S. 198 / Nr. 50 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 56 III 198

50. Entscheid vom 3. November 1930 i. S. Bader.

Regeste:
1. Art. 274 SchKG:
Wenn es nach kantonalem Rechte zulässig ist, dass die Arrestbefehle nur vom
Protokollführer der Arrestbehörde unterzeichnet werden, so kann ein auf Grund
eines solchen Arrestbefehles vollzogener Arrest nicht als ungültig angefochten
werden (Erw. 1).
2. Art. 272
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 272 - 1 Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:475
1    Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:475
1  seine Forderung besteht;
2  ein Arrestgrund vorliegt;
3  Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören.
2    Wohnt der Gläubiger im Ausland und bezeichnet er keinen Zustellungsort in der Schweiz, so ist das Betreibungsamt Zustellungsort.
SchKG:
Zahlt der Drittschuldner die arrestierte Forderung an das Betreibungsamt, so
erhält der Arrestschuldner damit eine Forderung gegen das Amt. Soll diese

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Forderung ihrerseits mit einem neuen Arreste belegt werden, so hat das am
Wohnorte des Gläubigers (= Arrestschuldners) zu geschehen (Erw. 2).
1. Art. 274 LP:
Lorsque, d'après le droit cantonal, le greffier ou secrétaire est autorisé à
signer seul les ordonnances de séquestre, on ne saurait annuler le séquestre
exécuté sur la base d'une semblable ordonnance (consid. 1).
2. Art. 272 LP:
Si le tiers débiteur paye en mains de l'office des poursuites le montant d'une
créance séquestrée, le débiteur séquestré devient créancier de l'office pour
ce montant. Cette nouvelle créance ne peut être séquestrée à son tour qu'au
domicile du titulaire (débiteur séquestré) (consid. 2).
1. Art. 274 LEF.
Se in forza del diritto cantonale un decreto di sequestro può essere firmato
soltanto dal segretario dell'autorità di sequestro, la validità di un
sequestro eseguito in base ad un decreto siffatto non può essere impugnata
(consid. 1).
2. Art. 272 LEF.
Se il terzo debitore paga all'ufficio un credito sequestrato, il debitore
sequestrato diventa creditore dell'importo verso l'ufficio. Il nuovo credito
non potrà a sua volta essere sequestrato che al domicilio del titolare
(debitore sequestrato) (consid. 2).

A. - Auf Grund des von der zugerischen Arrestbehörde für die Firma Suter &
Portier, Meilen, erlassenen Arrestbefehles Nr. 26/1930 hatte das
Betreibungsamt Zug am 20. August 1930 eine Forderung von Otto Bader sen.,
Muralto-Locarno, gegen die Bauunternehmung Landis & Hauser, Freudenberg-Risch,
im Betrage von 6000 Fr. mit Arrest belegt. Diesen Betrag bezahlte die
Baunuternehmung Landis & Hauser in der Folge an das Betreibungsamt Zug.
Hierauf erwirkte die Firma Suter & Portier unter Verzicht auf den ersten
Arrest einen Arrestbefehl Nr. 28 /1930 auf das «Depot der Firma Landis &
Hauser, Freudenberg-Risch, im Betrage von 6000 Fr. beim Betreibungsamt in
Zug». Der Arrest wurde vom beauftragten Betreibungsamt Zug am 29. August 1930
vollzogen.
B. - Diesen Arrestvollzug focht der Arrestschuldner

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durch Beschwerde an mit der Begründung, der Arrestbefehl sei nicht von der
zuständigen Behörde erlassen worden. Durch die Deposition des
Forderungsbetrages beim Betreibungsamt Zug habe die Firma Landis & Hauser ihre
Schuldpflicht nicht erfüllt, sodass die Forderung weiterbestehe, und nur
diese, nicht das Depot, habe arrestiert werden können und zwar ausschliesslich
am Wohnort des Gläubigers, in Locarno; sodann wäre auf jeden Fall auch in Zug
nicht der Gerichtsschreiber zuständig gewesen, der den Arrestbefehl allein
unterzeichnet habe, sondern der Kantonsgerichtspräsident.
Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde durch Entscheid vom 15.
Oktober ab. Sie geht davon aus, dass das Depot beim Betreibungsamt Zug eine
körperliche Sache darstelle und deshalb richtigerweise in Zug arrestiert
worden sei; dass die vom Kantonsgerichtspräsidenten erlassenen Arrestbefehle
nur vom Gerichtsschreiber oder Sekretär unterzeichnet werden, beruhe auf
langjähriger Praxis.
C. - Diesen Entscheid zog der Beschwerdeführer unter Wiederholung des
Antrages, der Arrestvollzug sei aufzuheben, an das Bundesgericht weiter.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. - Die Erklärung der Vorinstanz, es sei nach der zugerischen Praxis
zulässig, dass der Kantonsgerichtspräsident die von ihm erlassenen
Arrestbefehle nicht selbst unterzeichne, sondern sie vom Gerichtsschreiber
oder Sekretär unterzeichnen lasse, betrifft eine Frage des kantonalen
Verfahrensrechtes und ist daher für das Bundesgericht verbindlich. Dann kann
aber aus dem Umstand, dass auch der vorliegende Arrestbefehl nur vom
Gerichtsschreiber «per Arrestbehörde» unterzeichnet worden ist, nicht
gefolgert werden, er sei tatsächlich nicht von der zuständigen Behörde, dem
Kantonsgerichtspräsidenten, ausgegangen. Darin liegt also kein Grund, den
Arrestvollzug aufzuheben.

