S. 1 / Nr. 1 Handels- und Gewerbefreiheit (d)

BGE 56 I 1

1. Urteil vom 21. Februar 1930 i. S. Gerber gegen Regierungsrat des Kantons
Bern.


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Regeste:
Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV: Nichterteilung der Bewilligung zur Ausübung des
Chiropraktorenberufs an eine nicht im Besitz des Artzdiploms sich befindenden
Person.

A. - Die Rekurrentin hat sich in Amerika in der Chiropraktik ausgebildet und
in Bern als Chiropraktorin praktiziert. (Die Chiropraktik erklärt die
Krankheiten als durch Einklemmungen von Nerven infolge Wirbelverschiebungen
verursacht und will sie demgemäss durch Rückverschiebung der betreffenden
Rückenwirbel in die normale Lage heilen.) Sie wurde infolgedessen vom
Gerichtspräsident IV von Bern wegen Übertretung des Medizinalgesetzes gebüsst,
weil ihre Tätigkeit unter dieses Gesetz falle und demgemäss ohne Patent nicht
ausgeübt.

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werden könne. Gegen dieses Urteil hatte die Rekurrentin zuerst appelliert, die
Appellation dann aber wieder zurückgezogen in der Erwägung, dass die Zulassung
der Chiropraktik auf gesetzgeberischem Wege zu erstreben sei.
In der Folge stellte die Rekurrentin beim Regierungsrat des Kantons Bern das
Gesuch, es möchte ihr die Ausübung des Berufes im Kanton Bern gestattet
werden. Sie stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass die Chiropraktik durch
das MG nicht erfasst werde. § 1 unterstelle dem Gesetz die Ärzte, Apotheker,
Tierärzte, Zahnärzte und Hebammen. «Diese Medizinalpersonen», so führt sie
aus, «sind befugt, die (im Gesetz angegebenen) verschiedenen Zweige der
Heilkunst, nach Massgabe ihrer Patente, auszuüben. Von der Chiropraktik aber
wird im Gesetz von 1865 nichts erwähnt. Sie ist auch nicht eine zur Medizin
gehörende Wissenschaft, sondern wird in allen Ländern, wo sie anerkannt ist,
als von der Medizin unabhängig betrachtet. Ich will auch nicht einen der im
Gesetz erwähnten Zweige der Heilkunde ohne Recht ausüben. Ich pflege einen
Zweig der Heilkunde, der im Gesetz nicht eingeschlossen ist. Es ist wohl klar,
dass die Chiropraktik angesichts ihrer hervorragenden selbständigen Stellung
in andern Ländern und der aufsehenerregenden Heilerfolge nicht als
Kurpfuscherei betrachtet werden kann.» Der Regierungsrat wies das Gesuch am
20. November 1929 ab, mit der Begründung: Die Chiropraktik falle unter die
Chirurgie, denn diese umfasse die manuellen sogut wie die operativen Eingriffe
am Kranken. Die Chirurgie aber könne im Kanton Bern nur gestützt auf ein
eidgenössisches Arztdiplom ausgeübt werden. Da die Rekurrentin ein solches
nicht besitze, so könne ihr die Bewilligung zur Ausübung der Chiropraktik
nicht erteilt werden.
B. - Gegen diesen Entscheid hat die Rekurrentin rechtzeitig den
staatsrechtlichen Rekurs ergriffen mit den Anträgen: Der Rekurs sei
gutzuheissen und der Regierungsrat sei anzuweisen, der Rekurrentin zu
gestatten,

