S. 100 / Nr. 21 Obligationenrecht (d)

BGE 60 II 100

21. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. April 1934 i. S. Hefti gegen Steffan.

Regeste:
Geschäftsübernahme mit Aktiven und Passiven durch Gründung einer
Kollektivgesellschaft mit Übernahme des bisher von einem Gesellschafter
geführten Geschäftes, Art. 182 Absatz 2 OR.
Der nach Auflösung der Kollektivgesellschaft für eine Schuld der früheren
Einzelfirma belangte Teilhaber kann sich, entgegen der Regelung bei der
Übernahme einer einzelnen Schuld, auf die Unverbindlichkeit des Gesellschafts-
und Übernahmevertrages berufen. (Erw. 1-3), zum mindesten, wenn der Gläubiger
die Mangelhaftigkeit desselben kannte (Erw. 4).
Beitritt eines neuen Gesellschafters zu einer bestehenden
Kollektivgesellschaft, 565 OR: Der Beitretende kann zwar nicht dem
gutgläubigen, wohl aber dem bösgläubigen Gläubiger die Mangelhaftigkeit des
Beitritts entgegenhalten (Erw. 5).
Schuldübernahme von Grundpfandschulden, 832/846 ZGB: Der Übernehmer kann dem
Gläubiger die Mangelhaftigkeit des Grundgeschäftes entgegenhalten, zum
mindesten aber die Übernahme wegen Willensmängeln anfechten (Erw. 6).

A. - Der Kläger, der Holzhändler in Männedorf ist, stand mit einem Heinrich
Lüscher, Inhaber einer

Seite: 101
mechanischen Schreinerei und Glaserei in Bassersdorf, in geschäftlichen
Beziehungen, aus welchen er am 1. Januar 1928 ein Guthaben von 14290 Fr. 30
Cts. hatte. Am 11. Januar 1928 nahm Lüscher bei der Bankgesellschaft in
Rapperswil ein Darlehen von 14000 Fr. auf; diesen Betrag verwendete er zur
Bezahlung seiner Schuld an den Kläger. Dies ging in der Weise vor sich, dass
der Darlehensbetrag dem Lüscher nicht effektiv ausgehändigt, sondern von der
Bank dem Kläger gutgeschrieben und dem Lüscher belastet wurde. Als Sicherheit
für das Darlehen hinterlegte Lüscher einen Schuldbrief von 20000 Fr., lastend
im IV. Rang auf seinen Liegenschaften in Bassersdorf. Dieser Schuldbrief hatte
sich zuvor in den Händen des Klägers befunden als Sicherheit für seine
Ansprüche aus Warenlieferung. Als weitere Sicherheit für das dem Lüscher
gewährte Darlehen diente der Bank die ebenfalls am 11. Januar 1928 vom Kläger
eingegangene Solidarbürgschaft für den Betrag von 14000 Fr.
Mit einem vom 15. Januar 1928 datierten Vertrag vereinigte sich der Beklagte,
der von Beruf Bodenleger ist, mit Lüscher zu einer Kollektivgesellschaft zum
Zwecke des Fortbetriebes der bis anhin von Lüscher allein geführten
Schreinerei und Glaserei in Bassersdorf. Die Gesellschaft sollte mit dem Datum
des Vertragsschlusses ihren Anfang nehmen. Die Übernahme von Aktiven und
Passiven des früheren Geschäftes erfolgte auf Grund einer Bilanz per 15.
Januar 1928, welche bei Aktiven von 131361 Fr. 25 Cts. und Passiven von 90944
Fr. 20 Cts. einen Aktivsaldo von 40417 Fr. 05 Cts. erzeigte. Diese Bilanz
wurde von den Gesellschaftern am 20. Januar 1928 geprüft und unterschriftlich
als richtig anerkannt. In dieser Aufstellung ist unter der Rubrik «laufende
Schulden» ein Guthaben des Klägers mit 14247 Fr. 70 Cts. aufgeführt. Eine
Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister wurde nicht vorgenommen,
dagegen wurden gemäss den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages am 30.
Januar 1928 die bisher im alleinigen Eigentum des