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2. - Zu Unrecht nimmt der Rekurrent auch an, die Firma Landis & Hauser habe
die durch das Betreibungsamt Zug arrestierte Forderung nicht durch Zahlung bei
diesem Amte, sondern nur bei demjenigen in Locarno, gültig erfüllen können.
Richtig ist, dass die Forderung nicht in Zug, sondern in Locarno als dem
Wohnorte des Gläubigers hätte arrestiert werden sollen (vgl. BGE 47 III S.
75
). Solange der Arrest nicht aufgehoben war - was weder vorher noch nachher
geschehen ist - bestand er aber zu Recht und der Drittschuldner konnte und
musste an das Betreibungsamt zahlen, welches ihn vollzogen hatte. Bei der
Annahme des Rekurrenten, die Zahlung sei eine Deposition gewesen, wäre diese
Frage übrigens bedeutungslos; denn daraus, dass die Deposition an einem andern
Orte hätte erfolgen sollen, ergäbe sich keineswegs, dass das «Depot» nicht
arrestiert werden könne und zwar an dem Orte, wo es sich tatsächlich befindet.
Massgebend ist vielmehr, dass man es bei der Zahlung der Firma Landis & Hauser
an das Betreibungsamt Zug gerade nicht mit einer Deposition zu tun hat. Durch
diese auf den ersten Arrest gestützte Zahlung ist die Schuld der genannten
Firma gegenüber dem Rekurrenten erloschen. An ihre Stelle trat eine Forderung
des Rekurrenten gegen das Betreibungsamt. Das Betreibungsamt war nicht
verpflichtet, die gleichen Geldstücke oder Banknoten, sondern lediglich den
gleichen Betrag herauszuzahlen. Es kann somit entgegen der Auffassung, welche
das Bundesgericht in dem von der Vorinstanz zitierten Entscheide (BGE 32 I 263
Erw. 2), sowie auch im analogen Falle einer Zahlung des betriebenen Schuldners
an das Betreibungsamt (BGE 36 I 325) ausgesprochen hat, nur von einer
uneigentlichen Deposition (analog der zivilrechtlichen nach Art. 481 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 481 - 1 Ist Geld mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung hinterlegt worden, dass der Aufbewahrer nicht dieselben Stücke, sondern nur die gleiche Geldsumme zurückzuerstatten habe, so geht Nutzen und Gefahr auf ihn über.
1    Ist Geld mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung hinterlegt worden, dass der Aufbewahrer nicht dieselben Stücke, sondern nur die gleiche Geldsumme zurückzuerstatten habe, so geht Nutzen und Gefahr auf ihn über.
2    Eine stillschweigende Vereinbarung in diesem Sinne ist zu vermuten, wenn die Geldsumme unversiegelt und unverschlossen übergeben wurde.
3    Werden andere vertretbare Sachen oder Wertpapiere hinterlegt, so darf der Aufbewahrer über die Gegenstände nur verfügen, wenn ihm diese Befugnis vom Hinterleger ausdrücklich eingeräumt worden ist.

OR) die Rede sein.
Die so entstandene Forderung des Rekurrenten gegen das Betreibungsamt ist
durch den zweiten Arrest mit Beschlag belegt worden. Handelte es sich aber
darum,

Seite: 202
nicht eine deponierte Sache, sondern eine Forderung zu arrestieren, so konnte
das nur am Wohnorte des Gläubigers, in Locarno, geschehen (vgl. das oben
zitierte Urteil BGE 47 III 75), weshalb der in Zug gelegte Arrest aufzuheben
ist.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und der vom Betreibungsamt Zug in Vollziehung des
Arrestbefehles Nr. 28/1930 gelegte Arrest aufgehoben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 56 III 198
Datum : 01. Januar 1930
Publiziert : 03. November 1930
Quelle : Bundesgericht
Status : 56 III 198
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : 1. Art. 274 SchKG:Wenn es nach kantonalem Rechte zulässig ist, dass die Arrestbefehle nur vom...


Gesetzesregister
OR: 481
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 481 - 1 Ist Geld mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung hinterlegt worden, dass der Aufbewahrer nicht dieselben Stücke, sondern nur die gleiche Geldsumme zurückzuerstatten habe, so geht Nutzen und Gefahr auf ihn über.
1    Ist Geld mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung hinterlegt worden, dass der Aufbewahrer nicht dieselben Stücke, sondern nur die gleiche Geldsumme zurückzuerstatten habe, so geht Nutzen und Gefahr auf ihn über.
2    Eine stillschweigende Vereinbarung in diesem Sinne ist zu vermuten, wenn die Geldsumme unversiegelt und unverschlossen übergeben wurde.
3    Werden andere vertretbare Sachen oder Wertpapiere hinterlegt, so darf der Aufbewahrer über die Gegenstände nur verfügen, wenn ihm diese Befugnis vom Hinterleger ausdrücklich eingeräumt worden ist.
SchKG: 272
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 272 - 1 Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:475
1    Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:475
1  seine Forderung besteht;
2  ein Arrestgrund vorliegt;
3  Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören.
2    Wohnt der Gläubiger im Ausland und bezeichnet er keinen Zustellungsort in der Schweiz, so ist das Betreibungsamt Zustellungsort.
BGE Register
32-I-255 • 36-I-323 • 47-III-71 • 56-III-198
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
betreibungsamt • arrestbefehl • gerichtsschreiber • arrestvollzug • bundesgericht • frage • vorinstanz • kantonales recht • zahl • stelle • entscheid • nichtigkeit • sicherstellung • begründung des entscheids • sekretär • unternehmung • richtigkeit • schuldbetreibungs- und konkursrecht • wiese • schuldner
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