BGE 55 II 276
60. Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Oktober 1929 S. Hirner gegen
Gesellschaft für Kapitalwerte A.-G.
Regeste:
Patentrecht. Legitimation zur Nichtigkeitsklage nach PatG Art. 16 Abs. III.
Einrede der Arglist.
A. - Ein Ingenieur Otto Saaler hatte am 24. Juni 1925 in Freiburg i. B. mit
den Herren F. und E. Kaufmann zusammen eine A.- G. Saalerwerke gegründet, und
war im Besitze einer Erfindung für eine Rechenreinigungseinrichtung, sowie für
eine Abschwemmvorrichtung bei Rechenanlagen. Er hat diese Erfindungen am 7.
Januar 1926 der beklagten Gesellschaft für Kapitalwerte A.-G.
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in Baden abgetreten, und besorgte mit Patentanwalt Dr. Schönberg in Basel auf
den Namen der Beklagten die Anmeldung der bezüglichen Patente beim eidg. Amt
für geistiges Eigentum.
Diese Patente wurden am 1. März 1927 veröffentlicht und tragen die Nummern
119171 und 119650. Saaler war damals technischer Leiter der soeben genannten
A.-G. Saalerwerke, und die Beklagte erteilte dieser die ausschliessliche
Lizenz der Patente. Auch der heutige Kläger Hirner war damals bei der A.-G.
Saalerwerke tätig als Vertreter, u. a. für die genannten patentierten
Einrichtungen.
Ende 1927 traten Otto Saaler und Hirner bei der A.-G. Saalerwerke aus, und im
März 1928 gründeten die Ehefrau des Otto Saaler und der Kläger zusammen ein
Konkurrenzgeschäft unter dem Namen: «Otto Saaler G. m. b. H.» in Freiburg i.
B., in welchem Otto Saaler und der Kläger die Geschäftsführung übernahmen. Von
diesem seinem Austritt aus der A.-G. Saalerwerke gab Otto Saaler der Beklagten
am 4. Januar 1928 Kenntnis, und er erklärte dabei, er sei «von nun an auch
wieder nach aussen Inhaber sämtlicher Rechte an seiner Erfindung betreffend
mechanischer Rechenreiniger und Abschwemmkanal.»
Als die Otto Saaler G. m. b. H. im Sommer 1928 mit der Elektra Birseck in
Münchenstein und mit 2 deutschen Firmen in Unterhandlung war, warnte die
Beklagte diese Firmen vor dem Abschlusse mit derselben, weil sie zur
Erstellung der betreffenden, durch die Patente der Beklagten geschützten
Anlagen nicht berechtigt sei. Die Otto Saaler G. m. b. H. nahm dagegen den
Standpunkt ein, ihr Rechenreiniger verletze zufolge neuer Erfindungen und
Verbesserungen daran die Rechte der Beklagten nicht; übrigens seien deren
Patente nichtig und anfechtbar.
B. - Nun erhob Hirner am 11. Juli 1928 beim aargauischen Handelsgericht gegen
die Beklagte die vorliegende Klage, mit welcher er verlangt, ihre beiden
genannten Patente seien nichtig zu erklären und beim eidg. Amt
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für geistiges Eigentum zu löschen. Er führt im wesentlichen aus: Die Otto
Saaler G. m. b. H. und der Kläger hätten zunächst nicht beabsichtigt, die
Patente der Beklagten nichtig erklären zu lassen, da sie bereits neue und
bessere Erfindungen besitzen. Nun habe aber die A. G. Saalerwerke die Otto
Saaler G. m. b. H. und den Kläger des unlauteren Wettbewerbes bezichtigt,
unter Berufung auf die Patente der Beklagten, und darum müsse die Nichtigkeit
derselben festgestellt werden. Dabei vertrete der Kläger nicht die Interessen
des Otto Saaler, sondern seine eigenen, in der Eigenschaft als Teilhaber der
Otto Saaler G. m. b. H., welche solche Rechenreinigungsanlagen mit
Abschwemmkanal erstelle. Es wird dann näher ausgeführt, dass dem
Patentanspruch der Beklagten weder die Eigenschaft einer Erfindung, noch
diejenige der Neuheit zukomme (Pat G Art. 4 und 16 Ziff. 1 und 4). Beide in
den Patenten beschriebenen Einrichtungen habe Otto Saaler schon in den Jahren
1913/1914(als Vertreter der Maschinenfabrik Saaler A.-G. in Teningen, Baden)
hergestellt. Damals habe derselbe diese Einrichtungen in Deutschland zum
Patent angemeldet, sei aber abgewiesen worden, weil keine Erfindung vorliege.
Auf die mangelnde Neuheit habe Otto Saaler die Beklagte vor der Anmeldung
aufmerksam gemacht.
C. - Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, in erster Linie aus dem
Gesichtspunkte der Arglist. Der Kläger habe selber kein Interesse an der
Nichtigerklärung. Trotz dem Standpunkte, den Otto Saaler in seiner
Notifikation an die Beklagte vom 4. Januar 1928 eingenommen habe, sei diese
noch rechtmässige Eigentümerin der streitigen Patente. Otto Saaler selber habe
die Anmeldung derselben in der Schweiz für die Beklagte dem Patenanwalt Dr.
Schönberg in Basel übertragen, und die Anmeldung des Rechenreinigers in
Deutschland für die Saalerwerke A.-G. dem Patentanwalt Hilleke in Berlin.
Dabei habe Saaler wiederholt die Neuheit der Erfindung und ihre
Patentierbarkeit betont, und zuhanden der amerikanischen Anmeldung sogar
eidesstattlich versichert, er
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wisse nicht, und glaube nicht, dass seine Erfindung jemals bekannt gewesen
oder benützt worden sei. Der Kläger sei also nur der Strohmann des Saaler;
weil aber dieser nicht selber auf Nichtigkeit klagen könne, so müsse der
Gesellschafter seiner Ehefrau nun Nichtigkeitsklage erheben. Allein nachdem
Saaler im Auftrage der Beklagten welcher er seine Erfindung abgetreten habe,
und im Auftrage der Saalerwerke A. G. als Lizenzträgerin die Erfindung als neu
zum Patent angemeldet habe, könne er nicht durch den Gesellschafter seiner
Ehefrau behaupten lassen, seine Erfindung sei nicht neu. Die Eigenschaft des
Klägers als Vorgeschobener des Otto Saaler ergebe sich daraus, dass er mit
dessen Ehefrau Teilhaber der (dessen Namen tragenden, offensichtlichen)
Konkurrenzfirma Otto Saaler G. m. b. H. und deren Geschäftsführer sei, und von
den Beziehungen Saalers zur Beklagten und zur Gründung der Saalerwerke A.-G.
volle Kenntnis habe.
D. - Durch Urteil vom 16. Mai 1929 hat das Handelsgericht des Kantons Aargau,
ohne auf das Materielle der Streitsache einzutreten, die Klage abgewiesen,
indem es die Einrede der arglistigen Klageerhebung für begründet erachtete.
E. - Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 16 Abs. III PatG steht die Nichtigkeitsklage jedermann zu, der
ein Interesse an derselben nachweist, und ein solches Interesse ist dem Kläger
nicht abzustreiten, es ergibt sich ohne weiteres aus seiner Teilhaberschaft an
der Otto Saaler G. m. b. H. Dagegen unterliegt die Anhebung einer derartigen
Klage, wie jede Rechtsausübung, der allgemeinen Regel, dass sie nicht gegen
Treu und Glauben erfolgen darf.
2.- Ein Handeln gegen Treu und Glauben liegt offenbar dann vor, wenn sich der
Kläger dem Patentträger gegenüber verpflichtet hat, sein Patent unangefochten
zu lassen,
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und KOHLER führt in seinem Patentrecht S. 379/80 aus, ein solcher Vertrag
könne auch stillschweigend geschlossen werden, und darin liegen, dass jemand
es übernehme, das Erfinderrecht des Patentträgers zu verteidigen und zu
befestigen; denn wer sich hierzu verpflichte, der verpflichte sich natürlich
vor Allem, nicht selbst die zur Nichtigerklärung führende Krise
heraufzubeschwören. Eine solche Übernahme des Erfinderinteresses liege im
Verkauf; wer ein Patent verkaufe und daher die verkaufte Sache gewähren müsse,
sollte keine Nichtigkeitsklage anheben, wodurch der Käufer entwehrt würde; er
verstiesse damit gegen das Treueverhältnis, das er schulde und welches von
selbst darin liege, dass er für den ungestörten Genuss der verkauften Sache
sorgen solle. Natürlich wirke ein solcher Vertrag nur unter den
Vertragschliessenden, nicht gegen Dritte; jedoch könne auch einem Dritten die
Vertragseinrede entgegengehalten werden, falls er nicht im eigenen Interesse,
sondern bloss als Mittelsmann desjenigen handle, der im Vertrag auf die
Nichtigkeitsklage verzichtet habe: also zwar im eigenen Namen, aber im
Interesse dieses. Und zwar - fügt Kohler bei - würde dies gelten, wenn er vom
Verzicht desselben nichts wüsste, auch wenn er aus anderen Gründen
vorgeschoben zu sein vermeinte; denn jedenfalls wäre es eine Gefährde, wenn er
es geschehen liesse, dass er als Werkzeug benützt würde, um eine
Vertragspflicht zu umgehen.
