S. 121 / Nr. 28 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)
BGE 59 III 121
28. Entscheid vom 28. April 1933 i. S. Bendiner.
Regeste:
Wer erfährt, dass über seine Drittansprache kein Widerspruchsverfahren
eingeleitet wird, erleidet keinen Rechtsverlust, wenn er nicht binnen zehn
Tagen Beschwerde führt (Erw. 1).
Gegenstand des Widerspruchsverfahrens können auch die vom Willensvollstrecker
beanspruchten Rechte bilden (Erw. 2).
Celui qui apprend que sa revendication n'a pas été suivie de la procédure
d'opposition ne perd point son droit de recours lorsqu'il ne porte pas plainte
dans les dix jours (consid. 1).
Les droits revendiqués par l'exécuteur testamentaire peuvent aussi faire
l'objet de la procédure d'opposition (consid. 2).
Chi è venuto a sapere che la sua rivendicazione non ha dato luogo al
procedimento di opposizione non subisce svantaggio giuridico se non se ne
aggrava entro dieci giorni (consid. 1).
Anche i diritti vantati dall'esecutore testamentario possono formare oggetto
di rivendicazione (consid. 2).
A. - In der Betreibung des Rekurrenten gegen Frau Merz geb. Busch gesch.
Ambühl pfändete das Betreibungsamt Grüningen 4 bei der Bank A.-G. Leu & Cie in
Zürich liegende Gemeinde- und Bankobligationen (No. 1-4 der Pfändungsurkunde),
welche die Schuldnerin von ihrem im Juni 1928 verstorbenen Grossonkel Jakob
Friedrich Meyer unter folgender Testamentsklausel geerbt hatte: «Der Betrag
des Erbteiles von Marie Busch soll wegen arbeitsscheuen leichtsinnigen Lebens
derselben in Verwaltung der A.-G. Leu & Cie bleiben und es sollen derselben
nur die Zinsen zu freier Verfügung überlassen werden», und deren Zinsen die
Schuldnerin am 22. September 1928 an den Vormund ihres 1922 geborenen Sohnes
aus
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erster Ehe, Amtsvormund J. Kunz in Luzern, zur Bestreitung der Kostgelder
abgetreten hatte. Die Pfändungsurkunde vom 27. Juni 1932 enthält folgende a
Bemerkungen»:
«Vindikation
Laut Schreiben der A.-G. Leu & Cie in Zürich 1, dat. 18. 3. und 8. 6. 1932
werden die Objekte 1-6 zufolge Nacherbeinsetzung vom Sohn der Schuldnerin,
Arthur Jakob Ambühl, geboren 1922, vertreten durch Amtsvormund J. Kunz in
Luzern, bezw. von den Erben der Schuldnerin zu Eigentum angesprochen.
NB. Zufolge Testament wurde der Schuldnerin die lebenslängliche Verfügung über
das Erbschaftsvermögen aus Ziff. 1-5 entzogen und muss dasselbe bis zum Tode
der Schuldnerin in Verwaltung der Testamentsvollstreckerin Bank A.-G. Leu &
Cie in Zürich 1 verbleiben.
NB. Die Pfändungsobjekte wurden in Gewahrsam der Bank A.-G. Leu & Cie in
Zürich belassen.
Fristansetzung:
Dem Gläubiger wird hiemit eine Frist von zehn Tagen .... angesetzt, innerhalb
welcher er gegen den Drittansprecher Arthur Jakob Ambühl, geb. 1922, vertreten
durch Amtsvormund J. Kunz in Luzern, Klage erheben kann...»
Hierauf erhob der Rekurrent Klage bezüglich der 4 gepfändeten Obligationen -
dagegen nicht bezüglich zweier weiterer Pfändungsobjekte, die daher endgültig
aus der Pfändung gefallen sind - mit dem Erfolg, dass die Klage zugesprochen
wurde.
Als der Rekurrent nun die Verwertung verlangte und dies der A.-G. Leu & Cie am
9. Januar 1933 mitgeteilt wurde, führte sie am 12. Januar 1933 Beschwerde mit
dem Antrag, das Betreibungsamt Grüningen sei anzuweisen, den dem
Betreibungsamt Zürich 1 erteilten Verwertungsauftrag zu widerrufen.
B. - Die kantonalen Aufsichtsbehörden haben die
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Beschwerde gutgeheissen und das Betreibungsamt Grüningen angewiesen, dem
Rekurrenten Frist zur Einleitung der Widerspruchsklage anzusetzen.
