S. 47 / Nr. 11 Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsverweigerung)(d)

BGE 59 I 47

11. Urteil vom 23. Juin 1933 i. S. Stoll gegen Zürich.


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Regeste:
Es bildet keine Willkür, wenn auf Grund des zürcherischen Steuergesetzes den
Mitgliedern einer Aktiengesellschaft, die von dieser unentgeltlich
Genusscheine erhalten, für deren Betrag die Einkommenssteuer aufgelegt wird.

A. - Im Oktober 1929 stellte die Allgemeine Maggi-Gesellschaft in Kempttal
ihren Aktionären auf je eine Aktie einen Genusschein im Nominalbetrag von 1000
Fr. unentgeltlich zur Verfügung. Das für diese Genusscheine nötige Kapital
wurde aus Reserven oder Rücklagen genommen, die zum Teil aus dem
Betriebsgewinn der Geschäftsjahre 1927/28 und 1928/29 gebildet worden waren.
Die Genusscheine sind Inhaberpapiere, während die Aktien auf den Namen ihrer
Eigentümer lauten; gewisse den Aktionären zustehende Mitgliedschaftsrechte,
wie das Recht der Beteiligung an der Generalversammlung, sind mit den
Genusscheinen nicht verbunden. Deren Inhaber haben nach den Aktionären einen
Anspruch auf den Reingewinn und auf ein Liquidationsergebnis; andererseits
wird das Genusscheinkapital vor dem Aktienkapital zur Deckung von Verlusten
herangezogen. Die Gesellschaft ist jederzeit befugt. auf Grund eines
Mehrheitsbeschlusses

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der Generalversammlung sämtliche Genusscheine oder einen Teil davon zu
amortisieren. Die Rekurrentin ist Eigentümerin von ... Aktien der Allgemeinen
Maggi-Gesellschaft und erhielt daher unentgeltlich ... Genussscheine. Die
Steuerkommission von Zürich nahm an, dass diese Zuwendung ein Einkommen von
... Fr. bedeute und setzte demgemäss das steuerpflichtige Einkommen der
Rekurrentin für das Jahr 1930 auf ... Fr. fest. Die Steuerrekurskommission I
des Kantons Zürich setzte infolge eines Rekurses der Witwe Stoll die Taxation
auf ... Fr. herab. Die Oberrekurskommission hiess eine Beschwerde des
Steuerkommissärs gegen diesen Entscheid am 24. September 1932 gut und stellte
die Taxation der Steuerkommission wieder her, indem sie folgendes ausführte:
«Nach § 8 des zürcherischen Steuergesetzes gelten als steuerbares Einkommen
«die gesamten Einkünfte eines Pflichtigen aus Erwerbstätigkeit,
Vermögensertrag oder andern Einnahmequellen, insbesondere:... 6. Dividenden
von Aktien, Anteilscheinen und andern Geschäftsanteilen». Auf Grund dieser
Bestimmungen hat die Oberrekurskommission den Begriff des «Kapitalertrages aus
Aktien» als einer besonderen Art des Vermögensertrages ausgebildet, wobei sie,
vom Regelfall der Dividende ausgehend, eine Reihe weiterer Ausrichtungen
darunter fallen liess. So wurde in einem Entscheid vom 7. Mai 1932 erklärt,
dass Einzahlungen der Gesellschaft auf den noch nicht eingeforderten Teil des
Aktienkapitals von den Aktionären als Kapitalertrag zu versteuern seien.
Entscheide, die die Steuerpflicht des Aktionärs für derartige Einzahlungen
bejaht hatten, waren schon früher ergangen (vgl. Zentralblatt 24 S. 221, Z. R.
22 No. 174; ferner das vom Bundesgericht am 9. Oktober 1926 bestätigte Urteil:
Rechenschaftsbericht 1926 No. 7, Zentralblatt 27 S. 375, Z. R. 26 No. 40,
Klaus No. 55 Abs. 1 und 2). Doch hatte die Oberrekurskommission in den frühern
Entscheidungen gelegentlich den Gedanken zum Ausdruck

