S. 247 / Nr. 37 Doppelbesteuerung (d)

BGE 61 I 247

37. Urteil vom 22. März 1935 i. S. Actienbrauerei Basel gegen Thurgau und
Basel-Stadt.

Regeste:
Frage der Steuerpflicht einer Bierbrauereiunternehmung in einem Kanton, wo
sich ein Depot zur Abgabe ihres Bieres an die Kunden befindet.

A. - Die Rekurrentin, die A.-G. Actienbrauerei Basel, hat ihren Sitz in Basel
und betreibt hier eine Brauerei. Sie schloss am 20. Februar 1934 mit Joh.
Ensslin, Wirt zur «Laube» in Kreuzlingen, einen Vertrag ab, aus dem folgende
Bestimmungen hervorzuheben sind:
§ 1. Die Actienbrauerei Basel (nachbenannt Brauerei) überträgt Herrn Jean
Ensslin (nachbenannt Depositär) ihr Bierdepot für die Stadt Kreuzlingen und
Umgebung. Die Brauerei weist dem Depositär auf Vertragsbeginn die

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in einem speziellen Verzeichnis aufgeführte Kundschaft zu. Bei Beendigung des
Vertrags-Verhältnisses geht diese Kundschaft ohne weiteres wieder an die
Brauerei über.... Für Kunden-Verluste, die während der Dauer des Vertrages
ohne Verschulden des Depositärs eintreten, besteht für letztern gegenüber der
Brauerei keine Haftung.
§ 2. Es ist dem Depositär nicht gestattet, ein anderes Bier zu führen noch in
seiner eigenen Wirtschaft zum Ausschank zu bringen und die Kundschaft weder
direkt noch indirekt mit einem andern als dem Bier der Vertrags-Brauerei zu
beliefern oder zu vermitteln. Das Flaschenbier der Brauerei darf nur in deren
eigenen Flaschen an ihre Kundschaft abgegeben werden.
§ 3. An ausserhalb des konzessionierten Rayon sich befindliche Abnehmer darf
der Depositär nur mit Einwilligung der Brauerei liefern.
Die Brauerei liefert dem Depositär ihr Exportbier und Spezialbier ... zum
Preise von ... mit 1% Skonto, franko Bahnhof Kreuzlingen, in Wagenladungen von
mindestens 30 hl, allgemeine Preisveränderungen durch den Schweiz.
Bierbrauerverein vorbehalten. Die Kosten der Rückfracht der leeren Gebinde
fallen zu Lasten der Brauerei. Die Lieferungen eines Monats sind zahlbar bis
zum Ende des folgenden Monats. Die der Kundschaft zu gewährende
Inkassoprovision von 2% fällt ebenfalls zu Lasten der Brauerei. Der Depositär
ist auch ermächtigt, das Bier in der Brauerei selbst abzuholen, wobei ihm die
einfache Fracht nach Massgabe des jeweilen gültigen Bahnfrachttarifes
gutgeschrieben wird.
§ 4. Der Depositär verpflichtet sich, das von der Brauerei spedierte Bier
jeweilen sofort nach Erhalt fachgemäss einzukellern und während der Lagerung
für genügende Kühlung zu sorgen, sowie die gesamte Kundschaft nach Bedürfnis
auf das Sorgfältigste mit Fass- und Flaschenbier und Eis zu bedienen. Der
Depositär hat für prompte Rücknahme der leeren Gebinde bei der Kundschaft und
für deren tunlichste Rücksendung an die Brauerei besorgt zu sein.