Unter Berufung auf diese Ausführungen Kohlers hat das Bundesgericht in seiner
Entscheidung vom 24. Februar 1912 i. S. Schoch & Co g. Huber & Co (BGE 38 II
S. 83 ff.) die durch eine vom Erfinder und Veräusserer eines Patentes seit dem
Verkaufe gegründete Kollektivgesellschaft gegenüber dem Patenterwerber
erhobene Nichtigkeitsklage wegen Arglist abgewiesen, indem es annahm, die
Einrede sei auch in der Person des Mitgesellschafters begründet, weil dieser
vom Übergang des Patentes ebenfalls Kenntnis hatte und seine Zustimmung dazu
gab, im Namen der Gesellschaft eine Klage anzuheben, mit welcher sein
Mitteilhaber (der Veräusserer des Patentes) ein Ziel
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anstrebe, das ihm auf dem direkten Wege der persönlichen Klageführung versagt
sei.
3.- Von den hier entwickelten Grundsätzen über die Bedeutung von Treu und
Glauben im Rechtsverkehr muss auch im vorliegenden Falle ausgegangen werden.
Darnach ist fürs Erste der Vorinstanz darin beizupflichten, dass die Einrede
der Arglist jedenfalls einer Nichtigkeitsklage entgegenstünde, die Otto Saaler
selber erheben würde; denn die Vorinstanz hat in einer für das Bundesgericht
verbindlichen Weise festgestellt, nicht nur, dass die Abtretung der Patente an
die Beklagte gegen Entgelt erfolgt ist, sondern auch (durch die Einvernahme
des Patentanwaltes Dr. Schönberg), dass Otto Saaler selber anlässlich der
Patentanmeldung diesem die nötigen Unterlagen dazu gegeben hat, und zwar
ausdrücklich für die Beklagte. Dadurch ist zweifellos zwischen Saaler und der
Beklagten ein Treueverhältnis begründet worden, welches für den ersteren die
Verpflichtung in sich schloss, die Patente nicht nachträglich anzufechten.
Andrerseits ist es eine vorwiegend tatsächliche, und jedenfalls nicht gegen
Sätze des eidgenössischen Privatrechts verstossende Annahme der Vorinstanz,
dass die eine Gesellschafterin der Gesellschaft m. b. H. Otto Saaler, nämlich
dessen Ehefrau, lediglich als Platzhalterin Saalers erscheine, und dass dem
andern Gesellschafter dem Kläger selbst, die früheren Beziehungen Saalers zur
Erfindung des Rechenreinigers mit Abschwemmvorrichtung bekannt gewesen seien.
Das Bundesgericht hat daher auch von dieser Annahme auszugehen, und daraus
folgt nach den Ausführungen in der angeführten bundesgerichtlichen
Entscheidung, dass die Einrede der Arglist der Nichtigkeitsklage auch in dem
Falle entgegenstünde, wenn sie von der Gesellschaft angehoben würde, welcher
der Kläger angehört.
4.- Es bleibt zu untersuchen, ob es unter diesen Umständen anging, dass Hirner
die Klageführung auf seinen eigenen Namen übernahm. Hierzu ist zu bermerken:
Nach der tatsächlichen Annahme der Vorinstanz erscheint es als
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ausgeschlossen, dass Hirner neben dem Interesse seiner Gesellschaft noch ein
besonderes Interesse an der Nichtigerklärung der Patente besitze. Seine
Legitimation zur Klage beruht demnach lediglich darauf, dass er als
Gesellschafter an dem Interesse teilnimmt, welches die Gesellschaft besitzt.
Dieses Interesse der Gesellschaft aber vermag für sich allein die Legitimation
zur Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 16
SR 232.14 Legge federale del 25 giugno 1954 sui brevetti d'invenzione (Legge sui brevetti, LBI) - Legge sui brevetti LBI Art. 16 - Richiedenti o titolari di brevetti, di cittadinanza svizzera, possono invocare le disposizioni del testo, che vincola la Svizzera, della Convenzione di Parigi del 20 marzo 188347 per la protezione della proprietà industriale, se siffatte disposizioni sono più favorevoli di quelle della presente legge. |
Verstosses gegen Treu und Glauben, welchen die Durchsetzung desselben im Wege
der Nichtigkeitsklage in sich schliesst.
Selbst wenn man aber darauf abstellen wollte, das von Hirner geltend gemachte
Interesse der Gesellschaft sei eben, wegen seiner Mitgliedschaft, auch sein
eigenes, und es bedürfe deshalb noch eines besonderen Grundes, um ihm selbst
die Durchsetzung desselben im Wege der Nichtigkeitsklage zu verwehren, so
müsste dieser besondere, ihn persönlich belastende Grund darin erblickt
werden, dass ihm nach der Feststellung der Vorinstanz das Treueverhältnis, in
welchem Otto Saaler zur Beklagten stand, bekannt war, und ihm deshalb nicht
entgehen konnte, dass er mit seiner Klage zum Werkzeug eines Treubruches
Saalers wurde, während sein Interesse an der Klage sich lediglich auf die
gesellschaftliche Verbindung mit der Ehefrau Saalers gründete, welche
ihrerseits in der Gesellschaft in Wirklichkeit nur dessen Platzhalterin war.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons
Aargau vom 16. Mai 1929 bestätigt.