Seite: 102
Lüscher gewesenen Liegenschaften ins Gesamteigentum der beiden Gesellschafter
übergeführt; unter den Grundpfandschulden, für die sich die beiden
Gesellschafter im Eigentumsänderungsvertrag ausdrücklich als Solidarschuldner
bekannten, befand sich auch der Schuldbrief von 20000 Fr., den Lüscher der
Bank als Faustpfand für das ihm gewährte Darlehen übergeben hatte.
Am 7. März 1928 kam zwischen Lüscher und dem Beklagten eine schriftliche
Vereinbarung zustande, laut welcher der Gesellschaftsvertrag vom 15. Januar
1928 für beide als von Anfang an unverbindlich und in allen Teilen als
aufgehoben betrachtet werden sollte. Lüscher anerkannte, dass der Beklagte
niemals als Kollektivgesellschafter in sein Geschäft habe eintreten, sondern
lediglich ein Anstellungsverhältnis mit einer Interesseneinlage von 10000 Fr.
habe eingehen wollen und dass die anders lautende Abfassung des
Gesellschaftsvertrages infolge eines Missverständnisses über die Art der
Beteiligung des Beklagten unterzeichnet worden sei. Auf Grund dessen sollten
nach der Vereinbarung sämtliche Rechtsgeschäfte, die in Vollzug des
Gesellschaftsvertrages bereits vorgenommen worden waren, rückgängig gemacht
werden und insbesondere sollte die von Lüscher eingebrachte Liegenschaft in
sein Alleineigentum zurückgeführt werden. Diese letztere Massnahme wurde noch
am selben Tage beim Grundbuchamt Bassersdorf angemeldet und im Grundbuch
eingetragen. Die darin liegende Übernahme der Schuld der Kollektivgesellschaft
durch Lüscher wurde vom Grundbuchverwalter am 9. März 1928 der
Bankgesellschaft Rapperswil als Faustpfandgläubigerin des Schuldbriefes von
20000 Fr. angezeigt.
Der Kläger wurde in der Folge aus seiner Solidarbürgschaft für Lüscher von der
Bank belangt und bezahlte bis Ende Mai 1928 an diese insgesamt 14347 Fr.,
wogegen er den von Lüscher als Faustpfand hinterlegten Schuldbrief über 20000
Fr. ausgehändigt erhielt. Lüscher geriet am 2. August 1928 in Konkurs. Der
Kläger meldete in diesem

Seite: 103
eine Forderung von 14657 Fr. 60 Cts. nebst 6% Zins seit 9. Juni 1928 an, mit
der Bemerkung, dass die Schuld durch den erwähnten Schuldbrief grundpfändlich
sichergestellt sei. Im Konkurs kam der Schuldbrief gänzlich zu Verlust und
wurde vom Konkursamt vernichtet. Von der Forderung des Klägers wurde ein
Betrag von 15142 Fr. 30 Cts. in der V. Klasse zugelassen. Die Konkursdividende
belief sich auf 4,85%, also 734 Fr. 40 Cts., so dass der Kläger mit 14407 Fr.
90 Cts. zu Verlust kam.
Als Rechtsnachfolger der Bankgesellschaft in Rapperswil aus dem Schuldbrief
von 20000 Fr. gab der Kläger mit Bezug auf die Schuldübernahmemitteilung vom
9. März 1928 am 15. Dezember 1928 dem Beklagten die Erklärung ab, dass er ihn
als Schuldner behalten wolle.
B. - Mit Klage vom 10. August 1929 hat der Kläger den Beklagten auf Bezahlung
von 14407 Fr. 90 Cts. nebst 5% Zins seit 2. August 1928, sowie der
Betreibungskosten belangt, mit der Begründung, der Beklagte hafte ihm sowohl
als Kollektivgesellschafter der Firma Lüscher & Steffan, wie auch als
Solidarschuldner aus dem Schuldbrief von 20000 Fr. Der Beklagte hat die
Abweisung der Klage beantragt.
Sowohl das Bezirksgericht Horgen, als auch das Obergericht des Kantons Zürich,
letzteres mit Urteil vom 14. November 1933, zugestellt am 6. Dezember 1933,
haben die Klage abgewiesen.
D. - Hiegegen hat der Kläger rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form die
Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag auf Gutheissung der
Klage.
E. - An der heutigen Verhandlung hat er seinen Berufungsantrag wiederholt,
während der Beklagte auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides angetragen hat.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Bildung einer Kollektivgesellschaft zum Zweck der Übernahme und
Weiterführung des bisher durch einen