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§ 5. Die Brauerei liefert dem Depositär leihweise und unentgeltlich:
a) die zum Betriebe des Bierdepots notwendigen Kisten;
b) die notwendigen Flaschen und Verschlüsse, welche, Änderungen vorbehalten, à
30 Cts. per Stück vom Depositär zu bezahlen sind. Alljährlich erfolgt
diesbezügliche Abrechnung mit einer entsprechenden Bruchvergütung.
c) die notwendigen Apparate zur Flaschenreinigung und für das Abfüllen des
Flaschenbiers.
Der Depositär ist für dieses Material haftbar und hat das gesamte Material in
gutem Zustande zu unterhalten. Was die Abfüllerei anbetrifft, hat er sich
ohnehin den Vorschriften des Schweizerischen Lebensmittelgesetzes auf seine
eigene Verantwortung zu unterziehen. Allfällige Folgen aus Nichtbeachtung
dieser Vorschrift fallen zu Lasten des Depositärs.
Die Brauerei bleibt unter allen Umständen Eigentümerin sämtlicher
Depotutensilien.
§ 6. Die Brauerei stellt ebenfalls die Bierausschankeinrichtungen inkl. Buffet
für die Wirte und Eiskasten für die Kleinverkaufsstellen zur Verfügung zur
leihweisen unentgeltlichen Benützung. Es ist dabei verstanden, dass die
endgültige Bestimmung der jeweiligen Einrichtungen der Brauerei zusteht,
ebenso, dass sie eine solche verweigern kann, wenn ihr der Bierkonsum beim
betreffenden Abnehmer zu unbedeutend erscheint.
Für die den Wirten und Kleinverkaufsstellen übergebenen Gegenstände sind diese
der Brauerei gegenüber direkt verantwortlich ohne Garantie des Depositärs,
welcher immerhin sich anheischig macht, eine Aufsicht und Kontrolle über
dieselben zu führen und für jeden Gegenstand von der Kundsame Scheine für
leihweisen Gebrauch, welche dem Depositär von der Brauerei geliefert werden,
unterzeichnen zu lassen.
§ 7. Die Brauerei stellt dem Depositär eine vollautomatische Bierkühlanlage
mit Eiserzeugung auf ihre eigenen Kosten zur Verfügung...
Die mit der Installation der Kühlanlage verbundenen

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baulichen Kosten werden ebenfalls durch die Brauerei übernommen. Der
Gesamtkostenbetrag von rund 24000 Franken wird durch die Brauerei selbst
amortisiert und verzinst.
Die Betriebskosten für die Kühlung des Bierkellers und die Eiserzeugung fallen
zu Lasten des Depositärs.
Der Depositär übernimmt die Verpflichtung, die Kundschaft regelmässig und nach
Bedarf mit dem erforderlichen Eis zur Kühlung des gelieferten Bieres zu
versehen, wofür ihm keine besondere Vergütung zukommt. Es ist dem Depositär
unbenommen, insofern die Kundschaft einwandfrei mit Eis bedient wird, das
überschüssige Quantum an Dritte auf seine eigene Rechnung zu verkaufen.
Zur Amortisation der gesamten Kühlanlage wird eine grundsätzliche Dauer von 10
Jahren angesetzt. Sollte nach dieser Zeit nach Massgabe einer Grundtaxe von 2
Fr. pro verkauften hl Bieres die Anlage nicht vollständig amortisiert und
verzinst sein, so läuft die Amortisationsfrist solange weiter bis auf Grund
des Verkaufes und des erwähnten Ansatzes die Amortisation tatsächlich
durchgeführt ist. Nach totaler und im gegenseitigen Einverständnis anerkannter
Amortisation und Verzinsung der Kühlanlage geht diese in das Eigentum des
Depositärs über. (Siehe § 13.) Die Brauerei erklärt sich bereit, das für die
Kundschaft bestimmte Quantum Eis von diesem Zeitpunkte an Herrn Ensslin zum
Selbstkostenpreis zu vergüten.
§ 8. Der Depositär verpflichtet sich, alle von der Actienbrauerei Basel mit
Brauereien oder Wirtevereinen abgeschlossenen oder noch abzuschliessenden
Verträge und Abmachungen, die die Regelung der Konkurrenzverhältnisse etc.
(Kundenschutzverträge, Preiskonventionen, Flaschenpfandverträge, Belieferung
an Sonn- und Festtagen etc.) betreffen, vom Momente der Kenntnisgabe in allen
Teilen strikte einzuhalten. Für allen Schaden, welcher der Brauerei aus der
Nichteinhaltung durch den Depositär dieser Verträge und Abmachungen entstehen
sollte,

