BGE 57 II 284
45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Mai 1931 i. S. Applications
Electriques Frigidaire S.A. gegen Maurer.
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Regeste:
Spezieskauf eines bestimmten Kühltisches unter unrichtiger Vorstellung beider
Parteien über seine Länge. Bejahung des Zustandekommens des Vertrages und
Ablehnung eines Erklärungsirrtums, insbesondere über die Identität der
Kaufsache. Wandelung wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften, eventuell
wegen wesentlichen Grundlagenirrtums.
Das Angebot der den Wünschen des Käufers entsprechenden Leistung durch den
Verkäufer hat sofort zu erfolgen. OR Art. 1, 23 ff., 24 Ziff. 2 und Ziff. 4,
25 Abs. 2 und 197 ff.
A. - Im April 1929 trat der Beklagte, Max Maurer, Milchhändler in Zollikon mit
der Klägerin, Applications Electriques Frigidaires S.A. in Zürich wegen der
Lieferung eines Ladenkorpus mit Kühlanlage in Verbindung. Am 20. April 1929
machte ihm die Klägerin eine eingehende schriftliche Offerte und legte eine
Skizze bei. Ebenfalls am 20. April 1929 kam zwischen den Parteien auf Grund
einer mündlichen Besprechung ein als «Verkaufskontrakt» überschriebener
Vertrag zu stande, durch den die Klägerin dem Beklagten eine als «Korpus Frey
Brunnen» bezeichnete Kühlanlage, in den Einzelheiten gemäss der schriftlichen
Offerte vom gleichen Tag, zum Preise von 6170 Fr. zu liefern versprach.
Der Korpus Frey war von der Klägerin für einen gewissen Frey in Brunnen
hergestellt worden, hatte aber zurückgenommen werden müssen und war auf Lager
geblieben, weil er durch die zu enge Türe nicht in das Lokal Frey's hatte
befördert werden können. Vor Kaufsabschluss hatte Maurer ihn nicht gesehen.
Bei einer nachfolgenden Besichtigung stellte sich für ihn heraus, dass dieser
Korpus für seine Bedürfnisse zu klein war. Er teilte dies der Klägerin mit,
und diese beeilte sich, ihm am 11. Mai 1929 eine neue Offerte zu machen, deren
Gegenstand die vom Beklagten gewünschte Länge aufweist, aber 6580 Fr, kosten
sollte. Der Beklagte lehnte das Angebot wegen des
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höhern Preises ab, und da eine Einigung nicht erzielt werden konnte, kam es
zum Prozess.
B. - Laut Weisung des Friedensrichteramtes Zürich 1 hat die Applications
Electriqucs Frigidaire S. A. am 18. Juli 1929 Klage am vereinbarten
Gerichtsstand Zürich gegen Max Maurer über folgende Streitfragen erhoben:
«Ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin zu bezahlen:
2300 Fr. nebst 5% Zins seit 25. Juni 1929,
2000 Fr. nebst 5% Zins seit 15. August 1929,
1930 Fr. nebst 5% Zins seit 16. Oktober 1929, eventuell, ist der Beklagte
verpflichtet, der Klägerin 6580 Fr. nebst 5% Zins seit 25. Juni 1929 zu
bezahlen?»
C. - Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt. Es sei keine
Willenseinigung erfolgt, eventuell habe er sich in einem wesentlichen Irrtum
befunden und ganz eventuell sei der Vertrag durch Übereinkunft aufgehoben
worden, ohne dass ein neuer Vertrag zu stande gekommen sei.
Die Klägerin hat ihr Eventualbegehren nachträglich fallen gelassen.
D. - Das Bezirksgericht Zürich hat die Klage am 6. März 1930, das Obergericht
des Kantons Zürich auf Appellation der Klägerin hin am 29. November 1930
abgewiesen. Eine Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerin ist durch das
Kassationsgericht des Kantons Zürich durch Entscheid vom 4. April 1931
abgewiesen worden.
E. - Gegen das Urteil des Obergerichtes hat die Klägerin rechtzeitig und in
der vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt und den
Antrag gestellt, die Klage sei gutzuheissen.
