S. 130 / Nr. 24 Staatsverträge (d)

BGE 59 I 130

24. Urteil vom 20. Juli 1933 i. S. Hatz, Dieselmotorenaktiengesellschaft gegen
D r Unger & Cie G. m.b.H.


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Regeste:
Das deutsch-schweizerische Vollstreckungsabkommen bestimmt nicht, dass ein
Versäumnisurteil in gleicher Weise dem Beklagten zugestellt werden müsse, wie
die den Rechtsstreit einleitende Ladung oder Verfügung nach Art. 4 Abs. 3 des
Abkommens. -Nachweis der Rechtskraft der Entscheidung nach Art. 7 Abs. 1 Ziff.
1 des Abkommens; hiefür ist das Recht des Urteilsstaates massgebend.
Anwendbarkeit des deutsch-schweizerischen Staatsvertrages über die
Beglaubigung öffentlicher Urkunden vom 14. Februar 1907?

A. - Am 5. Juni 1931 schloss die Firma Hatz, Dieselmotoren-Aktiengesellschaft
in Luzern (Hadimag), mit der Firma Dr. Unger & Cie in Berlin-Steglitz (Uco)
einen Vertrag ab, wonach die Hadimag die Vertretung der Fabrikate der Uco für
die Schweiz übernahm und sich u. a. verpflichtete, zunächst Waren im Nettowert
von 3000 Fr. zur sofortigen Lieferung gegen Barzahlung abzurufen. Dabei wurde
als Gerichtsstand Berlin-Schöneberg vereinbart. Auf Grund dieses Vertrages
bezog die Hadimag Waren in einem 3000 Fr. übersteigenden Betrag, doch sandte
sie in der Folge einen Teil davon unbezahlt wieder zurück, weil der Verkauf
des betreffenden Artikels in der Schweiz verboten sei.
Die Uco belangte hierauf die Hadimag vor dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg und
erwirkte unterm 15. Februar 1932 ein Versäumnisurteil, wonach die Beklagte zur
Zahlung von RM 699.35 nebst 2% Zinsen über Reichsbankdiskont seit dem 24.
Dezember 1931 verpflichtet wurde. Eine beglaubigte Abschrift dieses Urteils
wurde am 23. Februar 1932 vom Obergerichtsvollzieher von Berlin im Auftrage
des klägerischen Anwaltes der Beklagten per Post, eingeschrieben zugestellt.

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Gestützt auf diesen Entscheid hob die Uco gegen die Hadimag in Luzern
Betreibung an. Sie legte ihrem Betreibungsbegehren eine Urteilsausfertigung
bei, welche mit dem Gerichtsstempel versehen und durch den Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle des Amtsgerichtes beglaubigt und auf der zudem durch den
Justizinspektor die Rechtskraft bescheinigt worden war. Des fernern
produzierte sie eine Bescheinigung des Amtsgerichtes, wonach seinerzeit die
Klageschrift nebst Rechnungkopien und Ladung zum 15. Februar 1932 der Hadimag
durch Vermittlung des Amtsgerichtspräsidenten von Luzern-Stadt am 24. Dezember
1931 zugestellt worden sei.
Auf Grund dieser Unterlagen gewährte der Amtsgerichtspräsident von
Luzern-Stadt der Uco mit Entscheid vom 10. November 1932 für den Betrag von
943 Fr. 05 Cts. nebst 5% Zins seit 24. Dezember 1931 von 851 Fr. 90 Cts. und
seit 15. Februar 1932 von 91 Fr. 15 Cts. definitive Rechtsoffnung.
Hiegegen rekurrierte die Hadimag an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern. Der Rekurs wurde jedoch
von dieser mit Urteil vom 10. Dezember 1932 abgewiesen.
B. - Gegen diesen Entscheid hat die Hadimag den staatsrechtlichen Rekurs an
das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag: Der angefochtene Entscheid sei
aufzuheben und das Rechtsöffnungsgesuch der Uco abzuweisen.
Zur Begründung erhebt die Rekurrentin die Einrede der nicht formrichtigen
Zustellung des Versäumnisurteils. Dieses sei seinerzeit lediglich per Post
zugestellt worden. Nun habe aber nach den Erklärungen zwischen Deutschland und
der Schweiz vom Dezember 1878 und 30. April 1910 die Zustellung von
Gerichtsakten durch Vermittlung der zuständigen Gerichtsbehörde zu erfolgen.
Da dies nicht geschehen, sei das Urteil daher noch gar nicht rechtskräftig.
Zudem sei nur eine von einem Gerichtsvollzieher beglaubigte Copie zugestellt
worden. Notwendig zur formrichtigen Zustellung sei aber zweifellos die

