S. 46 / Nr. 11 Lotteriegesetz (d)

BGE 62 I 46

11. Urteil des Kassationshofes vom 30. März 1936 i. S. Bruggmann gegen Aargau,
Staatsanwaltschaft.


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Regeste:
Lotterieveranstaltung liegt bei direkter Gewinnziehung gleich wie bei Los-
oder Nummernziehung vor. Das Erfordernis der Planmässigkeit ist gegeben,
sobald zum voraus bestimmte Gewinne durch ein auf Zufall gestelltes Mittel
verteilt werden, gleichgültig ob der Umfang der Veranstaltung zum vornherein
festgelegt ist oder je nach ihrem anfänglichen Verlaufe eine Erweiterung oder
Einschränkung erfahren soll, und gleichgültig, ob der Veranstalter über Zahl
und Art der Gewinne mehr oder weniger genaue Angaben gemacht hat. Es genügt,
dass der Zufall über Grösse oder Beschaffenheit des dem einzelnen Teilnehmer
zufallenden Gewinnes entscheidet. (Erw. 1, c).
Einem Lotterieeinsatz i. e. S. steht der zur Bedingung der Teilnahme gemachte
Abschluss eines Rechtsgeschäftes gleich, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob
die vom Teilnehmer verlangte Gegenleistung einen Überpreis enthält oder nicht.
(Erw. 1, a).
Unerheblich ist, ob vom Teilnehmer ausserdem die richtige Beantwortung von
Fragen (über den Geschäftssitz des Veranstalters u. ä.) verlangt wird. (Erw.
1, b).
Bewusstsein der Rechtswidrigkeit als Begriffselement des Vorsatzes. (Erw. 2).
Lotteriegesetz vom 8. Juni 1923, Art. 1, 4, 46. Bundesstrafrecht vom 4.
Februar 1853, Art. 11.

A. - Die Seifenfabrik Sunlight in Olten versandte an
die Haushaltungen im Kanton Aargau ein vierseitiges
Blatt mit der Aufschrift «Ein guter Fang... ein schöner

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Preis winkt auch Ihnen aus der Sunlight-Überraschungskiste». Darin werden die
Hausfrauen eingeladen, ein Sunlight-Sortiment-Paket, enthaltend einen grossen
Sunlightwürfel zu 50 Rp., zwei grosse Büchsen Vim zu 1 Fr. 30 Cts. und zwei
kleine Pakete Lux zu 1 Fr., alles zusammen im Werte von 2 Fr. 80, zu kaufen.
«Jeder Käufer des Sunlight-Sortiment-Paketes», heisst es weiter, «kann, falls
er zwei Fragen auf dem nebenstehenden Fragebogen richtig beantwortet, nach
freier Wahl aus der Sunlight-Überraschungskiste als Preis ein
Überraschungspaket herausnehmen. Der Inhalt eines Überraschungspaketes hat
einen Wert von mindestens 1 Fr., aber es gibt auch Pakete dabei mit
Gutscheinen für Naturalpreise (Toilettenartikel, Uhren, Lederwaren, Bestecke,
Küchenutensilien etc.) im Werte von 5 Fr., 20 Fr., ja sogar 150 Fr.». Die zu
beantwortenden Fragen des angefügten Bogens lauten:
1. In welchem Ort der deutschen Schweiz befindet sich die Seifenfabrik
Sunlight, wo Sunlight Seife, Lux, Vigor und Lux Toilet Soap erzeugt werden?
2. Ist Vim auch ein Produkt der Seifenfabrik Sunlight?
B. - Die aargauische Finanzdirektion, der nach der aargauischen
Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Lotterien und die
gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923 die Handhabung dieses Gesetzes
obliegt, betrachtete diese Reklameaktion als Lotterieveranstaltung und
forderte die Firma auf, sie einzustellen. Da die Aufforderung nicht befolgt
wurde, veranlasste sie die Einleitung des Strafverfahrens gegen den
verantwortlichen Direktor.
Das Bezirksgericht Aarau sprach den Beschuldigten frei, das Obergericht des
Kantons Aargau erklärte ihn dagegen mit Urteil vom 7. November 1935 der
Widerhandlung gegen die Art. 1 und 4 des eidgenössischen Lotteriegesetzes
schuldig und büsste ihn mit 100 Fr.
Gegen dieses Urteil hat der Gebüsste beim Kassationshof des Bundesgerichtes
Nichtigkeitsbeschwerde erhoben mit dem Antrag auf Aufhebung des
obergerichtlichen