F. - ....
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Das Obergericht hat gefunden, die Parteien seien beim Kaufsabschluss
darüber einig gewesen, dass die Länge des Kühlschrankes 3,2 m zu betragen
habe. Diese Feststellung ist entgegen dem Schein ihres Wortlautes
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tatsächlicher Art und für das Bundesgericht verbindlich, denn es sollte damit
nicht gesagt werden, dass eine Willensübereinstimmung im Rechtssinne und mit
einem bestimmten Inhalt zu stande gekommen sei, sondern welches der wirkliche
Wille und die Vorstellungen der Parteien gewesen seien. Das geht eindeutig aus
den übrigen Ausführungen der Vorinstanz hervor, wo sie wiederum eine
tatsächliche Behauptung, nämlich das Beweisangebot der Klägerin, dass man sich
nachträglich noch vor Kaufsabschluss auf den Korpus Frey in Kenntnis seiner
geringern Länge geeinigt habe, auf dem Wege der Würdigung anticipando
abgelehnt hat. Die Feststellung der Vorinstanz ist nicht nur nicht als
aktenwidrig angefochten worden, sondern die Klägerin hat sogar ausdrücklich
anerkannt, das Obergericht habe «zur Not» mit Recht annehmen dürfen, dass
beide Parteien der Meinung waren, der Korpus weise eine Länge von 3,2 m auf.
Es kam deshalb auch dahingestellt bleiben, welche Bedeutung dem Umstande
zukommt, dass in der der Offerte vom 20. April 1929 beigegebenen Skizze bloss
eine Länge von 2,15 m eingetragen ist.
Es ist unbestritten, dass der durch den Vertrag vom 20. April 1929 verkaufte
Korpus Frey nur 2,8 m lang ist, und es frägt sich nun, welche Rechtsfolgen
sich daraus für den Beklagten ergeben. Die Vorinstanz hat erkannt, der
tatsächliche Hergang lasse die rechtliche Annahme zu, der Wille der Klägerin
sei auf den Verkauf des Korpus Frey, der des Beklagten auf den Kauf eines
Kühlschrankes von 3,2 m Länge gerichtet gewesen; ebensogut könne aber auch der
Standpunkt eingenommen werden, nach dem Willen beider Parteien sei der Korpus
Frey verkauft worden, wobei sich beide Parteien über eine wesentliche
Eigenschaft im Irrtum befunden hätten; im ersten Fall sei ein Vertrag mangels
Übereinstimmung in Bezug auf den Kaufgegenstand gar nicht zu stande gekommen.
Dieser Ansicht kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Wenn, wie die
tatsächliche Feststellung der Vorinstanz
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verstanden werden muss, auch die Klägerin noch zur Zeit der Eingehung des
schriftlichen Vertrages mit dem Schrank Frey einen Schrank von 3,2 m Länge zu
verkaufen meinte, wichen ihr tatsächlicher Wille und ihre Vorstellung nicht
von denjenigen des Beklagten ab. Die Wahl zwischen den beiden von der
Vorinstanz erwähnten rechtlichen Möglichkeiten steht nur frei, wenn man auch
ein Element des Tatbestandes offen lässt und auf diese Weise ein
Eventualverhältnis im Hinblick darauf herstellen zu können glaubt, dass das
Ergebnis dasselbe sei, ob man vom einen oder andern Tatbestand und der dazu
gehörigen rechtlichen Konstruktion ausgehe. Steht aber wie hier der Tatbestand
in dem Sinne schon fest, dass beide Parteien unter einer unrichtigen
Vorstellung den in Wirklichkeit nicht so grossen Schrank Frey tatsächlich
kaufen und verkaufen wollten und auch zu kaufen und zu verkaufen erklärten, so
ist man gezwungen, zu wählen, wenn man zu entscheiden hat: Entweder ergibt der
Tatbestand, dass kein gültiger Vertrag zu stande gekommen ist, dann fällt die
Frage seiner Unverbindlichkeit wegen Irrtums weg, oder dass ein gültiger
Vertrag vorliegt, dann frägt es sich noch, ob er wegen eines Willensmangels
anfechtbar sei. (Vgl. BGE 39 II S. 579, 41 II S. 255 und Arnold GYSIN, Das
Rechtsgeschäft in der modernen Privatrechtsjurisprudenz, Zeitschr. des bern.
Juristenvereins 1929 S. 204.)