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gebracht, man habe es hier mit einer Kapitalgewinnbesteuerung zu tun. Am 7.
Mai 1932 lehnte sie dann diese Auffassung ausdrücklich ab. Sie liess sich
dabei von der Überlegung leiten, dass die Bestimmung von § 8 Ziff. 7 StG.,
welche von den steuerpflichtigen Kapitalgewinnen handelt, zum mindesten nach
ihrer neuen Fassung vom 2. Dezember 1928 nicht Anwendung finden könne, wenn
eine Aktiengesellschaft Einzahlungen auf den zunächst nicht eingeforderten
Teil des Aktienkapitals mache; der § 8 Ziff. 7 schreibt nämlich in seiner
jetzigen Fassung vor, dass «der realisierte Kapitalgewinn auf
Vermögensobjekten» zum steuerpflichtigen Einkommen gehöre; von einem
realisierten Kapitalgewinn auf der Aktie darf aber wohl nur geredet werden,
wenn die Aktie selbst irgendwie zur Veräusserung gelangt. Demgegenüber nahm
die Oberrekurskommission an, dass die fraglichen Einzahlungen anstelle einer
Dividende ausgerichtet worden seien und daher auch wie die Dividende als
Kapitalertrag besteuert werden müssten. Hatte es sich in diesen Fällen jeweils
um Einzahlungen der Gesellschaft gehandelt, die erst kürzere oder längere Zeit
nach der Aktienemission geleistet worden waren, so liess die
Oberrekurskommission von jeher eine ähnliche Behandlung eintreten, wenn die
Gesellschaft bereits bei Ausgabe der Aktien oder auch bei Ausgabe von
Obligationen einen Teil oder den ganzen Betrag der betreffenden Titel für den
Aktionär einzahlte (Einzahlung des ganzen Betrages durch die Gesellschaft:
Rechenschaftsbericht 1923 No. 9 und 10, 1924 No. 12, Zentralblatt 24 S. 259,
Z. R. 23 No. 41, 24 No. 96, KLAUS No. 54 Abs. 1-3; Einzahlung eines
Teilbetrages: Rechenschaftsbericht 1923 No. 10, Zentralblatt 24 S. 260, Z. R.
23 No. 42, KLAUS No. 55 Abs. 3). Auf diese Weise gelangte sie von jeher dazu,
die Steuerpflicht des Aktionärs für sog. Gratisaktien und Gratisobligationen
bis zur Höhe ihres Nennwertes grundsätzlich zu bejahen... Dabei wurde
allerdings von der Oberrekurskommission jeweils unterschieden, ob die
Einzahlungen aus Gewinn des

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abgelaufenen Geschäftsjahres oder aus Reserven früherer Jahre herrührten. Bei
Einzahlungen aus dem Gewinn des vergangenen Geschäftsjahres wurde der Aktionär
für Kapitalertrag besteuert; im andern Fall erfolgte bei ihm eine
Kapitalgewinnberechnung, wobei der Erwerbspreis der alten Aktie verglichen
wurde mit deren Wert nach Ausgabe des neuen Titels, vermehrt um die von der
Gesellschaft geleistete Einzahlung; der Unterschied wurde dann bis zum Betrag
des neugeschaffenen Nennwertes erfasst. Heute erscheint es als gegeben, in
Übereinstimmung mit dem, was oben über die späteren Einzahlungen der
Gesellschaft gesagt worden ist, den Gesichtspunkt der Kapitalgewinnbesteuerung
ganz zu verlassen und in der Verteilung von Gratisaktien und
Gratisobligationen stets die Ausrichtung von Kapitalertrag zu erblichen...»
«Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin und der Rekurskommission beruhen,
soweit sie grundsätzlicher Natur sind und somit neben den Genusscheinen
hauptsächlich die Besteuerung der Gratisaktien betreffen, fast ausschliesslich
auf der Überlegung, dass der Aktionär nach Empfang des Gratistitels nicht mehr
Vermögen besitze als vorher. Sie machen darauf aufmerksam, dass der Aktionär
vor wie nach Empfang einer Gratisaktie an der gleichen Quote des
Gesellschaftsvermögens beteiligt sei; der Unterschied bestehe nur darin, dass
das, was er vorher als Anteil an einer Reserve der Gesellschaft besessen habe,
nun dem alten Titel verloren gehe und in einer neuen Aktie verkörpert werde.
Dass dies -wenn auch praktisch nicht ohne Einschränkungen - dem wahren
Sachverhalt entspricht, kann nicht bestritten werden. Von Bedeutung aber ist
für das Steuerrecht, dass der Anteil an der Reserve, welcher auf der alten
Aktie im Laufe der Zeit angewachsen war und jetzt auf ihr verloren geht, vom
Aktionär noch nie als Ertrag versteuert worden ist...; er erschien zu
unsicher, um in diesem Zusammenhang schon als eingenommen behandelt zu
werden... Sobald aber der angewachsene Mehrwert von