C. - Den Entscheid der obern Aufsichtsbehörde vom 30. März 1933 hat der
Rekurrent an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag auf Abweisung der
Beschwerde.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1.- Als unbegründet erweist sich zunächst die Verspätungseinrede des
Rekurrenten. Verwirkung einer Drittansprache tritt nur dann ein, wenn sie
schuldhafterweise nicht binnen zehn Tagen seit Kenntnis von der Pfändung beim
Betreibungsamt angemeldet wird, jedoch entgegen der Ansicht des Rekurrenten
nicht schon dann, wenn das Betreibungsamt auf die Anmeldung einer
Drittansprache hin das Widerspruchsverfahren nicht einleitet und der dies
wissende Drittansprecher deswegen nicht ohne Säumnis Beschwerde führt - aus
dem einfachen Grunde, dass die Nichteinleitung des Widerspruchsverfahrens eine
Rechtsverweigerung darstellt, wegen der jederzeit Beschwerde geführt werden
kann (vgl. z. B. BGE 48 III S. 34,/5; es wäre denn, dass eine ausdrückliche
Verfügung getroffen wird, aus der sich ergibt, dass das Widerspruchsverfahren
nicht eingeleitet werden wolle, was hier vor Erteilung des
Verwertungsauftrages nie geschehen ist).
2.- Freilich enthalten die erwähnten Schreiben der Rekursgegnerin, welche
Anlass zu dem angeführten Vermerk in der Pfändungsurkunde gegeben haben, keine
prägnante Bezeichnung des von ihr in Anspruch genommenen Rechtes. Allein für
die Gültigkeit der Anmeldung der Drittansprache war dies gar nicht
erforderlich, weil ja das Widerspruchsverfahren immer einzuleiten ist, sobald
ein Dritter ein die Pfändung ausschliessendes oder zurückdrängendes Recht an
den gepfändeten
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Vermögensgegenständen geltend macht, wobei es gleichgültig ist, welcher Art
dieses Recht sei (vorausgesetzt allerdings, dass es nicht ein durch ein
Betreibungsverfahren begründetes Pfändungspfandrecht sei) (BGE 48 III S. 221
und frühere dort zitierte Entscheide). Hieran ist entgegen der Kritik des
Rekurrenten festzuhalten, weil bei dem von ihm postulierten Ausschluss anderer
als eigentums- oder pfandrechtsähnlicher Rechte vom Widerspruchsverfahren
keine Möglichkeit bestünde, Streitigkeiten über solche Rechte in sachgemässer
Weise entscheiden zu lassen, zumal derartige Streitigkeiten insbesondere nicht
in den Kompetenzbereich der Aufsichtsbehörden einbezogen werden können. Dass
aber die Rekursgegnerin ein solches Recht für sich in Anspruch nehme, musste
aus ihrer Stellungnahme zu dem Pfändungsvorhaben geschlossen werden, weil
nicht erfindlich wäre, zu welch anderem Zwecke sie dem die Pfändung
vollziehenden Betreibungsamt überhaupt die im ersten NB verurkundete Angabe
gemacht hätte, als um darauf aufmerksam zu machen, dass sie die gepfändeten
Obligationen nicht ohne weiteres werde zur Verwertung herausgeben können. Dies
hatte denn auch die untere Aufsichtsbehörde schon in ihrem Beschwerdeentscheid
vom 12. Mai 1932 hervorgehoben, der wegen anfänglicher Verweigerung der
Pfändung notwendig geworden war. Um die Einleitung des Widerspruchsverfahrens
zu veranlassen, genügt ja die blosse Behauptung eines solchen Rechtes, ohne
dass es den Betreibungsbehörden zustünde, von der Einleitung des
Widerspruchsverfahrens abzusehen, wenn ihrer Ansicht nach ein die Pfändung
ausschliessendes oder zurückdrängendes Recht selbst unter der Voraussetzung
der Richtigkeit der dafür vorgebrachten Tatsachen nicht anerkannt werden
könnte. Gerade im vorliegenden Falle springt in die Augen, dass hierüber nur
in Auslegung einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung und Anwendung
materiellen Erbrechtes entschieden werden kann, die den Zivilgerichten
vorbehalten bleiben müssen. Mit
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Recht haben daher die Vorinstanzen die Einleitung des Widerspruchsverfahrens
über die Streitfrage angeordnet, welcher Art die der Rekursgegnerin als
Willensvollstreckerin zustehenden Rechte seien (insbesondere im Falle, dass
die Rekursgegnerin eine Nacherbeneinsetzung zu vollziehen beauftragt sei, was
zunächst entschieden werden muss), und ob diese Rechte den pfändenden
Gläubigern des Erben entgegengehalten werden können.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurshammer .
Der Rekurs wird abgewiesen.