Seite: 104
der Gesellschafter als Einzelinhaber geführten Geschäftes, wie dies im
vorliegenden Fall durch den Vertrag vom 15. Januar 1928 zwischen dem Beklagten
und Lüscher vereinbart wurde, stellt gemäss Art. 182 Abs. 2 OR einen Fall von
Geschäftsübernahme mit Aktiven und Passiven im Sinne von Art. 181 OR dar. Die
Geschäftsschulden, die der frühere Einzelinhaber begründet hatte, gehen
demnach mit der Mitteilung von der Übernahme an die Gläubiger oder mit der
Auskündung der Übernahme in öffentlichen Blättern auf die neugegründete Firma
über und werden zu Gesellschaftsschulden.
Im vorliegenden Fall ist nun nicht bestritten, dass der Kläger aus einer am
11. Januar 1928 zugunsten Lüschers gegenüber der Bankgesellschaft in
Rapperswil eingegangenen Solidarbürgschaft für ein Darlehen von 14000 Fr.
belangt wurde und insgesamt 14347 Fr. bezahlt hat, sowie dass er für seine
Regressforderung gegenüber Lüscher in dessen Konkurs mit 14407 Fr. 90 Cts. zu
Verlust gekommen ist. Da dieser Regressanspruch, wenn auch nur bedingt, von
der Eingehung der Bürgschaft am 11. Januar 1928 an bestand, so handelt es sich
bei ihr um eine vor der Gründung der Kollektivgesellschaft zwischen Lüscher
und dem Beklagten entstandene Geschäftsschuld Lüschers, die somit auf die
Gesellschaft überging. Zwar bestimmt Art. 9 des Gesellschaftsvertrages, dass
die neue Gesellschaft nur die inventierten Schulden übernehme, und in der
Bilanz, auf Grund deren die Übernahme erfolgte, ist nicht das vom Kläger
verbürgte Guthaben der Bankgesellschaft in Rapperswil aufgeführt, sondern die
ursprüngliche Forderung des Klägers aus Warenlieferung, die mit dem genannten
Darlehen getilgt worden war. Dieser Umstand hinderte jedoch den Übergang der
Schuld auf die Gesellschaft nicht. Eine Beschränkung der Übernahme auf die
inventierten Schulden ist an sich zwar zulässig, wirkt aber nur im internen
Verhältnis. Nach aussen, dem Gläubiger gegenüber erstreckt sich jedoch die
Haftung auf die sämtlichen Verbindlichkeiten, sogar auf die dem

Seite: 105
Übernehmer nicht bekannten, und eine Ausnahme besteht nur für diejenigen
Schulden, deren Übernahme in der Mitteilung an den Gläubiger oder der
Auskündung ausdrücklich abgelehnt worden ist (v. TUHR, OR Band II S. 781;
OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 15 zu Art. 181 OR; FICK, Schweiz. Juristenzeitung 20,
S. 221 ff., spez. S. 225). Ausserdem weist die 1. Instanz mit Recht darauf
hin, dass es sich im Grunde genommen nur um eine falsche Gläubigerbezeichnung
handle, da die betreffende Schuld, wenn auch in etwas anderer Form,
tatsächlich doch bestand. Die für den Übergang erforderliche Kenntnisgabe an
den Gläubiger durch Auskündung oder Mitteilung liegt ebenfalls unzweifelhaft
vor, da doch der Beklagte selber ausführt, dass der Kläger über die
Angelegenheit auf dem Laufenden gewesen sei, indem er auf den Abschluss des
Gesellschaftsvertrages hingearbeitet und sich immer wieder telephonisch
erkundigt habe, ob der Vertrag zustande gekommen sei. Ferner hat die
Vorinstanz mit Recht aus der Tatsache der engen geschäftlichen Beziehungen des
Klägers mit Lüscher auf das Vorliegen der erforderlichen Kundgabe geschlossen.
2.- War aber die Schuld Lüschers gegenüber dem Kläger zur Gesellschaftsschuld
geworden, so trat gemäss Art. 564 OR eine persönliche Haftbarkeit des
Beklagten ein, auf Grund deren er nach der Auflösung der Gesellschaft belangt
werden konnte. Daran vermochte nichts zu ändern, dass der Beklagte und Lüscher
am 7. März 1928 einen Vertrag abschlossen, nach welchem der
Gesellschaftsvertrag als nicht zustande gekommen betrachtet werden sollte;
denn auch diesem Vertrag konnte hinsichtlich der Haftung des Beklagten nur
eine Wirksamkeit im internen Verhältnis zwischen Lüscher und dem Beklagten
zukommen. Nach aussen war er nur insofern von Bedeutung, als durch ihn die
Voraussetzung für die persönliche Belangung des Beklagten, nämlich die
Auflösung der Kollektivgesellschaft, geschaffen wurde.
3.- Der Übernahmevertrag vom 15. Januar 1928 war nun aber in seiner Gesamtheit
für den Beklagten wegen