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auf dem Gebiete des Kantons Bern den Beruf einer Chiropraktorin auszuüben,
bezw. er sei anzuhalten, in der Ausübung dieses Berufes keine Widerhandlung
gegen das bernische Medizinalgesetz zu erblicken. Es wird ausgeführt: Der
Standpunkt des Regierungsrates, wonach die Chiropraktik ein Zweig der
Heilkunde sei und unter das MG falle, sei irrig und willkürlich. «Die
Chiropraktik ist eine eigenartige Wissenschaft, die nur auf den amerikanischen
Hochschulen studiert wird. Da in Europa, speziell in der Schweiz keine
Fakultäten bestehen und keine Lehrstühle existieren, wo die Chiropraktik
unterrichtet wird, so ist es ein Ding der Unmöglichkeit, von einem
Chiropraktor ein in der Schweiz erworbenes Diplom zu verlangen. Die
Chiropraktik hat namentlich mit der Chirurgie nichts zu tun und die
entgegengesetzte Annahme des bernischen Regierungsrates ist deshalb falsch.
Die manuelle Tätigkeit eines Chiropraktors darf nämlich keinesfalls dem
operativen Eingriff eines Chirurgen verglichen, geschweige dann gleichgestellt
werden. Der Chiropraktor braucht keine Instrumente. Es wird auch nie
vorkommen, dass ein Chiropraktor einzelne Gliedmassen entformen oder Partien
des menschlichen Körpers aufschneiden würde. Auch benutzt er für seine Arbeit
keine Vorrichtungen. Ebensowenig stellt er Diagnosen oder verschreibt
Arzneien. Ziffer 1 der Erwägungen des Regierungsrates vom 20. November 1929
bedeutet den untauglichen Versuch, die Tätigkeit des Chiropraktors unter einen
bestimmten Gesetzesparagraphen zu subsumieren, unter welchen dieselbe ihrer
Natur nach schlechthin nicht passt. Darin liegt jedoch ein Akt der Willkür, d.
h. der ungleichen Behandlung der Rekurrentin vor dem Gesetz und gleichzeitig
ein Verstoss gegen die ihr garantierte Gewerbefreiheit... Der Regierungsrat
des Kantons Bern gibt in Ziff. 2 seiner Erwägungen selbst zu, dass Patente nur
für Medizinalpersonen notwendig sind und in Ziff. 3 der nämlichen Erwägungen
gesteht er ein, dass die Patenterteilung mit einer Bewilligung zur
Berufsausübung

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nichts gemein hat. Unter diesen Umständen handelt aber der Regierungsrat des
Kantons Bern willkürlich und verletzt unter anderem das Prinzip der dem Bürger
garantierten Handelsfreiheit, wenn er, trotzdem das bernische Medizinalgesetz
ihm hiezu ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, einem Chiropraktor die
Bewilligung zur Ausübung seines Berufes unter Anbringung von nichtigen und
unzutreffenden Vorwänden verweigert. Gerade aus den Beratungen des Grossen
Rates (vgl. Tagblatt 1863 und 1864) geht, wie wir oben zeigten, das Gegenteil
dessen hervor, was der Regierungsrat des Kantons Bern aus denselben
herauslesen möchte. Es ist somit eine Rechtsverweigerung, wenn der bernische
Regierungsrat die Erteilung einer Bewilligung zur Ausübung der Chiropraktik
auf dem Gebiete des Kantons Bern verweigert.»
C. - Der Regierungsrat hat die Abweisung des Rekurses beantragt, ohne dem
Entscheide gegenüber etwas anderes vorzubringen.
D. - Das kantonale Gesetz über die Ausübung der medizinischen Berufsarten vom
14. März 1865 (act. 12) bestimmt:
§ 1. «Die im Kanton Bern anerkannten Medizinalpersonen sind:
1. die Ärzte,
2. die Apotheker und ihre Gehülfen,
3. die Tierärzte,
4. die Zahnärzte,
5. die Hebammen.
Diese Medizinalpersonen, sowie diejenigen, welchen die Direktion des Innern
besondere Bewilligungen nach § 3 erteilt, sind befugt, die verschiedenen
Zweige der Heilkunde nach Mitgabe dieses Gesetzes und ihrer Patente auszuüben.
Die gegenwärtigen Medizinalpersonen bleiben im Besitze der ihnen nach Mitgabe
ihrer Patente zustehenden Befugnisse.