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Urteils und Freispruch. Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht beantragen
Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung;
1.- Art. 1 des eidgenössischen Lotteriegesetzes, der die Lotterien (unter
Vorbehalt der hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen) verbietet,
bezeichnet als Lotterie «jede Veranstaltung, bei der gegen Leistung eines
Einsatzes oder bei Abschluss eines Rechtsgeschäftes ein vermögensrechtlicher
Vorteil als Gewinn in Aussicht gestellt wird, über dessen Erwerbung, Grösse
oder Beschaffenheit planmässig durch Ziehung von Losen oder Nummern oder durch
ein ähnliches auf Zufall gestelltes Mittel entschieden wird». Der
Beschwerdeführer will der von der Seifenfabrik Sunlight unternommenen
Reklameaktion den Charakter einer Lotterieveranstaltung abgesprochen wissen.
Da die Sortimentpakete zum gewöhnlichen Preis der darin zusammengestellten
Waren abgegeben wurden, könne weder von einem Rechtsgeschäft mit verstecktem
Lotterieeinsatz noch von Lotteriegewinnen gesprochen werden. Es handle sich
nur um Gratis-Dreingaben. Vor allen Dingen fehle es an einem Spiel- oder
Lotterieplan und überhaupt an einem lediglich auf Zufall gestellten
Gewinnausmittlungsverfahren. Ein Verlust sei für jedermann ausgeschlossen und
anderseits der Erwerb einer Gabe wesentlich von der Beantwortung der zwei
erwähnten Fragen, also von einem keineswegs zufälligen Umstande, abhängig
gemacht worden.
Diese Betrachtungsweise hält einer näheren Prüfung nicht stand.
a) Nach der erwähnten Bestimmung ist eine Lotterie in gleicher Weise verboten,
wenn als Vorbedingung für die Teilnahme der Abschluss eines Rechtsgeschäftes
verlangt wird, wie wenn sich die Teilnahme an die Leistung eines
ausschliesslich hiefür bestimmten Einsatzes knüpft. Freilich fallen namentlich
Rechtsgeschäfte in Betracht, bei

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denen die Teilnehmer einen versteckten Einsatz in Form eines Überpreises oder
einer andern zusätzlichen Leistung einzuwerfen haben (vgl. BLUMENSTEIN,
Gutachten und Gesetzesentwurf betreffend bundesrechtliche Regelung des
Lotteriewesens, 1913, S. 67). Die Bestimmung erfasst aber auch
Rechtsgeschäfte, die den Teilnehmer nur zur Leistung des gewöhnlichen,
marktmässigen Gegenwertes einer Ware verpflichten. Sie will eben das Publikum
allgemein davor schützen, durch die Aussicht auf einen Lotteriegewinn zu
irgendwelchen Ausgaben veranlasst zu werden. Es braucht sich nicht um Ausgaben
zu handeln, die sich, wenn auch nicht als nachteilig, so doch als überflüssig
darstellen (wie etwa im Falle BGE 52 I 64), vielmehr ist es verpönt, das
Publikum durch Beteiligung an einer Lotterie zum Abschluss von Geschäften
irgendwelcher Art anzulocken. Die vom Beschwerdeführer vertretene
einschränkende Auslegung findet im Gesetze keinen Halt.
b) Weitere Vorbedingung für die Gewinnung eines Überraschungspreises ist bei
der Veranstaltung der Seifenfabrik Sunlight die richtige Beantwortung der zwei
erwähnten Fragen. Das ändert an der Natur der Veranstaltung nichts. Falls die
übrigen Voraussetzungen einer Lotterie zutreffen, was noch zu prüfen sein
wird, ist der Übertretungstatbestand ungeachtet des Fragebogens gegeben. Die
veranstaltende Firma verfolgt damit den Zweck, das Publikum in besonderer
Weise auf ihren Gesellschaftssitz und ihr Erzeugnis Vim aufmerksam zu machen.
Die Beantwortung dieser Reklamefragen tritt neben den Kauf des
Sortimentpaketes als Leistung besonderer Art, die wie dieser Kauf geradezu als
Einsatz im weiteren Sinne gewertet zu werden verdient, jedenfalls dessen
Bedeutung unberührt lässt (vgl. BGE 48 I 154).
c) Ob die hier zu beurteilende Veranstaltung eine Lotterie darstelle, hängt
somit nur noch davon ab, ob über die Erwerbung, Grösse oder Beschaffenheit der
Überraschungspreise in einem Verfahren entschieden wird, das die im Gesetze
vorgesehenen Merkmale einer Lotterie

