S. 183 / Nr. 29 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 55 I 183

29. Urteil vom 10. Oktober 1929 i. S. E. O. gegen Zürich.

Regeste:
Militärpflichtersatz. Wird bei Ersatzpflichtigen, die bisher zum
Einkommenszuschlag auf Grund des Vorjahrseinkommens herangezogen wurden, eine
Umstellung des Bemessungszeitraums auf das laufende Jahr vorgenommen, so ist
darauf Bedacht zu nehmen, dass eine den wirtschaftlichen Verhältnissen des
Pflichtigen widersprechende, zu hohe Belastung vermieden wird.

A. - Der Rekurrent, der sich nach seinen Angaben seit dem Jahre 1925 in
Italien aufgehalten hatte, war zum Militärpflichtersatz pro 1928 auf Grund
seiner Erwerbsverhältnisse im Jahre 1927 eingeschätzt worden. Er hatte
indessen zu Beginn des Jahres 1928 infolge von Massnahmen der italienischen
Regierung gegenüber in Italien erwerbstätigen Ausländern seine Anstellung
aufgeben müssen. Er machte dies nach Zustellung der Taxation in einem
Schreiben an das schweizerische Konsulat in Genua geltend und wurde daraufhin
zur Entrichtung des ihm auferlegten Ersatzbetrages verhalten mit der
Erklärung, seiner Verdienstlosigkeit werde im folgenden Jahre Rechnung
getragen werden. - Der Rekurrent musste Italien verlassen und kehrte nach
einem Studienaufenthalt in England in die Schweiz zurück. Er fand nach
längeren Bemühungen im Juni oder Juli 1929 eine Anstellung in S. (Kt. Zürich).
B. - In der Schatzungserklärung für die Ersatzanlage des Jahres 1929, die
nicht zu den Akten gegeben worden ist, hat er offenbar keinen Erwerb
deklariert. Er wurde nach Ermessen auf 2000 Fr. taxiert und beschwerte sich

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hierüber unter Berufung auf seine Erwerbslosigkeit seit dem Jahre 1928 und auf
die Zusicherung des schweizerischen Konsulats in Genua, die er im Original
vorlegte.
Die kantonale Rekursinstanz bestätigte die Taxation mit der Begründung, für
die Ersatzanlage der Inlandschweizer sei das Einkommen des laufenden Jahres
massgebend. Den Betrag, auf den die Schätzung laute, werde der Rekurrent im
laufenden Jahre wohl verdienen.
C. - Gegen diesen Entscheid beschwert sich der Rekurrent rechtzeitig. Er
beantragt Rückerstattung des pro 1928 in Mailand entrichteten Ersatzbetrages
oder Aufhebung der Taxation pro 1929. Er macht geltend, die Erhebung eines
Einkommenszuschlags für beide Jahre sei unbillig und widerspreche der
Zusicherung des schweizerischen Konsulats in Genua.
Die Militärdirektion des Kantons Zürich beantragt Abweisung des Rekurses. Sie
wendet ein, die Vorschriften über die Ersatzanlage der Auslandschweizer, nach
denen der Rekurrent im Vorjahre veranlagt worden sei, fänden auf ihn nach
seiner Rückkehr in die Schweiz nicht mehr Anwendung. Die Schatzungserklärung
habe der Rekurrent nicht ausgefüllt und sei deshalb von Amtes wegen taxiert
worden. Eine Auskunftserteilung über seine Erwerbsverhältnisse habe er schon
im Taxationsverfahren und neuerdings auf eine Aufforderung, die an ihn nach
Einreichung des Rekurses an das Bundesgericht ergangen sei, verweigert.
Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde. Die
Rückerstattung des pro 1928 auf Grund rechtskräftiger Einschätzung
entrichteten Ersatzbetrages sei unzulässig. Dass die Einschätzung für das Jahr
1929 nach Massgabe der Erwerbsverhältnisse des Rekurrenten im laufenden Jahre
unzutreffend sei, habe dieser weder behauptet noch zu beweisen versucht.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Das Bundesgesetz über den Militärpflichtersatz

