S. 406 / Nr. 66 Bildung oder Trennung von Religionsgenossenschaften (d)

BGE 55 I 406

66. Urteil vom 20. Dezember 1929 i. S. Römischkatholische und
Christkatholische Kirchgemeinde Solothurn gegen Regierungsrat Solothurn.

Regeste:
Spaltung einer (staatlich anerkannten) Religionsgenossenschaft in zwei
Verbände aus Glaubensgründen. Ansprüche der beiden neuen Teilgemeinschaften am
bisher gemeinsam besessenen Kirchengut auf Grund von Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV.
Auslegung dieser Vorschrift. Verhältnis zum kantonalen Staatskirchen- und
Privatrechte. Massgebende Grundsätze für die Auseinandersetzung, wenn
Streitgegenstand eine Sache bildet, die den Bedürfnissen der alten
einheitlichen Genossenschaft unmittelbar durch den Gebrauch für Kultuszwecke,
nicht durch den Geldwert diente und die jener Zweckbestimmung kraft
öffentlichen Rechts erhalten bleiben muss (Kirchengebäude), falls ein
gemeinsamer Gebrauch beider Teile daran nicht in Betracht kommt. Verpflichtung
derjenigen Partei, die die Sache zu ausschliesslichem Eigentum und Gebrauch
erhält, die andere Partei in Geld abzufinden 7 Voraussetzungen. Zuständigkeit
der kantonalen Verwaltungsbehörde, im Streite zwischen zwei Verbänden um
öffentliches Gut auch die Frage des Eigentums an diesem Gut zu beurteilen.

[Gekürzter Tatbestand.] A. - Am 18. September 1874 fasste der Kantonsrat von
Solothurn einen in der Volksabstimmung vom 4. Oktober 1874 angenommenen
Beschluss, wodurch dem Stifte St. Urs und Viktor in Solothurn die korporative

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Selbständigkeit entzogen und dessen Vermögen zuhanden des Staates für einen zu
gründenden allgemeinen Schulfonds als verfallen erklärt wurde, mit dem
Vorbehalte immerhin, dass «die Stadt Solothurn und die Gemeinde Zuchwil, denen
gegenüber das Stift die Verpflichtung hat die Pfarreien zu versehen, hiefür
sowie für alle übrigen Verpflichtungen, wozu auch die Pflege der Kirchenmusik
gehört, mit einer entsprechenden, ihnen herauszugebenden Summe ausgewiesen»
werden sollten.
Durch Klage vom 28. Februar 1876 stellte darauf die
«Stadt-(Einwohner-)gemeinde Solothurn namens der katholischen Pfarrei
Solothurn» (die damalige solothurnische KV kannte erst die Einwohner- und
Bürgergemeinden, nicht Kirchgemeinden als selbständige staatliche Organismen)
beim Bundesgericht als einziger Zivilgerichtsinstanz die Begehren: der
Beklagte Staat Solothurn sei zu verurteilen, das gesamte Vermögen der
aufgehobenen Pfarrstiftung, bestehend in den noch unverkauften Liegenschaften
und Gebäuden, Ersatz des Wertes der unbefugterweise schon verkauften
Liegenschaften, Barschaft, Titeln und Kirchengerätschaften usw. «als Pfarr-
und Kirchenvermögen der katholischen Gemeinde Solothurn» zu Eigentum
herauszugeben, eventuell die Klägerin ausser durch die Überlassung bestimmter
Sachen in natura für die Verpflichtungen des aufgehobenen Stifts gegenüber der
Gemeinde auf eine näher bezeichnete Weise in Geld abzufinden. Unter den als
Eigentum beanspruchten Gebäuden wurde dabei in erster Linie die «Pfarrkirche
St. Urs und Viktor» in Solothurn genannt. Während der Staat sonst alle
Vindikationsansprüche bestritt, erklärte er an der genannten Kirche keine
Eigentumsrechte geltend zu machen, da sie, weil grösstenteils aus städtischen
Mitteln erbaut und abgesehen vom Chore auch unterhalten, von jeher als
Eigentum der Pfarrei, nicht des Stiftes gegolten habe.
Tatsächlich war die heute bestehende Kirche dieses Namens, als in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts

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infolge Zerstörung der alten Stiftskirche ein Neubau nötig wurde, abgesehen
von einem Beitrage des Stifts von 10000 Pfund, aus dem Stadtsäckel der
souveränen Stadt und Republik Solothurn erstellt und bis zur Helvetik auch
unterhalten worden; einzig den Chorunterhalt bestritt das Stift. Im Jahre 1828
schlossen die Regierungen der Kantone Luzern, Bern, Solothurn und Zug mit dem
apostolischen Internuntius P. Gizzi eine Übereinkunft betreffend
Wiederherstellung und Neuumschreibung des Bistums Basel. Darin finden sich u.
a. folgende Bestimmungen: Art. 2: «Die Residenz des Bischofs und des
Domkapitels wird nach Solothurn versetzt. Als Folge davon wird die dortige
Stiftskirche von St. Urs und Viktor mit Beibehaltung ihrer bisherigen
Eigenschaft als Pfarrkirche zur Kathedralkirche und das dortige Kollegiatstift
zum Domstift des Bistums erhoben.» Art. 11: «Für den Unterhalt der Domkirche,
der bischöflichen Wohnung und der Gebäulichkeiten des in Solothurn zu
errichtenden Seminars wird durch die Dazwischenkunft der Regierung von
Solothurn Fürsorge getan.» Durch päpstliche Bulle vom 7. Mai 1828 wurde
hierauf das neue Bistum Basel mit Sitz des Bischofs in Solothurn errichtet,
dem in der Folgezeit auch noch die Kantone Aargau, Thurgau, Basel und
(wenigstens provisorisch) auch Schaffhausen angegliedert wurden. Als infolge
der Bundesverfassung von 1874 die bisherige einheitliche solothurnische
Gemeinde sich in eine Bürger- und eine Einwohnergemeinde spaltete, ging auch
der Unterhalt der St. Ursenkirche, der seit 1805 von der einheitlichen
Stadtgemeinde besorgt worden war, bis auf den nach wie vor dem Stift
obliegenden Unterhalt des Chores, auf die Einwohnergemeinde Solothurn über.
Infolge der Beschlüsse des vatikanischen Konzils über die Unfehlbarkeit des
päpstlichen Lehramts bildete sich während der Hängigkeit des Prozesses in der
Stadt Solothurn aus Angehörigen der bisherigen einheitlichen katholischen
Pfarrei als Glied der «christkatholischen Kirche

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der Schweiz» die «christkatholische Kirchgemeinde Solothurn» und erhielt durch
Beschluss des solothurnischen Regierungsrates vom 18. Juni 1877 die staatliche
Anerkennung mit dem Rechte der juristischen Persönlichkeit «nach Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
des
soloth. ZGB» und allen daraus fliessenden Ansprüchen, insbesondere denjenigen
«auf einen verhältnismässigen Teil vom Vermögen der bisherigen katholischen
Pfarrgemeinde». Gemäss einem weiteren Beschluss des Regierungsrates wurde den
Christkatholiken die in der Stadt gelegene Franziskanerkirche zur Benützung
überlassen, die ehedem Eigentum der Väter Franziskaner gewesen und vom Staate
zugleich mit dem Kloster säkularisiert worden war. Durch Rechtsschrift vom 21.
Oktober 1879 trat die neue christ-katholische Kirchgemeinde im Prozesse vor
Bundesgericht als Hauptintervenientin auf, mit dem Begehren, dass von der
durch das bundesgerichtliche Urteil zu bestimmenden Aussteuerungssumme ein
verhältnismässiger Teil (einschliesslich Gebäulichkeiten und Gärten für eine
entsprechende Anzahl von Pfarrgeistlichen) der Interventionsklägerin,
eventuell der Stadtgemeinde Solothurn zuhanden derselben, zugesprochen werde.
In der mündlichen Verhandlung vor Bundesgericht erklärte sie jedoch auf der
Intervention nicht zu bestehen, wenn die Hauptklägerin die Erklärung abgebe,
dass dasjenige, was ihr im gegenwärtigen Prozesse gesprochen werde, als für
die frühere ungeteilte Pfarrei gesprochen gelten solle. Der Vertreter der
Hauptklägerin erwiderte hierauf, er erscheine als Anwalt der ungeteilten
Pfarrei Solothurn, bevollmächtigt von der politischen Gemeinde der Stadt; von
einer besonderen Kirchgemeinde habe er keine Vollmacht, auch nicht von einer
christkatholischen. Ob diese Gemeinde Ansprüche auf die Güter der ungeteilten
Pfarrei Solothurn habe, sei nicht im gegenwärtigen Prozess, sondern später zu
entscheiden.
Durch Urteil vom 11. /14. Juli 1883 erklärte das Bundesgericht infolgedessen
die Hauptintervention als gegenstandslos geworden. Es stellte fest, dass
bezüglich der

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Stifts- und Pfarrkirche St. Urs und Viktor zwischen den Prozessparteien kein
Streit bestehe, da der Staat dieselbe als Eigentum der Pfarrei Solothurn
anerkenne. Im übrigen verpflichtete es den Staat Solothurn, an die Klägerin
neben zwei bisher vom Stifte verwalteten Jahrzeitfonds «zur Ablösung der
Verpflichtungen, welche ihm als Rechtsnachfolger des aufgehobenen Stifts
gegenüber der katholischen Pfarrei Solothurn obliegen», herauszugeben: a) ein
Kapital von 425000 Fr., sowie als Gegenwert der Unterhaltspflicht des Chores
der Kirche St. Urs und Viktor 5660 Fr. und zur Anschaffung von
Kirchengerätschaften 25000 Fr.; b) vier Wohnhäuser mit dazu gehörigen Gärten
und den entsprechenden Unterhaltskapitalien und die von ihm anerbotenen
Kirchengerätschaften.
Inzwischen hatten sich im Jahre 1882 auch die in der römischen Kirche
verbliebenen Gemeindeeinwohner zu einer selbständigen römisch-katholischen
Kirchgemeinde zusammengeschlossen, die vom Regierungsrat durch Beschluss vom
4. Dezember 1882 als selbständige Korporation nach Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
des kant. ZGB mit
allen daraus fliessenden Rechten anerkannt wurde.
Zur Herbeiführung einer Auseinandersetzung über die durch das
bundesgerichtliche Urteil der Stadtgemeinde zuhanden der alten ungeteilten
Pfarrei zuerkannten Vermögenswerte wendete sich die christ-katholische
Kirchgemeinde Solothurn am 8. Mai 1884 mit einer bezüglichen Teilungsklage an
den solothurnischen Regierungsrat als Administrativrichter. Am Schlusse der
Klageschrift wurde erklärt, dass bezüglich der St. Ursenkirche dermalen keine
Begehren gestellt würden, einerseits weil diese Kirche nicht der früheren
katholischen Pfarrei, sondern der Einwohnergemeinde Solothurn gehöre, der das
Verfügungsrecht darüber zustehe, anderseits weil der Regierungsrat mit
Beschluss vom 26. Juni 1877 der christkatholischen Kirchgemeinde die
Franziskanerkirche zur Verfügung gestellt habe. Sollten sich jedoch diese
Verhältnisse ändern, so werde vorbehalten auf die Frage zurückzukommen.

