BGE 58 I 232
37. Urteil vom 23. September 1932 i. S. Amtsersparniskasse Oberhasli und
Kantonalbank Bern gegen Studer und Obergericht Glarus.
Regeste:
Gerichtsstand der Widerspruchsklage: Erw. 1 und 2.
-insbesondere der Klage nach Art. 107

Positiver interkantonaler Kompetenzkonflikt: Voraussetzungen: Erw. 3.
A. - Die Rekurrentinnen hatten in einer Betreibung gegen Anton Negri in Glarus
an der Pfändung einer Forderung desselben teilgenommen. Der Rekurabeklagte
sprach diese Forderung als ihm von Negri abgetreten an. Das Glarner
Betreibungsamt setzte nach Bestreitung dieses Drittanspruchs durch die
Rekurrentinnen dem Rekursbeklagten gemäss Art. 107

der Widerspruchsklage an.
Der Rekursbeklagte reichte die Klage beim Glarner Richter ein. Die
Rekurrentinnen bestritten unter Anrufung
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von Art. 59

Obergericht Glarus damit abgewiesen.
B. - Dagegen erheben die Rekurrentinnen staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 59


Widerspruchsklagen um Forderungen anwendbar. Die Rekurrentinnen hätten deshalb
hier ihren Gerichtsstand in ihrem Wohnsitzkanton Bern.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der örtliche Gerichtsstand der Widerspruchsklage wird nicht vom
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, sondern vom kantonalen Recht
bestimmt (BGE 25 I S. 37; 33 I 362 Erw. 4; 34 I 727; 36 I 47). Eidgenössische
Gerichtsstandsregeln greifen nur im interkantonalen Verhältnis Platz, nämlich
Art. 59

darstellt, und sonst die Konfliktsregeln bei interkantonaler
Gerichtsstandskonkurrenz. Die Rechtsprechung hieraber geht dahin, dass bei
Widerspruchsklagen nach Art. 107


kantonale Gerichtsstand des Sachortes demjenigen des Betreibungsortes vorgehe,
sowie dass bei Widerspruchs klagen nach Art. 109


BV gelte (BGE 36 I 46; 51 I 197). Heute ist zu entscheiden, ob Art. 59

für Widerspruchsklagen um Forderungen nach Art. 107

auch hier eidgenössisches Gerichtsstandsrecht bloss bei interkantonaler
Gerichtsstandskonkurrenz anwendbar sei.
2.- Der Widerspruchsprozess ist betreibungsrechtlicher Natur. Er geht auf
Feststellung, ob ein Zugriffsrecht des Betreibungsgläubigers auf eine
bestimmte Sache oder Forderung bestehe. Der Entscheid darüber hängt aber von
der Beantwortung einer zivilrechtlichen Vortrage (nach dem Bestand des
Eigentums- oder Pfandrechts des Dritten an der gepfändeten Sache oder
Forderung) ab; und ausserdem geht mit der Feststellung, dass das Zugriffsrecht
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bestehe, die Sache oder Forderung dem Dritten tatsächlich verloren. Die
Widerspruchsklage weist also ausser dem betreibungsrechtlichen auch dingliche,
bezw. obligatorische Elemente auf; und es fragt sich, ob das obligatorische
Element der Widerspruchsklage um Forderungen nach Art. 107

bei der Klage nach Art. 109

von Art. 59

Auf die Widerspruchsklage nach Art. 109


deshalb angewendet, weil der Dritte als Beklagter ohne sein Zutun in das
Betreibungs verfahren hineingezogen wird und weil für ihn der Prozess nur
darauf ausgeht, ihm sein materielles Forderungsrecht abzusprechen. Der Dritte
befindet sich hier sachlich in derselben Lage, wie irgend ein im Sinn von Art.
59

Gerichtsstandsgarantie berufen können (vgl. BGE 36 I 46; 51 I 198 Erw. 3).
Das gilt für die Widerspruchsklage nach Art. 107

im Gegenteil: Beklagter ist hier der Betreibungsgläubiger; für diesen steht
nicht das Guthaben selbst, sondern bloss ein betreibungsrechtlicher
Exekutionsanspruch daran im Spiel. Überdies geht auch im Verfahren nach Art.
106


sich mit seiner Widerspruchsklage bloss dagegen zur Wehr. Es ist diesem wie
einem Beklagten dafür eine prozessuale Frist gesetzt, und mit dem
Rechtsangriff (der Pfändung) fällt auch die Verteidigung (die
Widerspruchsklage) dahin. Wer aber wie hier der Betreibungsgläubiger selbst
angreift, kann nicht verlangen, dass sich der Angegriffene vor seinem - des
Angreifers - Richter verteidige, selbst wenn die Verteidigung in ein
besonderes Verfahren gewiesen und in die Form einer selbständigen Klage
gekleidet ist.
Die Auffassung, wonach die Widerspruchsklage nach Art. 106


Forderungen keine persönliche Ansprache im Sinn von Art. 59

nicht mit
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BGE 38 II S. 743 in Widerspruch. Dort wurde allerdings (S. 744) erklärt, die
Klage nach Art. 107

hervorgehoben werden, dass sie nicht auf Feststellung des Eigentums oder
Pfandrechts an der gepfändeten Sache oder Forderung, sondern bloss auf
Feststellung des vom Betreibungs gläubiger in Anspruch genommenen
Zugriffsrechtes daran gehe. Dieses Recht wurde als persönlicher Natur
bezeichnet, und zwar eben nicht im Sinn von Art. 59

Hinblick auf die Frage nach seinem Streitwert.
3.- Auf die Widerspruchsklage um Forderungen nach Art. 107

59

vor liegend nicht. Ein solcher setzt zwar nicht voraus, dass die Gerichte
zweier verschiedener Kantone zugleich sich zuständig oder unzuständig
erklären. Zu einem positiven Gerichtsstandskonflikt - der hier allein in Frage
kommt -genügt vielmehr, dass nach ihrer Gesetzgebung zwei Kantone zugleich für
eine Klage zuständig sind und dass der eine davon sie bereits entgegengenommen
hat, während der Beklagte sich nur im andern, nach seiner Gesetzgebung
gegenüber dem erstern ausschliesslich zuständigen Kanton belangen lassen will
(vgl. BGE 33 I 363 i.f.; 51 I 200 Erw. 4; 34 I 7 27/9). Hier aber wurde die
Klage am Betreibungsort im Kanton Glarus eingereicht, und auch der Kanton
Bern, in dem die Rekurrentinnen allein sich belangen lassen wollen, kennt für
Widerspruchsklagen den Gerichts stand des Betreibungsorts (Art. 32 Ziff. 2

ZPO). Das Bundesgericht kommt also nicht in den Fall, zu entscheiden, welcher
von zwei sich ausschliessenden Gerichtsständen dem andern vorgehe.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.