S. 36 / Nr. 7 Obligationenrecht (d)

BGE 57 II 36

7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Januar 1931 i. S. Villa
gegen Haberer und Schweizer Mustermesse (Streitberufene).

Regeste:
Auch im schriftlichen Verfahren läuft die Anschlussberufungsfrist von der
Mitteilung der Berufung an. OG Art. 70, 68 Abs. 1.
Haftung des Geschäftsherrn OR Art. 55. Tat- und Rechtsfrage bei der Frage der
Verursachung des Schadens. Unterbrechung des Kausalzusammenhanges und Einfluss
des Zeitablaufes? (Erw. 2.)
Misslingen des Entlastungsbeweises, wenn die objektiv gebotenen Massnahmen
unterlassen worden sind. (Erw. 3.)
Reduktion wegen geringen Verschuldens der Arbeiter und unter Berücksichtigung
der Umstände? Offenlassen der Frage, ob bei der Haftung aus OR Art. 55 das
Mass des Verschuldens allenfalls als Reduktionsgrund in Betracht fällt. (Erw.
4.)

A. - Beim Bau des Verwaltungsgebäudes der Schweizer Mustermesse in Basel
erstellte die Allgemeine Plakatgesellschaft zur Einfriedung des Bauplatzes
eine etwa zwei Meter hohe Bretterwand. Zu ihrer Öffnung bestand ein vier Meter
breites, mehrere Zentner schweres Tor, das jeden Morgen bei Arbeitsbeginn
durch Arbeiter der am Bau beteiligten Unternehmer ausgehängt und aussen an sie
angelehnt wurde. Am 24. Dezember 1925 morgens 7 Uhr liess der in der
Bauunternehmung seines Vaters, Angelo Villa, tätige Sohn der Beklagten,
Galeano Villa, der als erster auf dem Bauplatz erschienen war, dieses Tor
durch Arbeiter seines Vaters aushängen und auf das aussen befindliche Trottoir
der Rosentalstrasse an die Wand stellen. Gegen 3 Uhr nachmittags warf ein
heftiger Windstoss es um und auf den gerade vorbeigehenden, in Grenzach
wohnenden Kläger, Emil Haberer. Dieser kam

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zu Fall und erlitt einen doppelten Bruch des linken Oberschenkels, der eine
lange Spital- und darauf folgende ambulatorische Behandlung notwendig machte.
B. - Eine gegen die Ehefrau des Angelo Villa als Erbin eingereichte
Schadenersatzklage Haberer's ist durch das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt am 28. Oktober 1930 teilweise geschützt worden. Das Bundesgericht
hat die Berufung der Frau Villa abgewiesen und ist auf die Anschlussberufung
Haberer's wegen Verspätung nicht eingetreten.
Aus den Erwägungen:
1. - Die Frist von 10 Tagen, innerhalb der sich der Berufungsbeklagte der
Berufung anschliessen kann, läuft nach OG Art. 70 auch in den Fällen, wo das
schriftliche Berufungsverfahren anzuwenden ist, vom Empfang der durch OG Art.
68 Abs. 1 vorgeschriebenen schriftlichen Mitteilung an, dass die Gegenpartei
die Berufung erklärt habe. Da der Kläger im vorliegenden Falle nach der von
seinem Vertreter ausgestellten Bescheinigung an die Kanzlei des
Appellationsgerichtes schon am 2. Dezember 1930 Kenntnis von der
Berufungserklärung der Beklagten erhalten, die Anschlussberufung aber erst am
24. Dezember 1930 der Post übergeben hat, kann das Bundesgericht wegen
Verspätung nicht darauf eintreten. Dagegen ist der Inhalt der Rechtsschrift
des Klägers zu berücksichtigen, soweit er nicht auf die Begründung des
verspäteten Rechtsmittels, sondern auf die Widerlegung der Hauptberufung
gerichtet ist, denn die durch OG Art. 72 Abs. 1 für die schriftliche
Beantwortung der Hauptberufung vorgeschriebene Frist läuft von der Mitteilung
der die Hauptberufung begründenden Rechtsschrift an und ist hier innegehalten
worden.
2. - Der ursprüngliche Beklagte ist gemäss OR Art. 55 als Geschäftsherr für
einen Schaden ins Recht gefasst worden. den nach der Darstellung des Klägers
seine