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Die römisch-katholische Kirchgemeinde antwortete: «Da die Frage der
Mitbenutzung der St. Ursenkirche und der dazu gehörigen Kirchengerätschaften
seitens der Christkatholiken einstweilen in ihrer Eingabe noch als
offengelassen erklärt wurde, sehen wir uns hierorts bezüglich jener Frage
bloss zu der Bemerkung veranlasst, dass wir hierin feierlichst unsererseits
alle unsere Rechte vorbehalten». Es kam dann zu einem Vergleich vom 18./23.
August mit Nachträgen vom 16./17. September 1884, über die Streitpunkte,
wonach: a) das vorhandene, aus der dem Staate durch das bundesgerichtliche
Urteil auferlegten Austeuerung stammende Kapitalvermögen von 450000 Fr., nach
Abzug der Prozesskosten und Vorbezüge noch 420000 Fr., unter die beiden
Kirchgemeinden im Verhältnis der Stimmberechtigten, d. h. 3/7 für die
Altkatholiken und 4/7 für die Römischkatholiken geteilt wurde, so dass der
christkatholischen Gemeinde 180000 Fr. und der römisch-katholischen 240000
Franken zufielen; b) von den vier Wohnhäusern nebst Gärten und,
Unterhaltskapitalien jeder Gemeinde zwei zugewiesen wurden; c) die beiden
Jahrzeitfonds und die Kirchengerätschaften (im Schatzungswert von 15000 Fr.)
der römisch-katholischen Kirchgemeinde belassen wurden gegen die
Verpflichtung, die betreffenden Jahrzeiten zu besorgen.
Für die Überlassung der Franziskanerkirche hatte die christkatholische
Kirchgemeinde dem Staat seit 1884 jährlich 200 Fr. zu bezahlen; die Kosten des
Gebäudeunterhaltes bestritt der Staat aus dem sog. Franziskanerfonds. Am 18.
November 1895 trat der Kantonsrat von Solothurn die Franziskanerkirche um
20000 Fr. an die christkatholische Kirchgemeinde zu Eigentum ab. Im Kaufpreis
war das Inventar inbegriffen, bestehend aus einer Orgel und verschiedenen
Kirchengerätschaften im Schatzungswerte von zusammen 12900 Fr. (wovon auf die
Orgel 7000 Fr. entfielen). Im Kantonsrat führte der Sprecher des
Regierungsrates zu der betreffenden Vorlage

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u. a. aus: a Der Preis für die Kirche stellt sich somit, wenn man den Wert für
die Orgel und die Kirchengeräte von zusammen 12900 Fr. vom gesamten Erlös in
Abrechnung bringt, auf 7100 Fr. Es trifft somit auf den m2 Fläche (das
Kirchenareal fasst 1182 m2) 6 Fr. Es ist dies weniger als man in Solothurn für
Bauplätze zu bezahlen pflegt, Für die Kirche als Baute wird gar nichts
bezahlt, während ihr doch bedeutender Wert zukommt. Dessenungeachtet wird
Ihnen von Seite des Regierungsrates die Abtretung empfohlen. Die
Franziskanerkirche war nämlich nie ein lukratives Objekt für den Staat. Vom
Jahre 1877 bis 1895 wurden für den baulichen Unterhalt und das Inventar 19492
Fr. aufgewendet. Davon hat die christkatholische Kirchgemeinde in Form von
Mietzinsen 2400 Fr. bezahlt, was einen Ausfall von 16992 Fr. ergibt. Die
Kirche befindet sich dessenungeachtet in einem baufälligen Zustand. Wenn sie
wieder in einen ordentlichen Stand gesetzt werden soll, so müssen einige
Tausend Franken ausgegeben werden... Es ist daher durchaus vorteilhaft, die
Abtretung zu 20000 Fr. zu vollziehen. Es wäre selbst vorteilhafter, sie gratis
vorzunehmen, statt den bisherigen Zustand fortdauern zu lassen... Die
Regierung ist sich wohl bewusst, dass damit ein Liberalitätsakt vollzogen wird
und zwar vorab gegen die christkatholische Kirchgemeinde. Die geübte
Generosität gereicht aber auch zum Vorteil der gesamten Einwohnerschaft der
Stadt Solothurn. Wenn die Abtretung nicht vollzogen und die christkatholische
Gemeinde genötigt würde, eine andere Kirche zu erwerben, so hätte man in
Solothurn einen Kirchenstreit in gehässigster Form, wie diese Streitigkeiten
überhaupt alle sind... Dass er vermieden werde, damit sind nicht nur die
Christkatholiken, sondern auch die Römischkatholiken einverstanden und zwar
aus dem einfachen Grunde, weil die Römischkatholiken in ihrem bisherigen
Besitzstande zu verbleiben wünschen und die St. Ursenkirche wie auch die
Kollegiumskirche fernerhin benützen wollen. Von der Einwohnergemeinde
Solothurn

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werden dermalen zugunsten der römisch-katholischen Kirchgemeinde grosse Opfer
gebracht. Sie überlässt die genannten zwei Kirchen den Römischkatholiken um
eine Bagatelle. Wenn die in Frage stehende Abtretung vollzogen wird, so übt
der Staat also gegenüber der christkatholischen Gemeinde diejenige Loyalität,
die die Einwohnergemeinde in einseitiger Weise den Römischkatholiken gegenüber
ausübt.» Der Sprecher der Staatswirtschaftskommission bemerkte hierauf, dass
nach Ansicht der Kommission der Preis von 20000 Fr. nicht im richtigen
Verhältnis zu dem eigentlichen Werte des Kaufobjektes stehe. «Ein Hauptmotiv,
das die Kommission veranlasst, die Ratifikation des Kaufvertrages dennoch zu
empfehlen, liegt darin, dass sie glaubt, durch die Abtretung der Kirche einem
Konflikte vorzubeugen, welcher unter Umständen über kurz oder lang zwischen
der christkatholischen und der römisch-katholischen Kirchgemeinde ausbrechen
könnte. Und dieser Konflikt wird ausbrechen, sobald der christkatholischen
Gemeinde die Benutzung der Franziskanerkirche entzogen werden müsste; es
bleibt dann derselben nichts anderes übrig als die Einräumung der
Kollegiumskirche zu verlangen und dann geht der Rummel los; diesen
Religionskrieg en miniature sollen und wollen wir in allseitigem Interesse zu
vermeiden suchen.» Der Kaufvertrag wurde daraufhin vom Kantonsrate einstimmig
ratifiziert.
An der St. Ursenkirche nahm, wie die oben angeführte Stelle der Klage der
christkatholischen Kirchgemeinde an den Regierungsrat vom 8. Mai 1884 zeigt,
die Einwohnergemeinde Solothurn das Eigentum in Anspruch, da es sich um ein
Vermögensstück handle, das nicht zum Pfarreivermögen, sondern zum allgemeinen
Gemeindegut gehört habe. Im Jahre 1891 stellte sie das Begehren, als
Eigentümerin der Kirche im Grundbuch eingetragen zu werden, verfolgte es aber
nicht weiter, nachdem die römischkatholische Kirchgemeinde dagegen Einspruch

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erhoben hatte. Benützt wurde die Kirche stets - ohne Unterbruch -
ausschliesslich für den römisch-katholischen Kultus, und zwar sowohl als
Kathedralkirche des Bistums Basel (gemäss dem Bistumsvertrag von 1828) wie als
römisch-katholische Pfarrkirche von Solothurn. Den Unterhalt bestritt, auch
nachdem sich im Jahre 1882 die selbständige römisch-katholische Kirchgemeinde
gebildet hatte, die Einwohnergemeinde Solothurn. Die römisch-katholische
Kirchgemeinde zahlte an die Einwohnergemeinde ab 1884 jährlich 800 Fr. Während
dieser Betrag vorerst in den Büchern der Einwohnergemeinde als «Mietzins»
gestanden hatte, erhielt er seit 1889 auf Begehren der römisch-katholischen
Kirchgemeinde die Bezeichnung: «Beitrag an den Unterhalt.» Als im Jahre 1901
eine Brandversicherungssteuer eingeführt wurde, einigten sich
Einwohnergemeinde und römisch-katholische Kirchgemeinde dahin, dass die
Entrichtung ohne Präjudiz für die Rechte der Beteiligten durch die
Einwohnergemeinde geschehen solle. Im Jahre 1894 erstellte die
römisch-katholische Kirchgemeinde mit einem Kostenaufwand von 50000 Fr. in der
St. Ursenkirche eine neue Orgel. Durch Vereinbarung mit der Einwohnergemeinde
wurde festgelegt, dass die römisch-katholische Kirchgemeinde für die alte
Orgel den Schatzungswert von 3575 Fr. zu bezahlen habe und dass dieser Betrag
nach endgültiger Erledigung der Eigentumsfrage dem Eigentümer der Kirche
zufallen, inzwischen aber von der Einwohnergemeinde als Orgelfonds verwaltet
werden solle; dafür sollte das Eigentum an der neuen Orgel auf alle Zeiten der
römisch-katholischen Kirchgemeinde bleiben. In den Jahren 1904 und 1906 wurde
zwischen der römisch-katholischen und der christkatholischen Kirchgemeinde der
sog. Choraulenfonds (82330 Fr.) und der Thüringerfonds (12855 Fr.) geteilt.
Beide Male erfolgte die Teilung nicht mehr im Verhältnis von 3/7 und 4/7,
sondern von ungefähr 1/3 für die Christkatholiken und 2/3 für die
Römischkatholischen. da sich inzwischen die Zahl der

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beidseitigen stimmberechtigten Mitglieder zugunsten der letztern Gemeinde
verschoben hatte.
In der Folge stellte sich in steigendem Masse die Notwendigkeit einer
Hauptrenovation der St. Ursenkirche heraus. Ein von der Einwohnergemeinde
Solothurn eingeholtes Expertengutachten vom 4. Dezember 1909 schätzte die
Kosten der Beseitigung der sichtbaren Schäden auf 169000 Fr., wobei betont
wurde, dass mangels einer geeigneten Gerüstung die vorhandenen Schäden nicht
mit Bestimmtheit in allen Einzelheiten hätten festgestellt werden können. Da
die Frage des Eigentums an der Kirche unabgeklärt war, unterblieb die
Instandstellung trotz ihrer Dringlichkeit. Als von der Kuppel ein Stück der
Verzierung herunterfiel, ordnete das Bauamt an, dass die Kirchenstühle unter
der Kuppel nicht mehr benützt werden dürfen. Dieser Zustand dauerte, bis die
römisch-katholische Kirchgemeinde die Kuppel durch ein Schutzgerüst
abschliessen liess.
Im Jahre 1916 kam nach mehrjährigen Unterhandlungen zwischen der
Einwohnergemeinde, der römisch-katholischen und der christkatholischen
Kirchgemeinde Solothurn ein Vertrag zustande, wodurch die Einwohnergemeinde
«zugunsten der beiden Kirchgemeinden als Rechtsnachfolger der alten
ungeteilten katholischen Pfarrei Solothurn» auf jeglichen Eigentumsanspruch an
der St. Ursenkirche verzichtete, erklärte, sich dem Gesuche auf Eintragung als
Eigentümerin der Liegenschaft im Grundbuch von Seite einer der genannten
Kirchgemeinden nicht zu widersetzen und sich ausserdem verpflichtete, «an die
im Grundbuch einzutragende Eigentümerin» der Kirche den Orgelfonds, Wert
berechnet auf den Tag des Vertragsschlusses, und den Chorbaufonds von 5600 Fr.
herauszugeben. Die Verzichtleistung geschah unter einer Reihe von Bedingungen,
worunter den folgenden: «a) die Kirchgemeinden haben bei
Vertragsunterzeichnung an die Einwohnergemeinde als Gegenleistung für deren
bisherige Auslagen für Renovationen und Versicherungsprämien

