S. 344 / Nr. 59 Familienrecht (d)

BGE 56 II 344

59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. November 1930 i. S.
Waisenamt Pfäffikon gegen Moser.

Regeste:
Entzug der elterlichen Gewalt (Art. 285
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 285 - 1 Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
1    Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
2    Der Unterhaltsbeitrag dient auch der Gewährleistung der Betreuung des Kindes durch die Eltern oder Dritte.
3    Er ist zum Voraus zu entrichten. Das Gericht setzt die Zahlungstermine fest.
ZGB). Die örtliche Zuständigkeit ist
eine Gerichtsstandsfrage nach Art. 87 Ziff. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 285 - 1 Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
1    Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
2    Der Unterhaltsbeitrag dient auch der Gewährleistung der Betreuung des Kindes durch die Eltern oder Dritte.
3    Er ist zum Voraus zu entrichten. Das Gericht setzt die Zahlungstermine fest.
OG. Legitimation zur
zivilrechtlichen Beschwerde. (Erw. 1.)
Für die örtliche Zuständigkeit gelten die gleichen Grundsätze wie bei der
Entmündigung. (Erw. 3.)

Aus dem Tatbestand:
A. - Am 10. August 1928 war in Pfäffikon (Zürich) Otto Moser, von Pfäffikon
und Rüderswil, gestorben. Er hinterliess seine Ehefrau und drei Söhne, von
denen der jüngste, Fredy-William, noch minderjährig ist (geboren den 24. März
1917). Bei der Ermittlung des Nachlasses kam es zwischen den Erben und den
Behörden von Pfäffikon zu Anständen. Der Gemeinderat erhob Strafklage wegen
Steuerbetruges. Das Waisenamt, das wegen des minderjährigen Sohnes die
öffentliche Inventarisation

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durchführte, beschloss am 30. Januar 1930, gegen die Mutter das Verfahren auf
Entzug der elterlichen Gewalt einzuleiten, mit der (aus dem Entscheid selbst
nicht ersichtlichen) Begründung, dass sie zur Vermögensverwaltung unfähig sei.
B. - Hiegegen erhob Witwe Moser Rekurs mit dem Antrag auf Aufhebung des
Beschlusses. Sie machte geltend, dass sie in Zürich wohne und das Waisenamt
Pfäffikon zum Entzug der elterlichen Gewalt deshalb nicht zuständig sei.
Das Waisenamt seinerseits stellte sich auf den Standpunkt, es sei schon
deswegen zuständig, weil ihm auch die amtliche Inventarisation obliege; dazu
wohne die Rekurrentin tatsächlich noch immer in Pfäffikon und nicht in Zürich.
Der Rekurs wurde vom Bezirksrat abgewiesen, von der kantonalen Justizdirektion
durch Entscheid vom 23. Juni 1930 gutgeheissen.
C. - Gegen den Entscheid der Justizdirektion reichte das Waisenamt rechtzeitig
zivilrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht ein. Beantragt wird, das Amt
sei zur Einleitung des Verfahrens auf Entzug der elterlichen Gewalt als
zuständig: zu erklären.
Aus den Erwägungen:
1.- Nach § 40 und § 70 des zürcherischen Einführungsgesetzes zum
Zivilgesetzbuch erfolgt der Entzug der elterlichen Gewalt durch den Bezirksrat
auf Antrag des Waisenamtes. Gegenstand dieses Rechtsstreites ist nun die
Frage, ob das Waisenamt Pfäffikon zur Antragstellung gegenüber der
beschwerdebeklagten Witwe Moser örtlich zuständig sei. Dabei handelt es sich
um eine nach eidgenössischem Rechte zu beurteilende Gerichtsstandsfrage im
Sinne von Art. 87 Ziff. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 285 - 1 Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
1    Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
2    Der Unterhaltsbeitrag dient auch der Gewährleistung der Betreuung des Kindes durch die Eltern oder Dritte.
3    Er ist zum Voraus zu entrichten. Das Gericht setzt die Zahlungstermine fest.
OG (Zusatz laut Art. 49 lit. b des Bundesgesetzes
vom 11. Juni 1928 über die eidgenössische Verwaltungs- und
Disziplinarrechtspflege), für welche die zivilrechtliche Beschwerde zugelassen
ist. Dem Waisenamt

