8 Staatsrecht.

2. Urteil vom 26. Januar 1928 i. S. Jua-Gemontfabriken A..-G. gegen
Laz-gnu.

Besteuerung des Erwerbs von Aktiengesellschaften, die die an die Aktionäre
ausgerichteten Geschäftserträgnisse trifft. Es ist keine Willkür, wenn
die Verwandlung von Reserven in Aktienkapital als solche steuerpflichtige
Ausrichtung behandelt wird.

A. Nach § 5 Ziff. 4 und § 8 Ziff. 3 des aargauischen Gesetzes über die
Besteuerung der Aktiengesellschaften und Erwerbsgenossenschaften, vom
15. September 1910, haben die im Kanton domizilierten Aktiengesellschaften
u. a. die Erwerbssteuer auf allen Summen zu bezahlen, welche aus den
Geschäftserträgnissen an die Aktionäre ausgerichtet werden (Dividenden,
besondere Ausschüttungen, Bonus etc.), soweit diese Leistungen in einem
Jahre 3 % des Aktienkapitals übersteigen.

Die Jura Cementfabriken A.-G. in Aarau haben seit Jahren durch
Abschreibungen auf Immobilien und Maschinen stille Reserven gebildet,
wodurch sich der Wert der Aktien auf das doppelte des Nennwerteserhöhte.
Im November 1920 hat die Gesellschaft beschlos sen, den Immobilienund
Maschinenkonto um insgesamt 2,500,000 Fr. in der Bilanz zu erhöhen,
das gleichviel betragende Aktienkapital zu verdoppeln und den
Aktionären auf je eine älte Aktie eine neue ohne Gegenleistung zu
verabfolgen. Infolgedessen zog die Gemeindesteuerkommission von Aarau
für das Jahr 1921 die Gesellschaft für den Betrag von 2,500,000 Fr.
Aktienkapitalerhöhung in Form von Bonus gestützt auf die angeführten
Gesetzeshestimmungen für Staat und Gemeinde zur Erwerbssteuer heran. Die
Bezirkssteuerkommission Aarau wies eine gegen diese Besteuerung
erhobene Beschwerde ah, worauf sich die Gesellschaft an das aargauische
Obergericht wandte mit dem Begehren, der unter dem Titel Andere
Gewinnanteile,Gleichheit vor dem Gesetz. N° 2. 9

Aktien'kapitalerhöhung in Form von Bonus 2,500,000 Fr. : bei der Staatsund
Gemeindesteuerberechnung pro 1921 von der Gemeindesteuerkommission. Aarau
aufgestellte steuerpflichtige Erwerb von 2,500,000 Fr. sei zu'
streichen. Es wurde geltend gemacht: Durch die Verabfolgung der aus
eigenen Geldern der Aktiengesellschaft liberierten Aktien an die Aktionäre
seien keinerlei Summen an die Aktionäre ausgerichtet worden, da sich weder
das Vermögen der Gesellschaft vermindert, noch dasjenige der Aktionäre
vermehrt habe. Ferner habe die Gesellschaft in den Voraufgehenden Jahren
ihre stillen Reserven als Vermögen versteuert, eine Besteuerung derselben
als Erwerb wäre unzulässig gewesen. Die beklagte Gemeindesteuerkommission
von Aarau hielt an der bestrittenen Besteuerung fest, unter Berufung auf
das obergerichtliche Urteil vom 6. März 1922 in Sachen der A. G. Sprecher
und Schuh (Aargauische Viertel-

jahrsschrift 1922 S. 127), durch welches die Umwandlung

offener Reserven in Gratisaktien als erwerbssteuerpflichtig erklärt werden
war. Das Obergericht wies mit Urteil vom 15. September, mitgeteilt am
3. Oktober 1922, die Beschwerde der Jura-Cementfabriken unter Bezugnahme
auf das Urteil in Sachen der A..-G. Sprecher und Schuh und mit folgender
weiterer Begründung ab : Jener Tatbestand weicht vom vorliegenden in
keinem wesentlichen Punkte ab. Der Umstand, dass dort die Gratisaktien
aus bisher offenen Reserven gebildet wurden, hier dagegen aus stillen,
ist ohne Bedeutung. Wesentlich ist hier wie dort, dass durch die Um
wandlung von Reserven in Aktienkapital ein Teil der

. bisher nicht verteilten Jahresergebnisse der Erwerbs-

tätigkeit der Klägerin, d. h. der jährlichen Reingewinne in einer
geldeswerten Form, nämlich als veräusserliche Aktien den Aktionären
zugewendet worden ist. Dass in dieser Abgabe von Gratisaktien eine
geldeswerte Ausrichtung liegt, muss auch darum angenommen werden,
weil jeder Nachweis dafür, dass die neuen

m Staatsrecht.

