S. 209 / Nr. 51 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 59 III 209

51. Entscheid vom 16. Oktober 1933. i. S. Inkassogesellschaft Zürich,

Regeste:
Unzulässig, das Verwertungsergebnis statt dem betreibenden Gläubiger einem
Dritten abzuliefern, selbst wenn sich der betreibende Gläubiger im
Betreibungsbegehren als Zessionar dieses Dritten bezeichnet hat und der Dritte
den Bestand einer Abtretung bestreitet.
Art. 144 Abs. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 144 - 1 Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
1    Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
2    Es können schon vorher Abschlagsverteilungen vorgenommen werden.
3    Aus dem Erlös werden vorweg die Kosten für die Verwaltung, die Verwertung, die Verteilung und gegebenenfalls die Beschaffung eines Ersatzgegenstandes (Art. 92 Abs. 3) bezahlt.281
4    Der Reinerlös wird den beteiligten Gläubigern bis zur Höhe ihrer Forderungen, einschliesslich des Zinses bis zum Zeitpunkt der letzten Verwertung und der Betreibungskosten (Art. 68), ausgerichtet.282
5    Die auf Forderungen mit provisorischer Pfändung entfallenden Beträge werden einstweilen bei der Depositenanstalt hinterlegt.
SchKG.
Le produit de la réalisation ne peut être remis à un tiers au lieu du
créancier poursuivant, même lorsque, dans sa réquisition de poursuite,
celui-ci s'est désigné comme cessionnaire du tiers, lequel conteste la
cession.
Art. 144, al. 4, LP.
Non è lecito versare il ricavo della realizzazione ad un terzo, in luogo e
voce del creditore escutente. Questa norma vale anche per il osso in cui nella
domanda d'esecuzione il creditore escutente s'è designato quale cessionario
del terzo, il quale contesta la cessione.
Art. 144 cp. 4 LEF.

A. - Beim Betreibungsamt Stein a. Rh. sind 4 Betreibungen der Rekurrentin
gegen die Eheleute Greminger als Solidarschuldner anhängig (No. 5964 und 5986
gegen die Ehefrau und No. 5965 und 5985 gegen den Ehemann), für welche das
Betreibungsamt einen Erbanteil der Frau Greminger bis zur Höhe von insgesamt
435 Fr. pfändete. In den Betreibungsurkunden ist als Gläubiger die Rekurrentin
aufgeführt; die Zahlungsbefehle enthielten ausserdem den Vermerk «aus
Abtretung von Herrn Dreifuss-Picard, Kreuzlingen...». In der Folge gingen beim
Betreibungsamt auf Rechnung des gepfändeten Guthabens 321 Fr 75 Cts. ein. Als
der Zedent der

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Rekurrentin, Dreifuss, beim Betreibungsamt die Auszahlung dieses Erlöses an
ihn selbst verlangte mit der Begründung, er habe die Rekurrentin nur mit dem
Inkasso beauftragt, kam das Amt diesem Begehren nach und stellte ihm das Geld
am 4. Juli 1933 zu.
B. - Hiegegen führte die Rekurrentin Beschwerde mit dem Antrag, das
Betreibungsamt anzuhalten, ihr die 321 Fr. 75 Cts. auszubezahlen.
C. - Mit Entscheid vom 15. September 1933 hat die kantonale Aufsichtsbehörde
die Beschwerde abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, Dreifuss sei
gemäss Ziff. 5 der Inkassobedingungen zur Entgegennahme des Geldes berechtigt
gewesen, gleichgültig, ob man annehme, er habe die Forderung der Rekurrentin
seinerzeit fiduziarisch abgetreten oder aber nur einen Inkassoauftrag erteilt.
Durch den Widerruf des Inkassoauftrages sei er auch der Rekurrentin gegenüber
wieder Gläubiger der in Betreibung gesetzten Forderungen geworden; es genüge,
dass er den Widerruf zuerst dem Betreibungsamt mitgeteilt und nachher der
Rekurrentin mit Brief vom 8. Juli 1933 bestätigt habe.
D. - Diesen Entscheid hat die Rekurrentin rechtzeitig an das Bundesgericht
weitergezogen mit dem Antrag auf Gutheissung ihrer Beschwerde.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Nach Art. 144 Abs. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 144 - 1 Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
1    Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
2    Es können schon vorher Abschlagsverteilungen vorgenommen werden.
3    Aus dem Erlös werden vorweg die Kosten für die Verwaltung, die Verwertung, die Verteilung und gegebenenfalls die Beschaffung eines Ersatzgegenstandes (Art. 92 Abs. 3) bezahlt.281
4    Der Reinerlös wird den beteiligten Gläubigern bis zur Höhe ihrer Forderungen, einschliesslich des Zinses bis zum Zeitpunkt der letzten Verwertung und der Betreibungskosten (Art. 68), ausgerichtet.282
5    Die auf Forderungen mit provisorischer Pfändung entfallenden Beträge werden einstweilen bei der Depositenanstalt hinterlegt.
SchKG hat das Betreibungsamt den Reinerlös «den
beteiligten Gläubigern» bis zur Höhe ihrer Forderungen auszurichten.
«Beteiligt» in diesem Sinne ist nur ein betreibender Gläubiger, und
betreibender Gläubiger ist nur die in den Betreibungsurkunden 'als Gläubiger
genannte Person. Dass diese sich selbst als Zessionar eines Dritten bezeichnet
hat, ist für den weitern Verlauf der Betreibung unerheblich. Es war Sache des
Schuldners, hiezu während der Rechtsvorschlagsfrist Stellung zu nehmen.
Nachdem ein Rechtsvorschlag

