S. 136 / Nr. 37 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 57 III 136

37. Entscheid vom 29. September 1931 i. S. Oppelt.


Seite: 136
Regeste:
Dem Gläubiger, der auf die Pfändung gewisser Vermögenstände des Schuldners
verzichtet hat, kann kein Verlustschein, auch nicht ein provisorischer,
ausgestellt werden, selbst wenn jene Gegenstände das einzige in der Schweiz
liegende Vermögen des Schuldners sind und bereits in vorgehenden Pfändungen
1. für Forderungen, die deren Schätzungswert übersteigen, gepfändet worden
sind,
2. von Dritten als Eigentum beansprucht und diese Drittansprachen nicht
bestritten worden sind.
SchKG Art. 115, 149.
Le créancier qui a renoncé à la saisie de certains biens du débiteur n'a pas
droit à un acte de défaut de biens, fût-il provisoire, même dans le cas où
lesdits objets constituent, en Suisse, les seuls biens du débiteur et
1. ont été compris dans les saisies antérieures pour des créances dont le
montant dépasse leur valeur estimative, ou
2. ont été revendiqués par des tiers dont les revendications de propriété
n'ont pas été contestées.
Art. 115 et 149 LP.
Il creditore che rinunciò al pignoramento di certi beni del debitore non ha
diritto ad un attestato nè provvisorio nè definitivo di carenza di beni
quand'anche detti beni fossero i soli che il debitore possiede in Isvizzera e
1. siano stati compresi in pignoramenti anteriori per dei crediti il cui
importo eccede il loro valore di stima, o
2. siano stati rivendicati in proprietà da terzi le cui rivendicazioni non
furono contestate.
Art. 115 e 149 LEF.

Als der Rekurrent in seiner Betreibung gegen J. A. Frehner das
Fortsetzungsbegehren stellte, verzichtete er auf die Pfändung verschiedener
nicht am Betreibungsort in St. Gallen liegenden Sachen. Über den
Pfändungsvollzug wird in der Pfändungsurkunde berichtet:
«Der Schuldner deponiert zu Protokoll:
Ausser den in den früheren Pfändungsurkunden notierten Aktiven in Önsingen,
Wolfwil und Beggingen besitze ich keinerlei Pfändbarkeiten in der Schweiz...
Er ist auf die Strafbestimmungen betreffend die Pfandverheimlichung aufmerksam
gemacht worden.

Seite: 137
In Anbetracht, dass der Gläubiger auf die Einpfändung der an den eingangs
erwähnten Orten liegenden Budenbestandteile verzichtet, kann kein
Verlustschein ausgestellt werden».
Mit der vorliegenden Beschwerde, soweit noch aufrechterhalten, rügt der
Rekurrent, dass ihm kein Verlustschein, auch nicht ein provisorischer,
ausgestellt werde.
In der Beschwerdebeantwortung berichtete das Betreibungsamt: «Die in Balsthal
und Beggingen liegenden Aktiven des Schuldners weisen einen Schätzungswert von
121 Fr. auf».
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 29. Juli 1931 die Beschwerde abgewiesen.
Diesen Entscheid hat der Rekurrent an das Bundesgericht weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Ob, wie der Rekurrent behauptet, die anderswo liegenden Vermögensstücke, auf
deren Pfändung er verzichtet hat, nicht einmal die Verwertungskosten wert
seien, zudem für ihren Schätzungswert übersteigende Forderungen vorgepfändet
und endlich von Dritten zu Eigentum beansprucht worden seien, ohne dass der
Schuldner diese Ansprachen bestritten hätte, ist belanglos. Die Ausstellung
eines Verlustscheines setzt voraus, dass alle dem Betreibungsamte bekannten,
in der Schweiz liegenden Vermögensstücke des Schuldners gepfändet worden
seien, ist also solange unzulässig, als der Schuldner dem Amte noch pfändbare
Vermögensstücke angibt. Allerdings hat der Gläubiger Anspruch auf Ausstellung
des Verlustscheines, sobald alle derart angegebenen Vermögensstücke von
Dritten zu Eigentum angesprochen werden und die Eigentumsansprachen
unbestritten bleiben. Indessen ist unerlässlich, dass vorerst alle diese
Vermögensstücke gepfändet worden seien. Denn nur durch das an die Pfändung
anschliessende Widerspruchsverfahren kann