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60000 Fr. zu bezahlen; b) die Kirchgemeinden verpflichten sich die gründliche
Renovation der St. Ursenkirche mit einem Kostenaufwand von mindestens 200000
Fr. an die Hand zu nehmen und die Kirche in gutem Zustand zu erhalten.» Ferner
behielt sich die Einwohnergemeinde verschiedene Rechte vor (so zur Benützung
des Turmes für die Hochwacht, des Geläutes bei Beerdigungen und öffentlichen
Anlässen, den öffentlichen Durchgang über die Freitreppe und den ehemaligen
Friedhof usw.). Dem Abschluss dieses Vertrages waren längere Verhandlungen
zwischen den beiden Kirchgemeinden (beginnend mit dem Oktober 1913)
vorangegangen, die von der römisch-katholischen Kirchgemeinde zu dem Zwecke
eingeleitet worden waren, von der christkatholischen Kirchgemeinde gegen
Entrichtung einer gütlich vereinbarten Abfindungssumme die Einwilligung dazu
zu erhalten, dass der Verzicht der Einwohnergemeinde auf ihren
Eigentumsanspruch zu Gunsten der römisch-katholischen Kirchgemeinde allein
ausgesprochen werde und diese gestützt darauf unmittelbar als Eigentümerin im
Grundbuch eingetragen werden könne. Als Abfindung für den Verzicht der
christkatholischen Kirchgemeinde auf die von ihr erhobenen
Miteigentumsansprüche hatte die römisch-katholische Kirchgemeinde dabei eine
Summe von 20000 Fr. angeboten. Schliesslich kam es am 19. März/12. September
1916 zu nachstehender Vereinbarung zwischen den beiden Kirchgemeinden, die die
Grundlage des oben erwähnten Vertrages mit der Einwohnergemeinde bildete;
«1. Die christkatholische Kirchgemeinde Solothurn überlässt der
römisch-katholischen Kirchgemeinde Solothurn die St. Ursenkirche und den
Chorbaufonds zur alleinigen Benutzung. Durch diese Überlassung soll jedoch
keinerlei Präjudiz für die der christkatholischen Kirchgemeinde zustehenden
Miteigentums- und Mitbenützungsrechte und die an deren Stelle tretende, durch
gerichtlichen Entscheid zu fixierende Auskaufssumme geschaffen werden; 2. Die
christkatholische Kirchgemeinde erklärt

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ihr Einverständnis damit, dass die römisch-katholische Kirchgemeinde sofort
die Restauration der Kirche vornimmt und die an die Einwohnergemeinde der
Stadt Solothurn zu leistende Abfindungssumme abführt; 3. Die christkatholische
Kirchgemeinde wird ihre Einwilligung zur Eintragung der römisch-katholischen
Kirchgemeinde als Alleineigentümerin der St. Ursenkirche nebst Umschwung im
Grundbuch Solothurn erteilen, sobald die unter Ziffer 1 genannte Auskaufssumme
festgestellt ist.» In der Folge bezahlte die römisch-katholische Kirchgemeinde
an die Einwohnergemeinde die durch die Vereinbarung der beiden Kirchgemeinden
mit dieser vorgesehene Leistung von 60000 Fr. und erhielt von derselben den
Chorbaufonds ausgehändigt.
Am 6. Februar 1919 reichte die christkatholische Kirchgemeinde Solothurn gegen
die römisch-katholische Kirchgemeinde Solothurn beim Bundesgericht als
prorogiertem Gericht i. S. von Art. 52 Ziff. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
OG eine Klage mit den Begehren
ein: die Beklagte habe die Klägerin als volle und uneingeschränkte
Miteigentümerin an der St. Ursenkirche mit Umschwung sowie am Chorbau- und
Orgelfonds im Verhältnis von 3/7 zu Gunsten der Klägerin und 4/7 zu Gunsten
der Beklagten anzuerkennen und der Klägerin für die Überlassung des
Miteigentumsanteils an diesen Vermögensobjekten eine vom Gericht zu
bestimmende Auskaufssumme mit Zins zu 5% ab 31. Dezember 1916 zu bezahlen. Das
Bundesgericht trat indessen durch Urteil vom 10. Juli 1920 auf die Klage nicht
ein, weil ein verbindlicher Prorogationsvertrag zwischen den Parteien nicht
zustandegekommen sei, nachdem die Klägerin die von der Beklagten an ihre
Einwilligung hiezu geknüpften Vorbehalte ablehne. Die Frage, ob eine solche
Prorogation im Hinblick auf Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV und nach dem Inhalt (der Natur)
des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses überhaupt rechtswirksam möglich
gewesen wäre, könne daher offengelassen werden.
Inzwischen hatte die römisch-katholische Kirchgemeinde

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im Jahre 1916 mit den Vorarbeiten für die Renovation der St. Ursenkirche
begonnen. Die Innenrenovation ist heute vollendet. Ausserdem wurde auch ein
Teil der Aussenrenovation (insbesondere die Renovation der Dächer, Abfallrohre
usw.) durchgeführt, der Rest derselben (Renovation der grossen Treppe, des
Turmes und der Fassaden) dann aber, als ein Defizit drohte, verschoben. Ende
1926 waren für Renovationsarbeiten 653297 Fr. ausgegeben; die Vollendung der
Renovation wird noch etwa 400000 Fr. kosten. Von den bisher entstandenen
Kosten wurde der grösste Teil, nämlich 544173 Fr. durch freiwillige Beiträge
von Gemeindegenossen gedeckt. 127000 Fr. sind unter Zinsvorbehalt gegeben
worden und müssen den Schenkern, solange sie leben, jährlich verzinst werden.
B. - Durch Klageschrift vom 17. Mai 1923 stellte die christkatholische
Kirchgemeinde Solothurn gegen die römisch-katholische Kirchgemeinde Solothurn
beim Regierungsrat des Kantons Solothurn folgende Rechtsbegehren:
«I. Die römisch-katholische Kirchgemeinde Solothurn hat der christkatholischen
Kirchgemeinde Solothurn für die Überlassung der zum Vermögen der früheren
ungeteilten Pfarrgemeinde Solothurn gehörenden und zufolge der Trennung in die
beiden heute bestehenden Kirchgemeinden in deren Miteigentum übergegangenen
Vermögensobjekte zu Alleineigentum, nämlich:
a) der Liegenschaft Grundbuch Solothurn Nr. 485 im Halte von 39 à 50 m2,
Kirchenplatz zu St. Ursen mit darauf stehender Kirche St. Urs und Viktor nebst
Bestandteilen, mit einer amtlichen Schatzung von 1151900 Fr.;
b) dem von der Einwohnergemeinde der Beklagten herausgegebenen Chorbaufonds,
betragend 5660 Fr. und dem noch in ihrer Verwaltung befindlichen Orgelfonds im
Betrage von 7015 Fr., beides Wert 31. Dezember 1916. eine vom Regierungsrat
auf Grund einer Expertenschatzung über das vorgenannte Kirchengebäude nebst
Grund und Boden und Bestandteilen und auf Grund der Kapitalbestände per 31.
Dezember 1916 und nach Massgabe

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der ideellen Eigentumsanteile der beiden Kirchgemeinden, d. h. von drei
Siebentel zu Gunsten der Klägerin und von vier Siebentel zu Gunsten der
Beklagten, auszumittelnde Auskaufssumme zu entrichten, welche auf den 1.
Januar 1917 fällig gestellt und von da an zu 5% zu verzinsen ist;
II. Die Beklagte ist in die Kosten dieses Verfahrens und in eine angemessene
Prozessentschädigung zuhanden der Klägerin zu verurteilen.
Dabei wiederholt die Klägerin ihre bereits abgegebene Erklärung, dass sie zur
Eintragung des Alleineigentums der Beklagten an der St. Ursenkirche sowie zur
Aushingabe des Orgelfonds Hand bieten wird, sobald die Auskaufssumme
rechtskräftig festgestellt ist.»
«Die römisch-katholische Kirchgemeinde beantragte die gänzliche Abweisung der
Klage.
Am 6. August 1928 fällte der Regierungsrat folgenden Entscheid:
1. Die römisch-katholische Kirchgemeinde Solothurn hat der christkatholischen
Kirchgemeinde für die Überlassung der im Rechtsbegehren genannten
Liegenschaften und Fonds eine Entschädigungssumme von 160000 Fr. zu bezahlen
mit Zins zu 5% seit 17. Mai 1923. Diese Bemessung der Abfindungssumme
geschieht unter den Voraussetzungen, dass in Zukunft die St. Ursenkirche
bischöfliche Kathedralkirche der Diözese Basel bleibt und die
römisch-katholische Kirchgemeinde als Eigentümerin der St. Ursenkirche einzig
deren Unterhalt bestreitet. Bei Wegfall einer oder beider dieser
Voraussetzungen bleibt eine Neubemessung des Anspruches vorbehalten.
2. Die römisch-katholische Kirchgemeinde hat der christkatholischen
Kirchgemeinde eine Prozessentschädigung von 4000 Fr. sowie die staatliche
Gebühr von 300 Fr. und die staatlichen Auslagen zu bezahlen.»
Die Erwägungen gehen von der Annahme aus, dass die St. Ursenkirche als
Eigentum der ehemaligen katholischen Pfarrei auf die beiden Prozessparteien
gemeinsam im Verhältniss ihrer Stärke übergegangen sei und die

