BGE 60 III 5
2. Entscheid vom 23. Januar 1934 i. S. Winterer.
Regeste:
Eine Anschlusspfändung nach Art. 111
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 111 - 1 An der Pfändung können ohne vorgängige Betreibung innert 40 Tagen nach ihrem Vollzug teilnehmen: |
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1 | An der Pfändung können ohne vorgängige Betreibung innert 40 Tagen nach ihrem Vollzug teilnehmen: |
1 | der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Schuldners; |
2 | die Kinder des Schuldners für Forderungen aus dem elterlichen Verhältnis und volljährige Personen für Forderungen aus einem Vorsorgeauftrag (Art. 360-369 ZGB232); |
3 | die volljährigen Kinder und die Grosskinder des Schuldners für die Forderungen aus den Artikeln 334 und 334bis ZGB; |
4 | der Pfründer des Schuldners für seine Ersatzforderung nach Artikel 529 OR234. |
2 | Die Personen nach Absatz 1 Ziffern 1 und 2 können ihr Recht nur geltend machen, wenn die Pfändung während der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft, des elterlichen Verhältnisses oder der Wirksamkeit des Vorsorgeauftrags oder innert eines Jahres nach deren Ende erfolgt ist; die Dauer eines Prozess- oder Betreibungsverfahrens wird dabei nicht mitgerechnet. Anstelle der Kinder oder einer Person unter einer Massnahme des Erwachsenenschutzes kann auch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die Anschlusserklärung abgeben.235 |
3 | Soweit dem Betreibungsamt anschlussberechtigte Personen bekannt sind, teilt es diesen die Pfändung durch uneingeschriebenen Brief mit. |
4 | Das Betreibungsamt gibt dem Schuldner und den Gläubigern von einem solchen Anspruch Kenntnis und setzt ihnen eine Frist von zehn Tagen zur Bestreitung. |
5 | Wird der Anspruch bestritten, so findet die Teilnahme nur mit dem Recht einer provisorischen Pfändung statt, und der Ansprecher muss innert 20 Tagen beim Gericht des Betreibungsortes klagen; nutzt er die Frist nicht, so fällt seine Teilnahme dahin. ...236 |
rechtliche Möglichkeit zu einer Ergänzungspfändung besteht; darauf, ob die
Ergänzungspfändung auch tatsächlich möglich ist, kommt es nicht an.
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Une participation à la saisie dans le sens de l'art. 111 LP est admissible
tant qu'il est juridiquement possible de procéder à un complément de saisie;
peu importe que le complément de saisie soit ou non possible en fait.
Una partecipazione al pignoramento a sensi dell'art. 111 LEF è ammissibile
fintantochè esiste la possibilità giuridica di procedere ad un pignoramento
complementare; non importa al riguardo che, il fatto, il pignoramento
complementare sia o non sia possibile.
A. - In einer Betreibung der Fa. Theodor Werner in Wiesbaden gegen den damals
in Kreuzlingen wohnhaften A. Winterer für eine Forderung von 4416 Fr. 20 Cts.
mit Zinsen pfändete das Betreibungsamt Kreuzlingen am 26. September 1933 ein
Gelddepot des Schuldners beim Grundbuchamt Kreuzlingen im Betrage von 4686 Fr.
30 Cts. Am 1. Oktober zogen die Eheleute Winterer unter Mitnahme ihres
Mobiliars nach Deutschland.
Am 18. Oktober verlangte die Ehefrau Winterer für eine Frauengutsforderung im
Betrage von 123500 Fr. den Anschluss an die Pfändung in der Betreibung der Fa.
Werner. Das Betreibungsamt wies das Begehren ab mit der Begründung, dass Art.
