S. 382 / Nr. 58 Registersachen (d)

BGE 61 I 382

58. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. September 1935 i. S.
Brun gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen.


Seite: 382
Regeste:
Verfügungsmacht des Willensvollstreckers: Sie ist nicht auf Verfügungen
beschränkt, die der Erblasser angeordnet hat. Ob der Willensvollstrecker
pflichtgemäss handle, hat der Grundbuchverwalter nicht zu prüfen. Art. 518
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 518 - 1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
1    Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2    Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3    Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
und
965
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 965 - 1 Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung, Löschung dürfen in allen Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden.
1    Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung, Löschung dürfen in allen Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden.
2    Der Ausweis über das Verfügungsrecht liegt in dem Nachweise, dass der Gesuchsteller die nach Massgabe des Grundbuches verfügungsberechtigte Person ist oder von dieser eine Vollmacht erhalten hat.
3    Der Ausweis über den Rechtsgrund liegt in dem Nachweise, dass die für dessen Gültigkeit erforderliche Form erfüllt ist.
ZGB.

Aus dem Tatbestand:
Der Beschwerdeführer will als Willensvollstrecker ein zur Hinterlassenschaft
gehörendes Grundstück, das der Pflegetochter der Erblasserin vermacht, ihr
aber noch nicht übertragen ist, mit deren Einverständnis direkt auf eine
Drittperson übertragen. Der Grundbuchverwalter hat die Eigentumsübertragung
abgelehnt, weil der Willensvollstrecker nicht befugt sei, in einer den
Anordnungen des Erblassers widersprechenden Weise zu verfügen. Dagegen hat der
Willensvollstrecker bei der kantonalen Aufsichtsbehörde Grundbuchbeschwerde
und nach Abweisung derselben beim Bundesgericht verwaltungsgerichtliche
Beschwerde erhoben.
Aus den Erwägungen:
Dass es nicht in der Macht des - als solcher gehörig ausgewiesenen -
Willensvollstreckers liege, Grundstücke der Erbschaft, und zwar auch solche,
über die der Erblasser testamentarisch verfügt hat, an einen Käufer zu
veräussern, kann dem Regierungsrat nicht zugegeben werden. Allerdings ist es
Pflicht des Willensvollstreckers, die letztwilligen Anordnungen des Erblassers
zu vollziehen. Allein seine Obliegenheiten erschöpfen sich in der Regel nicht
in der Ausführung einzelner bestimmter Geschäfte. Hat der Erblasser, wie hier,
nichts anderes verfügt, so steht der Willensvollstrecker in den Rechten und
Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters, und er gilt, sofern sich aus den
Anordnungen des Erblassers keine Einschränkung seines Aufgabenkreises ergibt,
namentlich als beauftragt,

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«die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die
Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen
Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen» (Art. 518
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 518 - 1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
1    Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2    Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3    Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
ZGB). Die
Erfüllung dieser Aufgaben kann es nun mit sich bringen, dass Erbschaftsaktiven
veräussert werden müssen, unter Umständen auch solche, über die der Erblasser
im Sinne der Zuteilung an einen bestimmten Erben oder auch durch Vermächtnis
testamentarisch verfügt hat. Dieser Fall kann vor allen Dingen dann eintreten,
wenn nur auf solchem Wege die zur Begleichung der Erbschaftsschulden
erforderlichen Mittel beschafft werden können. Die Begleichung der Schulden
geht eben der Zuweisung von Aktiven an Erben oder Bedachte vor. Alsdann muss
der Willensvollstrecker die Möglichkeit haben, die gebotenen Vorkehren zu
treffen, mit denen oft allen Beteiligten besser gedient ist als mit einer
Entziehung von Erbschaftsaktiven auf dem den Gläubigern ja doch gegebenen
Zwangsvollstreckungswege, wobei die Ausführung einzelner Anordnungen des
Erblassers ebenso vereitelt würde. Die Handlungsmacht für Verfügungen über
Gegenstände der Erbschaft ist somit dem Willensvollstrecker allgemein
zuzuerkennen. Ob er im einzelnen Falle pflichtgemäss handle, speziell, ob eine
Veräusserung sich im Rahmen der Obliegenheiten des Willensvollstreckers als
geboten erweise, ist eine andere Frage. Davon hängt jedoch die Verfügungsmacht
nicht ab. Gerade auch im grundbuchlichen Verkehr muss die Stellung als
Willensvollstrecker, der eben die Erbschaft zu vertreten hat (BGE 1933 II
123), genügen. Dem Grundbuchführer steht es nicht zu, auch die
Pflichtgemässheit einer von jenem getroffenen Verfügung zu prüfen, sowenig wie
er dies bei der Verfügung irgendeines Stellvertreters zu tun hat, dessen
Vollmacht grundbuchliche Verfügungen umfasst (vgl. auch die Abhandlungen über
die Rechtsstellung des Willensvollstreckers von SEEGER, 57 ff., und SCHREIBER,
42 ff.). Der Willensvollstrecker handelt auf eigene Verantwortung.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 I 382
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 27. September 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 I 382
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Verfügungsmacht des Willensvollstreckers: Sie ist nicht auf Verfügungen beschränkt, die der...


Gesetzesregister
ZGB: 518 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 518 - 1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
1    Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2    Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3    Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
965
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 965 - 1 Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung, Löschung dürfen in allen Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden.
1    Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung, Löschung dürfen in allen Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden.
2    Der Ausweis über das Verfügungsrecht liegt in dem Nachweise, dass der Gesuchsteller die nach Massgabe des Grundbuches verfügungsberechtigte Person ist oder von dieser eine Vollmacht erhalten hat.
3    Der Ausweis über den Rechtsgrund liegt in dem Nachweise, dass die für dessen Gültigkeit erforderliche Form erfüllt ist.
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61-I-382
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