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Alle andern Personen, welche gewerbsmässig und gegen Belohnung in einen Zweig
der Heilkunde einschlagende Verrichtungen besorgen, desgleichen die
Medizinalpersonen, welche ihre Berechtigung überschreiten, machen sich der
unbefugten Ausübung der Heilkunde schuldig.»
Nach § 2 hat, wer eine der in § 1 bezeichneten Berufsarten ausüben will, sich
durch eine Prüfung über seine Befähigung auszuweisen. Die Prüfung, in welcher
dieser Ausweis geleistet wird, soll sich über alle Fächer des betreffenden
Berufes erstrecken.»
§ 3 «Die Direktion des Innern ist befugt, an solche,
welche sich zur Ausübung gewisser Verrichtungen der
sogenannten niedern Chirurgie anmelden, nach bestandener
Prüfung oder nach Vorlegung von Zeugnissen über
den Besitz der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten,
besondere Bewilligungen zu erteilen.»
Nach der Praxis des Regierungsrates, die sich auf § 3 Abs. 1 MG stützt, haben
seit dem Erlass des BG betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals vom
19. Dezember 1877 die eidgenössischen Medizinaldiplome die frühern kantonalen
ersetzt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Chiropraktik führt die menschlichen Krankheiten zurück, mittelbar oder
unmittelbar, auf Einklemmungen der Nerven durch ausser Lage geratene
Wirbelstücke, und sie verfolgt die Heilung der Krankheiten durch eine äussere,
manuelle Behandlung und Bearbeitung der Wirbelsäule, wodurch jene
Verschiebungen und Einklemmungen behoben werden sollen. Sie ist also
einerseits eine Lehre über die Ursachen der Krankheiten des menschlichen
Körpers und anderseits eine Methode der Heilung der Krankheiten. Sie fällt
daher ohne Frage unter den Begriff der Heilkunde, und der Regierungsrat hat
sich nicht der Willkür schuldig gemacht, wenn er davon ausgeht, die
Chiropraktik sei ein Zweig der Heilkunde im Sinne von § 1 MG. In diesem Sinne
hatte sich

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schon der Gerichtspräsident IV Bern in einem Strafurteil vom 13. Januar 1929
ausgesprochen, und die Rekurrentin hat damals die Appellation als aussichtslos
zurückgezogen, also selber implizite anerkannt, dass das bernische
Medizinalrecht durch eine solche Auffassung nicht verletzt ist.
Fällt die Tätigkeit der Rekurrentin unter das MG, so kann sie nach der
positiven Regelung des Gesetzes nur ausgeübt werden auf Grund einer
Bewilligung. Dem Regierungsrat fällt deshalb wiederum keine willkürliche
Verletzung des kantonalen Rechts zur Last, wenn er nicht, wie das die
Rekurrentin im Grund wollte und worauf auch ihr Beschwerdebegehren mit
abzielt, festgestellt hat, dass sie gar keiner Bewilligung bedürfe, um im
Kanton die Chiropraktik auszuüben.
Es ist aber auch nicht willkürlich, wenn der Rekurrentin eine Bewilligung
verweigert worden ist. Das Gesetz kennt zweierlei Bewilligungen, diejenigen,
die den in § 1 bezeichneten Medizinalpersonen erteilt werden, und die
Bewilligung im Sinne von § 3 Abs. 2 für Verrichtungen der sogenannten niedern
Chirurgie, wofür die Direktion des Innern zuständig ist. Die letztere
Bewilligung fällt hier nicht weiter in Betracht; die Rekurrentin hat sie nicht
verlangt, und sie beschwert sich auch nicht darüber, dass sie ihr nicht
erteilt worden ist. Die Chiropraktik beansprucht ja auch, mehr zu sein als
niedere Chirurgie, die sich beschränkt auf einige rein handwerksmässige
Manipulationen, vorgenommen zum Teil unter ärztlicher Kontrolle, nämlich eine
der bisherigen Medizin gegenüber gleichwertige, selbständige,
wissenschaftliche Lehre und Methode.
Von den Medizinalpersonen des § 1 kann hier nur der Arzt in Frage kommen. Die
Bewilligung zur Ausübung des ärztlichen Berufes kann aber im Kanton Bern nach
dem MG nur erhalten, wer das einheimische Ärztediplom, nach der Praxis des
Regierungsrates nunmehr das eidgenössische Diplom, besitzt, was für die
Rekurrentin nicht zutrifft.

