S. 36 / Nr. 11 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 61 III 36

11. Entscheid vom 5. März 1935 i. S. Hager.

Regeste:
Keine durch Beschwerde anfechtbare Verfügung ist, trotz ausdrücklicher
Ansetzung der Beschwerdefrist, die Aufforderung des Betreibungsamtes zur
Rückzahlung des einem betreibenden Gläubiger zu Unrecht zugeteilten Betrages
(Art. 17
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
SchKG).
Ne constitue pas une décision sujette à plainte, malgré l'assignation d'un
délai à cette fin, l'invitation d'un créancier par l'office de lui restituer
une somme touchée à tort (Art. 17 LP).
La diffida ad un creditore di restituire all'ufficio un importo versato Rh a
torto non costituisce una decisione suscettibile

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d'essere impugnata mediante reclamo neppure quando un termine venne
esplicitamente fissato al creditore per procedere in tal modo (art. 17 LEF).

A. - D. Winkler verlangte als Bürge des Eugen Hager-Polli bei der
Schweizerischen Volksbank von jenem Sicherstellung für 13744 Fr., nahm einen
Arrest auf Liegenschaftsanteile heraus, für die jedoch gemäss Art. 277
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 277 - Die Arrestgegenstände werden dem Schuldner zur freien Verfügung überlassen, sofern er Sicherheit leistet, dass im Falle der Pfändung oder der Konkurseröffnung die Arrestgegenstände oder an ihrer Stelle andere Vermögensstücke von gleichem Werte vorhanden sein werden. Die Sicherheit ist durch Hinterlegung, durch Solidarbürgschaft oder durch eine andere gleichwertige Sicherheit zu leisten.480
SchKG
durch Solidarbürgschaft der Schweizerischen Kreditanstalt Sicherheit geleistet
wurde, und führte die Betreibung auf Sicherheitsleistung durch. Als die
Schweizerische Kreditanstalt hierauf 15226 Fr. 90 Cts. an das Betreibungsamt
bezahlte, zahlte dieses einen Teilbetrag von 3475 Fr. 90 Cts. an Winkler aus.
Eine darauf vom Mitbürgen Ernst Hager als Zessionar der Schweizerischen
Kreditanstalt gegen Winkler erhobene Klage auf Rückzahlung dieser (auf 3085
Fr. 70 Cts. reduzierten) Summe wurde durch Berufungsurteil des Bundesgerichtes
vom 3. Juli 1934 abgewiesen, und zwar weil «der Schweizerischen Kreditanstalt
bezw. dem Kläger als deren Zessionar ein direkter Anspruch gegen den Beklagten
nicht zusteht», obwohl «der Beklagte aus seiner gegenüber der Volksbank für
den Hauptschuldner Hager-Polli eingegangenen Bürgschaft bis heute noch nichts
bezahlt hat und ihm infolgedessen gegen den Hauptschuldner auch noch keine
Regressforderung zusteht, für die er die durch die Kreditanstalt bestellte
Sicherheit in Anspruch nehmen könnte». «Sache des Betreibungsamtes ist es, den
Betrag vom Beklagten wieder beizubringen. Dem Betreibungsamt hat die
Kreditanstalt die Bürgschaft geleistet und in Erfüllung der
Bürgschaftsverpflichtung das Geld ausbezahlt. An dieses muss sie bezw. muss
ihr Zessionar sich deshalb halten, wenn das Geld nicht richtig verwendet
worden ist».
Gestützt auf dieses Urteil schrieb das Betreibungsamt an Winkler: «Wir fordern
Sie auf, uns den erwähnten Betrag wieder zuzustellen... Beschwerdefrist 10
Tage...»
Hierauf führte Winkler Beschwerde mit dem Antrag,