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römisch-katholische Kirchgemeinde deshalb, um in das alleinige Eigentums- und
Gebrauchsrecht daran eintreten zu können, die christkatholische Kirchgemeinde
durch Vergütung einer entsprechenden Wertquote des Objekts auszukaufen habe.
Daran ändere die Tatsache nichts, dass die christkatholische Kirchgemeinde
infolge der Überlassung der Franziskanerkirche durch den Staat ebenfalls schon
ein Kultusgebäude besitze. Abgesehen davon, das sich dasselbe an Wert nicht
mit der St. Ursenkirche vergleichen lasse, habe die Franziskanerkirche nie zu
dem im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehenden Vermögenskomplexe gehört.
Sie falle daher auch für die Auseinandersetzung zwischen ihnen nicht in
Betracht. Aus der Korrespondenz zwischen den Parteien aus den Jahren 1913-1926
ergebe sich denn auch, dass die Beklagte sich stets bewusst gewesen sei, der
Klägerin für den Verzicht auf ihren Eigentumsanteil eine Entschädigung
bezahlen zu müssen. Nur über die Höhe der Abfindungssumme sei damals
gestritten worden. Der Bauwert der St. Ursenkirche einschliesslich Freitreppe
und Boden wurde im Anschluss an ein vorliegendes Gutachten auf 2600000 Fr.
bestimmt, davon dann aber, weil die Schätzung des Gutachtens auf kubischen
Einheiten beruhe und der Entwertung durch Baufälligkeit keine Rechnung trage,
1 Million Fr. für die schon ausgeführten und noch auszuführenden
Renovationsarbeiten abgezogen. Durch das Ausscheiden von 3/7 der Kirchgenossen
sei der Unterhalt der St. Ursenkirche erschwert worden. Für die
übriggebliebenen 4/7 würde eine entsprechend kleinere Kirche genügt haben.
Diese «Inkonvenienz» müsse in Anschlag gebracht werden. Rechne man mit einer
Unterhaltslast von 1½% des Gebäudewertes, so würden zum Unterhalt jährlich
40000 Fr. benötigt. Hievon seien 3/7, also rund 17000 Fr. oder kapitalisiert
340000 Fr., Inkonvenienzen. Dabei werde vorausgesetzt, dass die
römisch-katholische Kirchgemeinde die St. Ursenkirche als Pfarrund
Kathedralkirche allein zu unterhalten habe. Es falle

Seite: 421
ferner in Betracht, dass das Gebäude ein Kunstwerk ersten Ranges sei. Als
solches bleibe es, obwohl formell in das Eigentum der römisch-katholischen
Kirchgemeinde übergehend, doch zum grossen Teile ideales Gemeingut der ganzen
Stadt. Ausserdem habe sich die Einwohnergemeinde im Vertrage von 1916
verschiedene Benutzungsrechte vorbehalten. Es sei billig, diesen Umständen
Rechnung zu tragen, was allerdings nur gefühlsmässig geschehen könne und in
nachfolgender Berechnung in der Summe von 500000 Fr. ihren Ausdruck finde. Für
die Eigentumsbeschränkung, die darin bestehe, dass die St. Ursenkirche
zugleich als Kathedralkirche des Bistums Basel dient, sei unter der
Voraussetzung des künftigen Bestehenbleibens dieser Belastung ein Kapitalabzug
von 200000 Fr. zu machen. Chorbau- und Orgelfonds, die auf den 17. Mai 1923
(Tag der Klageerhebung) zusammen eine Summe von rund 18000 Fr. ausgemacht
haben, seien in die Aktiven einzustellen, während der Wert der von der
römisch-katholischen Kirchgemeinde erstellten Orgel mit 50000 Fr. und die von
ihr an die Einwohnergemeinde geleistete Zahlung von 60000 Fr. unter die
Passiven gehörten. Die Rechnung gestalte sich daher folgendermassen:
Wert des ganzen Objektes Fr. 2600000.-
Dazu Orgel- und Chorbaufonds Fr. 18000.-
Fr. 2618000.-
Abzüge:
a) Aufwendungen Fr. 1000000.-
b) Unterhalt (kapitalisiert)
Fr. 340000.-
c) Wert der neuen Orgel Fr. 50000.-
d) Billigkeitsabzug Fr. 500000.-
e) Belastung als Kathedralkirche
Fr. 200000.-
f) Leistung a. d. Einwohnergemeinde
Fr. 60000.- Fr. 2150000.-
Fr. 488000.-

Seite: 422
Da die Ausscheidung schon in früheren Jahren hätte stattfinden sollen, so
rechtfertige es sich den gleichen Verteiler wie im Jahre 1884 bei der Teilung
des Stiftsvermögens anzuwenden, nämlich 3/7 zu 4/7 und der Tatsache, dass sich
inzwischen das Verhältnis zu Gunsten der römisch-katholischen Kirchgemeinde
verschoben habe, in einem gewissen Masse dadurch Rechnung zu tragen, dass die
bei Anwendung des alten Verteilers sich ergebende Abfindung von 200000 Fr. auf
160000 Fr. ermässigt werde.
C. - Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates haben beide Parteien gestützt
auf Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben:
die römisch-katholische Kirchgemeinde mit dem Begehren, es sei in Aufhebung
des Entscheides die Klägerin und Rekursbeklagte mit allen ihren Ansprüchen
betreffend die St. Ursenkirche und betreffend den Orgel- und Chorbaufonds
abzuweisen, unter Kostenfolge;
die christkatholische Kirchgemeinde mit dem Antrage, es sei die von der
römisch-katholischen an die christkatholische Kirchgemeinde Solothurn zu
bezahlende Entschädigung angemessen, d. h. auf 300000 Fr. zu erhöhen.
In den Eingaben der römisch-katholischen Kirchgemeinde wird darauf
hingewiesen, dass das gegenwärtige Stärkeverhältniss der beiden Gemeinden, auf
das es eventuell ankommen müsste, wenn man die Auseinandersetzung auf der vom
Regierungsrat angenommenen, von der Beklagten als unzutreffend bekämpften
Grundlage vornehmen wollte, nach der Seelenzahl gemäss der eidg. Volkszählung
von 1920 1/7 für die Christkatholiken und 6/7 für die Römischkatholischen
betrage. Da die Kosten des Kultus und der Pastoration durch die Zahl aller
Gemeindeglieder, nicht nur der Stimmberechtigten bedingt würden, bilde auch
sie den allein zutreffenden Teilungsfaktor.

Seite: 423
Die Christkatholische Kirchgemeinde bezeichnet die Angaben über das heutige
Stärkeverhältniss als unbewiesen und tendenziös. Auf 1/3 stimmberechtigte
Christkatholiken treffe es heute ungefähr 2/3 stimmberechtigte
Römischkatholische. Da der rechtliche Anspruch auf Abfindung seit 1877
bestehe, sei zudem das damalige Stärkeverhältnis massgebend.
D. - Der Regierungsrat von Solothurn hat die Abweisung der beiden Beschwerden
beantragt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Zuständigkeit des solothurnischen Regierungsrates zur Beurteilung des
durch die Klage vom 17. Mai 1923 bei ihm anhängig gemachten Rechtsbegehrens
ist von der Beklagten im kantonalen Verfahren nicht bestritten worden. Erst
vor Bundesgericht wendet die Beklagte ein, dass zur Entscheidung über die
Frage des Eigentums an den in Betracht kommenden Vermögensstücken nach dem
kantonalen Gesetze von 1851 über die Aufhebung der Verwaltungsgerichtsbarkeit
nur der Zivilrichter und nicht der Regierungsrat zuständig gewesen wäre. Die
Einwendung kann nicht mehr gehört werden, nachdem die Beklagte sich vor dem
Regierungsrat vorbehaltlos auf die Klage eingelassen hat, obwohl die Klägerin
ihren Anspruch nach dem Rechtsbegehren ausdrücklich auf ein behauptetes
«Miteigentum» an der St. Ursenkirche und den beiden Fonds stützte. Nach einem
allgemeinen, auch vom Bundesgericht in seiner staatsrechtlichen
Rechtssprechung stets festgehaltenen Grundsatze schliesst zudem die
Zuständigkeit in der Hauptsache diejenige zur Beantwortung aller für die
Entscheidung erheblichen Vorfragen in sich, auch solcher, die an sich aus
einem anderen Zuständigkeitsbereich stammen. Da der Regierungsrat zur
Entscheidung darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf eine Abfindungssumme
zustehe, zweifellos kompetent war (auch die Beklagte bestreitet in dieser
Hinsicht seine Zuständigkeit nicht),

Seite: 424
durfte er sich somit als Präjudizialpunkt dafür auch über die zwischen den
Parteien streitige Frage der Eigentumsverhältnisse aussprechen, selbst wenn
die Beurteilung dieser Frage für sich allein in die Kompetenz des
Zivilrichters gefallen wäre. Er hätte diese Entscheidungskompetenz sogar dann
in Anspruch nehmen dürfen, wenn die Feststellung der Eigentumsverhältnisse an
den betreffenden Objekten unmittelbar den Streitgegenstand, das
Rechtsverhältnis, gebildet hätte, über das ein verbindlicher behördlicher
Ausspruch verlangt war. Ob die kantonalen Gerichte oder die kantonalen
Verwaltungsbehörden zur Beurteilung eines Streites der vorliegenden Art
erstinstanzlich berufen sind, beurteilt sich ausschliesslich nach kantonalem
Recht: Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV steht der einen oder anderen Lösung nicht entgegen
(BGE 17 S. 603 Erw. 1; 24 I S. 558). Das Bundesgericht könnte daher nur
eingreifen, wenn eine kantonale Verfassungsbestimmung verletzt oder das
kantonale Gesetzesrecht willkürlich ausgelegt worden wäre. Dies behauptet aber
die Beklagte nicht, und es trifft auch nicht zu. Wenn auch das kantonale
Gesetz betreffend die Aufhebung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in § 1 dem
Regierungsrat nur die Streitigkeiten betreffend die «Benützung von
Gemeindeanstalten» überweist, so besteht doch andererseits keine
Gesetzesvorschrift, wonach die Erledigung von Eigentumsstreitigkeiten der
vorliegenden Art den Gerichten zukommen würde. Es handelt sich dabei um einen
nach öffentlichem und nicht nach Privatrecht zu beurteilenden Eigentumsstreit
(BGE 23 II 1380). Da die Entscheidung öffentlichrechtlicher Streitigkeiten -
mangels einer abweichenden positiven Bestimmung - allgemein in die
Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden fällt (BGE 24 I 558; 41 I 16), durfte
daher der Regierungsrat seine Kompetenz sehr wohl bejahen, selbst wenn ihm die
Eigentumsfrage allein vorgelegt worden wäre. Es ist dagegen umsoweniger etwas
einzuwenden, als das Obergericht des Kantons Solothurn seinerzeit im Falle
Trimbach die Kompetenz des

Seite: 425
solothurnischen Zivilrichters zur Beurteilung eines analogen Streites verneint
und das Bundesgericht diesen Entscheid als nicht verfassungswidrig erklärt hat
(BGE 17 S. 603).
2.- Nach der übereinstimmenden Ansicht beider Parteien war die St. Ursenkirche
seit dem durch das Urteil des Bundesgerichts vom 11./14. Juli 1883 erledigten
sog. Stiftsprozesse «Eigentum der damals noch in der Einwohnergemeinde
Solothurn inkorporierten katholischen Pfarrgemeinde». Diese Annahme ist
rechtlich nicht einwandfrei. Solange die Pfarrgemeinde noch in der
Einwohnergemeinde «inkorporiert» war, also keine eigene Rechtspersönlichkeit
besass, konnte sie auch nicht wohl besonderes Eigentum haben. Näher läge es,
wenn man von solchem sprechen will, die Pfarrkirche bis zur Bildung
selbständiger Kirchgemeinden als Vermögen einer in ihr verkörperten, von der
einheitlichen Gemeinde bezw. Einwohnergemeinde verwalteten öffentlichen
religiösen Stiftung anzusehen, das dann mit der Entstehung besonderer
Kirchgemeinden auf diese übergegangen wäre. Doch braucht zu der Frage nach dem
Eigentumsträger nicht abschliessend Stellung genommen zu werden. Massgebend
ist, dass jedenfalls seit dem Stiftsprozesse - und hierauf kommt es für den
vorliegenden Streit allein an - die St. Ursenkirche ein Vermögensstück war,
das die Einwohnergemeinde Solothurn zwar verwaltete, über das sie aber nicht
frei verfügen konnte, sondern das sie für dessen bestimmungsgemässen Zweck,
die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse der katholischen Pfarrei Solothurn
zur Verfügung zu stellen hatte. Es frägt sich, welche Wirkungen sich aus
dieser Rechtslage ergeben, nachdem die früher einheitliche katholische Pfarrei
Solothurn sich in zwei Glaubensgemeinschaften, die römisch-katholische und die
christkatholische, gespalten hat, beide sich als von der politischen Gemeinde
verschiedene selbständige Korporationen des öffentlichen Rechts konstituiert
haben und andererseits die Einwohnergemeinde aus der gedachten Zweckbestimmung
des