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übernimmt der Depositär die Haftung im vollen Umfange...
§ 10. Sämtliche Geschäftsspesen wie Löhne, Spesen bei der Kundschaft,
Unterhalt des Wagenparkes, Reparatur der Bierkisten, Insertionen, Reklamen,
Telephon, Heizmaterial, das Abfüllen des Bieres auf Flaschen etc., ferner
Steuern, den Geschäftsbetrieb betreffend, sind vom Depositär zu bestreiten.
§ 11. Eine Verletzung sowohl der vorliegenden als der in Art. 8 enthaltenen
Vertragsbestimmungen, fortwährende und begründete Reklamationen seitens der
Kundschaft wegen der Bedienungsweise berechtigen die Brauerei, den Vertrag
vorzeitig auf vierteljährliche Kündigung hin ohne irgendwelche Entschädigung
jederzeit aufzuheben.
§ 12. Der Depositär ist verpflichtet, jeweilen nach Ablauf eines Monats der
Brauerei ein detailliertes Verzeichnis der Lieferungen in Fass und Flaschen an
die gesamte Kundschaft zu übermitteln.
Bei Auflösung des Vertrages sind alle den ordnungsmässigen Betrieb des Depot
beschlagenden Kontrollen der Brauerei auszuliefern gegen billige Vergütung der
Anschaffungskosten.
§ 13. Der Vertrag beginnt mit dem 1. Mai 1934 und ist fest abgeschlossen bis
zum 30. April 1944. Wird derselbe nicht 6 Monate vor Ablauf von der einen oder
andern Partei gekündigt, so erneuert er sich stillschweigend für ein weiteres
Jahr u.s.f. ...
Unter Berufung auf Art. 7 geht der Vertrag ohne weiteres nach Ablauf der
festen Vertragsdauer von 10 Jahren weiter bis zur vollständigen Amortisation
und Verzinsung der Kühlanlage. Es ist der Brauerei nicht gestattet, mit
Ausnahme der in § 11 erwähnten Klausel, vor Ablauf der Vertragsdauer das Depot
in Kreuzlingen aufzuheben oder mit dem Depot einer andern Brauerei zusammen zu
legen, ohne den Depositär in seiner Existenz sicherzustellen und schadlos zu
halten.»
Schon vor diesem Vertragsschluss hatte Ensslin in Kreuzlingen auf Grund eines
gleichen oder gleichartigen

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Vertragsverhältnisses mit der Rekurrentin ein Depot für ihr Bier geführt. Die
Rechnungen für die Bierlieferungen an die Kunden stellt Ensslin auf seinen
Namen aus. Freilich steht auf den Rechnungsformularen unter seiner
Geschäftsbezeichnung und seinem Namen: «Bierdepot Kreuzlingen J.
Ensslin-Gebhart» auch die Firma der Rekurrentin: «Actienbrauerei Basel». Die
Kunden müssen die Rechnungsbeträge an Ensslin bezahlen. Dieser hat hiefür eine
Postcheckrechnung unter der Bezeichnung: «Jean Ensslin, Bierdepot und
Auto-Möbeltransporte».
Im Oktober 1933 teilte das Steuerkommissariat des Kantons Thurgau der
Rekurrentin mit, dass sie für ihr Depot in Kreuzlingen dort die Steuern von
einem Erwerb von 2900 Fr. für das Jahr 1933 bezahlen müsse. Es berief sich
hiefür auf das Urteil des Bundesgerichtes in Sachen Brauerei Haldengut gegen
Zürich und Schwyz vom 7. Dezember 1928 (BGE 54 I S. 415 ff.) und auf einen
zwischen der Falkenbrauerei in Schaffhausen und den Kantonen Schaffhausen,
Zürich und Thurgau vor dem Bundesgericht abgeschlossenen Vergleich, worin jene
für ihre Depots in Zürich, Winterthur und Kreuzlingen die Steuerpflicht an
diesen Orten übernommen hat. Die Rekurrentin bezahlte die ihr für das Jahr
1933 im Thurgau aufgelegten Staats- und Gemeindesteuern, nachdem sie
vergeblich versucht hatte, das Steuerkommissariat zur Aufhebung der
Steuerveranlagung zu bewegen. Am 17. August 1934 schrieb ihr das
Steuerkommissariat, dass sie für das Jahr 1934 im Kanton Thurgau gleich wie
für 1933 veranlagt werde.
B. - Gegen diese Steuerverfügung hat die Actienbrauerei Basel die
staatsrechtliche Beschwerde ergriffen mit dem Antrag:
«Es sei die Steuerverfügung ... aufzuheben und das Steuerkommissariat des
Kantons Thurgau anzuweisen, die Rekurrentin für ihr Bierdepot in Kreuzlingen
nicht mehr zu besteuern.»
Die Rekurrentin macht geltend, dass Doppelbesteuerung vorliege, und führt aus:
Ensslin verkaufe das ihm von der