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Auf dem Boden des kantonalen Rechts ist danach die Lage in der Tat so, dass
die Rekurrentin den Beruf einer Chiropraktorin ohne Bewilligung nicht ausüben
darf und dass sie die Bewilligung nicht bekommen kann.
2.- Indem die Rekurrentin sich auf Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV beruft, macht sie geltend,
dieser Rechtszustand sei bundesrechtswidrig.
Die Tätigkeit des Chiropraktors die gegen Bezahlung erfolgt, ist ein Gewerbe
und steht daher unter dem Schutz der Gewerbefreiheit, immerhin mit der
Massgabel dass Beschränkungen nach Art. 31 e
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV zulässig sind. Unterstellt man
für einmal, dass die Chiropraktik als solche, richtig ausgeübt, Heilwert hat
und nicht gegen die öffentlichen Interessen verstösst, so käme als
Beschränkung namentlich ein Befähigungsausweis in Frage, da ja, nach den
Angaben des Rekurses, die Chiropraktik, ähnlich wie die ärztliche Tätigkeit,
eine lange Vorbereitung und Ausbildung voraussetzt und ihre Ausübung durch
Unbefähigte und Unberufene danach zweifellos bedenklich wäre. Sofern es sich
dabei, wie behauptet wird, um eine wissenschaftliche Berufsart handeln sollte,
wäre der Befähigungsausweis auch nach Art. 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV zulässig. Bei einem Beruf mit
gewerblichem Charakter, für den der Befähigungsausweis zulässig ist, sei es
nach Art. 31 e
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
, sei es nach Art. 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV, steht der Kanton vor der Wahl, ob er
den Befähigungsausweis einführen oder die Ausübung ohne solchen gestatten
will. Er kann aber nicht den Befähigungsausweis als notwendig erklären, ohne
ihn zu schaffen oder dessen Erwerb zu ermöglichen, wodurch ja die Ausübung des
betreffenden Berufs verunmöglicht würde. Im Kanton Bern wird freilich die
Betätigung der Chiropraktik nicht schlechthin verunmöglicht; aber der
Befähigungsausweis ist in einer Weise gestaltet, dass nur Personen ihn
erwerben können, die nicht bloss chiropraktische, sondern volle ärztliche
Studien gemacht haben; die gewerbsmässige Betätigung der chiropraktischen
Methode setzt den Besitz des eidgenössischen ärztlichen

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Diploms voraus. Es fragt sich, ob das mit Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
eventuell 33 BV vereinbar
ist.
Diese Ordnung beruht auf der Auffassung von der Heilkunde als eines
einheitlichen, unteilbaren Ganzen, das alle Seiten und Zweige der auf die
Heilung des kranken Menschen gerichteten Betätigung umfasst. Daher ergreift
das ärztliche Diplom die Gesamtheit der Heilkunde. Auch wenn sich aus Gründen
der Arbeitsteilung von der Heilkunde einzelne Spezialgebiete abspalten, die
sich mit besonderen Krankheiten oder besondern Methoden befassen und eine
spezielle Ausbildung und Übung erfordern, so wird doch auch von den
Spezialisten verlangt, dass sie das ganze Lehrgebäude der Medizin beherrschen.
Es soll danach keine besondern Befähigungsausweise für solche Spezialgebiete
geben, sondern nur den allgemeinen ärztlichen Befähigungsausweis, den auch der
Spezialist besitzen muss, um sich in seinem besondern Zweige betätigen zu
können. So bestimmt denn § 2 des bernischen MG, dass die Prüfung, in welcher
der Ausweis geleistet wird, sich über alle Fächer des ärztlichen usw. Berufes
erstrecken soll. Aber auch das BG betreffend die Freizügigkeit des
Medizinalpersonals steht auf diesem Boden, indem es in Art. 2 ausführt, dass
zur Prüfung kein Bewerber zugelassen wird, der nicht den Ausweis der
Befähigung für den ganzen Umfang einer der in Art. 1 a bezeichneten Berufe,
Ärzte usw. besitzt. Schon aus dieser Stellungnahme des BG ergibt sich, dass
jenes Postulat der Einheit und Universalität des ärztlichen Diploms nicht
bundesrechtswidrig sein kann. Art. 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV ist denn auch immer so verstanden
worden, dass die Kantone jede Art von Heiltätigkeit, die nicht unter die
sogenannte niedere Chirurgie fällt, vom allgemeinen ärztlichen
Befähigungsausweis abhängig machen können (s. z. B. 43 I 33; 50 I 85 f. Urteil
Kropf vom 13. Oktober 1922).
Nun wird freilich im Rekurse geltend gemacht, dass die Chiropraktik eine
eigenartige, gegenüber der Medizin selbständige und unabhängige Wissenschaft
sei und deshalb

