S. 131 / Nr. 19 Staatsverträge (d)

BGE 60 I 131

19. Auszug aus dem Urteil vom 20. April 1934 i. S. Kohler gegen Eisenmann und
Obergericht Zürich.

Regeste:
Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens mit Deutschland vom 2. November 1929 über die
gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen
und Schiedssprüchen: Anforderungen an einen rechtsgenüglichen Vorbehalt.

A. - Der Rekursbeklagte belangte den in Zürich wohnhaften Rekurrenten vor dem
württembergischen Arbeitsgericht Stuttgart für eine Forderung aus
Arbeitsvertrag. Auf eine erste Vorladung antwortete der Rekurrent, er könne
ihr keine Folge geben und wünsche, an seinem Rechtsdomizil in Zürich
einvernommen zu werden, und auf eine zweite Vorladung erneuerte er seine
Weigerung, beidemal mit Ausführungen zur Sache selbst. Er erschien auch nicht
zur Verhandlung und wurde durch Versäumnisurteil gesamtschuldnerisch zu 1892
Mk. 75 nebst Zins verurteilt. Dagegen erhob er Einsprache, die aus materiellen
Gründen abgelehnt wurde. Seine Berufung an das Landesarbeitsgericht Stuttgart
mit dem Antrag auf Klageabweisung wurde nach Durchführung eines
Beweisverfahrens mit Zeugeneinvernahme abgewiesen.
Für dieses Urteil verlangte der Rekursbeklagte in Zürich die
Vollstreckbarkeitserklärung. Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich
lehnte sie ab. Auf Rekurs hin hat jedoch das Obergericht das Urteil des
Landesarbeitsgerichts vollstreckbar erklärt.
B. - Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird beantragt, es sei das
Obergerichtsurteil aufzuheben und den

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Urteilen des Arbeitsgerichts Stuttgart und des Landesarbeitsgerichts Stuttgart
die Vollstreckbarkeit abzuerkennen.
In Abweisung dieser Beschwerde wurde ausgeführt:
1.- Nach Art. 1 und 2 des Abkommens mit Deutschland vom 2. November 1929 über
die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen
Entscheidungen und Schiedssprüchen werden die rechtskräftigen
Forderungsurteile deutscher bürgerlicher Gerichte gegenüber einem in der
Schweiz wohnenden Beklagten in der Schweiz auch dann vollzogen, wenn ein
staatsvertraglicher Gerichtsstand zugunsten der deutschen Gerichte nicht
besteht, sofern nur die Schweiz nach ihrem Recht nicht die ausschliessliche
Zuständigkeit für diesen Streit für sich in Anspruch nimmt und sofern der
Beklagte sich vor den deutschen Gerichten «vorbehaltlos» auf den Rechtsstreit
eingelassen hat (Art. 2 Ziff. 3).
Das Bundesgericht hat schon bei Auslegung des Vollstreckungsabkommens mit
Oesterreich vom 28. März 1929 erkannt, dass ein solcher «Vorbehalt» jedenfalls
dann nicht in die Form der Unzuständigkeitseinrede nach dem Recht des
ausländischen Prozessgerichtes gekleidet zu sein brauche, wenn nach seinem
eigenen Landesrecht das Prozessgericht zuständig sei. Es genüge in diesem
Fall, wenn der Beklagte in gehöriger Weise vor oder gleichzeitig mit der
Einlassung auf die Hauptsache geltend mache, dass er nach dem Abkommen der
Anerkennung oder Vollziehung des Urteils in der Schweiz sich widersetzen könne
und sich vorbehalte, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Begründet wurde das
damit, dass die Unzuständigkeitseinrede hier nicht am Platze wäre (weil sie
nach Landesrecht doch von vorneherein abgewiesen werden müsste), und es wurde
offen gelassen, ob der in der Schweiz wohnende Beklagte nicht überhaupt, ohne
Rücksicht auf die internrechtliche Zuständigkeit des angerufenen ausländischen
Gerichts sich mit einem solchen

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Vorbehalt begnügen dürfe. Er würde damit das Urteil anerkennen für den Fall,
dass es im Urteilsstaat selbst vollstreckt wird, aber das Recht zur Einsprache
gegen seine Vollstreckung in der Schweiz bliebe ihm gewahrt (BGE 57 I 23 E.
2).
Diese Erwägungen treffen auch für das Vollstreckungsabkommen mit Deutschland
zu. Das Sitzungsprotokoll über die Vereinbarung von Art. 2 Ziff. 3 stellt
ausdrücklich fest: «Ein Vorbehalt des Beklagten im Sinne dieser Vorschrift
liegt nicht nur dann vor, wenn er die formelle Einrede der Unzuständigkeit
erhoben hat. Es genügt vielmehr, wenn er in den Fällen, in denen nach dem
Recht des Urteilsstaates die Zuständigkeit des Prozessgerichts begründet ist,
vor der Einlassung zu erkennen gibt, dass er sich dem Verfahren nur für den
Urteilsstaat unterwerfe und einer Durchführung des Urteils in dem andern Staat
widerspreche» (BBl. 1929 Bd. III S. 535). Da unbestritten nach dem internen
deutschen Recht (§ 29 DZPO) die dortigen Gerichte zur Beurteilung des
Rechtsstreites zuständig waren, so kann wie im Verhältnis zu Österreich auch
hier die Frage offen bleiben, ob ein solcher Vorbehalt nicht auch genügt, wenn
das deutsche Gericht nach seinem Landesrecht nicht zuständig ist.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 60 I 131
Datum : 01. Januar 1934
Publiziert : 20. April 1934
Quelle : Bundesgericht
Status : 60 I 131
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens mit Deutschland vom 2. November 1929 über die gegenseitige Anerkennung...


BGE Register
57-I-19 • 60-I-131
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