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Arbeiter in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen verursacht haben. Da für
die Haftung aus diesem Rechtsgrund nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes
und der herrschenden Auffassung im Schrifttum (vgl. BGE 56 II S. 285 ff. und
289 ff., sowie die dort zit. Judikatur und Literatur) weder ein Verschulden
der handelnden Arbeiter, noch ein Verschulden des Geschäftsherrn erforderlich
ist, hängt die Schadenersatzpflicht der Beklagten als Rechtsnachfolgerin ihres
Ehemannes grundsätzlich, abgesehen vom Entlastungsbeweis und allfälligen
Herabsetzungsgründen, nur davon ab, ob die Ursache der Verletzung des Klägers
darin liegt, dass die Arbeiter Villas auf Anordnung seines Sohnes das schwere
Tor am frühen Morgen des 24. Dezember 1925 an die Plakatwand aussen auf den
Fussgängersteig stellten.
Für die Beantwortung dieser Frage sind zunächst in tatsächlicher Hinsicht drei
gemäss OG Art. 81 Abs. 1 für das Bundesgericht verbindliche Feststellungen von
Belang. Die kantonalen Gerichte haben angenommen, dass Dritte sich nicht an
dem Tor zu schaffen gemacht haben, so dass es unmittelbar vor dem Unfall noch
dastand, wie es am Morgen hingestellt worden war, und dass ein Windstoss es
umwarf. Die dritte tatsächliche Feststellung betrifft die Stärke dieses
Windstosses; er soll, trotzdem er den schweren Gegenstand in Bewegung zu
bringen vermochte, doch «nicht so heftig gewesen sein, dass der Richter ihn
nach seiner Erfahrung als ein für die klimatischen Verhältnisse Basels
ungewöhnliches und nicht voraussehbares Ereignis bezeichnen müsste». Aber auch
die weitere Frage, ob ein Ereignis die Wirkung eines andern sei, im
vorliegenden Fall, ob der durch den Kläger beim Umfallen des Tores erlittene
Schaden überhaupt in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Anlehnung
desselben an die Aussenseite der Bretterwand durch die Arbeiter des Beklagten
stand, ist Tatfrage, und die Entscheidung des Appellationsgerichtes darüber
ist durch das Bundesgericht daher nicht nachzuprüfen

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(BGE 56 II S. 286, Th. WEISS, Die Berufung an das Bundesgericht S. 197 ff., A.
GMÜR, Der Kausalzusammenhang in der zivilrechtlichen Rechtsprechung des
Bundesgerichtes S. 40). Es muss also zum vorneherein sein Bewenden bei der
Annahme der Vorinstanzen haben, dass das Aufstellen des Tores auf das Trottoir
und namentlich die Art und Weise der - wahrscheinlich beinahe senkrechten,
jedenfalls unsicheren - Anlehnung und die Unterlassung jeder Befestigung
verbunden mit dem Windstoss den Schaden bewirkt haben.
Mit der Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse erschöpft sich jedoch
hier, wie in den meisten Fällen, die Frage des Kausalzusammenhanges nicht. Um
jemand, z. B. den Geschäftsherrn gemäss OR Art. 55, für einen Schaden
verantwortlich zu machen, genügt nicht der Nachweis irgendeines natürlichen
Zusammenhanges, m. a. W., nicht jede Bedingung, ohne die der eingetretene
Erfolg nicht denkbar ist, kommt als Ursache in Betracht, sondern nur eine
rechtlich besonders qualifizierte Bedingung (vgl. GUEX, La relation de cause à
effet p. 34, HAEBERLIN, Das eigene Verschulden des Geschädigten S. 25, 30),
und zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes eine
Tatsache nur dann als Ursache eines Erfolges anzusehen, wenn sie nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Erfahrung des Lebens an sich geeignet war,
einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, und daher der
Eintritt dieses Erfolges durch die konkrete Tatsache allgemein als begünstigt
erscheint (BGE 41 II S. 88, 93; 42 II S. 365; 48 II S. 151; 49 II S. 263: VON
WATTENWYL, Ausserkontraktliche Haftung des Aufsichtspflichtigen, S. 41; GMÜR,
a.a.O. S. 52). Ob diese rechtliche Qualifikation des ursächlichen
Zusammenhanges gegeben ist oder nicht, ist eine Rechtstrage, auf die das
Bundesgericht einzutreten hat (WEISS, Berufung, S. 199; GMÜR, a.a.O. S. 41);
gebunden ist es in diesem Zusammenhang nur an die Feststellungen der
kantonalen Instanz hinsichtlich der empyrischen