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steht nach der Erklärung der Vorinstanz gegen alle Entscheide des Bezirksrates
das Rekursrecht an die kantonale Justizdirektion zu. Daraus folgt, dass das
Waisenamt im Verfahren vor der Justizdirektion Parteistellung hat. Damit ist
nach den Grundsätzen, welche die neuere bundesgerichtliche Praxis für die
Entmündigung aufgestellt hat (BGE 46 II S.3 und 50 II S. 98 Erw. 3) und welche
in gleicher Weise für den Entzug der elterlichen Gewalt gelten müssen, seine
Legitimation auch für die zivilrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht
gegeben.
2.- Zuständig zum Entzuge der elterlichen Gewalt ist die Behörde am Wohnorte
der Person, der die Gewalt entzogen werden soll (vgl. BGE 53 II S. 282) und
zwar am Wohnorte zu der Zeit, in der das Verfahren eingeleitet wird (vgl. für
die analoge Frage bei der Entmündigung BGE 50 II S. 98 Erw. 3). Dieser
Grundsatz wird nur durch die eine Ausnahme durchbrochen, dass die Kantone für
ihre im Kanton wohnenden Bürger die Heimatbehörde als zuständig erklären
können (vgl. BGE 53 II S. 282). Davon hat aber der Kanton Zürich
unbestrittenermassen keinen Gebrauch gemacht. Demnach war hier der Wohnsitz
der Beschwerdebeklagten am 30. Januar 1930 massgebend. Wieso die Zuständigkeit
des Waisenamtes Pfäffikon ohne weiteres dadurch gegeben sein soll, dass es
über den Nachlass des Vaters Moser das amtliche Inventar aufzunehmen hat, ist
nicht erfindlich. Diese Massnahme obliegt ihm als Inventarisationsbehörde am
letzten Wohnort des Erblassers. Der Entzug der elterlichen Gewalt steht damit
in keinem rechtlichen Zusammenhange und stellt im Verhältnis zur
Inventaraufnahme insbesondere kein blosses Inzidentalverfahren dar, wie das
Waisenamt mit dem Bezirksrat anzunehmen scheint. Der Entzug der elterlichen
Gewalt ist nur aus den in Art. 285
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 285 - 1 Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
1    Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
2    Der Unterhaltsbeitrag dient auch der Gewährleistung der Betreuung des Kindes durch die Eltern oder Dritte.
3    Er ist zum Voraus zu entrichten. Das Gericht setzt die Zahlungstermine fest.
ZGB umschriebenen Gründen zulässig. Wenn im
vorliegenden Fall damit in erster Linie andere Zwecke verfolgt werden, so ist
das

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ungesetzlich und vermag auf keinen Fall am Gerichtsstand etwas zu ändern.
Ausserdem ist der Umstand, dass in einem Kanton mit der
Nachlassinventarisation und dem vorbereitenden Verfahren für den Entzug der
elterlichen Gewalt die nämliche Behörde betraut ist, vom Standpunkte des
Bundesrechtes aus zufällig und daher für die Frage nach der örtlichen
Zuständigkeit unerheblich.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 56 II 344
Datum : 01. Januar 1930
Publiziert : 13. November 1930
Quelle : Bundesgericht
Status : 56 II 344
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Entzug der elterlichen Gewalt (Art. 285 ZGB). Die örtliche Zuständigkeit ist eine...


Gesetzesregister
OG: 87
ZGB: 285
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 285 - 1 Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
1    Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen; dabei sind das Vermögen und die Einkünfte des Kindes zu berücksichtigen.
2    Der Unterhaltsbeitrag dient auch der Gewährleistung der Betreuung des Kindes durch die Eltern oder Dritte.
3    Er ist zum Voraus zu entrichten. Das Gericht setzt die Zahlungstermine fest.
BGE Register
46-II-1 • 50-II-95 • 53-II-282 • 56-II-344
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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