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von ihren Vertretern der Besitz des allgemeinen ärztlichen
Befähigungsausweises nicht verlangt werden könne. Es ist indessen klar, dass
die Chiropraktik, die eine Heillehre und eine Heiltechnik ist, wie schon in
Erwägung 1 bemerkt, unter den allgemeinen Begriff der Heilkunde fällt. Sie
scheint allerdings innerhalb dieses allgemeinen Rahmens in einem Gegensatz zur
offiziellen Medizin zu stehen. Sie will nicht ein Spezialgebiet der letztern
sein, sondern ihr gegenüber eine neue Lehre und Methode der Heilung vertreten.
Deshalb ist es aber doch nicht unzulässig vom bundesrechtlichen Standpunkt
aus, von ihren Vertretern diejenigen wissenschaftlichen Ausweise zu verlangen,
die zur Ausübung der Heilkunde überhaupt als nötig erscheinen, ganz unabhängig
davon, welches Heilgebiet und welche Lehre und Methode der Einzelne pflegen
will. Die Chiropraktik befindet sich nach ihren Ansprüchen in einer ähnlichen
Lage wie die Homöopathie, die nach ihrer Lehre über die Ursachen der
Krankheiten und über das Verfahren ihrer Heilung sich gleichfalls in
ausgesprochenen Gegensatz zur Schulmedizin gestellt hat, deren Anhänger aber
nach Art. 33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BV sich gefallen lassen müssen, dass sie nur praktizieren können
auf dem Wege über das allgemeine ärztliche Studium und das allgemeine
ärztliche Diplom.
Kann so die Chiropraktik auf dem Boden des Bundesrechts nicht beanspruchen,
dass sie die Heilkunde ohne ärztliches Diplom ausüben kann (abgesehen von der
Frage, ob die Chiropraktik nicht unter den Begriff der niedern Chirurgie
untergebracht werden könnte, welche Frage sich, wie ausgeführt, im
vorliegenden Fall nicht stellt) oder dass für sie ein besonderer, auf ihre
Lehre und Technik zugeschnittener Befähigungsausweis geschaffen werde, so soll
immerhin zur Vermeidung von Missverständnissen noch bemerkt werden, dass das
Bundesrecht (BV Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
, 33) dem einen oder andern nicht etwa entgegensteht,
da es ja die Kantone nur zu gewerbepolizeilichen Schranken ermächtigt, selber
aber solche

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Schranken nicht aufstellt. Dem Bundesgericht kommt ein Urteil über den Wert
und die Bedeutung der Chiropraktik als selbständiger neuer Heilkunde und
Heilmethode gegenüber der offiziellen Medizin oder als beschränkteres
Heilverfahren im Rahmen der letztern (oder der niedern Chirurgie) nicht zu. Es
hatte auch keine Expertise hierüber und speziell über die Frage zu
veranstalten, ob ein besonderer ohiropraktischer Befähigungsausweis sich
rechtfertigen lasse; denn eine solche Expertise ist nicht verlangt worden und
wäre auch nach der Rechtslage, wie sie oben dargelegt wurde, nicht notwendig.
(Kompetente medizinische Sachverständige, welche die Chiropraktik gründlich
kennen und ohne Voreingenommenheit beurteilen, wären wohl zur Zeit nicht
leicht zu finden.) Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine solche
allseitige Abklärung jener Fragen sich in einzelnen Kantonen früher oder
später aufdrängt und dass sie je nach dem Ergebnis der Abklärung dazu führt,
dass die Chiropraktik unter allfälligen Beschränkungen und Kautelen auch
ausgeübt werden kann von Personen, die nicht das Arztdiplom haben.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 56 I 1
Datum : 01. Januar 1930
Publiziert : 21. Februar 1930
Quelle : Bundesgericht
Status : 56 I 1
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Art. 4 und 31 BV: Nichterteilung der Bewilligung zur Ausübung des Chiropraktorenberufs an eine...


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
31 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
31e  33
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
1    Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
2    Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen.
BGE Register
43-I-23 • 50-I-83 • 56-I-1
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
regierungsrat • chirurgie • frage • wille • bundesgericht • wirtschaftsfreiheit • apotheke • hebamme • kantonales recht • bewilligung oder genehmigung • fähigkeitsausweis • kantonales rechtsmittel • autonomie • berufsausübungsbewilligung • zahl • entscheid • begründung des entscheids • willkürverbot • beurteilung • charakter
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