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der alten Aktie ohne Verminderung ihres Nennwertes losgelöst wird, indem die
ihm entsprechenden Vermögensteile der Gesellschaft zur Einzahlung in eine
neue, dem Aktionär zu überlassende Aktie Verwendung finden, ist für die
Kapitalertragsbesteuerung der Augenblick gekommen, um den Mehrwert als
eingenommen zu betrachten und ihn bis zur Höhe des neu geschaffenen Nennwertes
zu erfassen. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei Gratisobligationen, und
das Gleiche gilt für nachträgliche Einzahlungen der Gesellschaft auf den noch
nicht eingeforderten Teil des Aktienkapitals, wie schliesslich auch für die
Dividendenausschüttung selbst... (vgl. in diesem Sinne Zentralblatt 24 S. 261,
Z. R. 23 No. 42; ferner besonders: Entscheid des Bundesgerichts vom 9. Oktober
1926 i. S. Dr. St. -M., veröffentlicht in Z. R. 26 No. 40; Entscheid der
Oberrekurskommission vom 7. Mai 1932). Allerdings besteht zwischen der
Dividendenausschüttung und den erwähnten andern Fällen insofern ein
Unterschied, als bei der Dividendenzahlung meistens - doch nicht immer -
Gewinn des abgelaufenen Geschäftsjahres zur Verteilung gelangt und
dementsprechend der Rückgang im innern Wert der alten Aktie gewöhnlich bis zum
Ende des nächsten Jahres wieder eingeholt wird, während in den übrigen Fällen
sehr oft angesammelte Erträgnisse längerer Zeiträume der alten Aktie entzogen
werden und die Erholung daher auch erst nach längerer Zeit erwartet werden
kann. Dieser Unterschied ist aber für die hier im Streit liegende Frage der
steuerlichen Behandlung ohne wesentliche Bedeutung. Schliesslich ist noch
darauf hinzuweisen, dass die Einkommenssteuer auch ausserhalb des Gebietes der
Kapitalertragsbesteuerung oft erhoben wird, ohne dass im fraglichen Augenblick
eine Vermehrung des Vermögens, berechnet auf Grund des Verkehrswertes,
eingetreten wäre. Man denke an die Kapitalgewinnbesteuerung nach § 8 Ziff. 7
StG. und ebenso an die Besteuerung des Liquidationsgewinnes auf
Geschäftsliegenschaften nach § 8 Ziff. 4 StG., wie überhaupt an

