S. 1 / Nr. 1 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 57 III 1

1. Entscheid vom 19. Januar 1931 i. S. Frau Hess.


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Regeste:
Nicht gültig ist der Rechtsvorschlag, der mit Mangelhaftigkeit der Betreibung
begründet wird. Schreibt jedoch das Betreibungsamt eine solche Erklärung
einfach auf das Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehles, so muss der Gläubiger
binnen zehn Tagen seit dessen Empfang Beschwerde führen, wenn er sie nicht als
Rechtsvorschlag gelten lassen will.
On ne peut valablement faire opposition à un commandement de payer, en
invoquant un vice de la procédure de poursuite.- Toutefois, lorsque l'office a
reproduit purement et simplement une déclaration du débiteur dans ce sens, sur
l'exemplaire du commandement de payer destiné au créancier, celui-ci doit
porter plainte dans les dix jours dès la réception de cet acte, s'il n'entend
pas considérer cette déclaration comme une opposition valable.
L'opposizione fondata su un vizio di procedura dell'esecuzione non è valida.
Quando però l'ufficio s'è limitato a riprodurre la dichiarazione fatta in
questo senso dal debitore sull'esemplare del precetto esecutivo destinato al
creditore, questi deve interporre reclamo entro dieci giorni dalla notifica
dell'atto, se non vuole che la suddetta dichiarazione sia considerata come
un'opposizione valida.

E. Hess gab den ihm auf Begehren seiner getrennten Ehefrau vom Betreibungsamt
der Stadt Solothurn am

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16. Oktober 1930 zugestellten Zahlungsbefehl für 475 Fr. am 24. Oktober an das
Betreibungsamt zurück mit dem Vermerk: «Erhebe Rechtsvorschlag für den ganzen
Betrag da ich den Gerichtsstand Solothurn nicht anerkenne». Das Betreibungsamt
übertrug diesen Vermerk in das Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls. Am 4.
November begehrte der Vertreter der Gläubigerin die Fortsetzung der Betreibung
für 295 Fr. mit dem Bemerken, der vom Schuldner erhobene Rechtsvorschlag sei
ungültig, da die Bestreitung des Betreibungsortes durch Beschwerde an die
Aufsichtsbehörde hätte geltend gemacht werden müssen. Als das Betreibungsamt
hierauf die Pfändung ankündigte, führte der Betriebene Beschwerde mit
wesentlich folgender Begründung: Der am 24. Oktober auf dem Betreibungsamt
abgegebene Rechtsvorschlag sei als richtig anerkannt und an den Vertreter der
Gläubigerin weitergeleitet worden. Von dem noch in Betreibung stehenden Rest
der Schuld bestehen 13 Fr. 60 Cts. überhaupt nicht, habe er 31 Fr. 50 Cts.
bezahlt und verrechne er 250 Fr. Er sehe nicht ein, wieso das Betreibungsamt
dazu komme, nachdem es den Rechtsvorschlag akzeptiert habe, die
Pfändungsankündigung zu erlassen.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 21. November 1930 die Beschwerde
gutgeheissen und die Pfändungsankündigung aufgehoben, davon ausgehend, dass
der Betriebene Rechtsvorschlag erhoben habe.
Diesen Entscheid hat die Gläubigerin an das Bundesgericht weitergezogen mit
dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde des Betriebenen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Rechtsvorschlag ist in der gewöhnlichen Betreibung die Erklärung des
Betriebenen gegenüber dem Betreibungsamte, dass er die in Betreibung gesetzte
Forderung (oder einen Teil derselben) oder das Recht, sie auf dem
Betreibungswege geltend zu machen, bestreiten wolle