Seite: 426
Gebäudes auch nach der Seite der Ordnung der Eigentumsverhältnisse die
Folgerung gezogen hat, indem sie den bis zum Jahre 1916 daran erhobenen
Eigentumsanspruch fallen liess.
3.- Nach Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV können Anstände aus dem öffentlichen oder
Privatrechte, die über die Bildung oder Trennung von Religionsgenossenschaften
entstehen, auf dem Wege der Beschwerdeführung der Entscheidung «der
zuständigen Bundesbehörde» - heute des Bundesgerichts - unterstellt werden.
Mit den Anständen aus dem Privatrecht, die sich bei Anlass der Trennung
ergeben, sind dabei solche über die Rechtsbeziehungen der Genossen am bisher
gemeinsam besessenen Kirchengut gemeint im Gegensatz zu denjenigen, die das
ausservermögensrechtliche Verhältnis der neuen Genossenschaft zum Staate oder
ihrer Mitglieder zu der bisher vom Staate anerkannten Kirche betreffen (Recht
auf Anerkennung als öffentlichrechtliche Korporation, Fortbestehen des
Stimmrechts der Mitglieder in der alten Kirche usw.). Da die Klägerin ihren
Anspruch auf einen Anteil an der St. Ursenkirche mit dazu gehörenden Fonds und
auf eine Abfindung in Geld für den Verzicht auf diesen Anteil herleitet aus
der Eigenschaft der Kirche als Bestandteil des Vermögens der alten ungeteilten
katholischen Pfarrei Solothurn (genauer: einer durch die Kirche dargestellten,
den Pfarreizwecken dienenden öffentlichen Stiftung), als welcher sie bei der
Glaubensspaltung auf die beiden neugebildeten Kirchgemeinden gemeinsam
übergegangen sei, und auch nur hieraus herzuleiten vermag, kann, wie schon im
früheren Urteil des Bundesgerichts vom 10. Juli 1920 dargelegt worden ist,
nicht zweifelhaft sein, dass es sich im vorliegenden Falle um einen unter die
angeführte Vorschrift der BV fallenden Streit handelt. Wenn die BV die das
Kirchengut betreffenden Anstände dieser Art als solche aus dem Privatrecht
bezeichnet, so erklärt sich dies aus deren Gegenstand als einem
vermögensrechtlichen. Es soll damit nicht gesagt sein, dass sie auch materiell
nach den

Seite: 427
Regeln des Privatrechts zu entscheiden wären. War die alte einheitliche
Religionsgemeinschaft ein Gebilde des öffentlichen Rechts, wie es für die
solothurnischen Pfarreien (Kirchgemeinden) unbestrittenermassen zutrifft, so
teilt sich diese Eigenschaft auch ihrem Gute mit: auch es ist als
öffentliches, nicht der freien Verfügung des Verbandes unterliegendes, sondern
durch seine Zweckbestimmung gebundenes anzusehen. Bei der Frage, auf wen es
infolge der Glaubensspaltung und der Entstehung zweier neuer selbständiger
Korporationen übergegangen sei, ob nur auf eine von ihnen oder auf beide und
in welchem Verhältnis, handelt es sich demnach nicht um einen gewöhnlichen
privatrechtlichen Vindikations- und Teilungsstreit, sondern durch eine wenn
nicht ausschliesslich, so doch jedenfalls in erster Linie durch
öffentlichrechtliche Grundsätze beherrschte Vermögensnachfolge. Und zwar fällt
als anwendbares öffentliches Recht dabei nicht nur dasjenige des betreffenden
Kantons, sondern auch das des Bundes und vor allem Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV selbst in
Betracht. Wenn hier die letztinstanzliche Beurteilung solcher Anstände den
Bundesbehörden übertragen worden ist, so wollte damit, wie das Bundesgericht
wiederholt unter einlässlicher Begründung ausgesprochen hat, nicht nur eine
Zuständigkeitsnorm, sondern zugleich ein materiellrechtlicher Grundsatz
aufgestellt werden. Es sollte damit dem Bundesgericht die Möglichkeit gegeben
werden, den kantonalen Entscheid nicht bloss daraufhin zu überprüfen, ob er
verfassungsmässig gewährleistete Individualrechte der Bürger oder allgemein
anerkannte Rechtsgrundsätze missachte - wozu es nach Art. 113
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
in Verbindung
mit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV keiner besonderen Vorschrift bedurft hätte -, sondern
weitergehend auch zu untersuchen, ob er mit den Anforderungen der Billigkeit
und den Grundgedanken des Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV, insbesondere der Rücksicht auf die
Wahrung des religiösen Friedens und das ungestörte Nebeneinanderleben der
beiden Genossenschaften, im Einklang stehe und bei Verneinung dieser Frage
entsprechende

Seite: 428
abweichende Verfügungen zu treffen (BGE 20 S. 761, 23 II S. 1382 /3, 24 I 645
Erw. 3). Die der Bundesbehörde durch Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV übertragene
Entscheidungsgewalt ist m. a. W. «Billigkeitsgerichtsbarkeit und schliesst die
freie Befugnis in sich, unabhängig vom Kanton und seinen Gesetzen alle
Verfügungen zu treffen, wodurch die Absicht der Verfassung bei einer
Glaubensspaltung jedem Teil die ihm gebührende Rechtsstellung und ökonomische
Ausstattung zu gewähren, verwirklicht werden kann» (Vogt in dem im
letztangeführten Urteil S. 638/9 erwähnten Gutachten). Gleich wie danach der
Umstand, dass die neue Genossenschaft nach den Regeln des Privatrechts keinen
Anspruch am Vermögen der alten einheitlichen hätte, nicht entscheidend sein
kann, um ihr einen Anteil daran zu verweigern, so können umgekehrt auch
privatrechtliche Vorschriften, welche einen solchen Anspruch in bestimmtem
Umfang anerkennen, für die Auseinandersetzung nicht massgebend sein, wenn die
oben erwähnten Gesichtspunkte öffentlichrechtlicher Natur eine andere Lösung
fordern. Und ebenso vermag das einschlägige öffentliche Recht des Kantons,
wenn schon es innert dieses Rahmens grundsätzlich zu respektieren ist, das
Bundesgericht nur mit der gedachten Beschränkung zu binden. Da die
Vermögensausscheidung zwischen den beiden Verbänden eine einheitliche
Operation ist, kann sie ferner vom Bundesgericht in allen Teilen überprüft
werden, auch wenn sie nur in einzelnen Punkten angefochten wird (BGE 20 S.
1381 Erw. 4;BURCKHARDT, Kommentar S. 487).
4. und 5. - (Folgen Ausführungen darüber, dass ein Verzicht der Klägerin auf
die Ansprüche, welche ihr nach Massgabe dieser Grundsätze an der St.
Ursenkirche noch zustehen können, durch den Abschluss des Vergleiches vom
18./23. August und 16./17. September 1884 nicht vorliege, ebensowenig aber
eine verbindliche Anerkennung der Auskaufspflicht durch die Beklagte in dem
vom Regierungsrat angenommenen Sinne bei den Verhandlungen der Jahre
1913-1916.)

Seite: 429
6.- Der Zweck des Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV ist, soweit die Vorschrift die Regelung
der Verhältnisse am bisher gemeinsamen Kirchengut betrifft, nach dem in E. 3
Gesagten ein doppelter. Es soll damit der Neutralität des Staates gegenüber
den verschiedenen Glaubensbekenntnissen auch nach der Richtung praktisch
Ausdruck gegeben werden, dass im Falle der aus Glaubensgründen erfolgten
Spaltung einer Religionsgenossenschaft und ihres Auseinanderfallens in zwei
selbständige Verbände nicht ein Teil mit der Behauptung nach seinem
Glaubensbekenntnis allein die alte einheitliche Gemeinschaft fortzusetzen,
deren Vermögen für sich allein behalten kann, wie es bei Anwendung der Sätze
des privatrechtlichen Korporationsrechts oder des kantonalen
Staatskirchenrechts vielleicht möglich wäre (vgl. BURCKHARDT, Kommentar S. 485
Abs. 2), jedem Teil vielmehr im Rahmen des vorhandenen Bestandes an
materiellen Mitteln daraus diejenige Ausstattung gewährleistet werden, die es
ihm erlaubt, seinen Zweck, die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse seiner
Mitglieder, innert der neuen Teilgemeinschaft weiter zu verfolgen. Über diese
den praktischen Bedürfnissen entsprechende materielle Regelung hinaus ist aber
auch das Verhältnis allgemein so zu ordnen. dass damit die Erfüllung der dem
Bunde durch Art. 50 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV gesetzten Aufgabe - Wahrung des religiösen
Friedens, ungestörten Nebeneinanderlebens der verschiedenen
Religionsgemeinschaften an einem Orte - gesichert wird, keine der Billigkeit
widersprechende Zurücksetzung des einen Teiles gegenüber dem andern eintritt,
die bei den Betroffenen Misstimmung und Verbitterung hervorrufen und so jenes
Ziel gefährden müsste. Die Ansprüche der beiden Teilgemeinschaften beziehen
sich demnach auf die der alten ungeteilten Genossenschaft gehörende
Vermögensmasse als Ganzes und gehen auf eine den eben umschriebenen
Grundsätzen entsprechende Auseinandersetzung in Bezug auf dieses Gesamtgut. Es
wird dadurch nicht ein quotenmässiges Anteilsrecht an jedem