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Rekurrentin gelieferte Bier auf eigene Rechnung und Gefahr an die Kunden
weiter. Sein Verdienst bestehe im Unterschied zwischen dem ihm berechneten
Preis und seinem Verkaufspreis. Für die Depoträumlichkeiten erhalte er kein
besonderes Entgelt. Er sei Grossabnehmer der Rekurrentin. Wenn ein Kunde die
Rechnung nicht bezahle, so müsse Ensslin den Verlust tragen, er sei persönlich
und wirtschaftlich selbständig und von der Rekurrentin nicht mehr abhängig als
irgend ein anderer ständiger Kunde. Er müsse ganz erhebliche Mittel in das
Depot stecken. Die Rekurrentin könne daher für dieses im Kanton Thurgau nicht
besteuert werden.
C. - Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat die Abweisung der Beschwerde
beantragt und u. a. bemerkt: Es handle sich um ein eigentliches
Depotverhältnis. Ensslin führe das Depot nicht auf eigene Rechnung und Gefahr;
denn nach dem Schlussatz von § 1 des Vertrages trage die Rekurrentin das
«Delcredere», sofern Ensslin kein Verschulden treffe. Auch sei dieser bei der
Führung des Depots von der Rekurrentin in jeder Richtung abhängig.
D. - Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt hat sich dem Antrag der
Rekurrentin und dessen Begründung angeschlossen.
E. - Auf eine Anfrage des Instruktionsrichters hat die Rekurrentin
geantwortet, dass Ensslin auch neue Kunden gewinnen könne, soweit das nach dem
Kundenschutzvertrag der schweizerischen Bierbrauereien möglich sei.
Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat schriftliche Erklärungen des J.
Ensslin vorgelegt. Danach ist seit dem Beginn des Depotbetriebes im Jahre 1911
bei den Bierlieferungen an die Kunden ein einziges Mal, im Jahre 1920, ein
Verlust, der 80 Fr. betrug, eingetreten und hat Ensslin diesen getragen. Die
Gewinnung neuer Kunden kommt nach Ansicht von Ensslin nicht in Frage. Er hat,
wie er berichtet, mit der Rekurrentin schon darüber gesprochen, ob diese den
Inkasso übernehmen solle.

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Auf Grund dieser Erklärungen hält der Regierungsrat des Kantons Thurgau daran
fest, dass Ensslin nicht selbständiger Unternehmer sei. Er weist darauf hin,
dass auch Geschäftsreisende oft die Inkassobefugnis besitzen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- ...
2.- Nach der feststehenden neuern Rechtsprechung des Bundesgerichtes im
interkantonalen Steuerrecht (BGE 52 I S. 242 und dortige Zitate; 54 I S. 417
ff.) kann der Inhaber einer geschäftlichen Unternehmung für sein
Geschäftskapital und seinen Geschäftsertrag dann in einem Kanton besteuert
werden, wenn sich in dessen Gebiet ständige körperliche Anlagen oder
Einrichtungen befinden, mittelst deren sich dort ein qualitativ und
quantitativ wesentlicher Teil seines Betriebes vollzieht. Im vorliegenden Fall
ist streitig, ob das für das Bier der Rekurrentin in Kreuzlingen unterhaltene
Depot einen Teil ihres Geschäftsbetriebes oder ein selbständiges Unternehmen
des Depothalters Ensslin bildet. Bei dem zwischen diesem und der Rekurrentin
bestehenden Vertragsverhältnis handelt es sich zweifellos nicht um einen
zivilrechtlichen Dienstvertrag. Doch ist das für die Frage, ob die Rekurrentin
ein Steuerdomizil in Kreuzlingen habe, nicht entscheidend. Es kommt nicht
darauf an, ob Ensslin im Verhältnis zur Rekurrentin zivilrechtlich
Dienstpflichtiger ist oder nicht, sondern darauf, ob er wirtschaftlich als
Organ, Angestellter der Rekurrentin oder als selbständiger Gewerbetreibender
erscheint; das Mass seiner persönlichen und wirtschaftlichen Selbständigkeit
ist dabei vor allem massgebend (BGE 45 I S. 207 ff.; 46 I S. 234; 53 I S. 369;
54 I S. 419). Nun stimmt der vorliegende Tatbestand in mancher Beziehung mit
demjenigen beim Entscheid in Sachen Brauerei Haldengut gegen Schwyz und Zürich
(BGE 54 I S. 415 ff.) überein, wo am Bierdepot einer Brauerei ein sekundäres
Steuerdomizil angenommen worden ist. Auch hier ist der Depothalter in seinem
Betrieb, speziell im Verkehr mit den Kunden, in weitem