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aufweist. Dass die Erwerbung eines Gewinnes überhaupt für die Teilnehmer
ungewiss sei, ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes, woran die
gegenteilige vom Beschwerdeführer versuchte Auslegung ohne weiteres scheitert,
nicht vorausgesetzt. Eine Lotterie kann darnach auch vorliegen, wenn jeder
Teilnehmer einen Gewinn erhält und das Auslosungsverfahren nur die Zuweisung
der Gewinne nach Grösse und (oder) Beschaffenheit zum Gegenstande hat. Es ist
auch bereits entschieden worden, dass ein Verlustrisiko für den Begriff der
Lotterie nicht wesentlich ist (BGE 58 I 279). Darin ist dem Beschwerdeführer
freilich Recht zu geben, dass sich die Lotterie von andern, nur unter
besondern Voraussetzungen bundesrechtlich verbotenen Glückspielen durch eine
gewisse Planmässigkeit unterscheidet, was in Art. 1 des Gesetzes in den
Wendungen «planmässig», «d'après un plan», «seguendo un piano prestabilito»
zum Ausdrucke kommt. Allein diese Planmässigkeit ist vorhanden, wenn, wie
hier, zum voraus bestimmte Gewinne verschiedener Art in äusserlich
gleichartige Pakete verteilt zur Ausrichtung gelangen. Dass im Werbeprospekt
nur die Wertkategorien selbst und nicht auch die den einzelnen Kategorien
zugeteilten Stücke angegeben sind, lässt das Verbot keineswegs hinfällig
werden. Mag auch im Allgemeinen die Pflicht bestehen, in einem
Bewilligungsgesuch nach Art. 7 des Lotteriegesetzes nähere Angaben darüber zu
machen, um der Behörde die Beurteilung der Angemessenheit des Verhältnisses
zwischen dem Gesamtwert der ausgesetzten Gewinne und der Verlosungssumme zu
ermöglichen, so kann doch keine Rede davon sein, dass ein Veranstalter es in
der Hand. hat, durch Unterlassung solcher Angaben den Bewilligungszwang
auszuschalten oder gar eine schlechthin verbotene Veranstaltung zu einer
erlaubten zu machen. Auch darauf kommt nichts an, ob die Veranstaltung in
ihrer Ausdehnung fest begrenzt ist oder je nach dem anfänglichen Erfolge in
grösserem oder kleinerem Masstabe weitergeführt werden soll. Eine Lotterie
verliert ihren Charakter nicht dadurch,

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dass sie allenfalls nachträglich gegenüber dem ursprünglichen Plane erweitert
oder dass von der vollständigen Durchführung dieses Planes nachträglich aus
irgendwelchen Gründen abgesehen wird. Dass der hier angewendete
Verteilungsmodus im übrigen ein der Ziehung von Losen ähnliches Verfahren
darstellt, springt in die Augen. Die direkte Ziehung der Gewinne in gleicher
Verpackung beruht auf dem nämlichen Zufallsprinzip. Endlich steht der
Anwendung des Lotteriegesetzes nicht entgegen, dass die Veranstaltung ferner
unter dem Gesichtspunkt eines (erlaubten oder unerlaubten) Wettbewerbes
betrachtet werden könnte. Das eine schliesst das andere nicht aus. Hier ist
entscheidend, dass die ausgesetzten verschiedenartigen Gewinne, wie dargetan,
lotteriemässig von den Teilnehmern gezogen werden. Die Veranstaltung fällt
also unter das Lotterieverbot. Nach Art. 4 des Gesetzes ist sowohl deren
Ankündigung oder Bekanntmachung wie auch die Ausrichtung der Gewinne
untersagt.
2.- Mit Recht nimmt das Obergericht eine vorsätzliche Übertretung, mindestens
in der Eventualform, als erwiesen an. Zwar ist hiefür nach dem in Verbindung
mit Art. 46 des Lotteriegesetzes anwendbaren Art. 11 des Bundesstrafrechtes
entgegen den Ausführungen des vorinstanzlichen Urteils erforderlich, dass die
Handlung mit Bewusstsein der Rechtswidrigkeit begangen worden sei (vgl. BGE 60
I 418
/9). Dies trifft hier aber zu. Dem Beschwerdeführer konnte nicht
entgehen, dass der Wortlaut des Art. 1 des Lotteriegesetzes seine
Reklameaktion erfasst; es konnte sich nur fragen, ob eine einschränkende
Auslegung der Begriffe des Rechtsgeschäftes und der Planmässigkeit die
Veranstaltung allenfalls dem Verbot entrücken könne. Die mit der
eidgenössischen Steuerverwaltung gepflogene Korrespondenz, die sich in erster
Linie auf den Nebenpunkt der von den Teilnehmern zu beantwortenden Fragen
bezog (deren zweite schon auf Grund der Ausführungen des Prospektes zu bejahen
ist und deren erster jeder Unkundige mit einer leicht zu beschaffenden

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Erkundigung beizukommen vermag), war nicht geeignet, die auf der Hand
liegenden Zweifel zu beseitigen. Mochten die Bedenken anfänglich gering sein,
so mussten sie sich mit dem Eingreifen der Behörde, der die Überwachung des
Lotteriewesens im Kanton Aargau obliegt, so verstärken, dass gegenüber der
Weigerung, daraufhin die Reklameaktion einzustellen, und der demzufolge
unternommenen Weiterführung der Vorwurf der vorsätzlichen Widerhandlung
begründet ist.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 62 I 46
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 30. März 1936
Quelle : Bundesgericht
Status : 62 I 46
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Lotterieveranstaltung liegt bei direkter Gewinnziehung gleich wie bei Los- oder Nummernziehung vor...


BGE Register
48-I-149 • 52-I-64 • 58-I-277 • 60-I-412 • 62-I-46
Stichwortregister
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veranstalter • frage • aargau • paket • zufall • kassationshof • richtigkeit • wert • ware • wille • charakter • vorsatz • beschuldigter • zahl • vorteil • umfang • entscheid • kenntnis • unternehmung • form und inhalt
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