111
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 111 - 1 An der Pfändung können ohne vorgängige Betreibung innert 40 Tagen nach ihrem Vollzug teilnehmen: |
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1 | An der Pfändung können ohne vorgängige Betreibung innert 40 Tagen nach ihrem Vollzug teilnehmen: |
1 | der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Schuldners; |
2 | die Kinder des Schuldners für Forderungen aus dem elterlichen Verhältnis und volljährige Personen für Forderungen aus einem Vorsorgeauftrag (Art. 360-369 ZGB232); |
3 | die volljährigen Kinder und die Grosskinder des Schuldners für die Forderungen aus den Artikeln 334 und 334bis ZGB; |
4 | der Pfründer des Schuldners für seine Ersatzforderung nach Artikel 529 OR234. |
2 | Die Personen nach Absatz 1 Ziffern 1 und 2 können ihr Recht nur geltend machen, wenn die Pfändung während der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft, des elterlichen Verhältnisses oder der Wirksamkeit des Vorsorgeauftrags oder innert eines Jahres nach deren Ende erfolgt ist; die Dauer eines Prozess- oder Betreibungsverfahrens wird dabei nicht mitgerechnet. Anstelle der Kinder oder einer Person unter einer Massnahme des Erwachsenenschutzes kann auch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die Anschlusserklärung abgeben.235 |
3 | Soweit dem Betreibungsamt anschlussberechtigte Personen bekannt sind, teilt es diesen die Pfändung durch uneingeschriebenen Brief mit. |
4 | Das Betreibungsamt gibt dem Schuldner und den Gläubigern von einem solchen Anspruch Kenntnis und setzt ihnen eine Frist von zehn Tagen zur Bestreitung. |
5 | Wird der Anspruch bestritten, so findet die Teilnahme nur mit dem Recht einer provisorischen Pfändung statt, und der Ansprecher muss innert 20 Tagen beim Gericht des Betreibungsortes klagen; nutzt er die Frist nicht, so fällt seine Teilnahme dahin. ...236 |
B. - Hierüber beschwerte sich Frau Winterer mit dem Antrag, das Betreibungsamt
sei zur Anschlusspfändung anzuhalten.
Beide kantonale Instanzen wiesen die Beschwerde als unbegründet ab. Sie gingen
davon aus, dass sich die Pfändung für die Fa. Werner genau auf den Betrag der
Forderung (zuzüglich Zinsen und Kosten) beschränkt habe und eine
Ergänzungspfändung, wie sie durch den Anschluss der Beschwerdeführerin
notwendig würde, in der Schweiz nicht mehr möglich sei, weil der Schuldner
inzwischen mit seiner ganzen Habe ins Ausland gezogen sei. Nach der
bundesgerichtlichen Praxis (BGE 36 I 154) sei aber eine Anschlusspfändung nur
zulässig, wenn sie zu einer Generalliquidation des schuldnerischen Vermögens
führen könne, falls die gepfändeten Gegenstände nicht genügen,
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um auch die anschlussweise geltend gemachte Forderung zu decken. Dazu komme,
dass die Beschwerdeführerin die Anschlusspfändung absichtlich erst verlangt
habe, nachdem die Habe ins Ausland geschafft gewesen sei; dieses Verhalten
würde schon nach Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
C. - Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 23. Dezember 1933
rekurrierte die Beschwerdeführerin unter Wiederholung des Antrages auf
Gutheissung ihres Anschlussbegehrens rechtzeitig an das Bundesgericht.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
An der Argumentation der Vorinstanzen ist soviel richtig, dass in BGE 36 I 150
ff. und späteren Entscheiden die Anschlusspfändung nach Art. 111
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 111 - 1 An der Pfändung können ohne vorgängige Betreibung innert 40 Tagen nach ihrem Vollzug teilnehmen: |
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1 | An der Pfändung können ohne vorgängige Betreibung innert 40 Tagen nach ihrem Vollzug teilnehmen: |
1 | der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Schuldners; |