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die Besteuerung der Realisation von stillen Reserven im Geschäftsbetrieb...
(vgl. die grundsätzlichen Ausführungen hierüber in Rechenschaftsbericht 1930
No. 5 und 6 Zentralblatt 31 S. 377, Z. R. 29 No. 138; ferner auch BGE 49 I S.
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).»
»Diese Erwägungen zeigen, dass sich die Beschwerdegegnerin und die
Rekurskommission zu Unrecht auf die «allgemeine Einkommensdefinition» berufen,
wonach «als Einkommen die Summe der Güter zu verstehen sei, die einem
Steuersubjekt während eines bestimmten Zeitabschnittes zuflössen und die es
ohne Schmälerung seines Vermögens zur Bestreitung seiner persönlichen
Bedürfnisse oder zu andern Zwecken verbrauchen könne» (BLUMENSTEIN,
Steuerrecht, S. 177). Die Beschwerdegegnerin und die Rekurskommission
erklären, dass der Verbrauch des in der Gratisaktie enthaltenen Wertes nicht
möglich sei, ohne dass das Gesamtvermögen entsprechend zurückgehe. Diese
Behauptung ist - wenigstens im grossen ganzen-richtig, wenn man bei der
Feststellung des «Vermögensrückganges», auf welchen Begriff die Definition
abstellt, mit der Vermögenssteuer das Vermögen in seinem jeweiligen
Verkehrswert ins Auge fasst. So genommen kann aber die Definition nach den
hier gemachten Ausführungen zum mindesten für das zürcherische Recht überhaupt
nicht anerkannt werden. Sie würde nicht nur die Besteuerung der Gratisaktien
verunmöglichen, sondern ebenso in den genannten andern Fällen, in denen trotz
gleichbleidendem Verkehrswert des Vermögens ein Einkommen als vorhanden
angesehen werden muss, mit dessen steuerlicher Erfassung unvereinbar sein. Die
angerufene Einkommensdefinition kann für das zürcherische Recht nur
aufrechterhalten werden, wenn sie bei der Beurteilung dessen, was sie als
Vermögensrückgang oder Vermögensgleichheit und Vermögenszunahme ansieht, auf
die Betrachtungsweise der Einkommenssteuer Rücksicht nimmt... Die
Beschwerdegegnerin behauptet zu Unrecht, die Besteuerung des

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Aktionärs für Gratisaktien stehe im Widerspruch zu frühern Entscheidungen der
Oberrekurskommission, in denen diese Behörde die Steuerpflicht des Aktionärs -
für ausgeübte Bezugsrechte auf neue Aktien verneint habe. Die
Oberrekurskommission hat allerdings schon zu verschiedenen Malen erklärt, dass
der Aktionär, der gewisse Bezugsrechte auf neue Aktien selbst ausübe, für
diese Rechte keine Einkommenssteuer zu entrichten habe (Rechenschaftsbericht
1923 No. 8, Zentralblatt 24 S. 182, Z. R. 22 No. 173, KLAUS NO. 64, Abs. 4).
Dabei handelte es sich jedoch um Fälle, in denen der Aktionär den vollen
Nennbetrag der neuen Aktie selber einbezahlt hatte und ihm lediglich für den
Anteil dieser Aktie an den Reserven der Gesellschaft eine Ermässigung
zugestanden worden war. Für Fälle, in denen ein Aktionär neue Aktien unter
ihrem Nennwert ohne Überbindung einer Nachzahlungspflicht zugeteilt erhielt,
liess die Oberrekurskommission eine andere Behandlung eintreten. Hier ging
sie, wie oben bereits dargetan, in Übereinstimmung mit ihrer Praxis bei der
Gratisaktienausgabe davon aus" dass die Gesellschaft den vom Aktionär nicht zu
leistenden Betrag aus ihren Mitteln für ihn einzahle. Dementsprechend nahm sie
eine Einkommenssteuerpflicht des Aktionärs für diesen Betrag an. Damit dürfte
der von der Beschwerdegegnerin gerügte angebliche Widerspruch aufgeklärt sein.
Die weiteren Einwendungen der Beschwerdegegnerin und der Rekurskommission,
welche als Bestreitung auch der Einkommenssteuerpflicht für Gratisaktien
aufzufassen sind, stellen zum grossen Teil Hinweise auf Entscheidungen
schweizerischer und ausländischer Gerichte dar. So wird darauf aufmerksam
gemacht, dass das Bundesgericht im Jahr 1920 entschieden habe, es komme bei
Auseinanderfallen des Eigentums und der Nutzniessung an einer Aktie die
Gratisaktie nicht dem Nutzniesser, sondern dem Eigentümer zu, da sie nicht als
Frucht, als Erträgnis der Sache erscheine (BGE 46 II S. 473 ff.). Dieser auf
dem Boden des Zivilrechts

