BGE 61 I 45
5. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Januar 1935 i. S. Blaser gegen
Läderach und Regierungsrat des Kantons Bern.
Regeste:
Handelsregistereintragung.
1. Bedeutung des Warenlagers für die Eintragspflicht. Massgebender Zeitpunkt,
Bestätigung der Praxis. Erw. 1.
2. Der Besitz exekutionsfähigen Vermögens ist nicht Voraussetzung für die
Eintragspflicht. Erw. 2.
A. - Am 5. Juli 1934 forderte das Handelsregisterbureau von Bern den
Beschwerdeführer auf, sich bis zum 12. Juli zur Eintragung ins Handelsregister
anzumelden. Der Beschwerdeführer betrieb in seinem Hause
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Zähringerstrasse 23/25 in Bern ein Milch- und Lebensmittelgeschäft.
Er widersetzte sich der Eintragung mit der Begründung, dass die gesetzlichen
Voraussetzungen für die Eintragspflicht nicht gegeben seien, ferner dass er an
beweglichem Vermögen nur noch einige Kompetenzstücke besitze und dass die
Grundpfandverwertung vor der Türe stehe.
B. - Das Handelsregisterbureau unterbreitete die Angelegenheit der kantonalen
Justizdirektion zuhanden des Regierungsrates als Aufsichtsbehörde.
Die Justizdirektion veranlasste polizeiliche Erhebungen, die ergaben, dass der
Beschwerdeführer hauptsächlich mit leichtverderblichen Produkten (Milch,
Butter etc.) handle und dass er einen jährlichen Umsatz von 30000 bis 35000
Fr. habe; er werde von seinen Gläubigern hart bedrängt.
Der Beschwerdeführer selber bezifferte in seiner Vernehmlassung den jährlichen
Umsatz auf 35000 bis 40000 Franken, machte aber geltend, dass das Warenlager
durchschnittlich nicht einen Wert von 2000 Fr. erreiche. Er ersuchte die
Justizdirektion, um einen Versuch zur Wiederherstellung des finanziellen
Gleichgewichtes machen zu können, um wenigstens drei Monate Aufschub für die
Handelsregistereintragung.
Die Justizdirektion bewilligte am 8. August das Gesuch mit Frist bis zum 1.
November 1934 und unter dem Vorbehalt, dass nicht ein Gläubiger vorher die
sofortige Eintragung verlange.
Am 17. Oktober stellte Architekt Läderach in Bern als Gläubiger des
Beschwerdeführers das Begehren, derselbe sei von Amtes wegen einzutragen.
Die Justizdirektion setzte dem Beschwerdeführer am 23. Oktober eine neue Frist
von 5 Tagen zur Anmeldung. Er beharrte in seinem Schreiben vom 2. November auf
dem ablehnenden Standpunkt.
C. - Hierauf hat der Regierungsrat des Kantons Bern durch Entscheid vom 15.
November 1934 die Eintragung
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von Amtes wegen verfügt und dem Beschwerdeführer 30 Fr. Verfahrenskosten
auferlegt.
Der Entscheid ist am 28. November durch einen Polizisten zugestellt worden,
der im Zustellungsverbal berichtete, der Beschwerdeführer könne die Kosten
nicht bezahlen; es seien über 100 Verlustscheine gegen ihn ausgestellt.
D. - Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 2.
Dezember 1934. Der Beschwerdeführer verlangt Aufhebung des angefochtenen
Entscheides, indem er darauf verweist, dass seine Liegenschaft am 19. Dezember
1934 öffentlich versteigert worden sei.
Der Regierungsrat des Kantons Bern, der Gläubiger Läderach und das
eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragen in ihren
Vernehmlassungen Abweisung der Beschwerde, da für die Eintragspflicht die
Verhältnisse massgebend seien, wie sie zur Zeit der an den Beschwerdeführer
ergangenen Aufforderung bestanden haben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Es steht ausser Zweifel, dass der Beschwerdeführer zur Zeit der vom
Handelsregisteramt an ihn erlassenen Aufforderung mit seinem Milch- und
Lebensmittelgeschäft, dessen jährlicher Umsatz zugestandenermassen 35000 bis
40000 Fr. betrug, gemäss Art. 865 Abs. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 865 - 1 Enthalten die Statuten keine Bestimmung über einen Abfindungsanspruch, so können die ausscheidenden Genossenschafter oder ihre Erben keine Abfindung beanspruchen. |
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1 | Enthalten die Statuten keine Bestimmung über einen Abfindungsanspruch, so können die ausscheidenden Genossenschafter oder ihre Erben keine Abfindung beanspruchen. |
2 | Wird die Genossenschaft innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden oder nach dem Tode eines Genossenschafters aufgelöst und wird das Vermögen verteilt, so steht dem Ausgeschiedenen oder seinen Erben der gleiche Anspruch zu wie den bei der Auflösung vorhandenen Genossenschaftern. |
Handelsregisterverordnung vom 6. Mai 1890 eintragspflichtig war. Dass das
Warenlager nicht durchschnittlich einen Wert von 2000 Fr. hatte, ist
unerheblich; die Vorschrift des Art. 13 Schlussabsatz der zitierten
Verordnung, wo von dieser Voraussetzung die Rede ist, kann keine Anwendung
finden auf Fälle, wo der Natur des Geschäftes nach entweder gar kein oder ein
im Verhältnis zum Umsatz nur unbedeutendes Warenlager benötigt wird;
entscheidend ist die wirtschaftliche Gesamtbedeutung des Geschäftes, die bei
einem solchen mit nur ganz geringen Warenlager zufolge raschen Umsatzes
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der Waren eine viel grössere sein kann als bei einem andern, wo vielleicht
erhebliche Bestände vorhanden sind, der Umsatz aber nur langsam vor sich geht
(vgl. das bundesgerichtliche Urteil vom 27. Juni 1933 i. S. Thomi gegen
Regierungsrat von Bern).
