem
Veranlagungsverfahren vorausgehend durch die zuständige kantonale Behörde
zuerst darüber entschieden werde, ob er nach interkantonalem Steuerrecht hier
überhaupt in ein Veranlagungsverfahren gezogen werden könne. Die Durchführung
des Veranlagungsverfahrens bei bestrittener Steuerhoheit ohne diesen
Vorentscheid verletzt Art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV.
Die Rekurrentin hatte den bernischen Veranlagungsbehörden gegenüber für das
Steuerjahr 1933 unter Berufung auf interkantonales Steuerrecht ihre
Steuerpflicht im Kanton Bern bestritten. Aus diesem Grunde hat sie die
Auskunft verweigert. Die Durchführung des Veranlagungsverfahrens vor
rechtskräftiger Beurteilung der Einrede fehlender Steuerpflicht und ohne
Teilnahme der Rekurrentin am Verfahren verletzt also den Art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV. Der
Veranlagungsentscheid muss in dem Sinn aufgehoben werden, dass das
Veranlagungsverfahren nunmehr nach rechtskräftiger Feststellung der
Steuerpflicht neu durchgeführt werde, wobei die Rekurrentin Gelegenheit haben
wird, ihre Verfahrensrechte auszuüben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 62 I 74
Date : 01. Januar 1936
Published : 08. Mai 1936
Source : Bundesgericht
Status : 62 I 74
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Art. 46 Abs. 2 BV: Wenn der in ein Veranlagungsverfahren Einbezogene die Steuerhoheit des...


Legislation register
BV: 4  46
BGE-register
48-I-491 • 51-I-202 • 59-I-24 • 60-I-342 • 62-I-74
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appeal relating to public law • assessment decree • assessment procedure • cantonal administration • cantonal law • corporation • decision • double taxation • duty to give information • ex officio • federal court • fiscal sovereignty • hamlet • preliminary proceedings • question • residence • statement of affairs • substantive law