Aktien nur den halben Wert der alten haben und wirklich im Verkehr
nur so viel gelten, fehlt und nicht einmal angetragen ist. Die
Erfassung solcher Zuwen dungen als Erwerb rechtfertigt sich auch aus
der Überlegung, dass die Anhäufung der Reingewinne in Reserven und
ihre periodische Ausschüttung durch Gratisaktien an die Aktionäre nur
eine andere Form der Verteilung der Geschäftserträgnisse darstellt.
Zwar erhält dadurch der Aktionär nicht eine Bar leistung wie bei der
Ausrichtung "von Dividenden, aber die Berechtigung zum Dividendenbezug
wird erweitert. Ist deshalb das Obergerieht schon im Falle Sprecher
und Schuh zur Abweisung der Beschwerde gelangt, so kann auch in diesem
Falle aus denselben Gründen und auch mit Rücksicht auf jenes Urteil
der Entscheid nicht anders lauten. _

B. Gegen dieses Urteil haben die Jura-(Zementfabriken A.-G. innert der
gesetzlichen Frist heim Bundesgericht Beschwerde erheben mit dem Begehren,
es sei dasselbe (und damit der Entscheid der Bezirkssteuerkommission
und derjenige der Gemeindesteuerkommission) in dem Sinne aufzuheben,
dass die beanstandete Steuer für einen Erwerb von 2,500,000 Fr. aus
Aktienkapitalerhöhung gestrichen wird. Das Urteil wird als willkürlich,
den Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV verletzend bezeichnet. Die ausführliche Begründung
lässt sich dahin zusammenfassen: Durch die Erhöhung des Aktienkapitals
und die Verabfolgung von neuen Aktien an die Aktionäre sei keinerlei
Vermögensverschiebung vor sich gegangen : Bei der Gesellschaft handle
es sich nur um eine andere Buchung, indem auf der einen Seite der
'Wert der Immobilien und Maschinen, auf der andern derjenige des
Aktienkapitals um den fraglichen Betrag heraufgesetzt worden sei. Und
die Aktionäre erhielten nichts, was sie nicht schon hätten, da die
Reserven in einem Mehrwert ihrer Aktien zum Ausdruck gekommen seien,
der durch die Verabfolgung der neuen Aktien verschwinde. Auch

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 2. LL

seien die stillen Reserven bis jetzt versteuert werden. Hätten
die Rückstellungen als Erwerb besteuert werden wollen, so hätte es
früher geschehen müssen, wogegen übrigens Beschwerde geführt worden
wäre. Dadurch, dass eine solche Besteuerung nicht erfolgte, sei auf die
Unterstellung dieser Posten unter die Erwerhssteuer verzichtet worden,
eine nachträgliche Heranziehung sei verspätet und unzulässig. Es gehe
nicht an, dass die gleiche Steuerkommission, welche die Reserven
feststellte und akzeptierte, dieselben nach Jahren als übermässige
bezeichne. Es wird dann auf Gutachten von Dr. Stucki und Professor
Blumenstein in Bern verwiesen, die den Standpunkt der Rekurrentin
vertreten, ferner auf die Urteile des Bundesgerichts in Sachen der
Gesellschaft Aareund Emmenkanal (AS 46 I S. 391 ff.) und in Sachen Schmid
gegen Schmid (AS 46 II S. 473 ff.), und gegenüber dem Urteil in Sachen
Sprecher und Schuh bemerkt, dass ,die tatsächlichen Verhältnisse nicht
gleich gelegen seien und dass ein einzelner Entscheid nicht Recht schaffe.

C. Die Bezirksund die Gemeindesteuerkommission von Aarau haben auf
Abweisung der Beschwerde angetragen. Das Obergericht hat auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. § 5 Ziff. 4 und § 8 Ziff. 3 des Gesetzes über die Besteuerung der
Aktiengesellschaften wollen neben dem Vermögen der Aktiengesellschaften
und Erwerbsgenossenschaften ihren Erwerb, den Ertrag des
Geschäftsbetriebs, steuerlich fassen, und zwar in der Weise, dass alle
aus dem Ertrag herrührenden summen, die den Aktionären ausgerichtet
Werden, unter die Steuer fallen. Nun hat die Rekurrentin seit Jahren
einen Teil des Gesehäftsertrags zu Abschreibungen auf den Immobilien und
Maschinen verwendet, der den hiefür kaufmännisch erforderlichen Betrag
(den Gegenwert der