War der Beschwerdeführer zur Zeit, als die registeramtliche Aufforderung zur
Anmeldung an ihn ergangen ist, also eintragspflichtig, so muss die Beschwerde
abgewiesen werden; denn massgebend bleiben nach ständiger Praxis die
Verhältnisse, wie sie in jenem Zeitpunkte bestanden haben (STAMPA, Sammlung
von Entscheiden in Handelsregistersachen, Nr. 15; BGE 57 I 143; 58 I 206,
250255). Von dieser Praxis abzugehen, liegt kein Grund vor.
2.- Fragen könnte sich höchstens, ob nicht deswegen von der Eintragung
abzusehen sei, weil nach dem Polizeibericht über 100 Verlustscheine gegen den
Beschwerdeführer ausgestellt sein sollen, also offenbar gar kein
exekutionsfähiges Vermögen vorhanden ist. Bei diesen Verhältnissen werden die
Gläubiger aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf dem Wege der
Konkursbetreibung, die ja mit der Eintragung des Schuldners im Handelsregister
angestrebt wird, für ihre Forderungen keine Deckung erlangen, sondern der
Konkurs wird, sofern nicht einer der Gläubiger die Kosten der Durchführung
sicherstellt, gemäss Art. 230
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 230 - 1 Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.417 |
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1 | Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.417 |
2 | Das Konkursamt macht die Einstellung öffentlich bekannt. In der Publikation weist es darauf hin, dass das Verfahren geschlossen wird, wenn nicht innert zehn Tagen ein Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens verlangt und die festgelegte Sicherheit für den durch die Konkursmasse nicht gedeckten Teil der Kosten leistet.418 |
3 | Nach der Einstellung des Konkursverfahrens kann der Schuldner während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden.419 |
4 | Die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen leben nach der Einstellung des Konkurses wieder auf. Die Zeit zwischen der Eröffnung und der Einstellung des Konkurses wird dabei für alle Fristen dieses Gesetzes nicht mitberechnet.420 |
wieder der gewöhnlichen Betreibung unterliegen.
Allein darauf kann nicht abgestellt werden. Jeder Gläubiger hat einen
unbedingten Anspruch darauf, dass der eintragungspflichtige Schuldner
eingetragen und damit die Konkursbetreibung gegen ihn ermöglicht werde; dass
der Schuldner nachgewiesenermassen exekutionsfähiges Vermögen besitze, ist
nicht Voraussetzung. Das ergibt sich deutlich gerade aus Art. 230
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 230 - 1 Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.417 |
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1 | Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.417 |
2 | Das Konkursamt macht die Einstellung öffentlich bekannt. In der Publikation weist es darauf hin, dass das Verfahren geschlossen wird, wenn nicht innert zehn Tagen ein Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens verlangt und die festgelegte Sicherheit für den durch die Konkursmasse nicht gedeckten Teil der Kosten leistet.418 |
3 | Nach der Einstellung des Konkursverfahrens kann der Schuldner während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden.419 |
4 | Die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen leben nach der Einstellung des Konkurses wieder auf. Die Zeit zwischen der Eröffnung und der Einstellung des Konkurses wird dabei für alle Fristen dieses Gesetzes nicht mitberechnet.420 |
wonach der Gläubiger unter Sicherstellung der Kosten die Durchführung des
Konkurses auch dann verlangen kann, wenn sich keinerlei in die Masse
gehörendes Vermögen vorfindet. Dieses Recht darf den Gläubigern nicht zum
vorneherein
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dadurch abgeschnitten werden, dass einem Begehren um Eintragung des Schuldners
im Handelsregister mit Rücksicht auf dessen Vermögensverhältnisse nicht Folge
gegeben wird. Das hätte übrigens auch zur Folge, dass der unwürdige und
trölerische Schuldner, der seine Eintragung hinauszuzögern weiss, bis kein dem
Zugriff der Gläubiger offenstehendes Vermögen mehr vorhanden ist, gegenüber
dem andern, der sich pflichtgemäss eintragen lässt, in unzulässiger Weise
begünstigt würde.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.