S. 116 / Nr. 28 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 56 III 116

28. Entscheid vom 27. Juni 1930 i. S. Kanton Bern und Einwohnergemeinde Bern.

Regeste:
Der Entscheid, dass eine nicht schon vor der Konkurseröffnung entstandene
Forderung Masseverbindlichkeit sei, liegt ohne weiteres schon im Entscheid der
zuständigen Behörde darüber, dass eine Forderung gegenüber der Konkursmasse
bestehe. Unzuständigkeit der Aufsichtsbehörden.
La décision portant qu'une créance qui n'est pas née avant l'ouverture de la
faillite constitue une dette de la masse est contenue dans la décision de
l'autorité compétente portant qu'une créance existe à l'encontre de la masse
en faillite. Incompétence des autorités de surveillance.
La decisione mercè la quale un credito che non è costituito prima della
dichiarazione di fallimento è dichiarato un debito della massa deve essere
presa dall'autorità competente in proposito. Incompetenza delle autorità di
Vigilanza.

A. - Dem am 5. Juli 1928 in Konkurs geratenen J. E. Iseli in Bern stellte die
dortige Steuerverwaltung Rechnung für die Zuschlagssteuer des Kantons und der
Gemeinde Bern für das Jahr 1929 im Betrage von zusammen 1424 Fr. 40, die an
die Konkursverwaltung gesandt

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wurde. Als die Steuerverwaltung in der Folge verlangte, dass diese Steuer als
Masseschuld vorab entrichtet werde, die Konkursverwaltung jedoch nicht hierauf
eingehen wollte, führte die Steuerverwaltung bei der Aufsichtsbehörde
Beschwerde mit dem Antrag auf entsprechende Anweisung an die
Konkursverwaltung, und zwar auch bezüglich später fällig werdender
Zuschlagssteuern, «soweit sie ausschliesslich von Gegenständen herrühren, die
Konkurssubstrat sind».
B. - Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 10. Mai die Beschwerde als
unbegründet abgewiesen, weil die Zuschlagssteuer nicht eine Objektsteuer,
sondern eine Subjektsteuer sei.
Diesen Entscheid hat die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht
weitergezogen, unter Erneuerung ihrer Beschwerdeanträge und unter Vorlegung
eines Gutachtens des Professors Blumenstein.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz scheint ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über die ihr
unterbreiteten Anträge als selbstverständlich erachtet zu haben. Indessen
erweckt diese Auffassung Bedenken.
Freilich hat das Bundesgericht die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden zur
Qualifikation einer Forderung als Masseverbindlichkeit vielfach angenommen.
Allein hiebei handelte es sich entweder um Entscheidungen über Ansprüche aus
dem Gebührentarif, die von diesem selbst (Art. 10 und 15) den
Aufsichtsbehörden zugewiesen sind, und zwar natürlich auch in dem Punkte, wer
der Gebührenschuldner sei, ob die Konkursmasse oder sonstwer (vgl. BGE 37 I S.
149
= Sep.-Ausg. 14 S. 29; 40 III S. 32; 50 III S. 73; 52 III S. 108 und 191).
Oder dann handelte es sich um die durchwegs negative Entscheidung, dass vor
der Konkurseröffnung existent gewordene Forderungen nicht als
Masseverbindlichkeiten anerkannt werden

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können (vgl. BGE 43 III S. 252; 48 III S. 224; 52 III S. 109, im Gegensatz zu
S. 108). Vorliegend aber leiten die Rekurrenten eine Masseverbindlichkeit zu
ihren Gunsten aus einer nicht schon vor der Konkurseröffnung eingetretenen
Tatsache her, nämlich dem Liegenschafts- und Hypothekenbesitz der Konkursmasse
Iseli in dem auf die Konkurseröffnung folgenden Kalenderjahre (wogegen die
Konkursverwaltung den Besitz mindestens während einem Teil dieser Zeit
bestreitet). Von vorneherein kann somit nicht davon die Rede sein, dass die
Schuld schon in der Person des Gemeinschuldners begründet worden wäre. Kann
die Forderung also nur entweder überhaupt nicht oder dann gegenüber der
Konkursmasse bestehen, so fällt die Entscheidung über ihren Bestand mit ihrer
Qualifikation als Masseverbindlichkeit zusammen. Sobald der Gläubiger einen
vollstreckbaren Titel erlangt, der nach dem Ausgeführten nur gegen die
Konkursmasse gerichtet sein kann, so kann er denn auch in der gegen die
Konkursmasse geführten Betreibung einen allfälligen Rechtsvorschlag beseitigen
und die Betreibung durch Pfändung von zur Konkursmasse gehörenden Gegenständen
fortsetzen lassen (vgl. BGE 50 III S. 172), also zur Befriedigung vorab
gelangen, ohne dass ihm die Aufsichtsbehörden auf irgend eine Weise in den Arm
fallen könnten. Wird eine Masseverbindlichkeit aus einem Vertrag des
Gemeinschuldners hergeleitet, den die Konkursverwaltung erfüllt haben und
ihrerseits erfüllen will, so leuchtet ohne weiteres ein, dass nicht die
Aufsichtsbehörden, sondern nur die Zivilgerichte verbindlich aussprechen
können, was die Konkursverwaltung zur Erfüllung zu leisten habe - was auf die
gerichtliche Feststellung einer Masseverbindlichkeit hinausläuft.
Dementsprechend kann es auch nur den Steuerbehörden, eventuell nach ihnen dem
Verwaltungsgerichte, nicht aber den Aufsichtsbehörden über die
Konkursverwaltungen zukommen, einer Konkursmasse als solcher eine Steuer
aufzuerlegen, wodurch ebenfalls eine Masseverbindlichkeit

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begründet bezw. vollstreckbar erklärt wird. In solchen Fällen ist für eine
neben der Entscheidung der zuständigen Behörde über den Bestand der Forderung
hergehende oder gar mit ihr in Konkurrenz tretende Entscheidung der
Aufsichtsbehörden über den Masseverbindlichkeits-Charakter kein Raum.
Richtigerweise haben sich die Aufsichtsbehörden diesfalls darauf zu
beschränken, dem Gläubiger, der auf dem Beschwerdeweg eine derartige
Masseverbindlichkeit zur Geltung bringen will, eine angemessene Frist zur
Geltendmachung der behaupteten Forderung gegen die Konkursverwaltung bezw.
Konkursmasse vor der zuständigen Behörde anzusetzen mit der Androhung, dass
sonst die Verteilung des Konkursmassevermögens ohne Rücksicht auf die
beanspruchte Vorab-Deckung stattfinden werde. Namentlich darf auch einer
Beschwerde gegen die Verteilungsliste in den hier besprochenen Fällen keine
weitergehende Folge gegeben werden. In diesem Sinne müssen die zu allgemein
gehaltenen Erwägungen in BGE 48 III S. 225/6 eingeschränkt werden. - Ob die
Rekurrenten schon gestützt auf die Steuerverfügung der Steuerverwaltung der
Stadt Bern in einer gegen die Konkursmasse Iseli anzuhebenden Betreibung die
Aufhebung des vorauszusehenden Rechtsvorschlages verlangen können, oder ob sie
zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels zunächst noch eine höhere
Steuerbehörde anrufen müssen, wird sich nach dem kantonalen
Steuerverfahrensrecht bestimmen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass der angefochtene Entscheid
aufgehoben und auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 56 III 116
Date : 01. Januar 1930
Published : 27. Juni 1930
Source : Bundesgericht
Status : 56 III 116
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Der Entscheid, dass eine nicht schon vor der Konkurseröffnung entstandene Forderung...


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