12 Staatsrecht.

Abnützung und Erneuerung) übersteigt, wodurch, wie sie selber zuglbt,
sog. stille Reserven in der Höhe des bisherigen Aktienkapitals
entstanden sind. Diese zeigen sonach einen nach und nach angesammelten
Erwerb der Gesellschaft an, der nach aargauischem Recht grundsätzlich
der Besteuerung unterliegt. Daran ändert der Umstand nichts, dass die
Beträge bilanzmässig in das Vermögen der Gesellschaft übergeführt und als
Vermögen besteuert werden sind. Das Gesetz knüpft die Besteuerung an den
Vorgang der Ausschüttung der Erträgnisse des Betriebs an die Aktionäre
an. Eine solche Regelung ist auch in keiner Weise zu beanstanden,
sofern die als Rückstellungen sich darstellenden Abschreibungen nicht
etwa bei der Vornahme der letztern zum steuerbaren Ertrag hinzugerechnet
worden sind. Das war hier, wie die Rekurrentin selber angibt, nicht der
Fall ; sondern es wurden bis dahin die in der Bilanz der Gesellschaft
vorgenommenen Abschreibungen und Bewertungen von den Steuerbehörden
hingenommen. Dann dürfen aber solche Rückstellungen gewiss ohne jede
Willkür mit der Erwerhssteuer belastet werden, wenn die Gesellschaft
selber sie beseitigt und den Aktionären zukommen lässt. Dass sie bei der
Gesellschaft als Vermögen besteuert werden sind, ist unerheblich, sobald
sie nicht auch Zur Erwerbssteuer herangezogen wurden. Ebenso unerheblich
ist es, dass die Rückstellungen nach und nach in einer Erhöhung des Wertes
der Aktien sich geltend machten. Eine solche mittelbare Einwirkung auf
das Vermögen der Aktionäre könnte allerdings nicht "einer Ausschüttung
von Geschäftserträgnissen gleichgestellt werden. Dagegen ist der durch die
Rückstellungen angesammelte Erwerb infolge der Erhöhung des Aktienkapitals
und der damit verbundenen Abgabe neuer Aktien an die Aktionäre zu neuem
bilanzmässig festgestelltem, normalerweise unantastbarem Vermögen der
Gesellschaft und der Gesellschafter geworden. Er wird damit, während er
bisher der Gesellschaft als

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 2. 13

Reserve diente, über die sie verfügen konnte, den Aktionären als neuer
Teil des Grundkapitals, über den sie verfügen können, dauernd gesichert,
und dieser Vorgang kann ohne Willkür steuerrechtlich als Auszahlung der
in der erwähnten Weise angesammelten Erträgnisse des Geschäftsbetriebes
behandelt werden. Vom Standpunkt der wirtschaftlichen Identität von
Gesellschaft und Gesellschaftern kann ja wohl gesagt werden, dass
durch den fraglichen Vorgang weder bei der Gesellschaft, noch bei den
Gesellschaftern eine Veränderung der Vermögenslage eingetreten sei,
obschon die Verselbständigung des Anteils an den Rücklagen wohl auch
einen Vermögensvorteil bedeutet. Allein rechtlich, und speziell nach
aargauischem Steuerrecht, sind Gesellschaft und Gesellschafter von
einander verschieden, und so kann die Verwandlung der Rücklagen in neues
Grundkapital wohl als steuerlich nach §5 Ziff. 4 und § 8 Ziff. 3 leg.
cit. erheblicher Vorgang angesehen werden. Danach erscheint denn das
Vorgehen der Steuer-behörden und das dasselbe schützende Urteil des
aargauischen Obergerichts im vorliegenden Falle in keiner Weise als
willkürlich. Dies umsoweniger als die Steuerbehörden und das Ober-gericht
bereits in einem andern Falle, der im wesentlichen gleich lag, gleich
entschieden haben. Dass es sich dort um die Verteilung offener Rücklagen
handelte, macht keinen erheblichen Unterschied aus.

2. Die _ von der Rekurrentin eingelegten Gutachten, die die angefochtene
Besteuerung als unzulässig betrachten, sind schon deshalb unbehelflich,
Weil sie sich nicht mit der staatsrechtlichen Frage der Rechtsverweigerung
befassen. Sie sind auch innerlich nicht schlechthin überzeugend,
und dasjenige von Professor Blumenstein deutet da, wo es sich nicht
an den Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen hält, sondern auf das
Wesen der Sache eingeht, selber auf einige Zweifelsf momente hin. Das
bundesgerichtliche Urteil in Sachen der Gesellschaft des Aareund
Emmenkanals gegen

14 , Staatsrecht.