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Voraussetzungen, aus welchen sich eine allgemeine Lebenserfahrung herleiten
lässt (vgl. MANIGK, Die Revisibilität der Auslegung von Willenserklärungen,
in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd. VI S. 136 ff).
Ebenso verhält es sich mit der Frage der sogenannten Unterbrechung des
Kausalzusammenhanges; sie fällt nach der herrschenden Meinung bei Annahme der
Theorie von der adäquaten Verursachung mit der Frage der Adäquanz zusammen und
ist daher Rechtsfrage (GMÜR, a.a.O. S. 70). Das Bundesgericht hat sich also
mit den Einwänden der Beklagten im einzelnen zu befassen, da sie ohne Ausnahme
diese Rechtsfragen für den vorliegenden Fall aufwerfen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, eine ursächliche Beziehung sei schon deshalb
abzulehnen, weil es nur ein Zufall gewesen sei, dass gerade ihr Sohn und die
Arbeiter ihres Ehemannes zuerst auf den Bauplatz gekommen seien und das Tor
ausgehängt hätten; diese Arbeit habe ihnen nicht obgelegen, und es hätte sich
ebensogut ein anderer Unternehmer mit der Öffnung des Platzes belassen können.
Damit wird jedoch in Wirklichkeit gar nicht der Kausalzusammenhang zwischen
der Handlung der Arbeiter und dem Schaden bestritten, sondern es wird
behauptet, dass bei Erstellung eines Werkes, an dem mehrere Unternehmer
beteiligt sind, zu den dienstlichen Verrichtungen im Sinne des Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR nur
solche gehören, die dem betreffenden Arbeitgeber kraft der Bauordnung oder
gemäss der vorgesehenen Arbeitsteilung obliegen oder die wenigstens
regelmässig vorgenommen werden. Diese Auffassung ist rechtsirrtümlich; es kann
jedenfalls grundsätzlich, abgesehen von einer allfälligen Herabsetzung der
Ersatzpflicht unter Berücksichtigung der Umstände gemäss OR Art. 43, nichts
darauf ankommen, ob die Ausführung der schadenstiftenden Verrichtung durch die
Arbeiter des belangten Geschäftsherrn nahe lag, sondern es muss genügen, dass
durch unrichtige Vornahme einer den Arbeitern aufgegebenen Arbeit ein Schaden
verursacht

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wird (vgl. VON THUR, OR I S. 352, OSER, Kommentar 2. Aufl. Note 15 und 16 zu
Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
OR.)
Abzulehnen ist auch die Einwendung, wegen des heftigen Windstosses am
Nachmittag könne nicht mehr von einem adäquaten, rechtlich erheblichen
Kausalzusammenhang zwischen der Aufstellung des Tores am Morgen und der
Verletzung des Klägers gesprochen werden, oder, was hier dasselbe heisst, der
Windstoss sei als Naturereignis höherer Gewalt oder als Unterbrechung des
Kausalzusammenhanges aufzufassen. So unvollständig die Angaben über die genaue
Stärke des Windstosses naturgemäss auch sein mögen, steht nach der vom
Appellationsgericht übernommenen Ausführung des Zivilgerichtes doch fest, dass
von einem Schaden, den er anderwärts angerichtet hätte, nichts bekannt ist.
Unter diesen Umständen hat das Bundesgericht keinen Grund, in Abweichung von
der Vorinstanz anzunehmen, dass es sich nach der allgemeinen Erfahrung für die
Verhältnisse Basels um ein ungewöhnlich heftiges, sehr seltenes und darum
nicht voraussehbares Ereignis gehandelt habe. Freilich ist der Windstoss der
unmittelbare Anlass des Unfalles gewesen, denn er allein hat das schwere Tor
in Bewegung gesetzt und umgeworfen. Das schliesst aber nicht aus, dass die Art
der Aufstellung das Umfallen ermöglicht und befördert hat. Eine Wirkung kann
auch im Rechtsinne verschiedene Ursachen haben (VON TUHR, OR, I S. 73); die
Schadenshaftung setzt nicht voraus, dass die Handlung, für die gehaftet wird,
die einzige Ursache des Schadens sei. Nach der ununterbrochenen Praxis des
Bundesgerichtes genügt sogar eine mittelbare Ursache, d. h. ein früheres Glied
der Kausalkette (vgl. BGE 42 II S. 364, 660; 43 II S. 325; 46 II S. 465; 48 II
S. 150, 477).
Wegen des Verfliessens einer gewissen Zeit zwischen Ursache und Wirkung ist
der Kausalzusammenhang nicht zu verneinen. Die Wirkungen laufen in grössern
oder kleinern Abständen innerhalb der Zeit ab, aber die Zeit selbst vermag an
den Zusammenhängen nichts zu ändern;