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ordnet die Erhebung eines Zuschlages auf dem Einkommen des Ersatzpflichtigen
an, ohne die Bemessungsgrundlagen in zeitlicher Beziehung festzusetzen. Der
Bundesrat hat diese Lücke des Gesetzes auf dem Verordnungswege auszufüllen
versucht und dabei zwei textlich verschiedene Vorschriften erlassen, die nach
der Auslegung, die sie in der Praxis erhalten haben, auch als inhaltlich
verschieden angesehen werden.
Die allgemeine Vollziehungsverordnung vom 1. Juli 1879 (MStV) setzt in Art. 2
als gleichzeitiges Datum der Ersatzanlage den 1. Mai fest und ordnet an, dass
sich nach diesem Datum «die Berechnung der Steuerfaktoren (Art. 5
SR 322.2 Verordnung vom 24. Oktober 1979 über die Militärstrafrechtspflege (MStV)
MStV Art. 5 Aufgebote - Jede Aufforderung einer zuständigen Dienst- oder Kommandostelle zu einer dienstlichen Tätigkeit gilt für den betroffenen Untersuchungsrichter als Aufgebot.
des
Gesetzes)» richte (Art. 2
SR 322.2 Verordnung vom 24. Oktober 1979 über die Militärstrafrechtspflege (MStV)
MStV Art. 5 Aufgebote - Jede Aufforderung einer zuständigen Dienst- oder Kommandostelle zu einer dienstlichen Tätigkeit gilt für den betroffenen Untersuchungsrichter als Aufgebot.
, Abs. 2 MStV). Die Auslandschweizerverordnung vom 2.
Dezember 1921 (ASV) bestimmt: «Der Zuschlag auf dem Einkommen wird auf dem
mutmasslichen Einkommen des Ersatzjahres erhoben. Als mutmassliches Einkommen
gilt das wirkliche Einkommen des Ersatzpflichtigen in dem der Einschätzung
vorangehenden Kalenderjahr, beziehungsweise Geschäftsjahr. Hatte der
Ersatzpflichtige im Vorjahr kein Einkommen, so wird der Zuschlag auf dem im
Ersatzjahr selbst voraussichtlich zu erwartenden Einkommen berechnet» (Art.
15
SR 831.403.2 Verordnung vom 22. Juni 2011 über die Anlagestiftungen (ASV)
ASV Art. 15 Geschäftsführung und Detailorganisation - (Art. 53k Bst. c BVG)
1    Die Statuten enthalten eine Grundsatzregelung der Aufgaben des Stiftungsrates, einschliesslich der Kontrollaufgabe und seiner Delegationsbefugnisse. Die Regelung zur Detailorganisation konkretisiert die Grundsatzregelung und führt die unübertragbaren Aufgaben des Stiftungsrats auf.
2    Sie regelt die Rechte und Pflichten weiterer mit der Geschäftsführung betrauter Personen und deren Kontrolle.
3    Die Regelung zur Detailorganisation muss den Verhältnissen der Stiftung angemessen sein.
, Abs. 3 ASV). Die Auslandschweizerverordnung erklärt somit das Einkommen
des laufenden Jahres als Objekt des Einkommenszuschlages und als
Bemessungsgrundlage grundsätzlich, unter Vorbehalt der im letzten Satze
aufgestellten Ausnahme, das wirkliche Einkommen des Vorjahres. Sie gibt damit,
in Anlehnung an neuere Regelungen für die allgemeine staatliche
Einkommensbesteuerung, eine dem Einkommensbegriff angepasste zeitliche
Abgrenzung.
Demgegenüber ist die in Art. 2
SR 322.2 Verordnung vom 24. Oktober 1979 über die Militärstrafrechtspflege (MStV)
MStV Art. 5 Aufgebote - Jede Aufforderung einer zuständigen Dienst- oder Kommandostelle zu einer dienstlichen Tätigkeit gilt für den betroffenen Untersuchungsrichter als Aufgebot.
MStV getroffene Regelung, die als
Bemessungsgrundlage einen Zeitpunkt bezeichnet, in Beziehung auf das Einkommen
unklar. Denn das Einkommen umfasst begrifflich die einem Subjekt während eines
Zeitraumes zugeflossenen Einkünfte. Wenn demnach die MStV den 1. Mai für die
Einkommensveranlagung

