S. 410 / Nr. 63 Familienrecht (d)

BGE 59 II 410

63. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. November 1933 i. S.
Bloch-Schirmbeck gegen Bloch.

Regeste:
Verwandtenunterstützung, Art. 328 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
1    Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
2    Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462
ZGB.
Zu berücksichtigen sind Einkommen und Vermögen der Unterstützungspflichtigen.
Blutsverwandte in auf- und absteigender Linie haben nur dann einen Anspruch,
ihr Vermögen ungeschmälert zu erhalten, wenn durch die Unterstützung ihr
eigenes Auskommen in naher Zukunft gefährdet würde.

Die Berufungskläger sind die Grosseltern der drei Berufungsbeklagten. Sie
wurden vom Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft durch Entscheid vom 27.
September 1933 verpflichtet, jeden der Berufungsbeklagten

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monatlich mit 20 Fr. zu unterstützen. Gegen diesen Entscheid richtet sich die
vorliegende Berufung.
Aus den Erwägungen:
Das Einkommen der Berufungskläger beträgt nach der aktenmässigen Feststellung
der Vorinstanz 2960 Fr. im Jahr. Einerseits ist aber in diesem Betrage, wie
aus der Aufstellung des Statthalteramtes Arlesheim hervorgeht, der
Vermögensertrag inbegriffen, während anderseits die Zinse, welche für die auf
dem Hause haftenden Grundpfandschulden bezahlt werden müssen, nicht in Abzug
gebracht sind. Die Grundpfandschulden betragen insgesamt 35800 Fr., die Zinse
bei einem mittlern Zinsfuss von 5%: 1790 Fr., bei einem solchen von 4 1/2%:
1611 Fr. Demnach verbleibt als Nettoeinkommen ein Betrag von höchstens 1350
Fr., aus dem die beiden Berufungskläger leben müssen. Auch wenn man
berücksichtigt, dass sie keine Wohnungsmiete zu bezahlen haben, da sie im
eigenen Hause wohnen, ist nicht einzusehen, wie es ihnen möglich sein sollte,
von diesem dürftigen Einkommen noch etwas an die Grosskinder abzugeben.
Es kann sich daher nur fragen, ob sie nicht im Hinblick auf ihr Vermögen zu
Leistungen zu verpflichten seien. In der Tat besteht in Fällen, wo Verwandte
in auf- oder absteigender Linie unterstützt werden sollen, grundsätzlich kein
Anspruch darauf, das Vermögen ungeschmälert zu erhalten; vielmehr können
Unterstützungspflichtige gezwungen werden, auch ihr Kapital anzugreifen,
sofern nicht ihr eigenes Auskommen dadurch in naher Zukunft gefährdet wird
(BGE 59 II 4). Das Reinvermögen der Berufungskläger beläuft sich nach der
Berechnung der Vorinstanz auf 16210 Fr., bestehend aus 5000 Fr. Obligationen
und 11200 Fr. Differenz zwischen dem Schätzungswert der Grundstücke im Betrage
von 47000 Fr. und der Grundpfandbelastung im Betrage von 35800 Fr. Wie der
Kassier der Darlehenskasse von Arlesheim bestätigt, ist aber eine Obligation
von 2000 Fr. verpfändet,

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sodass die Berufungskläger nicht darüber verfügen können. Das unbewegliche
Vermögen sodann könnte nur durch einen Verkauf der Grundstücke - eine weitere
Belastung wird kaum mehr möglich sein - flüssig gemacht werden. Ob dabei
tatsächlich der Schätzungswert realisiert würde, ist jedoch, besonders bei der
heutigen Wirtschaftskrise, durchaus ungewiss. Das Vermögen, das für die Frage
der Unterstützungspflicht in Anschlag genommen werden kann, beträgt also in
Wirklichkeit bedeutend weniger als 16210 Fr. Dabei ist der Berufungskläger
Joseph Bloch-Schirmbeck bereits 59 Jahre alt, wird daher nicht mehr lange mit
seinem bisherigen Verdienst rechnen können und dann für sich und seine Ehefrau
auf sein kleines Vermöger angewiesen sen. Unter diesen Umständen geht es nicht
an, den Berufungsklägern diese geringen Subsistenzmittel, die sie
voraussichtlich in absehbarer Zeit dringend selber notwendig haben werden, zu
entziehen.
Das Unterstützungsbegehren der Berufungsbeklagten muss somit abgewiesen
werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 59 II 410
Datum : 01. Januar 1932
Publiziert : 24. November 1933
Quelle : Bundesgericht
Status : 59 II 410
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Verwandtenunterstützung, Art. 328 ff ZGB.Zu berücksichtigen sind Einkommen und Vermögen der...


Gesetzesregister
ZGB: 328
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
1    Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
2    Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462
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