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(Art. 69 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 69 - 1 Nach Empfang des Betreibungsbegehrens erlässt das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl.
1    Nach Empfang des Betreibungsbegehrens erlässt das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl.
2    Der Zahlungsbefehl enthält:
1  die Angaben des Betreibungsbegehrens;
2  die Aufforderung, binnen 20 Tagen den Gläubiger für die Forderung samt Betreibungskosten zu befriedigen oder, falls die Betreibung auf Sicherheitsleistung geht, sicherzustellen;
3  die Mitteilung, dass der Schuldner, welcher die Forderung oder einen Teil derselben oder das Recht, sie auf dem Betreibungswege geltend zu machen, bestreiten will, innerhalb zehn Tagen nach Zustellung des Zahlungsbefehls dem Betreibungsamte dies zu erklären (Rechtsvorschlag zu erheben) hat;
4  die Androhung, dass, wenn der Schuldner weder dem Zahlungsbefehl nachkommt, noch Rechtsvorschlag erhebt, die Betreibung ihren Fortgang nehmen werde.
SchKG). Somit kann ein gültiger Rechtsvorschlag nur in einer
Erklärung des Betriebenen gesehen werden, durch die er den Willen äussert, die
Forderung oder deren Eintreibbarkeit zu bestreiten. Erklärt der Betriebene
einfach, er wolle Rechtsvorschlag erheben, so ist freilich von Gesetzes wegen
anzunehmen, er wolle die Forderung oder die Eintreibbarkeit bestreiten, da er
ja im Allgemeinen nicht anzugeben braucht, aus welchem Grund er
Rechtsvorschlag erhebt, ja, wenn er es gleichwohl tut, mit weiteren Einreden
nicht ausgeschlossen wird, wie Art. 75
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 75 - 1 Der Rechtsvorschlag bedarf keiner Begründung. Wer ihn trotzdem begründet, verzichtet damit nicht auf weitere Einreden.
1    Der Rechtsvorschlag bedarf keiner Begründung. Wer ihn trotzdem begründet, verzichtet damit nicht auf weitere Einreden.
2    Bestreitet der Schuldner, zu neuem Vermögen gekommen zu sein (Art. 265, 265a), so hat er dies im Rechtsvorschlag ausdrücklich zu erklären; andernfalls ist diese Einrede verwirkt.
3    Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über den nachträglichen Rechtsvorschlag (Art. 77) und über den Rechtsvorschlag in der Wechselbetreibung (Art. 179 Abs. 1).
SchKG ausdrücklich bestimmt. Allein
diese letztere Vorschrift setzt voraus, dass, was der Betriebene zur
Begründung seines Rechtsvorschlages anführt, auf die Bestreitung der Forderung
oder deren Eintreibbarkeit abzielt. Geht aber aus der dem Rechtsvorschlag
beigefügten Begründung hervor, dass der Betriebene die Forderung oder deren
Eintreibbarkeit in Wahrheit gar nicht bestreiten will, so liegt eben, entgegen
dem gebrauchten Worte, überhaupt kein Rechtsvorschlag vor (Art. 18
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
OR). So hat
denn das Bundesgericht nicht als gültige Rechtsvorschläge folgende Erklärungen
angesehen:«Je fais opposition vu que je ne possède rien et ne peux pas payer
dans ce moment» (BGE 23 I S. 960)«Rechtsvorschlag. Sobald zahlungsfähig, werde
ich bezahlen» (BGE 31 I S. 771 = Sep.-Ausg. 8 S. 317) und «Il presente ordine
deve essere indirizzato a Basilea, essendo là la nostra Centrale e non potendo
noi, in nessun modo, pronunciare in merito», was in die für den
Rechtsvorschlag bestimmte Rubrik geschrieben war (BGE 34 I S. 156 = Sep.-Ausg.
11 S. 12). Vorliegend hat der Beschwerdeführer als Grund seines
Rechtsvorschlages einen Mangel der angehobenen Betreibung angeführt. Dieser
angegebene Grund umfasst aber keineswegs die Bestreitung der Forderung oder
der Eintreibbarkeit derselben. Auch geht es schlechterdings nicht an, die
abgegebene Erklärung dahin zu zerlegen, dass der Betriebene einerseits
Rechtsvorschlag erhoben und anderseits den Betreibungsort bestritten habe, da
letzteres

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ausdrücklich als Grund des ersteren bezeichnet wurde, m.a.W. ersteres nur zum
Zwecke des letzteren geschah. Zu Unrecht hat also die Vorinstanz der Erklärung
des Betriebenen die Bedeutung des Rechtsvorschlages beigelegt.
2.- Allein dies genügt noch nicht zur Gutheissung des Rekurses. Gemäss Art. 76
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 76 - 1 Der Inhalt des Rechtsvorschlags wird dem Betreibenden auf der für ihn bestimmten Ausfertigung des Zahlungsbefehls mitgeteilt; erfolgte kein Rechtsvorschlag, so ist dies auf derselben vorzumerken.
1    Der Inhalt des Rechtsvorschlags wird dem Betreibenden auf der für ihn bestimmten Ausfertigung des Zahlungsbefehls mitgeteilt; erfolgte kein Rechtsvorschlag, so ist dies auf derselben vorzumerken.
2    Diese Ausfertigung wird dem Betreibenden unmittelbar nach dem Rechtsvorschlag, und wenn ein solcher nicht erfolgt ist, sofort nach Ablauf der Bestreitungsfrist zugestellt.