Seite: 106
absichtlicher Täuschung durch Lüscher unverbindlich, wie die beiden
Vorinstanzen mit einlässlicher Begründung dargetan haben und wie der Kläger
selber heute nicht mehr ernsthaft in Abrede stellt.
Damit fragt es sich im weitern, ob der Beklagte, wie dies dem Wesen der
einseitigen Unverbindlichkeit als einer Art der Nichtigkeit entspricht, diese
gegenüber dem Kläger als Gläubiger, also aus einem an dem unverbindlichen
Vertrag nicht beteiligten Dritten, geltendmachen könne, wie er behauptet, der
Beklagte aber bestreitet. Die beiden Vorinstanzen haben diese Frage unter dem
Gesichtspunkt des Art. 565 OR untersucht und sind zu ihrer Bejahung gelangt.
Nun trifft aber Art. 565 OR auf den vorliegenden Fall nicht zu; er hat
lediglich den Eintritt eines neuen Gesellschafters in eine schon bestehende
Kollektivgesellschaft im Auge, und bestimmt für diesen Fall, dass der neue
Gesellschafter auch für die vor seinem Beitritt eingegangenen
Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch hafte. Die Gründung einer
Kollektivgesellschaft unter Übernahme des von einem der Gesellschafter als
Einzelinhaber geführten Geschäftes aber beurteilt sich, wie bereits Eingangs
erwähnt wurde, nach der speziell hiefür aufgestellten Bestimmung von Art. 182
Abs. 2 OR, und ausschliesslich nach dieser. (ZELLER im Kommentar Fick, Anm. 1
zu Art. 565 OR; OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 3 letzter Absatz zu Art. 182 OR, ist
offenbar auch dieser Ansicht, wenn er bemerkt, dass beim Beitritt eines neuen
Gesellschafters zu einer bestehenden Gesellschaft die besonderen Vorschriften
des Gesellschaftsrechtes, Art. 565 OR, gelten.)
Geht man aber von dieser Seite an die zu entscheidende Frage heran, so ergibt
sich zunächst, dass Art. 181 OR über die Geschäftsübernahme mit Aktiven und
Passiven, nach deren Grundsätzen gemäss Art. 182 Absatz 2 zu entscheiden ist,
seinerseits in Absatz 3 auf die Regeln der Schuldübernahme, Art. 175 ff . OR,
verweist. Nach Art. 179 Absatz 3 OR kann nun allerdings der Übernehmer

Seite: 107
die Einreden, die ihm gegen den Altschuldner aus dem der Übernahme zu Grunde
liegenden Rechtsverhältnis zustehen, also z. B. gerade die Einrede der
Täuschung, gegen den Gläubiger nicht geltend machen, und der Kläger hat sich
denn auch schon vor den kantonalen Instanzen auf diese Bestimmung berufen
(vgl. Obergerichtliches Protokoll S. 6). Allein diese Bestimmung kann auf die
Geschäftsübernahme mit Aktiven und Passiven nicht im vollen Umfang zur
Anwendung kommen. Bei der Übernahme einer einzelnen Schuld hat sie ihre
Berechtigung deshalb, weil nach der dem OR zu Grunde liegenden sog.
Vertragstheorie die Schuldübernahme ein Vertrag zwischen dem Übernehmer und
dem Gläubiger mit einer Wirkung zu Gunsten des Altschuldners ist (v. TUHR, OR
Band II S. 766/67; OSER-SCHÖNENBERGER, Vorbem. 9 zu Art. 175 -183 OR). Nach
dieser Konstruktion ist das Verhältnis zwischen Altschuldner und Übernehmer,
das durch den internen und der eigentlichen Schuldübernahme vorangehenden
Vertrag geregelt wird, lediglich ein ausserhalb des Vertrages mit dem
Gläubiger liegendes Motiv auf Seiten des Übernehmers, das grundsätzlich
unerheblich sein muss (OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 10 zu Art. 179 OR). Bei der
Geschäftsübernahme mit Aktiven und Passiven dagegen steht das Gesetz nicht auf
dem Boden dieser Vertragstheorie; hier erfolgt der Schuldübergang nicht durch
einen Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Übernehmer, sondern kraft
Gesetzes, infolge der Mitteilung von der zwischen dem Altschuldner und dem
Übernehmer vereinbarten Übernahme. Der Übergang ist also lediglich eine
Auswirkung dieses Vertrages, und wenn dieser, sei es wegen eines
Willensmangels, sei es aus sonst einem Grunde, nicht gültig zustande gekommen
ist, so kann auch kein Recht des Gläubigers gegen den Übernehmer entstehen, so
dass also dieser dem ihn belangenden Gläubiger die Einrede der Täuschung mit
Erfolg entgegenhalten kann, und Art. 179 Absatz 3 nur mit dieser Einschränkung
anwendbar ist (v. TUHR OR Band II S. 780;