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Zustellung eines Originalurteiles oder wenigstens einer von einer zuständigen
Instanz beglaubigten Copie. Nach dem Vertrag zwischen der Schweiz und dem
deutschen Reiche über die Beglaubigung öffentlicher Urkunden vom 14. Februar
1907 sei zuständig für die Beglaubigung in Preussen der Regierungspräsident
oder der Polizeipräsident in Berlin. Sodann seien gerichtliche Akten, wenn sie
mit dem Stempel des Gerichtes versehen sind, auch ohne Beglaubigung in der
Schweiz beweisgültig. Die zugestellte Urteilscopie trage aber nur die
Unterschrift des Obergerichtsvollziehers, der keine Gerichtsperson sei, und
auch das amtliche Siegel des Gerichtes sei auf der Kopie nicht ersichtlich.
C. - Die Uco und die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des
Obergerichtes des Kantons Luzern beantragen die Abweisung des Rekurses.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Das zwischen der Schweiz und Deutschland abgeschlossene Vollstreckungsabkommen
vom 2. November 1929 bestimmt in Art. 4 Abs. 3, dass, wenn sich der Beklagte
auf den Rechtsstreit nicht eingelassen hat, die Anerkennung des Urteils zu
versagen sei, sofern die Zustellung der den Rechtsstreit einleitenden Ladung
oder Verfügung an den Beklagten oder seinen zur Empfangnahme berechtigten
Vertreter nicht rechtzeitig oder lediglich im Wege der öffentlichen Zustellung
oder im Auslande auf einem andern Wege als dem der Rechtshülfe bewirkt worden
ist. Und Art. 7 schreibt vor: «Die Partei, die für eine Entscheidung die
Vollstreckbarerklärung nachsucht, hat beizubringen: 1. eine vollständige
Ausfertigung der Entscheidung; die Rechtskraft der Entscheidung ist, soweit
sie sich nicht schon aus der Ausfertigung ergibt, durch öffentliche Urkunden
nachzuweisen; 2. die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunden,
aus denen sich die der Vorschrift des Artikels 4 Abs. 3 entsprechende Ladung
der nicht erschienenen Partei ergibt.» Dass auch

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das Versäumnisurteil selber entsprechend der für die Ladung aufgestellten
Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 dem Beklagten zugestellt worden sein müsse und
dies zudem in einer bestimmten Form, ist im Abkommen nirgends vorgeschrieben.
Hätte man aber die Vollstreckbarkeit auch von einer derartigen Zustellung
abhängig machen wollen, unbekümmert darum, inwiefern nach dem Rechte des
Urteilsstaates eine solche erforderlich war, so wäre dies offenbar in gleicher
Weise im Abkommen ausdrücklich bestimmt worden. Da dies nicht geschehen ist,
könnte somit die Urteilszustellung höchstens für die Frage der Rechtskraft des
Entscheides von Bedeutung sein. Letztere beurteilt sich aber ausschliesslich
nach dem Rechte des Staates, wo das Urteil gefällt worden ist, hier also nach
dem deutschen Rechte. Nun wäre es aber, nachdem die Rekursbeklagte eine
amtliche Rechtskraftbescheinigung des urteilenden Gerichtes beigebracht hat,
Sache der Rekurrentin gewesen, darzutun, dass nach dem internen deutschen
Recht die von ihr für die streitige Zustellung geltend gemachten Anforderungen
für den Eintritt der Rechtskraft erforderlich gewesen wären (vgl. auch BGE 67
I S. 436
f., wo diese Grundsätze mit Bezug auf die ähnliche Regelung des mit
Oesterreich getroffenen Abkommens ausgesprochen worden sind). Das hat sie
jedoch nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen.
Unbehelflich ist auch ihr Einwand, das ihr seinerzeit zugestellte Urteil habe
den Anforderungen des zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche über die
Beglaubigung öffentlicher Urkunden bestehenden Staatsvertrages vom 14. Februar
1907 nicht genügt. Diese Vorschriften gelten lediglich mit Bezug auf Urkunden,
die im andern Vertragsstaat gebraucht werden wollen. Es hatte also wohl die
von der Rekursbeklagten zur Erwirkung der Vollstreckung eingereichte
Urteilsausfertigung diesen Anforderungen zu entsprechen (was auch
unbestrittenermassen zutraf), doch bedurfte es bei der Zustellung der
Ausfertigung an die Rekurrentin der Erfüllung dieser

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Voraussetzungen nicht, ganz abgesehen davon, dass hiedurch die hier einzig
streitige Frage der nach dem internen deutschen Recht zu beurteilenden
Rechtskraft ohnehin nicht berührt, wurde.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 59 I 130
Datum : 01. Januar 1932
Publiziert : 20. Juli 1933
Quelle : Bundesgericht
Status : 59 I 130
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Das deutsch-schweizerische Vollstreckungsabkommen bestimmt nicht, dass ein Versäumnisurteil in...


BGE Register
59-I-130 • 67-I-351
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