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sie verhält sich passiv und hat keinen Einfluss auf den Ablauf. Die Vorinstanz
hat demnach mit Recht ausgeführt, dass der Kausalzusammenhang keine zeitlichen
Grenzen kenne. Mit dem Hinweis darauf, dass von der Setzung der Ursache, der
Anlehnung des Tores, sieben Stunden bis zum Eintritt des Schadens verflossen
seien, will die Beklagte übrigens in Wirklichkeit keine zeitlichen Grenzen
aufstellen, sondern geltend machen, es sei aus der Tatsache, dass so lange
nichts passiert sei, zu schliessen, dass nach allgemeiner Erfahrung überhaupt
kein Unfall vorauszusehen war. Dieser Schluss ist jedoch hier nicht statthaft.
Windstösse von dieser Stärke ereignen sich nicht stündlich und wenn sie, wie
hier, als voraussehbar bezeichnet werden müssen, steht damit auch fest, dass
sie erst nach geraumer Zeit, z. B. bei einem Witterungsumschlag, jedenfalls
aber so lange die erste Ursache überhaupt gesetzt ist, den Schaden
mitverursachen können.
Die Beklagte hat sodann eingewendet, die Schweizer Mustermesse als Bauherrin
hätte das Tor nachträglich besser hinstellen, befestigen und über die
Mittagspause wieder einhängen sollen. Dieser Einwand ist in diesem
Zusammenhang nur insofern zu untersuchen, als damit eine Unterbrechung des
ursächlichen Zusammenhanges und damit eine Befreiung der Beklagten von der
Haftung behauptet wird; ob die Streitberufene neben der Beklagten für den
Schaden einzustehen habe, ist bei der Behandlung des Rückgriffes zu erörtern.
Von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhanges zufolge einer Unterlassung
der Streitberufenen kann jedoch keine Rede sein. Die Beklagte führt in der
Berufungsschrift selber aus, die Bauherrin habe es während Monaten geduldet,
dass das Tor so ausgehängt und hingestellt wurde, wie es am 24. Dezember 1925
geschah. Also konnten die auf Seiten des Beklagten Beteiligten keineswegs nach
ihrer Erfahrung damit rechnen, dass das Tor nur vorübergehend so aufgestellt
sei und dass ein allfälliges späteres Unglück einer

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durch die Bauherrin erst noch zu setzenden Ursache zuzurechnen sein werde.
Nach der allgemeinen Lebenserfahrung lag es sogar sehr nahe, dass sich während
des ganzen Tages überhaupt niemand mehr mit dem Tor befassen werde. Vor allen
Dingen war es wenig wahrscheinlich, dass die Bauherrin selber einschreiten
werde. Dafür, dass die Arbeiter bestimmt mit einer Änderung anlässlich der
Mittagspause rechneten und rechnen durften, als sie das Tor am Morgen
anlehnten, ist keinerlei Nachweis erbracht worden.
3. - Kann sich demnach die Beklagte nur durch den Entlastungsbeweis des Art.
55 von ihrer grundsätzlichen Haftung befreien, so ist mit den Vorinstanzen zu
sagen, dass sie diesen Beweis nicht geleistet hat. Es sind in keiner Weise
Vorkehrungen nachgewiesen oder auch nur Anordnungen behauptet worden, die
geeignet gewesen wären, die unrichtige Aufstellung des Tores und einen Schaden
dieser Art zu verhüten. In der Klagebeantwortung ist hierüber überhaupt nichts
gesagt worden; in der durchgeführten Strafuntersuchung haben der Beklagte und
sein Sohn jegliches Verschulden bestritten, worauf es aber nicht ankommt (BGE
56 II S. 287). Zur Summe objektiv gebotener Massnahmen beim Aushängen des
Tores, die allein den Geschäftsherrn von der Haftung befreit (BGE 56 II S.
287
; VON TUHR, OR I S. 353), hätte gehört, dass das Tor auf die Innenseite der
Plakatwand gestellt, nachdem dort ein Platz ausfindig gemacht oder beschafft
worden wäre, oder dass es wenigstens durch Haken oder anderweitig befestigt
worden wäre. Nichts von alledem ist geschehen. Die Tatsache, dass der Beklagte
seinen jungen Sohn zur Überwachung mitgab, auf die er sich dann berufen hat,
genügt natürlich nicht, nachdem feststeht, dass der Sohn, der auch nur als
Dienstpflichtiger in Betracht fällt, keine zweckmässigen Anordnungen gab.
Unerheblich ist auch, dass das Vorgehen der Arbeiter des Beklagten auf andern
Bauplätzen durch die Baupolizei nie beanstandet worden sei. Die zuständige
Baupolizeibehörde