Seite: 108
OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 18 zu Art. 181 OR). Demnach muss auch im vorliegenden
Fall mit Rücksicht auf die dem Beklagten zustehende Einrede der Täuschung die
auf der Schuldübernahme durch ihn beruhende Klage ohne weiteres abgewiesen
werden.
Eine Unbilligkeit gegenüber dem Gläubiger liegt in dieser Lösung keineswegs:
Er verliert nur einen Vorteil, der ihm ohne sein Zutun aus der Schuldübernahme
erwachsen wäre, und befindet sich nun in derjenigen Lage, in der er sich ohne
diese Schuldübernahme stets befunden hätte.
4.- Wollte man aber nicht so weit gehen, so müsste doch, wie das Bundesgericht
in einem frühern Entscheide (BGE 58 II S. 18 ff., insbes. S. 21) ausgesprochen
hat, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen einem Gläubiger, der von der
Mangelhaftigkeit des Grundgeschäftes Kenntnis hat, also bösgläubig ist, oder
doch zum mindesten dem Gläubiger, der in unredlicher Absicht den Übernehmer
direkt zum Abschluss des Grundgeschäftes veranlasst hat, die Berufung auf Art.
179 Abs. 3 OR versagt bleiben, weil ihr die Einrede der Arglist
entgegenstünde. Dies müsste im vorliegenden Fall wiederum zur Abweisung der
Klage führen; denn wie die Vorinstanz festgestellt hat, war dem Kläger die
verzweifelte finanzielle Lage des Lüscher zur Zeit des Vertragsschlusses mit
dem Beklagten, sowie die von Lüscher begangene Täuschung des Beklagten
bekannt. Diese Feststellung ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht eine
unzutreffende rechtliche Würdigung, sondern sie ist tatsächlicher Natur und
daher, da sie der Kläger in der Berufungserklärung nicht als aktenwidrig
angefochten hat, für das Bundesgericht verbindlich. Aus dieser Feststellung
folgt ohne weiteres, dass der Kläger bösgläubig war, was nach dem oben
Gesagten die Einrede der Arglist als begründet erscheinen lässt. Abgesehen
hievon ist zudem mit der Vorinstanz zu sagen, dass der Kläger sich in dieser
Angelegenheit in einer Art und Weise verhalten hat, die geradezu als
stillschweigende Mitwirkung bei der

Seite: 109
Täuschung des Beklagten durch Lüscher zu qualifizieren ist: Der Kläger, der
aus seinen Geschäftsbeziehungen zu Lüscher dessen prekäre Lage zur Genüge
kannte und auch sonst mit Lüscher in engen Beziehungen stand, war es vor
allem, der den Abschluss des Gesellschaftsvertrages und der Geschäftsübernahme
betrieb, wie daraus zu entnehmen ist, dass er den Vertragsparteien den
Bücherexperten Burkhart, seinen langjährigen Vertrauten, zur Aufstellung der
Bilanz zuführte und dass ausgerechnet sein Anwalt es war, der den
Gesellschaftsvertrag redigierte.
Der Kläger macht nun geltend, dass er nicht aus eigenem Rechte klage sondern
aus demjenigen der Bankgesellschaft in Rapperswil, deren Rechte gemäss Art.
505 Absatz 1 OR auf ihn als den zahlenden Bürgen übergegangen seien, und dass
ihm daher der Beklagte nur die Einreden entgegenhalten könne, die er auch
gegen die Bank hätte erheben können. Diese Berufung des Klägers auf den guten
Glauben seiner Rechtsvorgängerin ist aber mit der 1. Instanz als
missbräuchlich zurückzuweisen. Wirtschaftlich betrachtet war stets der Kläger
der Gläubiger Lüschers gewesen, zuerst aus der Lieferung von Waren, dann, nach
der Tilgung dieser Forderung vermittelst des vom Kläger verbürgten Darlehens,
als Bürge. Gerade diese Umgestaltung des Rechtsverhältnisses, die entgegen der
vom Kläger auch heute wieder vertretenen Ansicht gewiss etwas
Aussergewöhnliches an sich hatte, da der Kläger durch sie wirtschaftlich in
keiner Weise besser gestellt wurde, legt nach den zutreffenden Ausführungen
der Vorinstanz den Verdacht nahe, dass auf diese Weise dem Beklagten die
Einrede des mangelnden guten Glaubens abgeschnitten werden sollte.
5.- Aber auch die Beurteilung des Falles unter dem Gesichtspunkte des von den
Vorinstanzen herangezogenen Art. 565 OR führt zum selben Resultate, und zwar,
entgegen der im angefochtenen Entscheid geäusserten Auffassung, ohne dass
damit ein Widerspruch zu der bisherigen Praxis des Bundesgerichtes geschaffen
würde. Wohl hat