SchKG hat das Betreibungsamt auf dem Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehles
entweder den Inhalt des erhobenen Rechtsvorschlages mitzuteilen oder aber
vorzumerken, dass kein Rechtsvorschlag erfolgt sei. Beschränkt sich das
Betreibungsamt einfach darauf, die vom Betriebenen abgegebene Erklärung auf
das Gläubigerdoppel zu schreiben, so kann dies nicht dahin verstanden werden,
dass das Betreibungsamt davon ausgehe, es sei kein Rechtsvorschlag erhoben
worden. Will der Gläubiger den ihm mitgeteilten Erklärungsinhalt nicht als
Rechtsvorschlag gelten lassen, so muss er daher binnen zehn Tagen seit Empfang
des Doppels Beschwerde führen. Die vom Bundesgericht früher (BGE 36 I S. 321
Erw. 1 = Sep.-Ausg. 13 S. 122 Erw. 1) vertretene gegenteilige Auffassung, dass
der Vormerk im Gläubigerdoppel, es sei kein Rechtsvorschlag erfolgt, bezw. die
Mitteilung der vom Betriebenen abgegebenen Erklärung auf dem Gläubigerdoppel
keine Verfügung des Betreibungsamtes über die Gültigkeit des Rechtsvorschlages
enthalte, und dass erst das Begehren um Fortsetzung der Betreibung Anlass zu
einer solchen Verfügung gebe, erweist sich bei näherem Zusehen unter zwei
Gesichtspunkten als unzutreffend: Erstens steht jede Mitteilung einer
Erklärung des Betriebenen auf dem Gläubigerdoppel in unverkennbarem Gegensatz
zum Vormerk, dass kein Rechtsvorschlag erfolgt sei, und enthält somit die
Anerkennung jener Erklärung als gültigen Rechtsvorschlages, ausser wenn
geradezu das Gegenteil beigefügt, nämlich gesagt wird, die Erklärung des
Betriebenen werde nicht als gültiger Rechtsvorschlag angesehen, was
gegebenenfalls gleichzeitig auch dem Betriebenen selbst anzuzeigen ist.
Zweitens besteht ein Interesse an der alsbaldigen verbindlichen Feststellung

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über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Erklärung des Betriebenen, und zwar
sowohl ein Interesse des Gläubigers als des Schuldners, damit einerseits der
Schuldner im klaren darüber ist, ob er mit der Zwangsvollstreckung zu rechnen
habe, anderseits der Gläubiger nicht sich unvorhergesehenerweise einer Hemmung
der Betreibung ausgesetzt sehe, wenn er sie später, vielleicht erst gegen den
Ablauf des Zahlungsbefehles hin oder zwecks Teilnahme an der für einen anderen
Gläubiger vollzogenen Pfändung binnen der dafür bestehenden Frist fortsetzen
will. - Mangels Vorliegens des Gläubigerdoppels steht dahin, ob das
beschwerdebeklagte Betreibungsamt die Erklärung des Betriebenen ohne weiteres,
oder aber allfällig mit welcher Beifügung, dorthin übertragen habe. Wäre
ersteres der Fall, so könnte die Rekurrentin freilich nichts mehr dagegen
einwenden, dass die Betreibungsbehörden ihre Betreibung als durch
Rechtsvorschlag gehemmt ansehen, weil sie die gegenteilige Auffassung nur
binnen zehn Tagen seit der Übersendung des Zahlungsbefehlsdoppels durch eigene
Beschwerde hätte zur Geltung bringen können, m.a.W. die Beschwerde des
Betriebenen wäre aus dem Grunde gutzuheissen, dass eine rechtskräftig
gewordene Verfügung des Betreibungsamtes vorliege, die seinen Rechtsvorschlag
als gültig erachte, wie er in seiner Beschwerdeschrift ausdrücklich behauptet
hat. Sollte aber der Rekurrentin auf dem Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehles
mitgeteilt worden sein, die Erklärung des Betriebenen werde vom Betreibungsamt
nicht als gültiger Rechtsvorschlag erachtet, so müsste nach Erwägung 1 hievor
die Beschwerde des Betriebenen als unbegründet abgewiesen werden. Die Sache
ist daher zur Aktenvervollständigung und neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass der angefochtene Entscheid
aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 57 III 1
Date : 01. Januar 1931
Published : 19. Januar 1931
Source : Bundesgericht
Status : 57 III 1
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Nicht gültig ist der Rechtsvorschlag, der mit Mangelhaftigkeit der Betreibung begründet wird...


Legislation register
OR: 18
SchKG: 69  75  76
BGE-register
23-I-960 • 31-I-771 • 34-I-156 • 36-I-319 • 57-III-1
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
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