Seite: 430
einzelnen zu der Masse gehörenden Gegenstand begründet, kraft dessen die
Partei, die den Gegenstand erhält, schon deshalb der andern einen Ersatz in
natura oder Geld zu leisten hätte. Eine solche Teilung nach dem Geldwert im
Verhältnis der Stärke der beiden Teilgenossenschaften wird allerdings
regelmässig da dem Zwecke des Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV entsprechen, wo es sich um die
Auseinandersetzung über Vermögensstücke handelt, die für die Verfolgung der
Ziele der alten einheitlichen Gemeinschaft lediglich durch ihren Kapitalwert
oder ihre geldwerten Erträgnisse in Betracht kamen (das Finanzvermögen).
Anders verhält es sich für Objekte, die der Befriedigung der Bedürfnisse des
alten Verbandes nicht durch einen solchen Ertrag oder Geldwert, sondern durch
den unmittelbaren Gebrauch für die Zwecke des Kultus dienten und die
andererseits wegen dieser Eigenschaft, als Bestandteil eines öffentlichen
Zweckvermögens, jenem bestimmungsgemässen Gebrauche nicht entfremdet werden
dürfen, sondern auch nach der Spaltung der bisherigen Eigentümerin in zwei
selbständige Genossenschaften erhalten bleiben müssen, wie es für die
Kirchengebäude der staatlich anerkannten Kirch- (Pfarr-)gemeinden nach
solothurnischem Rechte zutrifft (vgl. den Entscheid des solothurnischen
Regierungsrates vom 28. Dezember 1896 im Teilungsstreite zwischen der
christkatholischen und der römisch-katholischen Kirchgemeinde Olten S. 38).
Gleichwie ein solches Objekt infolgedessen für die Teilgenossenschaft, der es
zugewiesen wird, nur durch seinen bestimmungsgemässen Gebrauch zu
Kultuszwecken und nicht durch einen wegen der Unzulässigkeit der Veräusserung
für eine andere Verwendung nicht realisierbaren Kapitalwert in Betracht kommt,
so kann auch das Ziel der durch Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV geforderten
Auseinandersetzung hier nur dahingehen, dass die andere Teilgenossenschaft
auch nach dieser Richtung ebenfalls in die Lage versetzt wird, ihre religiösen
Bedürfnisse in gleicher Weise zu befriedigen und dass nicht durch die Art der
Ausscheidung

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ein Zustand geschaffen wird, der den in Art. 50 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV erwähnten Interessen
zuwider wäre. Befindet sich in der Vermögensmasse der alten einheitlichen
Gemeinschaft nur ein Objekt der betreffenden Art, wie es hier der Fall ist
(die in den Verhandlungen des Kantonsrates von 1895 erwähnte, inzwischen wegen
Baufälligkeit unbenützbar gewordene Kollegiumskirche gilt heute noch als
Eigentum der Einwohnergemeinde Solothurn und fällt infolgedessen für die
heutige Auseinandersetzung unter den Parteien ausser Betracht), und kommt die
Anordnung gemeinsamen (Simultan-) Gebrauchs an dem Objekte aus irgendwelchen
Gründen (dahingehender Verständigung zwischen den Parteien oder andern) nicht
in Frage, so kann demnach die Lösung nicht etwa darin bestehen, dass derjenige
Teil, dem die Sache bei der Auseinandersetzung zufällt, angehalten wird, dem
anderen eine dessen Stärke entsprechende Quote eines nach den
Erstellungskosten oder andern Kriterien bestimmten, in Wirklichkeit nicht
vorhandenen und fiktiven Verkehrswertes der Sache in Geld herauszugeben.
Vielmehr wird einfach dafür Sorge zu tragen sein, dass auch der andere Teil
sich ein entsprechendes, seinen Bedürfnissen genügendes und würdiges
Ersatzobjekt beschaffen kann, was sich praktisch in der Verurteilung
desjenigen Teiles, der das zur Teilungsmasse gehörende Objekt erhält, zu einem
angemessenen Beitrag an die Kosten des Erwerbes des Ersatzobjektes und seiner
allenfalls nötigen Instandstellung äussern wird. Darüber hinaus wird eine
weitere Leistung unter Umständen dann sich rechtfertigen, wenn wegen
besonderer, über die blosse praktische Eignung zum bestimmungsgemässen
Gebrauche hinausgehender Eigenschaften des zur Teilungsmasse gehörenden
Objektes sonst eine die Billigkeit verletzende, in der anderen Partei
berechtigte Misstimmung hervorrufende Situation entstehen müsste. Auf diese
massgebenden Grundsätze hat das Bundesgericht übrigens schon in seinem
früheren Urteile zwischen den heutigen Parteien vom 10. Juli

Seite: 432
1920 hingewiesen, indem es ausführte: auch wenn nicht mehr die Zuteilung des
Objektes an die eine oder andere Partei oder das Mitbenützungsrecht beider
daran, sondern nur noch die vorm einen Teil dem anderen allenfalls für die
Überlassung geschuldete Gegenleistung in Frage stehe, könne es nicht genügen,
festzustellen, dass beide Korporationen grundsätzlich im Verhältnis ihrer
Stärke am Vermögen der alten einheitlichen Genossenschaft anteilsberechtigt
seien, um alsdann dem auf die Mitbenutzung verzichtenden Teile eine
entsprechende Quote des «Wertes» des Objektes in Geld zuzusprechen. Es müsse
der Eigenschaft des Guts als eines einer bestimmten Zweckbestimmung gewidmeten
Rechnung getragen und ferner beachtet werden, dass auch die durch Art. 50 Abs.
3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV grundsätzlich geforderte Auseinandersetzung zwischen den beiden
Genossenschaften keine voraussetzungslose sei, sondern dem Ziele dienen solle,
ihnen die Verfolgung ihrer religiösen Zwecke zu ermöglichen, und auf dieser
Grundlage die Lösung gesucht werden, die den Verhältnissen und dem Sinn und
Geist der BV gerecht werde.
Die vom Regierungsrat getroffene Lösung, die von einem nach den
Erstellungskosten bestimmten Bauwert der Kirche ausgeht, davon die Kosten der
notwendigen Renovation und gewisse weitere Beträge für mit dem Eigentum an dem
Gebäude sonst verbundene Lasten und Beschränkungen abzieht und von dem so
gefundenen Nettowert alsdann der Klägerin eine ihrer Stärke im Verhältnis zu
derjenigen der Beklagten entsprechende Quote in Geld zuscheidet, ohne auf die
oben erwähnten, für die Auseinandersetzung massgebenden anderen Gesichtspunkte
Rücksicht zu nehmen, ist daher schon aus diesen Gründen nicht haltbar, so dass
zu den Einzelheiten der fraglichen Berechnung und den von beiden Teilen unter
der Voraussetzung ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit gegen sie erhobenen
Einwendungen nicht Stellung genommen zu werden braucht. In den Fällen, in
denen es im Kanton Solothurn bisher infolge Glaubensspaltung zur Übernahme der

Seite: 433
einzigen Pfarrkirche des Ortes durch eine Teilgenossenschaft allein kam, ist
denn auch die Auseinandersetzung die allerdings jeweilen durch gütliche
Verständigung, nicht durch behördlichen Entscheid erfolgte, keineswegs auf
dieser Grundlage vorgenommen worden. In Olten bezahlte die christkatholische
Kirchgemeinde im September 1900 für die Überlassung des Alleineigentums an der
Pfarrkirche, deren Erstellungswert nach den damaligen Preisen 250000 - 300000
Fr. (heute etwa 500000 Fr.) betrug, an die römisch-katholische Kirchgemeinde,
der ungefähr 2/7 der damaligen katholischen Bevölkerung von Olten angehörten,
nicht etwa 2/7 von 250000 oder 300000 Fr., sondern nur 25000 Fr. In der
Gemeinde Starrkirch, wo nach einem Entscheide des Regierungsrates die amtlich
auf 40,000 Fr. geschätzte Pfarrkirche zu 7/13 Eigentum der
römisch-katholischen und zu 6/13 Eigentum der christkatholischen Kirchgemeinde
war, wurde die römisch-katholische Kirchgemeinde für ihre Ansprüche an der
Kirche mit 4600 Fr. abgefunden. Über die Auseinandersetzung in Trimbach
bemerkt der von der Klägerin eingelegte Bericht, dass ebenfalls nicht der
Bauwert der Kirche zugrunde gelegt, sondern der Streit «nach praktischen
Gesichtspunkten» erledigt werden sei (klägerische Beilagen 58, 61 und 56). Nur
nebenbei mag bemerkt werden, dass es auch bei Anwendung der vom Regierungsrat
gewählten Berechnungsart jedenfalls nicht anginge, der Abfindung einfach das
alte Stärkeverhältnis der Parteien von 1884 (3/7 ZU 4/7) zugrunde zu legen,
nachdem dieses Verhältnis sich seither in wesentlichem Masse zugunsten der
Beklagten verschoben hat und es sich dabei zweifellos um einen dauernden
Zustand handelt, der sich aller Voraussicht nach nicht mehr zugunsten der
Klägerin ändern wird. Dass eine solche Verschiebung in nicht unerheblichem
Umfang eingetreten ist, selbst wenn man für die Bestimmung der beidseitigen
Stärke auf die Zahl der stimmberechtigten Mitglieder, nicht der Seelen jeder
Gemeinde abstellt, leugnet auch die Klägerin nicht: (die

Seite: 434
beiden eben erwähnten Methoden sind im übrigen an sich zulässig; nachdem der
Regierungsrat sich grundsätzlich für die erste entschieden hat, müsste es
deshalb insoweit hiebei sein Bewenden haben, BGE 20 S. 766 Erw. 6). Der
Umstand, dass im Jahre 1884 die Ausscheidung des Finanzvermögens, weil diese
Entwicklung nicht vorausgesehen werden konnte, unbewusst auf einer durch den
späteren Verlauf nicht mehr voll gerechtfertigten Grundlage vorgenommen worden
ist, kann nicht dazu führen, an dem nämlichen Verteilungsschlüssel auch bei
einer späteren Teilung damals zurückgestellter Objekte festzuhalten. Der
Beklagten kann auch nicht, wie die Klägerin es versucht, entgegengehalten
werden, dass sie sich dieser Behandlung deshalb unterziehen müsse, weil sie
durch ihr Verhalten eine frühere Auseinandersetzung verzögert habe. Wenn im
Jahre 1884 die St. Ursenkirche aus der Teilungsmasse ausgeschieden und die
Auseinandersetzung inbezug darauf bis zum Eigentumsverzicht der
Einwohnergemeinde zurückgestellt wurde, so geschah dies auf den Antrag der
Klägerin. Auch nachdem die von der Beklagten seit langem immer wieder
angestrebte Abkurung mit der Einwohnergemeinde endlich im Jahre 1916 erfolgt
war, hatte es die Klägerin mit der Verfolgung ihrer Ansprüche nicht eilig (die
erste vom Bundesgericht durch Nichteintreten erledigte Klage ist im Jahre
1919, die dem heutigen Verfahren zugrunde liegende beim Regierungsrat im Jahre
1923 eingereicht worden).
7.- Für die Auseinandersetzung auf der oben umschriebenen allein zutreffenden
Grundlage aber kommt in Betracht, dass auch die Klägerin zugestandenermassen
ein ihren praktischen Bedürfnissen entsprechendes Kultusgebäude in der ihr vom
Staate überlassenen Franziskanerkirche bereits besitzt und es infolge des
Entgegenkommens des Staates Solothurn zu einem sehr niedrigen Preise hat
erwerben können. Aus den oben wiedergegebenen Verhandlungen des
solothurnischen Kantonsrates geht hervor, dass die Überlassung zu diesen
äusserst günstigen