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massgebend erklärt, so muss der damit umschriebene Zeitraum durch Auslegung
ermittelt werden. Es kann darunter das laufende Jahr verstanden werden, wobei,
da die Ersatzanlage im ersten Halbjahr vorzunehmen ist, nicht das wirkliche,
sondern nur das mutmassliche Einkommen in Betracht fallen könnte. Andere
Lösungen wären Veranlagungen auf Grund von Feststellungen über den wirklichen
Erwerb in einer mit dem 1. Mai auslaufenden Periode, z. B. der Zeit vom 1.
Januar bis 1. Mai des Ersatzjahres oder einer mit dem 1. Mai abschliessenden
vollen Jahresperiode. Schliesslich wäre damit eine Regelung im Sinne der in
der ASV getroffenen Ordnung nicht schlechtweg unvereinbar. Die für einen
Spezialfall getroffene neuere Ordnung hätte als Interpretation der in der
alten allgemeinen Verordnung enthaltenen, inhaltlich unklaren Vorschrift zu
gelten.
2.- Welche dieser und anderer denkbarer Modalitäten als die zutreffende
anzusehen ist, kann für die Beurteilung des vorliegenden Falles dahingestellt
bleiben. Als grundsätzlicher Gesichtspunkt ist in allen Fällen festzuhalten,
dass gegenüber einem Ersatzpflichtigen, der bereits für frühere Jahre
veranlagt wurde, bei gleichbleibenden tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnissen nacheinander hinsichtlich der massgebenden Periode nicht
verschiedene Regeln angewendet werden dürfen, die zu einer ungerechtfertigten
Belastung desselben führen. Hat demnach ein Ersatzpflichtiger in einem Jahre,
in welchem er kein Einkommen hatte, den Einkommenszuschlag auf Grund seines
Vorjahrseinkommens entrichtet, so ist seiner Erwerbslosigkeit bei der
Ersatzanlage für das folgende Jahr Rechnung zu tragen. Eine abweichende
Behandlung würde dem elementaren Grundsatz der Belastung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechen. Sie würde dem Sinne des
Gesetzes nicht gerecht und darf deshalb nicht aus einer wirklich oder
vermeintlich abweichenden Regelung zweier nebeneinander bestehender
Verordnungsvorschriften abgeleitet werden.

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Eine solche Mehrbelastung müsste übrigens auch bei Anwendung von Art. 15
SR 831.403.2 Verordnung vom 22. Juni 2011 über die Anlagestiftungen (ASV)
ASV Art. 15 Geschäftsführung und Detailorganisation - (Art. 53k Bst. c BVG)
1    Die Statuten enthalten eine Grundsatzregelung der Aufgaben des Stiftungsrates, einschliesslich der Kontrollaufgabe und seiner Delegationsbefugnisse. Die Regelung zur Detailorganisation konkretisiert die Grundsatzregelung und führt die unübertragbaren Aufgaben des Stiftungsrats auf.
2    Sie regelt die Rechte und Pflichten weiterer mit der Geschäftsführung betrauter Personen und deren Kontrolle.
3    Die Regelung zur Detailorganisation muss den Verhältnissen der Stiftung angemessen sein.
, Abs.
3 ASV allein vermieden werden. Die Ausnahmevorschrift im letzten Satze dieser
Bestimmung, wonach bei Erwerbslosigkeit im Vorjahr auf das mutmassliche
Einkommen des Ersatzjahres abzustellen ist, kann demnach nur insoweit gelten,
als aus dem hier vorgesehenen Wechsel des Bemessungszeitraums eine der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechende und darum
ungerechtfertigte Mehrbelastung nicht entsteht. Dies wird regelmässig nur
zutreffen bei Ersatzpflichtigen, die bisher überhaupt nicht erwerbstätig waren
und die im ersten Erwerbsjahre für den laufenden Erwerb und im zweiten Jahre
nach Massgabe des Vorjahres (also zweimal auf Grund des nämlichen
Bemessungszeitraums) veranlagt werden.
Wenn sich demnach bei Ersatzpflichtigen, die bisher auf Grund des im Vorjahre
erzielten Erwerbes zur Ersatzleistung herangezogen worden sind und nach einem
erwerbslosen Zeitraum wieder zu Erwerb kommen, aus einer Umstellung der
zeitlichen Bemessungsgrundlagen eine ungerechtfertigte Mehrbelastung ergibt,
so ist diese durch geeignete Massnahmen auszugleichen. Sie können entweder
darin bestehen, dass mit der Veranlagung nach Massgabe des Vorjahrserwerbes
fortgefahren wird, sodass der Pflichtige in dem Jahre, in welchem er wieder zu
Erwerb kommt, mit Rücksicht auf die bisherige Erwerbslosigkeit keinen
Erwerbszuschlag zu entrichten hat, oder darin, dass eine Veranlagung nach
Massgabe des mutmasslichen Erwerbes des laufenden Jahres vorgenommen wird
unter Rückerstattung des im erwerbslosen Vorjahre entrichteten
Erwerbszuschlags.
3.- Der Rekurrent ist im Jahre 1928, in welchem er infolge von
Stellenlosigkeit keinen Erwerb erzielte, auf Grund seiner Erwerbsverhältnisse
im Jahre 1927 veranlagt worden und hat die entsprechende Ersatzleistung
erbracht. Er hat Anspruch darauf, dass dieser Tatsache Rechnung getragen wird
sei es durch Rückerstattung des