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unterblieben ist, gilt der betreibende Gläubiger für dieses Verfahren als
forderungsberechtigt, selbst wenn in Wirklichkeit keine Abtretung vorlag; der
Schuldner kann sich dann einer Fortsetzung der Betreibung nicht widersetzen,
sondern ist allenfalls auf eine Rückforderung gemäss Art. 86
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 86 - 1 Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
1    Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
2    Die Rückforderungsklage kann nach der Wahl des Klägers entweder beim Gerichte des Betreibungsortes oder dort angehoben werden, wo der Beklagte seinen ordentlichen Gerichtsstand hat.
3    In Abweichung von Artikel 63 des Obligationenrechts (OR)171 ist dieses Rückforderungsrecht von keiner andern Voraussetzung als dem Nachweis der Nichtschuld abhängig.172
SchKG angewiesen.
Und ebensowenig wie der betriebene Schuldner kann der Dritte, als dessen
Zessionar sich der betreibende Gläubiger bezeichnet hat, den letztern gegen
seinen Willen aus seiner betreibungsrechtlichen Position verdrängen, weder mit
der Behauptung, es handle sich nur um eine fiduziarische Zession - denn eine
solche verschafft dem Zessionaren nach aussen volle Gläubigerstellung und
verpflichtet ihn lediglich im Innenverhältnis zur Herausgabe des auf Grund der
Zession Erlangten, vgl. BGE 40 II 595 und v. TUHR, Allg. T. des OR, S. 724 -,
noch mit der Behauptung, es liege überhaupt keine Abtretung, sondern nur ein
Inkassoauftrag vor. Weder als Auftraggeber noch als Fiduziant ist der Dritte
an der vom Beauftragten bezw. Fiduziar im eigenen Namen eingeleiteten
Betreibung «beteiligt», er ist vielmehr auf die Abrechnung mit dem
Beauftragten oder Fiduziar eingeschränkt. Nur dann, wenn der Dritte behauptet,
der betreibende Gläubiger habe ihm die in Betreibung gesetzte Forderung (und
damit auch die betreibungsrechtliche Stellung) abgetreten oder rückzediert,
steht das Amt vor der Frage, ob es das Betreibungsergebnis dem einen oder
andern der beiden Ansprecher aushändigen oder aber gemäss Art. 168
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 168 - 1 Ist die Frage, wem eine Forderung zustehe, streitig, so kann der Schuldner die Zahlung verweigern und sich durch gerichtliche Hinterlegung befreien.
1    Ist die Frage, wem eine Forderung zustehe, streitig, so kann der Schuldner die Zahlung verweigern und sich durch gerichtliche Hinterlegung befreien.
2    Zahlt der Schuldner, obschon er von dem Streite Kenntnis hat, so tut er es auf seine Gefahr.
3    Ist der Streit vor Gericht anhängig und die Schuld fällig, so kann jede Partei den Schuldner zur Hinterlegung anhalten.
OR
hinterlegen solle. So liegt aber der Fall hier nicht; denn Dreifuss hat nie
behauptet, die Rekurrentin habe ihm die in Betreibung gesetzten Forderungen
(wieder) abgetreten, sondern sich auf den - nach dem Gesagten unbehelflichen -
Standpunkt gestellt, er habe diese Forderungen der Rekurrentin überhaupt nie
abgetreten und nur einen Inkassoauftrag erteilt. Rechtsirrtümlich ist aber
auch die Argumentation der Vorinstanz, die Forderung, ihre Abtretung an die
Rekurrentin vorausgesetzt, sei infolge eines Widerrufs des