Seite: 110
das Bundesgericht von jeher den Standpunkt eingenommen, dass ein Kollektiv-
oder Kommanditgesellschafter sich den Gläubigern der Gesellschaft gegenüber
nicht darauf berufen könne, dass der Beitritt zur Kollektivgesellschaft für
ihn wegen absichtlicher Täuschung durch einen Mitgesellschafter unverbindlich
sei (BGE vom 19. Juli 1901 in Blätter f. zürcher. Rechtssprechung I S. 71. BGE
29 II S. 668). Dies deshalb, weil der Prozessgegner des Anfechtenden, d.h. der
Gesellschaftsgläubiger, nicht Kontrahent bei dem Gesellschaftsvertrage war und
weil, soweit die von ihm geltendgemachten Rechte aus dem Gesellschaftsvertrag
durch Täuschung des beitretenden Gesellschafters begründet worden waren, die
Täuschung nicht durch ihn, sondern durch einen Dritten, den Mitgesellschafter,
begangen worden war. Und zwar gilt dieser Ausschluss der Berufungsmöglichkeit
auf Willensmängel in gleicher Weise für die nach dem Beitritt des getäuschten
Gesellschafters eingegangenen Verbindlichkeiten, wie für die in jenem
Zeitpunkt schon bestehenden (BGE 29 II S. 668). Allein in allen bisher
entschiedenen Fällen befand sich, im Gegensatz zu der heute gegebenen
Sachlage, der Gläubiger stets im guten Glauben, und dieses Vorliegen des guten
Glaubens wurde ausdrücklich zur Voraussetzung für die Haftbarkeit des
getäuschten Gesellschafters gemacht, indem stets darauf hingewiesen wurde,
dass der belangte Gesellschafter von der Haftbarkeit nur dann befreit werden
könne, wenn, wie im analogen Fall der Unverbindlichkeit eines Vertrages wegen
Täuschung durch einen Dritten (Art. 28 OR, bezw. 25 a OR), der Gläubiger die
durch den Mitgesellschafter begangene Täuschung kannte oder hätte kennen
müssen (vgl. die oben zitierten Entscheide, sowie BGE 31 II S. 71; 34 II S.
312). An diesem Erfordernis des guten Glaubens auf Seiten des Gläubigers fehlt
es aber im vorliegenden Fall, wie oben dargelegt worden ist. Ist aber der
Gläubiger bösgläubig oder, wie hier, sogar an der Täuschung direkt
mitbeteiligt, so kann nicht mehr davon die Rede sein,