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Masse durch die Bestimmungen des Vertrages eingeschränkt; die Kundschaft wird
ihm von der Brauerei zugewiesen (§ 1 des Vertrages) und die Gewinnung anderer
Kunden kommt tatsächlich nicht in Frage; die Brauerei macht ihm gewisse
Vorschriften für seinen Geschäftsbetrieb (§ 4); er ist an die Verträge der
Brauerei mit andern Brauereien und mit Wirtevereinen, z. B. über den
Verkaufspreis, gebunden (§ 8) und muss sich eine gewisse Kontrolle seines
Geschäftsbetriebes von der Brauerei gefallen lassen (§ 12). Auch gehört ein
grosser Teil des für das Depot nötigen Inventars der Brauerei (§ 5) und diese
leiht direkt den Kunden für den Ausschank oder die Aufbewahrung des Bieres
erforderliche Möbel (§ 6). Allein wenn auch Ensslin danach in seiner
Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt und von der Rekurrentin abhängig ist,
was zum Teil davon herrührt, dass auch die Rekurrentin durch das Kartell der
schweizerischen Bierbrauereien weitgehend gebunden ist, so bestehen doch
daneben gewisse Umstände, wodurch sich der vorliegende Fall wesentlich von
demjenigen der Brauerei Haldengut unterscheidet. Ensslin betreibt nicht nur
das Bierdepot, sondern damit zugleich auch eine Wirtschaft und ein
Transportgeschäft und verwendet für alle diese Betriebe wohl zum Teil
dieselben Räume und dieselben Gegenstände. Bei dieser Sachlage spricht die
Vermutung von vornherein dafür, dass Ensslin seinen ganzen Betrieb, nicht
bloss die Wirtschaft und das Transportgeschäft, wirtschaftlich als
Geschäftsinhaber betreibe (vgl. BGE 46 I S. 234; 50 I S. 198). Dass dem auch
so ist, ergibt sich vor allem daraus, dass Ensslin das Depot nicht bloss auf
seinen Namen, sondern auch auf seine Rechnung und Gefahr führt. Ensslin ist,
wie § 3 des Vertrages, die Rechnungsstellung für die Kunden und seine
Erklärungen zeigen, für die Bierlieferungen persönlich haftender Schuldner
gegenüber der Rekurrentin und Gläubiger gegenüber den Kunden und zwar nicht
nur zivilrechtlich, sondern auch wirtschaftlich. Wenn ein Kunde nicht bezahlt,
so wird Ensslin nach seinen Angaben deswegen seiner Schuld gegenüber der
Rekurrentin nicht entbunden;

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dass ein solcher Fall nur einmal und für einen verhältnismässig kleinen
Schuldbetrag eingetreten ist, das Risiko in dieser Beziehung also für Ensslin
nicht gross ist, ändert nichts daran, dass er wirtschaftlich der Rekurrentin
gegenüber für die Bierlieferungen nicht bloss Vermittler der Zahlungen der
Kunden, sondern Selbstschuldner ist. Die Bestimmung des Vertrages, dass
Ensslin für «Kundenverluste» ohne sein Verschulden nicht hafte, kann sich nach
den Akten nur auf Fälle beziehen, wo ein Kunde verloren geht, das von der
Rekurrentin hergestellte Bier nicht mehr beziehen will. Dass Ensslin der
Rekurrentin gegenüber den Preis für das ihm gelieferte Bier schuldet ohne
Rücksicht darauf, ob er ihn selbst erhalten hat, und wirtschaftlich den Kunden
gegenüber Gläubiger ist, zeigt sich zudem darin, dass die Rekurrentin nach den
Akten nicht das Recht hat, über die von den Kunden bei Ensslin eingehenden
Geldbeträge direkt oder indirekt zu verfügen. Ensslin ist bei der Verfügung
über sein Postcheckkonto nicht etwa an die Weisungen der Rekurrentin gebunden,
zumal das Konto ja nicht nur dem Bierdepot, sondern auch dem Transportgeschäft
dient. Er kann mit einem Geschäftsreisenden, der im Namen und für Rechnung des
Geschäftsinhabers für diesen Forderungen einkassiert, nicht auf gleiche Linie
gestellt werden. Demgemäss hat sich die Rekurrentin, im Gegensatz zum Fall der
Brauerei Haldengut, auch nicht durch den Vertrag das Recht gesichert,
ausschliesslich darüber zu bestimmen, ob an einen Kunden geliefert werden
dürfe. Da Ensslin das Risiko der Zahlungsunfähigkeit eines Kunden trägt, darf
er wohl auch, wenn eine solche in Aussicht steht, die Lieferung an den Kunden
einstellen oder an die Zahlung Zug um Zug knüpfen. Auch der Umstand, dass
Ensslin das Bier in der Brauerei der Rekurrentin gegen Vergütung der
Bahnfrachtkosten selbst abholen kann (§ 3 des Vertrages), dass er für das ihm
von der Rekurrentin gelieferte Material haftbar ist (§ 5), dass er
überschüssiges Eis an Dritte auf eigene Rechnung verkaufen kann (§ 7 Abs. 4),
dass sämtliche