2 | die Kinder des Schuldners für Forderungen aus dem elterlichen Verhältnis und volljährige Personen für Forderungen aus einem Vorsorgeauftrag (Art. 360-369 ZGB232); |
3 | die volljährigen Kinder und die Grosskinder des Schuldners für die Forderungen aus den Artikeln 334 und 334bis ZGB; |
4 | der Pfründer des Schuldners für seine Ersatzforderung nach Artikel 529 OR234. |
2 | Die Personen nach Absatz 1 Ziffern 1 und 2 können ihr Recht nur geltend machen, wenn die Pfändung während der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft, des elterlichen Verhältnisses oder der Wirksamkeit des Vorsorgeauftrags oder innert eines Jahres nach deren Ende erfolgt ist; die Dauer eines Prozess- oder Betreibungsverfahrens wird dabei nicht mitgerechnet. Anstelle der Kinder oder einer Person unter einer Massnahme des Erwachsenenschutzes kann auch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die Anschlusserklärung abgeben.235 |
3 | Soweit dem Betreibungsamt anschlussberechtigte Personen bekannt sind, teilt es diesen die Pfändung durch uneingeschriebenen Brief mit. |
4 | Das Betreibungsamt gibt dem Schuldner und den Gläubigern von einem solchen Anspruch Kenntnis und setzt ihnen eine Frist von zehn Tagen zur Bestreitung. |
5 | Wird der Anspruch bestritten, so findet die Teilnahme nur mit dem Recht einer provisorischen Pfändung statt, und der Ansprecher muss innert 20 Tagen beim Gericht des Betreibungsortes klagen; nutzt er die Frist nicht, so fällt seine Teilnahme dahin. ...236 |
einem Spezialforum (z. B. an demjenigen des Arrestes) nur dann als zulässig
erklärt wurde, wenn eine Ergänzungspfändung in der Schweiz möglich ist, d. h.
wenn der Schuldner in der Schweiz einen ordentlichen Betreibungsort hat.
Die Betreibung der Fa. Werner gegen den Ehemann Winterer geht aber gar nicht
an einem Spezialforum vor sich. Sie wurde am damaligen Wohnort des Schuldners,
in Kreuzlingen, angehoben und die Pfändung dort durchgeführt, bevor der
Schuldner nach Deutschland übersiedelte. Kreuzlingen ist und bleibt also mit
Bezug auf diese Betreibung ordentlicher Betreibungsort. Das bedeutet, dass
dort auch Ergänzungspfändungen durchgeführt werden können und damit eine
Generalexekution in das Vermögen des Schuldners rechtlich möglich ist. Diese
rechtliche Möglichkeit der Generalexekution ist für die Frage nach der
Zulässigkeit des Anschlusses massgebend; darauf, ob es auch tatsächlich
möglich ist, durch Ergänzungspfändungen auf weiteres Vermögen des Schuldners
zu greifen, kann nicht abgestellt
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werden. Wäre das entscheidend, so müsste konsequenterweise der Anschluss auch
am ordentlichen Betreibungsort in sämtlichen Fällen verweigert werden, wo die
erste Pfändung alles Vermögen oder wenigstens alles in der Schweiz liegende
Vermögen des Schuldners erfasst hat und eine Ergänzungspfändung infolgedessen
praktisch ausgeschlossen ist. Dass es nicht so sein kann, liegt aber auf der
Hand; das Recht des Anschlussgläubigers ist eben nicht auf die Gegenstände der
Ergänzungspfändung beschränkt, sondern geht auf einen dem Rangverhältnis
entsprechenden Anteil am Verwertungserlös sämtlicher für die Gruppe
gepfändeten Gegenstände.
Ebenso unhaltbar ist die Berufung der Vorinstanz auf Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
Vorschrift findet nach der Rechtsprechung nur Anwendung auf
materiellrechtliche Ansprüche; gegenüber der Ausübung der dem Gläubiger durch
das Betreibungsrecht eingeräumten prozessualen Befugnisse kann sie nicht
angerufen werden (vgl. BGE 42 III 85). Übrigens ist auch durchaus unbewiesen,
dass die Rekurrentin ihre Forderung absichtlich erst geltend gemacht hat,
nachdem alle Habe ins Ausland geschafft war.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und das Betreibungsamt Kreuzlingen angewiesen,
die Rekurrentin mit ihrer Forderung an die Pfändung zu Gunsten der Fa. Werner
anzuschliessen.