Auch der Beklagte wollte nun zur Zeit des Vertragsschlusses keineswegs mehr
einen beliebigen Schrank von 3,2 m Länge, also eine Gattungssache kaufen,
sondern ein bestimmtes Stück, den Korpus Frey. An die Stelle der
Individualisierung des Kaufgegenstandes durch bestimmte Masse war die
Individualisierung durch einen Namen getreten, weil die Parteien überzeugt
waren, dass diese Spezies den Anforderungen entsprach, die sie bei ihrem
Nichtvorhandensein an eine Gattungssache gestellt hätten. Daraus ergibt sich
in zwingender Weise, nicht nur dass der Vertrag vom Gesichtspunkt der dem
Obligationenrecht zu Grunde liegenden Erklärungs- oder Vertrauenstheorie
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aus als gültig zu stande gekommen zu gelten hat, indem die im schriftlichen
Vertrag enthaltenen Erklärungen beider Parteien übereinstimmen, sondern dass
auch der Wille der Parteien sich vollkommen deckte. Ein Widerspruch zwischen
Wille und Willensäusserung bestand also auf keiner Seite, sondern der Mangel
bestand im entscheidenden Augenblick ausschliesslich in der Vorstellung,
welche sowohl die Klägerin als der Beklagte von der Sache hatten, mit der sie
zu handeln erklärten und mit der sie auch tatsächlich handeln wollten. Da
demnach Erklärung und wirklicher Wille beider Parteien übereinstimmend auf den
Korpus Frey gerichtet waren, ist ein gültiger Kaufvertrag zu stande gekommen.
2. - Damit ist auch schon gesagt, dass dieser Vertrag nicht an einem
Erklärungsirrtum auf Seiten des Beklagten leidet, denn ein Erklärungsirrtum
liegt nur vor, wenn jemand aus Versehen eine Erklärung abgibt, die seinem
Willen nicht entspricht, d. h. wenn er entweder den Wortlaut der Erklärung
nicht gewollt oder der Erklärung eine andere Bedeutung beigemessen hat (VON
TUHR OR I S. 252 ff.). Es kann nicht gesagt werden, dass der Beklagte am 20.
April 1929, als er den Vertrag unterzeichnete, nicht habe erklären wollen, den
Korpus Frey zu kaufen, oder dass er in jenem Augenblick seiner Erklärung, den
Korpus Frey kaufen zu wollen, eine andere, in Wirklichkeit auf eine andere
Sache gerichtete Bedeutung beigemessen habe. Insbesondere liegt entgegen der
Auffassung des Bezirksgerichtes kein Identitätsirrtum im Sinne des Art. 24
Ziff. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
|
1 | Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
1 | wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat; |
2 | wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat; |
3 | wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war; |
4 | wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde. |
2 | Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich. |
3 | Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen. |
nie gesehen hatte, denn er hat die Sache, die seiner Bezeichnung entspricht,
in der Tat gewollt, nur hat er diesen Willen deshalb gefasst, weil er ihr
andere Eigenschaften zuschrieb, das ist aber kein Identitätsirrtum. (Vgl. VON
TUHR, Mängel des Vertragsschlusses, Zeitschr. f. schw. Recht n. F. 15 S. 312,
OR I S. 254, BECKER, Kommentar Note 3 zu Art. 24
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
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1 | Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
1 | wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat; |
2 | wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat; |
3 | wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war; |
4 | wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde. |
2 | Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich. |
3 | Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen. |
zu Art. 24.)