Seite: 435
Bedingungen mit zu dem Zwecke erfolgt ist, die Auseinandersetzung zwischen den
beiden heutigen Parteien zu erleichtern und Anstände zwischen ihnen wegen der
Mitbenützung von Kirchengebäuden zu verhüten, der Staat also damit ein Opfer
vor allem auch zu dem in Art. 50 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV erwähnten Zwecke der Wahrung des
religiösen Friedens bringen wollte. Unter diesen Umständen würde es aber dem
Willen des Schenkers und der Billigkeit, auf der Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV beruht,
widersprechen, wenn man die fragliche Zuwendung, wie es im angefochtenen
Entscheide des Regierungsrates geschieht, bei Erledigung des vorliegenden
Streites einfach ignorieren und die Sache so behandeln wollte, als ob die
Klägerin ein Kultusgebäude für ihre Zwecke erst noch zu erwerben hätte,
lediglich weil die Franziskanerkirche nicht zum Vermögen der früheren
ungeteilten Pfarrei Solothurn gehörte. Es handelt sich dabei keineswegs darum,
sie in die zwischen den Parteien zu teilende Vermögensmasse einzubeziehen,
sondern ausschliesslich um die Berücksichtigung der Tatsache, dass die
Klägerin einer Abfindung in Geld für den Erwerb eines Ersatzobjektes an Stelle
des ihr entgehenden, zur Teilungsmasse gehörenden Objektes nicht mehr bedarf,
weil sie jenes Ersatzobjekt in der Franziskanerkirche bereits besitzt. Der
Gedanke einer angemessenen Ausstattung beider Teilgenossenschaften mit den für
die Verfolgung ihrer religiösen Zwecke erforderlichen materiellen Mitteln, wie
er neben der allgemeinen sonstigen Rücksicht auf die Wahrung des religiösen
Friedens dem Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV zugrunde liegt, vermöchte demnach eine
Geldleistung an die Klägerin für den Übergang der St. Ursenkirche in das
alleinige Eigentum der Beklagten nur zu begründen, wenn die Klägerin entweder
für den Erwerb ihrer Kirche mehr hätte zahlen müssen als die Beklagte oder für
eine richtige, den Bedürfnissen entsprechende und würdige Instandstellung

Seite: 436
ihrer Kirche grössere Auslagen hätte als jene.
a) Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, dass von Erwerbskosten der Beklagten
deshalb nicht gesprochen werden könne, weil die von der Beklagten an die
Einwohnergemeinde für deren Verzicht auf ihren Eigentumsanspruch bezahlten
60000 Fr. lediglich eine Rückerstattung der Auslagen bildeten, die die
Einwohnergemeinde seit der Glaubensspaltung (1877) für Renovation der St.
Ursenkirche und Brandversicherungsprämien gemacht gehabt habe. Denn dasselbe
lässt sich auch von den 7100 Fr. sagen, die die Klägerin nach Abzug des im
Kaufpreis von 20000 Fr. inbegriffenen Schatzungswertes des mitabgetretenen
Inventars und der Orgel an den Staat für die Überlassung der
Franziskanerkirche bezahlt hat. Wie die Einwohnergemeinde bezüglich der St.
Ursenkirche bis 1916, so hatte auch der Staat für die Franziskanerkirche von
1877-1895 den Unterhalt bestritten und dafür 19492 Fr. ausgegeben, während er
von der Klägerin in dem gleichen Zeitraum an Mietzinsen nur 2400 Fr. einnahm.
Der von der Klägerin an den Staat entrichtete «Kaufpreis» lässt sich demnach
ebensogut als eine blosse Rückerstattung von Unterhaltsauslagen auffassen, wie
die Zahlung der Beklagten an die Einwohnergemeinde als Kaufpreis. Zudem kann
es hier, wo es sich um eine nach Billigkeit vorzunehmende
Vermögensausscheidung handelt, wie in allen anderen Punkten entscheidend nicht
auf die zivilrechtliche Natur des Verhältnisses, sondern einzig darauf
ankommen, dass beide Parteien, um in das alleinige Eigentum ihrer Kirche zu
kommen, gewisse Beträge an Dritte zu entrichten hatten, die Klägerin an den
Staat Solothurn, die Beklagte an die Einwohnergemeinde, damit diese den bisher
von ihr erhobenen Eigentumsanspruch fallen lasse. Zu beachten ist dabei
immerhin, dass auch die letztere Zahlung für die Beklagte nicht eine reine
Auslage war, sondern sie dafür andererseits von der Einwohnergemeinde den auf
7000 Fr. angewachsenen Orgelfonds ausgehändigt erhielt.

Seite: 437
Stellt man die Erwerbskosten der Klägerin von 7100 Fr. denjenigen der
Beklagten von 53000 Fr. (60000-7000) gegenüber, so ergibt sich aber ohne
weiteres, dass die Beklagte für jenen Zweck verhältnismässig mehr hat
aufwenden müssen als die Klägerin für den Erwerb ihrer Kirche. Während die
entsprechenden Ausgaben beider Gemeinden zusammen rund 60000 Fr. ausmachen,
wovon auf die Klägerin nach dem früheren, vom Regierungsrat zugrunde gelegten
Verhältnisse der stimmberechtigten Mitglieder (3/7 ZU 4/7) 25000 Fr., nach der
heutigen bezüglichen Relation (1/3 zu 2/3) 20000 Fr. und nach dem von der
Beklagten behaupteten gegenwärtigen Verhältnis der Seelenzahlen (1/7 zu 6/7)
immer noch 8500 Fr. entfallen würden, hat die Klägerin tatsächlich nur 7100
Fr. gegenüber einer Aufwendung der Beklagten von 53000 Fr. bezahlt.
b) Nicht anders verhält es sich mit den Instandstellungs-(Renovations-)kosten.
Als die St. Ursenkirche im Jahre 1916 der Beklagten zu alleinigem Eigentum
zugeschieden wurde, befand sie sich anerkanntermassen in einem baufälligen
Zustande, der eine Hauptrenovation nötig machte. Es ist unbestritten, dass die
Beklagte, welche bereits im Jahre 1895 eine neue Orgel für 50000 Fr.
angeschafft hatte, in den Jahren 1916-1926 für solche Renovationsarbeiten
653297 Fr. ausgelegt hat und dass die wegen fehlender Mittel vorläufig
eingestellte Vollendung der Renovation nochmals rund 400000 Fr. erfordern
wird. Auch die Klägerin behauptet nicht, dass die Beklagte dabei mehr aufwende
oder schon aufgewendet habe, als zu einer angemessenen, dem Kunstwert des
Gebäudes entsprechenden Instandstellung gehört. Ob ein Teil dieser Kosten sich
vielleicht hätte vermeiden lassen, wenn der Unterhalt in der Zeit von
1877-1916 ein vollständigerer und sorgfältigerer gewesen wäre, ist
unerheblich. Wenn die Beklagte auch in dieser Zeit trotz der
Eigentumsansprüche der Einwohnergemeinde die Kirche für ihre Zwecke benützte,
so befand sie sich doch deswegen nicht in der Stellung einer privatrechtlichen
Nutzniesserin,

Seite: 438
der in dieser Eigenschaft die Unterhaltspflicht obgelegen hätte, so dass eine
Vernachlässigung derselben ihr zur Last fiele und der Klägerin nicht zum
Nachteil gereichen dürfte. Vielmehr handelte es sich dabei, wie in Erwägung 2
ausgeführt, von Anfang an um öffentliches Zweckvermögen, das von der
Einwohnergemeinde, auch wenn sie die Verwaltung daran hatte, für seinen
bestimmungsgemässen Zweck als Kultusgebäude der katholischen Ortsbevölkerung
zur Verfügung zu stellen war. Als nach der Glaubensspaltung aus der rechtlich
unselbständigen katholischen Pfarrei sich Kirchgemeinden mit eigener
Rechtspersönlichkeit bildeten, hätte es der Natur der Sache entsprochen, dass
die Einwohnergemeinde die Kirche diesen Gemeinden herausgegeben hätte. Die
Einwohnergemeinde weigerte sich aber vorerst, bis zum Jahre 1916 diese
Ausscheidung zu vollziehen, anerkannte bis zu dieser Zeit andererseits auch
ihre Unterhaltspflicht, wie sie den Unterhalt tatsächlich, wenn schon in
ungenügendem Masse besorgte, und stützte ihre Eigentumsansprache gerade
darauf, dass sie von jeher das Gebäude verwaltet und die Unterhaltskosten
bestritten habe. Vor der Ausscheidung von 1916 stand demnach der Beklagten
lediglich das Recht zu, die Kirche als Kultusstätte zu benützen, nicht
dasjenige, bezüglich des Unterhaltes Anordnungen zu treffen. Sie kann folglich
auch für Unterlassungen, die in dieser Beziehung vor dem Jahre 1916 begangen
wurden, nicht verantwortlich gemacht werden.
Wenn andererseits die Klägerin im Laufe der Jahre an der ihr zugefallenen
Franziskanerkirche ebenfalls gewisse Renovationsarbeiten durchgeführt hat und
hat vornehmen müssen, so erreichten sie doch, auch verhältnismässig
gesprochen, bei weitem nicht den Umfang der von der Beklagten an der St.
Ursenkirche durchgeführten Teilrenovation. Nach den eigenen Angaben der
Klägerin handelt es sich dabei um eine Summe von insgesamt 56824 Fr. 85 Cts.,
nämlich im Jahre 1899 für innere Renovation 2671 Fr. 55 Cts., 1902 für die
Heizungseinrichtung

Seite: 439
8340 Fr. 75 Cts., 1908 für die elektrische Beleuchtung 790 Fr. 90 Cts., 1915
für eine neue Orgel 14175 Fr. 05 Cts., 1922 für Erneuerung der Fassade 12208
Fr. 60 Cts. und 1926-27 für Neueindeckung des Daches 18840 Fr. Vergleicht man
diesen Betrag mit demjenigen, den die Beklagte heute bereits an
Renovationskosten, einschliesslich der Erstellung einer neuen Orgel hat
aufwenden müssen, nämlich 703297 Fr., so erhellt wiederum, dass die Beklagte
auch in dieser Hinsicht nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zu ihrer
Stärke weit grössere Ausgaben hatte als die Klägerin.
Die Klägerin wendet nun freilich ein, dass auch heute ihre Kirche noch weitere
Opfer fordere, wenn sie den Vergleich mit den andern Kirchen der Stadt
aushalten solle; insbesondere lasse die Bestuhlung, Beheizung, innere
Ausstattung und das Geläute zu wünschen übrig. Über die Kosten dieser
Massnahmen spricht sich die Klägerin in den Eingaben selbst nicht aus. Dagegen
hat sie eine vom 5. Mai 1924 datierte «approximative Kostenberechnung für die
Renovation und den Umbau der Franziskanerkirche» eingelegt (kläg. Beleg 68 a),
die folgende Posten enthält:
A. Umbau und Renovation der Kirche:
1. Maurerarbeiten Fr. 72000.-
2. Dachdeckerarbeiten Fr. 22600.-
3. Zimmer- und Schreinerarbeiten Fr. 44000.-
4. Gipser- und Malerarbeiten Fr. 41600.-
5. Heizung und Beleuchtung Fr. 23500.-
6. Verschiedenes u. Unvorhergesehenes Fr. 20000.-
B. Anbau einer Sakristei Fr. 26000.-
C. Bau eines Glockenturmes Fr. 155000.-
D. Bauleitung und Verschiedenes Fr. 20300.-
Fr. 425000.-
Hievon sind inzwischen die Dachdeckerarbeiten bereits ausgeführt worden (für
18840 Fr. statt der eingestellten 22600 Fr.) und oben schon berücksichtigt. Es
würden daher noch rund 400000 Fr. bleiben. Die Beklagte