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hat in ihrem Bericht übrigens ausgeführt, «dass die Firma Villa nicht die
nötige Vorsicht walten liess, weil sie die in § 182 des Hochbautengesetzes
verlangten Massregeln nicht traf». Selbst wenn die Art der Anlehnung des Tores
den polizeilichen Vorschriften und Anordnungen entsprochen hätte, würde das
den Geschäftsherrn nicht befreien, wie das Bundesgericht in analoger Weise für
den Fall der Haftung für ein Werk gemäss OR Art. 58 erkannt hat (vgl. BGE 55
II S. 197
). Schliesslich ist auch nicht entscheidend, dass Villa es
unterlassen hat, eine Haftpflichtversicherung einzugehen, denn der Verletzte
soll das Unterbleiben dieser im Baugewerbe sonst allgemein üblichen
geschäftlichen Vorsicht nicht entgelten.
4. - Die Höhe des vom Kläger erlittenen Schadens von 6269 Fr. 40 Cts., wie er
durch die kantonalen Instanzen ermittelt worden ist, wurde von keiner Seite
mehr bestritten. Es frägt sich daher für die Hauptklage nur noch, in welchem
Masse die Beklagte zum Ersatz anzuhalten sei. Obere Grenze ist dabei der
Betrag von 4500 Fr., da die Anschlussberufung unwirksam und das Urteil gegen
den Kläger mithin rechtskräftig geworden ist. Das Zivilgericht hat die
Beklagte zur Vergütung der Hälfte von 6269 Fr. 40 Cts. verurteilt, da für die
andere Hälfte die Bauleitung verantwortlich und Solidarität mangels
gemeinschaftlicher Schadenszufügung (OR Art. 50) nicht gegeben sei. Dieser
Begründung ist das Appellationsgericht mit Recht nicht gefolgt. Hätten weitere
Personen, die jedoch nicht Partei sind und deren Verantwortlichkeit in diesem
Verfahren darum nicht zu untersuchen ist, den Schaden mitverursacht, so wäre
die Beklagte gegenüber dem Kläger trotzdem in vollem Masse haftbar, da dann
das Verhältnis der Konkurrenz oder unechten Solidarität bestehen würde (vgl.
BRUEHLMANN, Haftung und Rückgriff im Schadenersatzrecht, S. 94 ff).
Die Herabsetzung der Ersatzpflicht auf 4500 Fr. hat das Appellationsgericht
damit begründet, dass das leichte Verschulden der Arbeiter Villas und
sämtliche Umstände

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zu berücksichtigen seien, und dass sich der Betrag von 4500 Fr. nach freiem
Ermessen rechtfertige. Die Beklagte hält die Reduktion für ungenügend und
verlangt, dass wegen des bloss leichten Verschulden nur 1000 Fr. zugesprochen
werden. Es ist jedoch fraglich, ob bei der Haftung des Geschäftsherrn nach OR
Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
das leichte Verschulden der Angestellten oder Arbeiter überhaupt
berücksichtigt werden darf und ob die Bestimmung des Art. 43
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 43 - 1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1    Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1bis    Im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, kann er dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.27
2    Wird Schadenersatz in Gestalt einer Rente zugesprochen, so ist der Schuldner gleichzeitig zur Sicherheitsleistung anzuhalten.
OR über das Mass
des Ersatzes anwendbar ist. Ermässigt man die Ersatzpflicht wegen
Geringfügigkeit des Verschuldens, so gestaltet man die Haftung des
Geschäftsherrn hinsichtlich der Höhe des Ersatzes zu einer Haftung für das
Verschulden der Arbeiter und gerät so in einen jedenfalls logischen, aber auch
praktischen Widerspruch zum Grundsatz, dass ein Verschulden der Arbeiter nicht
erforderlich sei, damit der Geschäftsherr einzustehen habe. Wenn nämlich ein
bloss leichtes Verschulden zu einer Reduktion führen soll, so ist nicht leicht
einzusehen, warum ein Mangel jeglichen Verschuldens nicht befreien und was in
einem solchen Fall denn noch zugesprochen werden soll. Die Vorinstanz findet
selber, eine solche Herabsetzung stehe im Widerspruch zur rechtlichen Natur
der Haftung aus OR Art. 55. Sie kann auch nicht damit begründet werden, dass
sonst der Geschäftsherr strenger hafte, als wenn er die dienstliche
Verrichtung selber vorgenommen hätte, denn diese Strenge ist vom Gesetzgeber
gewollt (HOMBERGER, Haftpflicht ohne Verschulden S. 8 ff), und selbst wenn das
Mass des Verschuldens der Arbeiter zur Herabsetzung führen würde, käme das
Verschulden des Geschäftsherrn und sein Mass bei der Anwendung des Art. 55
nicht in Betracht und würde er mithin strenger haften, als wenn er - in casu -
das Tor selbst an die Wand gelehnt hätte (vgl. gegen die Berücksichtigung des
Verschuldens der Arbeiter und des Geschäftsherrn OSER, Kommentar, 2. Aufl.
Note 20 und 25 zu OR Art. 55, ebenso CHAMOREL, La responsabilité de
l'employeur p. 77). Die Vorinstanz hat einen billigen Ausgleich dennoch für