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Ein Irrtum über Eigenschaften der Kaufsache kann unter Umständen als
Grundlagenirrtum im Sinne des Art. 24 Ziff. 4 zur Anfechtung berechtigen (BGE
52 II S. 146 ff., VON TUHR, OR I S. 254 Anm. 15, BECKER, Kommentar Note 3 zu
Art. 24
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
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1 | Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
1 | wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat; |
2 | wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat; |
3 | wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war; |
4 | wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde. |
2 | Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich. |
3 | Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
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1 | Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher: |
1 | wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat; |
2 | wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat; |
3 | wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war; |
4 | wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde. |
2 | Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich. |
3 | Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen. |
untersuchen, ob die vom Beklagten verlangte Länge ein Sachverhalt war, der von
ihm nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als notwendige Grundlage des
Vertrages betrachtet werden durfte. Diese Frage wäre zu bejahen. Nach der
subjektiven Seite kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Beklagte selbst
diese Eigenschaft als wesentlich betrachtete. Aber auch objektiv, nach den
Anforderungen eines loyalen Geschäftsverkehrs (BGE 52 II S. 146 ff.) kann
nicht in Abrede gestellt werden, dass der Schrank im Laden des Beklagten als
Möbel eine räumliche Funktion zu erfüllen hat, bei der es auf eine Länge von
etwa einem halben Meter ankommt, dass auch das Fassungsvermögen und der Raum
auf dem Tisch von der Länge abhängen und wesentlich sind, und dass
schliesslich, wie aus der Skizze hervorgeht, die Zahl der Türen und damit die
Bequemlichkeit der Bedienung beim Korpus Frey geringer ist, als bei einem
Schrank mit 3,2 m Länge. Selbst wenn man eine Längendifferenz von 40 cm als
sogenannten atypischen Sachverhalt betrachten wollte, müsste doch davon
ausgegangen werden, dass der Irrende hier die bestimmte Länge in einer für den
Gegner erkennbaren Weise zur Voraussetzung gemacht hat, so dass es sich um
eine gemeinsame Unterstellung handelt, die nach der bundesgerichtlichen Praxis
als wesentlich zu gelten hat (BGE 43 II S. 775 ff., 48 II S. 236 ff.,
BACHMANN, Der Irrtum S. 77). Im Übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen
des Obergerichtes über die Wesentlichkeit des Irrtums verwiesen werden. Der
von der Klägerin angerufene Umstand, dass die Hülle im Vergleich zu der darin
enthaltenen Apparatur gering im Werte und dass eine Vergrösserung des Tisches
mit kleinen Selbstkosten
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möglich sei, fällt nicht in Betracht, sowenig als eine nur teilweise
Anfechtung des einheitlichen Vertrages, denn der Wert ist nicht entscheidend,
wo es dem Käufer auf die Grösse ankam und nach Treu und Glauben ankommen
durfte.
Die Klage ist jedoch schon auf Grund der Art. 197 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 197 - 1 Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
|
1 | Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. |
2 | Er haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. |
Wandelung wegen Fehlens der zugesicherten Eigenschaft auszusprechen ist. Wie
das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 11. November 1930 i. S. Schläfli
gegen Jordi (BGE 56 II S. 428) erkannt hat, stehen in einem solchen Fall die
beiden Rechtsbehelfe dem Käufer zur Wahl, wenn die formellen Voraussetzungen
für beide erfüllt sind. Der Beklagte hat es hier freilich unterlassen, OR Art.
197 anzurufen. Das kann ihm aber nicht zum Nachteil gereichen, denn iura novit
Curia, das anwendbare Recht ist von Amtes wegen anzuwenden, nachdem der
Beklagte durch Berufung auf Irrtum grundsätzlich die Unverbindlichkeit des
Vertrages und seine Wandelung geltend gemacht hat. Auch der Ausschluss von
Nova vor Bundesgericht (OG Art. 80) steht einer neuen rechtlichen Begründung,
gleichgültig ob sie von Amtes wegen erfolge, nicht entgegen (WEISS, Berufung
S. 166 ff.). In tatsächlicher Hinsicht kann nach der Feststellung des
Obergerichtes kein Zweifel mehr bestehen, dass die Klägerin dem Beklagten, als
sie auf den Korpus Frey zu sprechen kam, zusicherte, er entspreche seinen
Wünschen, auch in Bezug auf die Länge. Schliesslich fehlt es auch nicht an der
rechtzeitigen Mängelrüge, und die Verjährungsfrist, die übrigens nicht von
Amtes wegen zu berücksichtigen ist, gilt nach Art. 210 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 210 - 1 Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat. |
|
1 | Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat. |
2 | Die Frist beträgt fünf Jahre, soweit Mängel einer Sache, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert worden ist, die Mangelhaftigkeit des Werkes verursacht haben. |
3 | Für Kulturgüter im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 200375 verjährt die Klage ein Jahr, nachdem der Käufer den Mangel entdeckt hat, in jedem Fall jedoch 30 Jahre nach dem Vertragsabschluss. |
4 | Eine Vereinbarung über die Verkürzung der Verjährungsfrist ist ungültig, wenn: |
a | sie die Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre, bei gebrauchten Sachen auf weniger als ein Jahr verkürzt; |
b | die Sache für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Käufers bestimmt ist; und |
c | der Verkäufer im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt. |
5 | Die Einreden des Käufers wegen vorhandener Mängel bleiben bestehen, wenn innerhalb der Verjährungsfrist die vorgeschriebene Anzeige an den Verkäufer gemacht worden ist. |
6 | Der Verkäufer kann die Verjährung nicht geltend machen, wenn ihm eine absichtliche Täuschung des Käufers nachgewiesen wird. Dies gilt nicht für die 30-jährige Frist gemäss Absatz 3. |
Wandelungseinrede.