Seite: 138
festgestellt werden, ob Drittansprachen erhoben werden und unbestritten
bleiben, und es genügt namentlich nicht, dass Drittansprachen in früheren,
zugunsten anderer Gläubiger vollzogenen Pfändungen unbestritten geblieben
sind, weil das Ergebnis eines durchgeführten Widerspruchsverfahrens nur für
die Betreibung gilt, die Anlass zu dessen Eröffnung gegeben hat. An diesem
Erfordernis muss selbst dann festgehalten werden, wenn der Gläubiger scheinbar
kein Interesse an der nochmaligen Pfändung gemäss Art. 110 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 110 - 1 Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
1    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
2    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist stellen, bilden in der gleichen Weise weitere Gruppen mit gesonderter Pfändung.
3    Bereits gepfändete Vermögensstücke können neuerdings gepfändet werden, jedoch nur so weit, als deren Erlös nicht den Gläubigern, für welche die vorgehende Pfändung stattgefunden hat, auszurichten sein wird.
SchKG hat,
weil die betreffenden Vermögensstücke bereits zu gunsten anderer Gläubiger
vorgepfändet worden sind und voraussichtlich nicht einmal deren Forderungen zu
decken vermögen. Solche Vorpfändungen können ja aus den verschiedensten
Gründen dahinfallen, weshalb eine Regel aufgestellt werden muss, die ohne
Rücksicht auf das mehr oder weniger wahrscheinliche Ergebnis der Verwertung
ausnahmslos durchgreift. - Dass ausserdem bezüglich aller gepfändeten
Vermögensstücke auch das Verwertungsverfahren durchgeführt worden sein muss,
bevor der Verlustschein ausgestellt werden darf, ist bereits in BGE 48 III S.
132
ausgesprochen worden, und zwar ungeachtet des allfälligen
Missverhältnisses zwischen ihrem Schätzungswert und den voraussichtlichen
Kosten ihrer Verwertung, ungeachtet der Bereitwilligkeit des Gläubigers, seine
Forderung ohne weiteres um den Schätzungswert der gepfändeten Gegenstände
nachzulassen, und endlich ungeachtet des Einverständnisses des Schuldners.
Somit steht das Vorhandensein von zwar ausserhalb des Betreibungsortes St.
Gallen, wohl aber innerhalb der Schweiz liegenden, freilich bereits
vorgepfändeten Vermögensstücken des Schuldners, die der Rekurrent nicht hat
für sich pfänden lassen wollen, der Ausstellung des Verlustscheines an ihn
entgegen, und es kann daher auch nicht etwa auf der ihm ausgestellten
Pfändungsurkundenabschrift bemerkt werden, sie bilde den Verlustschein. - Dass
endlich die Pfändungsurkunde dem Rekurrenten nicht als provisorischer
Verlustschein

Seite: 139
dienen kann, folgt aus dem Fehlen jeglicher Pfändung zugunsten des
Rekurrenten. Voraussetzung hiefür wäre ja, nach Art. 115 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 115 - 1 War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
1    War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
2    War nach der Schätzung des Beamten nicht genügendes Vermögen vorhanden, so dient die Pfändungsurkunde dem Gläubiger als provisorischer Verlustschein und äussert als solcher die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 bezeichneten Rechtswirkungen.
3    Der provisorische Verlustschein verleiht dem Gläubiger ferner das Recht, innert der Jahresfrist nach Artikel 88 Absatz 2 die Pfändung neu entdeckter Vermögensgegenstände zu verlangen. Die Bestimmungen über den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) sind anwendbar.238
SchKG, dass
nach der Schätzung des Beamten nicht genügendes (ergänze: zur Deckung der
Forderung des betreibenden Gläubigers) Vermögen vorhanden gewesen sei, was
darauf hinausläuft, dass die gepfändeten Vermögensstücke nicht zur Deckung
genügen, weil eine betreibungsamtliche Schätzung überhaupt nur in Verbindung
mit dem Pfändungsvollzuge stattfinden kann
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 III 136
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 29. September 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 III 136
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Dem Gläubiger, der auf die Pfändung gewisser Vermögenstände des Schuldners verzichtet hat, kann...


Gesetzesregister
SchKG: 110 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 110 - 1 Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
1    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
2    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist stellen, bilden in der gleichen Weise weitere Gruppen mit gesonderter Pfändung.
3    Bereits gepfändete Vermögensstücke können neuerdings gepfändet werden, jedoch nur so weit, als deren Erlös nicht den Gläubigern, für welche die vorgehende Pfändung stattgefunden hat, auszurichten sein wird.
115
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 115 - 1 War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
1    War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.
2    War nach der Schätzung des Beamten nicht genügendes Vermögen vorhanden, so dient die Pfändungsurkunde dem Gläubiger als provisorischer Verlustschein und äussert als solcher die in den Artikeln 271 Ziffer 5 und 285 bezeichneten Rechtswirkungen.
3    Der provisorische Verlustschein verleiht dem Gläubiger ferner das Recht, innert der Jahresfrist nach Artikel 88 Absatz 2 die Pfändung neu entdeckter Vermögensgegenstände zu verlangen. Die Bestimmungen über den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) sind anwendbar.238
BGE Register
48-III-132 • 57-III-136
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
schuldner • verlustschein • eigentum • weiler • biene • drittansprache • betreibungsamt • deckung • betreibungsort • voraussetzung • schuldbetreibungs- und konkursrecht • ausserhalb • innerhalb • fortsetzungsbegehren • bundesgericht • wert