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notwendig gehalten. (Ebenso BGE 29 II S. 489, wo jedoch die Haftung gemäss OR
55 als Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast behandelt und ausgeführt
wurde, dass hinsichtlich des Masses der Ersatzpflicht lediglich das
Verschulden der handelnden Arbeiter in Betracht falle). Die II. Zivilabteilung
hat in ihrem Entscheid vom 22. November 1923 i. S. Gabathuler gegen Peter (BGE
49 II S. 446) bei der Haftung des Familienhauptes gemäss ZGB Art. 333
ebenfalls gefunden, dass der Anwendung des Art. 43 nichts entgegenstehe. Ob
das auch inbezug auf OR Art. 55 gilt (wie VON TUHR, OR I S. 354, Anm. 23 a
trotz ausdrücklicher Erwähnung des entstehenden Widerspruches ausführt), kann
im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben. Der vorgenommene, überdies
rechtskräftige Abzug kann z. T. damit begründet werden, dass es bei richtiger
Anwendung der Grundsätze der adäquaten Verursachung zu berücksichtigen ist,
wenn eine vom Täter gesetzte Bedingung nur Teilursache des Unfallschadens ist
(BGE 46 II S. 465), indem der Anwendung des Art. 43
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 43 - 1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1    Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1bis    Im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, kann er dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.27
2    Wird Schadenersatz in Gestalt einer Rente zugesprochen, so ist der Schuldner gleichzeitig zur Sicherheitsleistung anzuhalten.
OR auf die Haftung des
Geschäftsherrn jedenfalls inbezug auf die ausserhalb des Verschuldens
liegenden Umstände nichts entgegensteht. Der Abzug von 1769 Fr. 40 Cts. ist
aber im Vergleich zum Gesamtschaden so gross, dass eine weitere Herabsetzung
nicht in Betracht fiele, weil sie die zum Schutze der Allgemeinheit
aufgestellte Strenge der Haftung aus OR Art. 55
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 55 - 1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
1    Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.30
2    Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.
illusorisch machen würde,
selbst wenn man den Grad des Verschuldens der Arbeiter in Übereinstimmung mit
dem Appellationsgericht in Rechnung zu ziehen hätte. Es ist zu beachten, dass
eine Reduktion auf 1000 Fr., wie sie die Beklagte begehrt, dem Grundgedanken
des Gesetzes offenbar nicht mehr entsprechen würde, dass dem richterlichen
Ermessen mithin ein Rahmen gesetzt ist, dass sich die Vorinstanz innerhalb
desselben gehalten hat und dass das Bundesgericht ohne zwingende Gründe nicht
davon abzuweichen hätte, selbst wenn es von denselben Voraussetzungen ausgehen
müsste.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 57 II 36
Date : 01. Januar 1931
Published : 21. Januar 1931
Source : Bundesgericht
Status : 57 II 36
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Auch im schriftlichen Verfahren läuft die Anschlussberufungsfrist von der Mitteilung der Berufung...


Legislation register
OR: 43  55
BGE-register
29-II-485 • 41-II-77 • 42-II-362 • 46-II-463 • 55-II-194 • 56-II-283 • 57-II-36
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