S. 143 / Nr. 42 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 61 III 143

42. Entscheid vom 15. Oktober 1935 i. S. Wyss-Berger.

Regeste:
Unpfändbar können unter Umständen auch Gegenstände sein, die nicht dem
täglichen Gebrauche dienen, und solche, die gerade zur Zeit der Pfändung wegen
der Möglichkeit der Verwendung anderer (nicht dem Schuldner gehörender)
Gegenstände entbehrt werden könnten. Art. 92 (Ziff. 2) SchKG.
Sont, le cas échéant, insaisissables même les objets qui ne servent pas à
l'usage quotidien et même ceux dont le débiteur pourrait se passer au moment
de la saisie parce qu'à cette époque il peut utiliser d'autres objets (qui ne
lui appartiennent pas). Art. 92, no 2, LP.
Sono inoppignorabili anche gli oggetti che non servono all'uso quotidiano e
anche quelli di cui il debitore potrebbe privarsi al momento del pignoramento
potendo egli, in quel momento, servirsi di altri oggetti (che però non gli
appartengono). Art. 92 cif 2 LEF.

Der Melker Otto Wyss-Berger in Waltrigen, der eine Frau und zwei kleine Kinder
hat und bald ein drittes erwartet, beschwert sich über die Pfändung eines auf
20 Fr. geschätzten Holzkoffers, den er als unentbehrliches Stück des Hausrates
anspricht; er besitzt im übrigen ein grosses und ein kleines Bett, eine
Kommode, einen Nachttisch, zwei Schränke und zwei Tische mit vier Stühlen. Der
Holzkoffer

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wird laut Bericht des Betreibungsweibels gegenwärtig zur Aufbewahrung von
Wäsche benutzt, wozu er aber nicht unentbehrlich sei, da in der Wohnung
genügend Schränke vorhanden seien.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde am 21. September 1935
abgewiesen, mit der Begründung, aus den erwähnten Feststellungen ergebe sich
die Entbehrlichkeit des Koffers.
Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen. Es wird
speziell geltend gemacht, der Rekurrent müsse auf den 20. Oktober eine neue
Stelle beziehen und habe den Koffer nötig, um Kleider und Wäsche mitzunehmen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Unentbehrlich im Sinne von Art. 92 Ziff. 2 SchKG sind nicht nur solche
Gegenstände, die Tag für Tag gebraucht werden müssen, sondern auch solche, die
mehr oder weniger gelegentlichen, nichtsdestoweniger notwendigen und unter den
gegebenen Verhältnissen zu berücksichtigenden Verwendungen zu dienen haben.
Dazu gehört für eine Familie wie die des Rekurrenten im besondern auch der
Umzug in eine neue Wohnung, wofür ein Koffer in der Tat nicht entbehrt werden
kann. Damit erweist sich die Beschwerde als begründet, ohne dass geprüft zu
werden braucht, ob sich die Freigabe des Koffers nicht auch aus der Erwägung
rechtfertigen liesse, dass von vornherein mit der Möglichkeit der
Übersiedelung in eine weniger gut ausgestattete Wohnung oder auch mit der
Notwendigkeit einer durch die Arbeitsverhältnisse bedingten vorübergehenden
Trennung des Haushaltes zu rechnen sei, wobei der Rekurrent oder andere
Familienglieder in Ermangelung anderer Behältnisse zur Aufbewahrung ebenfalls
des Koffers bedürften. Solche Verhältnisse sind bei der Pfändung in Betracht
zu ziehen, wenn sie in der Lage des Schuldners begründet sind und im Bereich
der natürlichen

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Entwicklung der Dinge liegen, wogegen freilich nur entfernte Möglichkeiten
ausser Betracht fallen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird begründet erklärt und die Pfändung des Koffers aufgehoben.
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 61 III 143
Date : 01 janvier 1935
Publié : 15 octobre 1935
Source : Tribunal fédéral
Statut : 61 III 143
Domaine : ATF - Droit des poursuites et de la faillite
Objet : Unpfändbar können unter Umständen auch Gegenstände sein, die nicht dem täglichen Gebrauche dienen...


Répertoire des lois
LP: 92
Répertoire ATF
61-III-143
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
débiteur • montagne • jour • utilisation • motivation de la décision • mobilier • emploi • famille • ménage • tribunal fédéral • droit des poursuites et faillites