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er sei nicht verpflichtet, an das Betreibungsamt 3745 Fr. 30 Cts.
zurückzuerstatten.
Die untere Aufsichtsbehörde ist auf die Beschwerde nicht eingetreten.
Diesen Entscheid hat Ernst Hager an die obere Aufsichtsbehörde und nach
Abweisung an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag auf Aufhebung des
Entscheides der unteren Aufsichtsbehörde und Abweisung der Beschwerde,
eventuell Rückweisung zur materiellen Beurteilung der Beschwerde.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Rekurrent durch den weitergezogenen
Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde beschwert wäre. Allein bei der von der
Vorinstanz nichtsdestoweniger ausgesprochenen Zulassung der Weiterziehung ist
jener Entscheid zu bestätigen. Eine durch Beschwerde anfechtbare Verfügung des
Betreibungsamtes liegt nur vor bei Handlungen, die es im Rahmen seiner
amtlichen Befugnisse vornimmt, und die für den davon Betroffenen einen
Rechtsnachteil zur Folge haben können. Dies ist bei Zahlungen des
Betreibungsamtes nur insofern der Fall, als sie an einen nicht darauf
Berechtigten geleistet werden. Damit nicht der Anspruch des wahren
Berechtigten beeinträchtigt werde, kann er gegen eine solche Zahlung
Beschwerde führen, freilich nicht mit dem Ziel der Aufhebung der Zahlung,
sondern nur mit dem Antrag, dass ungeachtet der bereits, aber eben an den
Unberechtigten, geleisteten Zahlung nochmals gezahlt werde und zwar an ihn,
den auf diese Zahlung Berechtigten. Will sich dann das Betreibungsamt (der
Justizfiskus) beim unberechtigten Empfänger der ersten Zahlung erholen, so
steht ihm hiefür keine Amtsgewalt zu Gebote, d. h. es kann dem
Zahlungsempfänger nicht einfach den bezahlten Betrag bezw. dessen Äquivalent
an Geld oder verwertbaren Vermögensgegenständen irgendwelcher Art

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wegnehmen, weil das SchKG keinen derartigen Rechtsbehelf vorsieht. Vielmehr
ist das Betreibungsamt auf den gewöhnlichen Rechtsbehelf zur Rückgängigmachung
von ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlungen angewiesen, also auf die
gerichtliche Klage aus ungerechtfertigter Bereicherung (sofern seiner
Zahlungsaufforderung nicht gutwillig Folge geleistet oder gegen seinen
Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag erhoben wird). Dabei hilft dem Betreibungsamt
seine eigene Zahlungsaufforderung in keiner Weise, auch wenn der Belangte sie
ohne Widerspruch hat an sich herankommen lassen; zumal dient sie ihm nicht
etwa als Rechtsöffnungstitel, eben weil es an jeglicher ihm durch das SchKG
verliehenen bezüglichen amtlichen Befugnis fehlt. Aus dem gleichen Grunde
können auch nicht etwa die Aufsichtsbehörden dem Betreibungsamt mit einem den
unberechtigten Zahlungsempfänger zur Rückzahlung verurteilenden Entscheid
helfen, weshalb die Ansetzung einer Beschwerdefrist ganz unbehelflich war.
Vielmehr kann ein das Betreibungsamt zu nochmaliger Zahlung (an den
Berechtigten) verurteilender Entscheid der Aufsichtsbehörden nur im
Bereicherungsprozess zum Nachweis dafür dienen, dass die erste Zahlung ohne
Rechtsgrund geleistet worden ist. Und im vorliegenden Falle wird das
Betreibungsamt von dem vorgezeichneten Vorgehen insbesondere nicht etwa durch
das Berufungsurteil des Bundesgerichtes entbunden, an dem das Betreibungsamt
ja nicht als Partei beteiligt ist und das auch gar nicht zur Verurteilung des
Winkler geführt hat. Somit ist die Zahlungsaufforderung an Winkler zwar eine
Willensäusserung des Betreibungsamtes, jedoch mit keiner weitergehenden
Rechtswirkung ausgestattet als derartige Aufforderungen von Privatleuten, und
daher nicht eine Verfügung im Sinne des Art. 17
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
SchKG. Bezüglich solcher nicht
der Amtsgewalt entspringenden Willensäusserungen des Betreibungsamtes besteht
auch kein Bedürfnis dafür, dass sie auf ihre Angemessenheit und
Rechtsmässigkeit von den Aufsichtsbehörden nachgeprüft werden; irgend

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welche Rechtsverbindlichkeit käme ja auch einem beides bejahenden Entscheid
ohnehin nicht zu.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 III 36
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 05. März 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 III 36
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Keine durch Beschwerde anfechtbare Verfügung ist, trotz ausdrücklicher Ansetzung der...


Gesetzesregister
SchKG: 17 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
277
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 277 - Die Arrestgegenstände werden dem Schuldner zur freien Verfügung überlassen, sofern er Sicherheit leistet, dass im Falle der Pfändung oder der Konkurseröffnung die Arrestgegenstände oder an ihrer Stelle andere Vermögensstücke von gleichem Werte vorhanden sein werden. Die Sicherheit ist durch Hinterlegung, durch Solidarbürgschaft oder durch eine andere gleichwertige Sicherheit zu leisten.480
BGE Register
61-III-36
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
betreibungsamt • zessionar • geld • zahlungsaufforderung • weiler • verurteilung • untere aufsichtsbehörde • bundesgericht • beschwerdefrist • beklagter • rechtsgrund • entscheid • rechtsmittel • gericht • bescheinigung • schuldbetreibungs- und konkursrecht • angewiesener • tag • richtigkeit • betreibung auf sicherheitsleistung
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