3. - Die Behauptung der Klägerin, sie habe dem Beklagten am 11. oder 12. Mai
1929 einen auch in der Länge seinen Wünschen entsprechenden Kühlschrank
offeriert, und zwar zum gleichen Preis von 6170 Fr., ist durch den Beklagten
bestritten worden und steht in einem flagranten Widerspruch mit dem Brief der
Klägerin vom 11. Juni und ihrer Stellungnahme in der Sühnverhandlung, wo sie
stets darauf pochte, es gebe nur zwei Möglichkeiten, Abnahme
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des Korpus Frey oder Lieferung eines längeren Korpus zu einem wesentlich
höhern Preis. Die Feststellung des Obergerichtes, dass ein solches Angebot nie
erfolgt sei, ist übrigens tatsächlicher Art und für das Bundesgericht
verbindlich, wobei es gleichgültig ist, dass die Feststellung aus Indizien
abgeleitet worden ist. Die Ablehnung der Einvernahme des Direktor Äschbacher
der Klägerin durch die Vorinstanz hat sich übrigens auch auf Gründe des
kantonalen Prozessrechtes gestützt, die das Bundesgericht nicht zu untersuchen
und die das Kassationsgericht als stichhaltig anerkannt hat.
Auch die bis zum 18. Juni 1929 gewechselte Korrespondenz enthält keine
Anhaltspunkte für ein solches Angebot der Klägerin. Es wäre übrigens um diesen
Zeitpunkt bereits verspätet gewesen, denn obwohl Art. 25 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 25 - 1 Die Berufung auf Irrtum ist unstatthaft, wenn sie Treu und Glauben widerspricht. |
|
1 | Die Berufung auf Irrtum ist unstatthaft, wenn sie Treu und Glauben widerspricht. |
2 | Insbesondere muss der Irrende den Vertrag gelten lassen, wie er ihn verstanden hat, sobald der andere sich hierzu bereit erklärt. |
Erklärung des Gegners des Irrenden keine Frist ausdrücklich setzt, muss doch
gelten, dass die Erklärung unmittelbar zu geschehen hat, nachdem sich der
Irrende auf den Irrtum berufen hat. Das war im vorliegenden Fall entgegen der
Ansicht der Klägerin nicht erst der Zeitpunkt der Sühnverhandlung, sondern der
Augenblick, in dem sich der Beklagte darauf berief, dass der Korpus Frey nicht
die verlangten 3,2 m Länge besitze. (Vgl. VON TUHR OR I S. 256, Note 28 und
BECKER, Kommentar Note 5 zu Art. 25
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 25 - 1 Die Berufung auf Irrtum ist unstatthaft, wenn sie Treu und Glauben widerspricht. |
|
1 | Die Berufung auf Irrtum ist unstatthaft, wenn sie Treu und Glauben widerspricht. |
2 | Insbesondere muss der Irrende den Vertrag gelten lassen, wie er ihn verstanden hat, sobald der andere sich hierzu bereit erklärt. |
Berufungsantwort mit Recht darauf hingewiesen, dass die Behauptung der
Klägerin, er habe sich erst im Prozess erstmals eindeutig auf Irrtum berufen,
mit ihrer andern Behauptung nicht harmoniert, sie habe ihm schon am 11. Mai
die Lieferung eines Korpus mit gehöriger Länge angeboten, denn hiezu hätte sie
keinen Anlass gehabt, wenn er einen Irrtum noch gar nicht geltend gemacht
hätte....
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Zürich vom 29. November 1930 wird bestätigt.