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Inkassoauftrages wieder auf Dreifuss zurückgegangen. Abgesehen davon, dass
nach den Akten ein solcher Widerruf nie erklärt worden ist - weder dem von der
Vorinstanz dafür angerufenen Schreiben des Dreifuss an die Rekurrentin vom 8.
Juli noch der übrigen Korrespondenz ist ein Widerruf des Auftrages zu
entnehmen, noch hat das Betreibungsamt in seinen Vernehmlassungen je
behauptet, Dreifuss habe ihm gegenüber einen solchen Widerruf mündlich oder
schriftlich geltend gemacht -, abgesehen davon würde ein Widerruf des
Inkassoauftrages keineswegs den Rückgang der Forderung auf Dreifuss bewirkt,
sondern erst eine (obligatorische) Verpflichtung der Rekurrentin zur
Rückübertragung begründet haben, deren Erfüllung zur internen Abrechnung
zwischen Dreifuss und der Rekurrentin gehört und die ausschliessliche
Gläubigerstellung der Rekurrentin in diesen Betreibungen nicht berührt. Um
diese Abrechnung haben sich daher weder das Betreibungsamt noch die
Aufsichtsbehörden zu bekümmern.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes hat der betreibende
Gläubiger einen betreibungsrechtlichen Anspruch an das Amt auf Ablieferung des
Betreibungsergebnisses, der durch die bereits erfolgte Herausgabe des Betrages
an einen nach Betreibungsrecht zur Entgegennahme nicht Berechtigten nicht
beeinträchtigt wird, und hat nötigenfalls der Staat die Mittel zur Verfügung
zu stellen, damit die vom Amt einkassierten Beträge dem nach Betreibungsrecht
Berechtigten wirklich zukommen (BGE 50 III 74 und dort angeführte frühere
Entscheidungen). Sache des Betreibungsamtes bleibt es, für den Wiedereingang
des an die unrichtige Adresse abgeführten Geldes zu sorgen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und das
Betreibungsamt Stein a. Rh. angewiesen, der Rekurrentin den in den
Betreibungen No. 5964, 5965, 5985 und 5986 eingezogenen Betrag von 321 Fr. 75
auszubezahlen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 59 III 209
Datum : 01. Januar 1932
Publiziert : 16. Oktober 1933
Quelle : Bundesgericht
Status : 59 III 209
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Unzulässig, das Verwertungsergebnis statt dem betreibenden Gläubiger einem Dritten abzuliefern...


Gesetzesregister
OR: 168
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 168 - 1 Ist die Frage, wem eine Forderung zustehe, streitig, so kann der Schuldner die Zahlung verweigern und sich durch gerichtliche Hinterlegung befreien.
1    Ist die Frage, wem eine Forderung zustehe, streitig, so kann der Schuldner die Zahlung verweigern und sich durch gerichtliche Hinterlegung befreien.
2    Zahlt der Schuldner, obschon er von dem Streite Kenntnis hat, so tut er es auf seine Gefahr.
3    Ist der Streit vor Gericht anhängig und die Schuld fällig, so kann jede Partei den Schuldner zur Hinterlegung anhalten.
SchKG: 86 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 86 - 1 Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
1    Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
2    Die Rückforderungsklage kann nach der Wahl des Klägers entweder beim Gerichte des Betreibungsortes oder dort angehoben werden, wo der Beklagte seinen ordentlichen Gerichtsstand hat.
3    In Abweichung von Artikel 63 des Obligationenrechts (OR)171 ist dieses Rückforderungsrecht von keiner andern Voraussetzung als dem Nachweis der Nichtschuld abhängig.172
144
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 144 - 1 Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
1    Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
2    Es können schon vorher Abschlagsverteilungen vorgenommen werden.
3    Aus dem Erlös werden vorweg die Kosten für die Verwaltung, die Verwertung, die Verteilung und gegebenenfalls die Beschaffung eines Ersatzgegenstandes (Art. 92 Abs. 3) bezahlt.281
4    Der Reinerlös wird den beteiligten Gläubigern bis zur Höhe ihrer Forderungen, einschliesslich des Zinses bis zum Zeitpunkt der letzten Verwertung und der Betreibungskosten (Art. 68), ausgerichtet.282
5    Die auf Forderungen mit provisorischer Pfändung entfallenden Beträge werden einstweilen bei der Depositenanstalt hinterlegt.
BGE Register
40-II-591 • 50-III-73 • 59-III-209
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
betreibungsamt • zessionar • schuldner • geld • vorinstanz • stein • angewiesener • betreibungsurkunde • bundesgericht • schuldbetreibungs- und konkursrecht • stelle • brief • ehegatte • entscheid • betreibungsbegehren • begründung des entscheids • berechnung • abtretung einer forderung • abrechnung • forderungsüberweisung
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