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ergangene Entscheid kann aber, wie das Bundesgericht selber einmal
festgestellt hat (BGE 49 I S. 14 oben), für das Steuerrecht nicht ohne
weiteres massgebend sein (vgl. zu dem fraglichen Entscheid noch: WIELAND,
Handelsrecht, B. 2 S. 165 Anm. 15)... Die Besteuerung der Gratisaktien als
Kapitalertrag kann nur in einer Hinsicht möglicherweise zu einigen
Schwierigkeiten führen. Es betrifft das den Pflichtigen, der die alte Aktie
kurz vor der Gratisaktienausgabe zu einem Kurse gekauft hat, in dem der zu
erwartende neue Titel bereits eingerechnet war. Hier muss man sich fragen, ob
der Pflichtige trotzdem die Gratisaktie bei ihrer Ausrichtung als Einkommen zu
versteuern hat. Eine Entscheidung über diese Frage ist jedoch heute nicht
notwendig, weil nach den Akten der Besitz der Beschwerdegegnerin an den ....
Maggi-Aktien weiter zurückgeht als die Entstehung der für die Ausrichtung
herangezogenen Reserven. Es bleibt somit nur noch zu untersuchen, ob die für
die Gratisaktien geltende Rechtsprechung auch auf die Gratisgenusscheine der
Maggi-Gesellschaft übertragen werden soll. Das ist zu bejahen. Zwar ist
zuzugeben, dass sich die Genusscheine der Maggi-Gesellschaft, wie in der
Beschwerdeantwort der Beschwerdegegnerin eingehend dargetan wird, in
mannigfacher Hinsicht, besonders durch das Fehlen der Mitgliedschaftsrechte,
von den Aktien der Gesellschaft unterscheiden. In anderer, ausschlaggebender
Beziehung aber sind sie diesen doch nahe verwandt. Massgebende Bedeutung kommt
hier dem Umstand zu, dass in der Bilanz der Maggi-Gesellschaft ein bestimmter
Betrag als Genusscheinkapital ausgeschieden ist, der der Summe der Nennwerte
aller Genusscheine entspricht. Dieses Kapital darf nur «nach vollständiger
Auflassung der in der Bilanz ausgewiesenen offenen Reserven» zu allfälliger
Verlustdeckung herangezogen werden. Im Falle des Rückkaufes der Genusscheine
erhalten deren Inhaber als Mindestleistung den jeweiligen Nennbetrag
ausbezahlt. Ebenso können sie bei der Liquidation nach