Solothurn erklärt es nur als unzulässig, dass Einlagen in einen
Ernenerungsfonds, soweit sie steuerrechtlich zulässige Abschreibungen
darstellen, mit der soiothurnischen Einkommenssteuer belegt werden,
was mit der vorliegenden Frage nichts zu tun hat, da es sich hier
eben nicht um Abschreibungen zur Erhaltung des Kapitals, sondern um
Kapitalansammlungen handelt. Und steuerrechtlich gänzlich ohne Belang
ist das Zivilurteil in Sachen Schmid gegen Schmid, das sich mit der
Frage befasste, ob der Eigentümer oder der Nutzniesser von Aktien auf
den Bezug von Bonusaktien Anspruch

habe.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Der Rekurs wird abgewiesen.

_II. HANDELSUND GEWERBEFREIHEIT

LIBERTÉ DU COMMERCE ET DE L'INDUSTRIE

3. Arrét du 24 février 1928 dans la cause MM Dr Roeder contre Conseil
d'Etat da canton de Fribourg.

'Avocats : Inconstitutionnalité d'une loi cantonale excluant les femmes
de l'accès à la profession d'avocat.

Mademoiselle Dora Roeder a obtenu le doctorat en droit de l'université
de Zurich et a travaillé pendant un certain temps chez un avocat de
Zurich. Depuis septembre 1922 elle est employee chez le Dr Villars,
avocat à Fribourg. Elle a sollicité du Conseil d'Etat du canton de
Fribourg i'octroi d'une patente de licenciée lui permettant de pratiquer
devant les tribunaux de

l'e instance sous la direction et la responsabilité de-Handelsund
Gewerbeireiheit. N° 3. 15

l'ävocat Villars. Par arrété du 24 novembre 1922 le Conseil d'Etat
du canton de Fribourg a écarté lademande de MHe Roeder par les motifs
suivants :

La requérante ne peut invoquer l'art. 5 Disp. transit. Const. feci.,
car la patente de liceneié denne au candidat' l'autorisation de faire
son stage, or le stage n'est pas une profession, c'est un premier stade
vers la profession d'avocat et dans le canton de Fribourg les femmes ne
sont pas admises à l'exercice du barreau : les avocats sont des officiers
civils (art. 1 de la loi du 22 novembre 1851) et ils doivent justifier de
leur qualité de citoyens actifs (art. 36 du Reglement du 2 janvier 1886).

Mademoiselle Roeder a fammi un recours de droit public au Tribunal fédéral
contre cet arreté, en invoquant les art. 4, 31, 33 Const. féd. et l'art. 5
Disp. transit. et en exposant ce qui suit :

La profession d'avocat est une profession liberale qui, d'après l'art. 5
Disp. transit. Const. féd., doit etre ouverte aux res'sortissants
des autres eantons et dont l'exercice ne peut etre subordonné qu'à
des conditions égales pour tous; en réservant aux hommes le droit de
pratiquer ,le ssbarreau, la loi fribourgeoise Viole le principe de
I'égalité de traitement.

Agissant au nom du Conseil d'Etat, le Ministere public du canton de
Fribourg a conclu au rejet du recours pour les motifs suivants :

Le stage est une anticipation dans l'exercice du barreau. Ne peuvent etre
donc admis au stage que ceux qui sont dans les conditions requises pour
pouvoir aspirer à la profession d'avocat. Toute la question se ramène
à savoir si la recourante' peut se présenter à l'examen d'avocat dans
le canton de Fribourg. Les avocats sont, d'après l'art. 1 de la loi de
1851, des officiers civils ; la loi veut dire par la qu'ils remplissent
une fonction quasi-publiqne, honorée de l'Etat et entourée de différents
privilèges. L'art. 5 Disp. transit. n'est pas applicable, la recourante
n'étant pas porteur
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 49 I 8
Datum : 01. Januar 1923
Publiziert : 31. Dezember 1924
Quelle : Bundesgericht
Status : 49 I 8
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 8 Staatsrecht. 2. Urteil vom 26. Januar 1928 i. S. Jua-Gemontfabriken A..-G. gegen


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aktienkapital • aktiengesellschaft • aargau • aarau • bundesgericht • wert • dispens • stille reserve • schuh • gratisaktie • frage • jura • offene reserve • weiler • wiese • entscheid • konkursdividende • zahlung • geld • unternehmung
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