S. 124 / Nr. 34 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 57 III 124

34. Entscheid vom 14. September 1931 i. S. Venturini

Regeste:
Lohnpfändung. Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG.
Ist der Lohn, wie im Maurergewerbe, unregelmässigen Schwankungen unterworfen,
so muss der jeweilige Überschuss über das Existenzminimum gepfändet und das
Existenzminimum so berechnet werden, dass der Schuldner in den guten
Verdienstzeiten die nötigen Rücklagen für die schlechtern machen kann.
Saisie de salaire. Art. 93 LP.
Lorsque le salaire est soumis à des variations irrégulières, comme dans
l'industrie du bâtiment, il y a lieu de saisir tout ce qui dépasse le minimum
indispensable et de calculer ce minimum de telle manière que le débiteur
puisse pendant les époques favorables constituer les réserves nécessaires pour
les mauvais jours.

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Pignoramento di salario. Art. 93 LEF.
Ove il salario sià soggetto a variazioni irregolari, come nell'industria
edile, si pignorerà l'importo eccedente l'indispensabile calcolando
quest'ultimo in modo che il debitore possa nell'epoca favorevole costituire un
fondo per la meno propizia.

A. - In einer Betreibung von G. Parolini, Luzern, gegen den Rekurrenten
pfändete das Betreibungsamt am 5. Juni 1931 vom vierzehntägigen Lohne des
Schuldners je einen Betrag von 15 Fr. auf die Dauer eines Jahres. Auf
Beschwerde des Schuldners hob die erstinstanzliche Aufsichtsbehörde die
Pfändung auf. Diesen Entscheid zog der Gläubiger an die kantonale
Aufsichtsbehörde weiter.
B. - Die kantonale Instanz ging in ihrem Entscheide vom 12. August 1931 davon
aus, dass der Schuldner im letzten Jahr insgesamt 3882 Fr. oder pro
vierzehntägigen Zahltag (unter Abzug der Unfallversicherungsprämien) 148 Fr.
40 Cts. verdient habe. Es lasse nun nichts darauf schliessen, dass er in
diesem Jahre nicht mindestens den gleichen Erwerb erzielen werde. Sein
Existenzminimum betrage zusammen mit demjenigen der Ehefrau 10 Fr. pro Tag
oder 140 Fr. in zwei Wochen. Demgemäss wurde eine Lohnquote von 8 Fr. 40 Cts.
pro vierzehntägigen Zahltag als pfändbar erklärt.
C. - Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende Rekurs des
Schuldners, mit welchem er seinen Antrag auf Aufhebung der Pfändung
wiederholt. Er ficht die vorinstanzliche Lohnberechnung als willkürlich an und
macht insbesondere geltend, dass die Verdienstmöglichkeiten im Maurergewerbe
je nach Jahreszeit und Witterung stark schwanken. Im weitern bestreitet er,
dass er und seine Ehefrau, die kränklich sei und in ärztlicher Behandlung
stehe, mit 10 Fr. pro Tag auskommen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Die Lohnberechnung der Vorinstanz ist nicht haltbar. Sie schliesst vom
bisherigen Lohne auf den künftigen.

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Dieser Schluss wäre nur zulässig, wenn es sich um einen festen Gehalt oder zum
mindesten um einen solchen Tag- oder Stundenlohn handelte, der regelmässig
bezogen wird. Das trifft hier nicht zu. Die Arbeitsmöglichkeit im
Maurergewerbe wechselt bekanntermassen schon nach den Jahreszeiten - was zwar
keine Rolle spielt, wenn man der Berechnung den Verdienst des ganzen Jahres zu
Grunde legt. Sie hängt aber ausserdem in starkem Masse von der Witterung ab,
sodass der Verdienst des einen Jahres von demjenigen des vorhergehenden
erheblich abweichen kann. Es bleibt bei der Pfändung daher nichts anderes
übrig, als zu verfahren wie im Falle, wo die Höhe des Lohnes bestritten ist:
es muss der jeweilige Überschuss über das Existenzminimum gepfändet werden
(vgl. BGE 37 I S. 582 [Sep. Ausg. 14 S. 316.]). Dabei ist das Existenzminimum
so zu berechnen, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, in den Zeiten guten
Verdienstes genügend beiseite zu legen, um auch in den ganz oder teilweise
beschäftigungslosen Perioden leben zu können. Die Vorinstanz hat, indem sie
von andern Voraussetzungen ausgegangen ist, die Notwendigkeit dieses
Ausgleichs nicht berücksichtigt. Er kommt aber faktisch trotzdem deshalb
zustande, weil der Gläubiger seinerseits den vorinstanzlichen Entscheid nicht
angefochten hat und demnach höchstens die darin festgesetzte Quote von 8 Fr.
40 Cts. pro vierzehntägigen Zahltag pfändbar bleibt. Bei dieser Begrenzung und
einem Studenlohne von 1 Fr. 50 Cts. deckt der Mehrverdienst in den guten
Arbeitszeiten ohne Zweifel den Ausfall in den schlechtern.
Was das Existenzminimum sonst noch betrifft, so erklärt die Vorinstanz, es
fehlen alle Anhaltspunkte für die angebliche Kränklichkeit der Ehefrau und
dadurch verursachte ausserordentliche Auslagen. In der Tat folgt aus dem
Umstand, dass die Ehefrau im Jahre 1926 kränklich war, nicht auch, dass sie es
heute noch sei;

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etwas anderes führt aber der Schuldner zum Nachweis seiner Behauptung nicht
an.
Abgesehen von dieser grundsätzlichen Frage ist die Festsetzung des
Existenzminimums Ermessenssache, in die einzugreifen dem Bundesgerichte nicht
zusteht. Somit bleibt es bei dem von der Vorinstanz festgesetzten Betrage von
10 Fr. pro Tag oder 110 Fr. für zwei Wochen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der jeweilige
Überschuss über das vierzehntägige Existenzminimum von Fr. 140 (bis zum
Betrage von 8 Fr. 40 Cts. pro vierzehntägigen Zahltag) als pfändbar erklärt
wird.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 57 III 124
Date : 01. Januar 1931
Published : 14. September 1931
Source : Bundesgericht
Status : 57 III 124
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Lohnpfändung. Art. 93 SchKG.Ist der Lohn, wie im Maurergewerbe, unregelmässigen Schwankungen...


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SchKG: 93
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37-I-580 • 57-III-124
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