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Rück zahlung des Aktienkapitals den Wert beanspruchen, auf den die Scheine
dannzumal lauten. Angesichts dieser Verhältnisse erscheint der Unterschied
zwischen den Genusscheinen und den Aktien der Maggi-Gesellschaft nicht mehr
wesentlich grösser als der Unterschied zwischen Stammaktien und
Prioritätsaktien anderer Gesellschaften. Dann muss aber auch die Ausgabe der
Genusscheine entsprechend derjenigen von Gratisaktien dahin aufgefasst werden,
dass die Maggi-Gesellschaft für die Genusscheinempfänger den Nennbetrag der
neuen Titel einbezahlt habe. Das führt zur Besteuerung der Beschwerdegegnerin
für den Nennbetrag der von ihr erhaltenen Scheine.»
B. - Gegen diesen Entscheid hat Witwe Stoll die staatsrechtliche Beschwerde
ergriffen mit dem Antrag, er sei aufzuheben «unter Feststellung, dass in Bezug
auf die ... Genusscheine ... eine Einkommenssteuerpflicht nicht besteht».
Die Rekurrentin macht geltend: Angesichts des klaren Wortlautes von § 8 Ziff.
6 des zürch. Steuergesetzes sei es schlechterdings unmöglich, die
Einkommenssteuerpflicht der Genusscheine auf diese Bestimmung zu stützen. Es
bilde Willkür, die Verteilung von Genusscheinen analog wie die Entrichtung von
Dividenden zu behandeln. Hierin liege eine unmögliche Auslegung des
Einkommensbegriffes. Unter Einkommen könnten auch nach dem zürcherischen
Steuergesetz nur diejenigen Güter verstanden werden, die einem Steuersubjekt
während einer bestimmten Periode zufliessen und die es für seine persönlichen
Bedürfnisse oder andere Zwecke ohne Schmälerung seines Vermögens, wie es im
Zeitpunkt des Zuflusses jener Güter bestand, verwenden könne (BLUMENSTEIN, Die
Einkommenssteuerpflicht des Aktionärs für Gratisaktien, im Archiv f. schweiz.
Abgaberecht 1 S. 257 ff.). Der Empfang der Genusscheine vergrössere das
Vermögen nicht und deren Betrag könne nicht ohne Schmälerung des bisherigen
Besitzstandes ausgegeben werden. Die Annahme der Oberreckurskommission, es sei
von

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Bedeutung, dass der Aktionär den seiner Aktie zugewachsenen Anteil an der
Reserve noch nie als Ertrag versteuert habe, diese Besteuerung dürfe daher
eintreten, sobald dieser Anteil von der Aktie ohne Verminderung ihres
Nennwertes auf eine Gratisaktie übergegangen sei, bedeute Willkür. Damit komme
die Oberrekurskommission auf einem Umweg doch wieder auf die von ihr als
unzulässig bezeichnete Theorie der Besteuerung der Genusscheine als
Kapitalgewinn zurück und verwickle sich in einen unlösbaren Widerspruch. Die
Ausgabe von Genussscheinen bedeute keine Verminderung des Vermögens der
Gesellschaft und sei daher gerade das Gegenteil von Gewinnausschüttung. Wenn
eine Ausnahme für den Fall zu machen sei, dass ein Aktionär seine Aktie zu
einem Preise gekauft habe, der den Wert des neuen Titels einschliesse, so
könne man unmöglich mehr von Rechtsgleichheit sprechen. Die Ausführungen der
Oberrekurskommission erwiesen sich auch deshalb nicht schlüssig, weil die
Genusscheine den Gratisaktien nicht gleichgestellt werden können. Sodann liege
eine Rechtsungleichheit vor, weil die Oberrekurskommission hier, Bezugsrechte
auf neue Genusscheine als Einkommen besteuern wolle, während sie im Entscheid
in Z. R. 1923 No. 173 diese Steuerpflicht für ausgeübte Bezugsrechte auf neue
Aktien verneint habe. . .
C. - Die Oberrekurskommission und der Regierungsrat des Kantons Zürich haben
die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Oberrekurskommission hat in sachlicher, eingehender und sorgfältiger Weise
ihren Standpunkt, dass die Verteilung von Gratisgenusscheinen
steuerpflichtiges Einkommen der Aktionäre bilde, begründet und dabei auch
angegeben, weshalb sie keinen Widerspruch mit den frühern Entscheiden über die
Steuerpflicht für Bezugsrechte auf neue Aktien erblickt. Wieso darin Willkür