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Geschäftsunkosten von ihm zu tragen sind (§ 10), spricht dafür, dass Ensslin
das Bierdepot wirtschaftlich als Geschäftsinhaber betreibt. Endlich geht das
insbesondere auch noch daraus hervor, dass er ziemlich bedeutendes Kapital im
Geschäft hat oder darin hineinlegt. Nicht nur verwendet er dafür einen
«Wagenpark», also wohl ein oder mehrere Automobile, die allerdings noch seinem
übrigen Geschäftsbetrieb dienen, sondern er hat auch eine Kühlanlage gegen
Zahlung von 24000 Fr. von der Rekurrentin bezogen. Wenn es auch im Vertrage
heisst, die Anlage werde Ensslin von der Rekurrentin auf ihre eigenen Kosten
zur Verfügung gestellt, so handelt es sich dabei doch wirtschaftlich, wenn
nicht zivilrechtlich, um einen Kauf auf Abzahlung unter Eigentumsvorbehalt,
zumal der Vertrag nach § 13 mindestens bis zur vollständigen Abzahlung dauern
soll.
Wie demgegenüber die Verhältnisse im Fall der Falkenbrauerei Schaffhausen
lagen, kann dahingestellt bleiben, da diese Sache durch Vergleich, nicht durch
Urteil erledigt worden ist und ein Vergleich die Rechtsprechung des
Bundesgerichtes in andern Fällen nicht beeinflussen kann.
Da somit Ensslin wirtschaftlich Inhaber des Bierdepotgeschäftes ist, so bildet
dieses keine Betriebsstätte der Rekurrentin. Diese darf also dafür im Kanton
Thurgau nicht mit der Erwerbssteuer belastet werden. Der blosse Umstand, dass
Ensslin mit der Rekurrentin darüber gesprochen hat, ob sie den Inkasso bei den
Kunden selbst übernehmen wolle, kann hieran nichts ändern. Erst wenn eine
wesentliche Änderung der Verhältnisse zu Gunsten des Kantons Thurgau
tatsächlich eintreten würde, könnte dieser von da an die Rekurrentin der
Vermögens- oder der Erwerbssteuer unterwerfen. Die angefochtene Besteuerung
für das Jahr 1934 ist daher aufzuheben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Steuerkommissariates
des Kantons Thurgau vom

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17. August 1934 in dem Sinne aufgehoben, dass die Rekurrentin für das von
Ensslin in Kreuzlingen geführte Bierdepot in Beziehung auf das Jahr 1934 im
Kanton Thurgau nicht der Einkommenssteuer unterworfen werden darf.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 I 247
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 22. März 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 I 247
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Frage der Steuerpflicht einer Bierbrauereiunternehmung in einem Kanton, wo sich ein Depot zur...


BGE Register
45-I-207 • 46-I-225 • 52-I-238 • 54-I-415 • 61-I-247
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
brauerei • bier • kundschaft • thurgau • bundesgericht • regierungsrat • monat • frage • lieferung • dauer • unternehmung • basel-stadt • doppelbesteuerung • inkasso • mass • entscheid • abrechnung • automobil • sicherstellung • weisung • autonomie • inventar • beginn • aufhebung • bewilligung oder genehmigung • wirkung • wetter • postkonto • bedürfnis • begründung des entscheids • steuer • staatsrechtliche beschwerde • technisches gerät • widerruf • anschreibung • steuerdomizil • wirtschaftliche zugehörigkeit • berechtigter • beendigung • maler • bahnhof • skonto • eigentum • errichtung eines dinglichen rechts • wille • ausserhalb • bezogener • betriebskosten • zitat • anschaffungskosten • kartell • schaden • treffen • vermittler • vermutung • schuldner • eigentumsvorbehalt • betrug
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