Seite: 111
dass seine Ansprüche um der Rechtssicherheit willen den Interessen des
getäuschten Gesellschafters voranzustellen seien.
6.- Neben der Haftbarkeit des Beklagten auf Grund von Art. 182 /564 OR macht
der Kläger ferner eine solche aus dem Inhaberschuldbrief von 20000 Fr.
geltend. Nun ist allerdings der Kläger Gläubiger aus diesem Schuldbrief, und
der Beklagte hat sich im Eigentumsänderungsvertrag vom 30. Januar 1928 als
Solidarschuldner dieser Verpflichtung bekannt; ferner hat der Kläger auf die
Anzeige des Grundbuchamtes Bassersdorf vom 9. März 1928, dass durch Auflösung
des Gesellschaftsverhältnisses die Liegenschaft wieder im Alleineigentum
Lüschers stehe, gemäss Art. 832 und 846 ZGB innert der gesetzlichen
Jahresfrist erklärt, dass er den Beklagten als Schuldner beibehalte. Diese
Schuldübernahme für Grundpfandschulden kommt jedoch in gleicher Weise
zustande, wie diejenige bei der Übernahme eines Geschäftes mit Aktiven und
Passiven: Hier wie dort erfolgt der Schuldübergang nicht auf Grund eines
Vertrages zwischen Gläubiger und Übernehmer, sondern er ist eine von Gesetzes
wegen eintretende Folge der Vereinbarung zwischen altem und neuem Schuldner,
die allerdings der ausdrücklichen oder stillschweigenden Genehmigung des
Gläubigers bedarf. Daher ist auch hier für das Zustandekommen der
Schuldübernahme das Vorliegen einer gültigen Vereinbarung zwischen altem und
neuem Schuldner Voraussetzung (v. TUHR, OR Band II S. 785). Diese
Voraussetzung fehlt jedoch im vorliegenden Fall; denn mit dem Dahinfallen des
Gesellschafts- und Geschäftsübernahmevertrages wurden logischerweise auch die
Eigentumsübertragung und die damit verbundene Schuldübernahme für die
Grundpfandschulden durch den Beklagten unwirksam, weil es sich bei diesen
Geschäften um blosse Ausführungsmassnahmen des Gesellschaftsvertrages
handelte.
Aber auch wenn man davon ausgehen wollte, dass der Übergang der
Grundpfandschulden auf den Erwerber

Seite: 112
eines Grundstückes durch Vertrag zwischen diesem und dem Gläubiger
zustandekomme (so OSER-SCHÖNENBERGER, Anm. 3 zu Art. 183 OR, S. 777 oben;
LEEMANN, Anm. 17 ff. zu Art. 832 ZGB), und also eine selbständige
Verpflichtung des Beklagten gegenüber der Bank in Rapperswil als
Schuldbriefgläubigerin, bezw. gegenüber dem Kläger als deren Rechtsnachfolger
entstanden sei, so wäre doch dieser Vertrag, wie die Vorinstanzen zutreffend
ausführen, wegen absichtlicher Täuschung, eventuell wegen wesentlichen Irrtums
des Beklagten, unverbindlich, da die Täuschung, bezw. der Irrtum über die
Geschäftsgrundlage nicht nur für die Eingehung des Gesellschaftsvertrages,
sondern auch für die sich hieran anknüpfende solidarische Schuldübernahme für
die Grundpfandschulden kausal war.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Zürich vom 14. November 1933 wird bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 60 II 100
Datum : 01. Januar 1934
Publiziert : 24. April 1934
Quelle : Bundesgericht
Status : 60 II 100
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Geschäftsübernahme mit Aktiven und Passiven durch Gründung einer Kollektivgesellschaft mit...


Gesetzesregister
OR: 28  175  179  181  182  183  505  564  565
ZGB: 832  846
BGE Register
29-II-655 • 31-II-67 • 58-II-18 • 60-II-100
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
absichtliche täuschung • alleineigentum • auflösung der gesellschaft • ausserhalb • beendigung • beginn • begründung des entscheids • beklagter • berechtigter • betreibungskosten • bilanz • bodenleger • bundesgericht • darlehen • eigentum • eigentumserwerb • einseitige unverbindlichkeit • einzelfirma • entscheid • errichtung eines dinglichen rechts • erwachsener • faustpfand • frage • gesamteigentum • gesellschaft • gesellschaftsrecht • gesellschaftsschuld • grundbuch • grundbuchführer • grundstück • gründung der gesellschaft • guter glaube • irrtum • kenntnis • kollektivgesellschaft • kommanditgesellschaft • konkursamt • konkursdividende • lieferung • mechaniker • minderheit • nicht beteiligter dritter • nichtigkeit • rang • rechtssicherheit • richtigkeit • schreinerei • schuldner • stichtag • tag • unternehmung • unterschrift • verdacht • verhalten • verhältnis zwischen • vertrag • vertragsabschluss • vertragspartei • voraussetzung • vorinstanz • vorteil • weiler • wesentlicher irrtum • wille • willensmangel • wirksamkeit • zelle • zins • zugang • übernahme eines vermögens oder eines geschäftes