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oder sonst eine Verletzung der Rechtsgleichheit liegen sollte, ist nicht
einzusehen. Der staatsrechtliche Rekurs ist nichts anderes als eine verkappte
ordentliche Weiterziehung der Sache an das Bundesgericht, die ausgeschlossen
ist. Die Ausführungen im bundesgerichtlichen Urteil i. S. Jura-Cementfabriken
A.-G. g. Aargau vom 26. Januar 1923 (BGE 49 I S. 11 ff.), wo es als nicht
willkürlich bezeichnet worden ist, dass der Kanton Aargau die Ausgabe von
Gratisaktien an die Aktionäre steuerrechtlich der Auszahlung einer Dividende
gleichstellt, treffen auch im vorliegenden Fall zu. BLUMENSTEIN, den die
Rekurrentin angerufen hat, führt im Archiv f. schweiz. Abgaberecht I S. 261
selbst aus, dass der Unterschied zwischen Gratisaktien und Gratisgenusscheinen
es nicht rechtfertigen würde, diese bei der Frage, ob ihr Empfang
steuerpflichtiges Einkommen bilde, anders zu behandeln, als jene.
Indem die Rekurrentin hauptsächlich geltend macht, dass durch die
Gratisgenusscheine ihr Vermögen nicht vermehrt worden sei und daher der
Empfang dieser Titel kein Einkommen bilden könne, betrachtet sie die Sachlage
vom Gesichtspunkt der Identität der Aktiengesellschaft mit den Aktionären aus,
wonach diesen das Gesellschaftsvermögen anteilsmässig gehört. Allein das
zürcherische Steuerrecht geht keineswegs in jeder Beziehung, speziell nicht
bei der Besteuerung der Dividenden von diesem Gesichtspunkt aus; denn sonst
könnte es diese nicht neben der Aktie besteuern, da ja die Dividenden aus
Mitteln genommen werden, die bereits als solche des Aktionärs erscheinen, wenn
man diesen als Anteilhaber am ganzen Gesellschaftsvermögen betrachtet. Spielt
somit diese Betrachtungsweise bei der Besteuerung der Dividenden keine Rolle,
so darf man gewiss annehmen, dass dasselbe auch bei der Lösung der Frage
gelte, ob der Empfang von Gratisaktien oder -genusscheinen steuerpflichtiges
Einkommen des Aktionärs sei. Auch diese Titel werden dem Aktionär wie die
Dividende aus dem Reinertrag oder aus den durch solchen Ertrag gebildeten

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Reserven zur Verfügung gestellt. Er erhält dabei einen der Aktie ähnlichen
Werttitel, einen Anteilschein, statt einer Forderung auf Auszahlung eines
Dividendenbetrages; das kann aber für die grundsätzliche Frage der
Einkommenssteuerpflicht als unerheblich betrachtet werden.
Zudem bildet der Empfang eines Gratisgenusscheins für den Aktionär der
Allgemeinen Maggi-Gesellschaft wirtschaftlich gewiss einen Vorteil, auch wenn
vorher sein Anteilrecht am gesamten Gesellschaftsvermögen im Kurswert der
Aktie zum Vorschein kam. Durch die Schaffung des Genusscheinkapitals hat die
Gesellschaft den Betrag des Reinvermögens erhöht, das sie zu Gunsten des
Aktionärs und Genusscheininhabers aufrecht halten zu wollen erklärt. Sodann
ist eine Amortisation oder Rückzahlung der Genusscheine vor der Liquidation in
Aussicht genommen worden, was auf bedeutende Reserven und liquide Mittel
schliessen lässt. Auch können die Genusscheine viel leichter und vorteilhafter
als die auf den Namen lautenden Aktien der Gesellschaft veräussert werden.
Alle diese Umstände müssen notwendig zur Folge haben, dass die Aktie mit dem
Genusschein zusammen einen höhern Kurswert erreicht, als sie vorher gehabt
hat.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 59 I 47
Datum : 01. Januar 1932
Publiziert : 23. Juli 1933
Quelle : Bundesgericht
Status : 59 I 47
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Es bildet keine Willkür, wenn auf Grund des zürcherischen Steuergesetzes den Mitgliedern einer...


BGE Register
46-II-473 • 49-I-14 • 49-I-8 • 59-I-47
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gratisaktie • bundesgericht • empfang • frage • bezugsrecht • aktienkapital • kapitalgewinn • wert • weiler • aktiengesellschaft • archiv • mehrwert • kurswert • genussschein • witwe • aargau • minderheit • bruchteil • entscheid • rechtsgleiche behandlung
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