Seite: 440
bestreitet unter näherer Begründung, dass diese Arbeiten für eine richtige und
zweckmässige Instandstellung der Kirche nötig seien und die Klägerin weist
nicht nach, dass sie, obgleich schon seit 50 Jahren im Besitze der Kirche, je
an die Ausführung dieser grossen Umbauten gedacht oder sie (z. B. durch
Anlegung eines Fonds) vorbereitet habe. Sie erklärt auch nirgends, dass sie
dieselben bei Zusprechung einer Abfindungssumme ausführen werde. Doch kann von
der Überprüfung des von ihr eingelegten Voranschlages durch eine Expertise
Umgang genommen werden. Denn selbst wenn man von der durch sie angegebenen
Summe ausgeht, kommt man noch immer nicht zu einem Mehr an Ausgaben, das die
Klägerin verhältnismässig im Vergleich zur Beklagten auf sich zu nehmen hätte,
um das ihr zugekommene Objekt in einen würdigen, seinem Zwecke entsprechenden
Zustand zu setzen. Bei Auslagen der Beklagten für die schon ausgeführten und
noch auszuführenden Renovationsarbeiten von 1103300 Fr. (703300 plus 400000)
und der Klägerin von 456800 Fr. (56800 plus 400000) würde sich ein Total der
Auslagen beider Parteien von 1560000 Fr. ergeben. Verteilt man dieses Total
nach der Stärke der beiden Gemeinden, so würden aber, wenn man von einem
Verhältnis von 3/7: 4/7 ausgeht, selbst Auslagen der Klägerin von 668600 Fr.
und wenn man von der heutigen, von der Klägerin behaupteten Relation der
stimmberechtigten Mitglieder von 1/3: 2/3 ausgeht, solche von 520000 Fr. noch
nicht über dasjenige hinausgehen, was die Beklagte für den gleichen Zweck
ausgelegt und noch auszulegen haben wird.
8.- Käme für die Entscheidung lediglich der Gesichtspunkt einer gleichmässigen
Ausstattung der beiden Gemeinden mit denjenigen materiellen Mitteln in
Betracht, deren sie für die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer
Mitglieder bedürfen, so liesse sich daher eine weitere Zuweisung an die
Klägerin aus der gemeinsamen Vermögensmasse, als sie dieselbe bereits in den
Jahren 1884,

Seite: 441
1904 und 1906 bei der Teilung des Finanzvermögens, des Choraulen- und
Thüringerfonds erhalten hat, nicht mehr rechtfertigen. Das Gebäude, das in das
alleinige Eigentum der Beklagten übergeht, die St. Ursenkirche ist indessen
weit mehr als eine gewöhnliche Kultusstätte, wie sie gemeinhin vorhanden und
für die Zwecke des Gottesdienstes nötig ist. Es handelt sich dabei um ein
Baudenkmal von hervorragendem geschichtlichem und künstlerischem Werte, eine
der schönsten Kathedralen der Schweiz. Wenn dieser Kunstwert wegen der
allgemeinem Zugänglichkeit des Objektes nicht bloss der Beklagten, sondern
zugleich der Allgemeinheit zugutekommt und auch die Mitglieder der
klägerischen Gemeinschaft insofern daran den Mitgenuss behalten, so zieht doch
die Beklagte daraus in hohem Masse für sich besondere Vorteile. Es wird
dadurch ihrem Kultus ein erhöhter Glanz und eine erhöhte Weihe und der
beklagten Kirchgemeinde als Eigentümerin dieses Kunstwerkes ein vermehrtes
Ansehen verliehen, das der Besitz einer alten Klosterkirche, wie es die
Franziskanerkirche ist, auch bei noch so weitgehendem Ausbau der Klägerin nie
wird zu verschaffen vermögen. Diese Momente müssen neben dem Gesichtspunkte
einer die praktische Erfüllung der religiösen Bedürfnisse jeder Gemeinde
sicherstellenden ökonomischen Ausstattung berücksichtigt werden, wenn es sich
darum handelt, eine den Grundgedanken des Art. 50 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV gerecht werdende
Lösung des Verhältnisses zu treffen. Es würde das Billigkeitsgefühl verletzen
und müsste bei der Klägerin das den religiösen Frieden, künftige gute
Einvernehmen zwischen den beiden Gemeinschaften störende Empfinden einer
unbegründeten Zurücksetzung erwecken, wenn die Beklagte sich in den
ausschliesslichen Besitz jener ideellen Werte setzen könnte, ohne dafür ein
gewisses Äquivalent zu leisten. Demgegenüber kann nicht etwa eingewendet
werden, dass für die Beklagte mit dem Besitze dieser Werte andererseits wegen
der hohen Renovations- und Unterhaltskosten entsprechende Opfer verbunden
seien,

Seite: 442
weil sie für diese Opfer in weitem Masse den Ersatz in den besprochenen
aussergewöhnlichen Eigenschaften des Gebäudes findet, das ihr zufällt. Da ein
anderer Ausgleich zu Gunsten der Klägerin nach der Sachlage nicht möglich ist,
bleibt nur die Lösung, der sonst entstehenden ungleichen Behandlung durch eine
Geldleistung, die damit gewissermassen die Funktionen einer Genugtuung
übernimmt, Rechnung zu tragen. Damit, dass die Ausgleichung idealer, nicht
materieller Momente in Frage steht, ist zugleich gesagt, dass es sich nicht um
die Zusprechung einer hohen Summe, sondern mehr nur um die Wahrung des
Grundsatzes handeln kann, dass auch in Geld nichtabschätzbare Vorteile der
erwähnten Art, welche der Übergang eines zur Teilungsmasse gehörenden Objektes
an eine Partei dieser vermittelt, nicht ohne eine gewisse Kompensation bleiben
sollen. Wenn das Bundesgericht unter Würdigung aller Umstände den zu
entrichtenden Betrag auf 25000 Fr., Wert heute, festsetzt, so trägt es damit
der oben hervorgehobenen, bereits vom Regierungsrat berücksichtigten und von
der Klägerin anerkannten Tatsache Rechnung, dass die St. Ursenkirche auch nach
ihrem Übergang in das formelle Alleineigentum der Beklagten doch in ihrer
Bedeutung als Kunstdenkmal in weitem Umfang der Allgemeinheit erhalten bleibt
und die Beklagte infolgedessen die mit deren Besitz verbundenen finanziellen
Lasten nicht nur im eigenen Interesse, sondern zugleich für jene trägt. Es ist
dabei ferner in Betracht gezogen, dass im Jahre 1884 die Teilung des
Finanzvermögens nach einem für die Klägerin günstigeren Masstab erfolgt ist,
als es gerechtfertigt gewesen wäre, wenn die künftige Entwicklung der Stärke
der beiden Gemeinden damals schon hätte vorausgesehen werden können. Auch hier
kann immerhin nur eine billige Mitberücksichtigung dieses Umstandes, nicht
eine zahlenmässige Ausrechnung in Frage kommen, weil es sich beider fraglichen
Teilung und der Abfindung, die heute noch in Frage steht, um ihrer Natur nach
nicht kommensurable

Seite: 443
Grössen handelt, die sich infolgedessen nicht in eine feste Beziehung
zueinander bringen lassen. Die Beklagte selbst war denn auch offenbar noch bei
den Verhandlungen der Jahre 1913-1916, zu einer Zeit, als eine erhebliche
Verschiebung in den Stärkeverhältnissen bereits bekannt war, der Auffassung,
dass der Klägerin trotzdem zum wenigsten aus dem oben erwähnten Gesichtspunkte
noch etwas gebühre, wie das gemachte Abfindungsangebot von 20000 Fr. zeigt,
wenn schon von einer verbindlichen Anerkennung der Auskaufspflicht aus den in
Erwägung 4 dargelegten Gründen nicht gesprochen werden kann. Wenn man damals
von der Voraussetzung wesentlich geringerer Renovationskosten ausging, als sie
sich dann als nötig erwiesen, so ist andererseits seither auch der Geldwert
erheblich gesunken und darf angenommen werden, dass die Beklagte sich damals
zu einer noch grösseren Leistung verstanden hätte, wenn nicht die Einigung an
den Forderungen der Klägerin gescheitert wäre.
Mit der Berechnungsart, von der der Regierungsrat ausgegangen ist, fällt dabei
gleichzeitig der im angefochtenen Entscheid gemachte Vorbehalt eventueller
späterer Neubemessung der Entschädigung dahin. Bei dem Grunde, auf dem die
durch das gegenwärtige Urteil der Klägerin noch zuerkannte Abfindung beruht,
bleibt für einen solchen Vorbehalt kein Raum, ganz abgesehen davon, dass ein
solches mögliches Wiederaufleben des Streites auch dem konfessionellen Frieden
nicht förderlich sein könnte.
9.- Andererseits vermag auch der Übergang des Orgel- und Chorbaufonds an die
Beklagte nicht Anlass zu einer weiteren Entschädigung an die Klägerin zu
geben. Da die Erträgnisse des Chorbaufonds für den Unterhalt des Chores der
St. Ursenkirche verwendet werden müssen, kann dieser Fonds nur dem Eigentümer
der Kirche zufallen: es handelt sich dabei um einen kleinen Beitrag an die
grossen von der Beklagten zu bestreitenden

Seite: 444
Unterhaltskosten. Der Orgelfonds aber ist der Gegenwert für die alte Orgel,
die der Beklagten, wenn sie dieselbe nicht durch eine neue ersetzt hätte, mit
der Kirche zugefallen wäre.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Beschwerde der christkatholischen Kirchgemeinde Solothurn wird
abgewiesen.
2.- Die Beschwerde der römisch-katholischen Kirchgemeinde Solothurn wird
teilweise gutgeheissen und unter Aufhebung des Entscheides des Regierungsrates
des Kantons Solothurn vom 6. August 1928 die von der römisch-katholischen
Kirchgemeinde Solothurn an die christkatholische Kirchgemeinde Solothurn für
die Überlassung der in Dispositiv 1 a und b des Entscheides aufgeführten
Objekte zu zahlende Entschädigung auf 25000 Fr., verzinslich zu 5% seit dem
Tage des bundesgerichtlichen Urteils, herabgesetzt. Der im Dispositiv 1 Abs. 2
des Entscheides gemachte Vorbehalt einer Neubemessung der Entschädigung wird
gestrichen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 I 406
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 20. Dezember 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 I 406
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Spaltung einer (staatlich anerkannten) Religionsgenossenschaft in zwei Verbände aus...


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
50 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
113
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
OG: 52
ZGB: 50
BGE Register
24-I-551 • 24-I-632 • 41-I-11 • 55-I-406
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kirchgemeinde • beklagter • regierungsrat • bundesgericht • eigentum • gemeinde • frage • wert • weiler • geld • eigenschaft • genossenschaft • stimmberechtigter • mass • grundbuch • frieden • abfindungssumme • opfer • zahl • bistum
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