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pro 1928 entrichteten Erwerbszuschlags, sei es durch Befreiung von demjenigen
des laufenden Jahres. Die Entscheidung der Vorinstanz, die durch Abweisung des
ihr eingereichten Rekurses die Erwerbstaxationen für 1928 und 1929
nebeneinander bestehen lässt, wird den Verhältnissen nicht gerecht und muss
aus diesem Grunde aufgehoben werden. Allerdings hatte der Rekurrent in der
Vorinstanz nur die Taxation des laufenden Jahres angefochten. Aus den Akten
war aber der Zusammenhang der Einschätzungen für beide Jahre klar ersichtlich
und deshalb von der Vorinstanz von Amtes wegen zu berücksichtigen. Die
Vorinstanz konnte zwar im Hinblick auf die bestehende Praxis die
Erwerbsbesteuerung für das laufende Jahr aufrechterhalten, sie durfte es aber
nur unter der Voraussetzung, dass eine den wirtschaftlichen Verhältnissen des
Ersatzpflichtigen widersprechende Belastung durch diese Verschiebung des
Bemessungszeitraums nicht eintrat, also unter nachträglicher Berichtigung der
Taxation des Vorjahres verbunden mit Rückerstattung oder Verrechnung des
entsprechenden Ersatzbetrages.
Dass die Taxation für 1928 in Rechtskraft erwachsen ist, steht dem nicht
entgegen. Es ist einerseits zu berücksichtigen, dass sich die infolge der
Erwerbstaxation pro 1929 eingetretene Mehrbelastung des Rekurrenten aus einer
gesetzlich nicht gerechtfertigten Unausgeglichenheit des Verordnungsrechts und
der darauf beruhenden Praxis ergeben hat. Sodann war der Rekurrent schon
gegenüber der Taxation pro 1928 vorstellig geworden. Er hat sich nur im Sinne
eines Entgegenkommens zur Vermeidung von Komplikationen und auf die
ausdrückliche Zusicherung hin, seiner Erwerbslosigkeit werde bei der Taxation
für das folgende Jahr Rechnung getragen, zur Entrichtung des pro 1928
veranlagten Ersatzbetrages bereit erklärt und darf nun in seinem Anspruch auf
Vermeidung einer ungerechtfertigten Belastung nicht verkürzt werden. Es ist
Sache der Behörden, den erforderlichen Ausgleich von Amtes wegen
herbeizuführen.

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Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird begründet erklärt. Der Entscheid der Militärdirektion des
Kantons Zürich vom 27. Juni 1929 wird aufgehoben. Die Akten werden an die
Vorinstanz zurückgewiesen zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 I 183
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 10. Oktober 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 I 183
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Militärpflichtersatz. Wird bei Ersatzpflichtigen, die bisher zum Einkommenszuschlag auf Grund des...


Gesetzesregister
ASV: 15
SR 831.403.2 Verordnung vom 22. Juni 2011 über die Anlagestiftungen (ASV)
ASV Art. 15 Geschäftsführung und Detailorganisation - (Art. 53k Bst. c BVG)
1    Die Statuten enthalten eine Grundsatzregelung der Aufgaben des Stiftungsrates, einschliesslich der Kontrollaufgabe und seiner Delegationsbefugnisse. Die Regelung zur Detailorganisation konkretisiert die Grundsatzregelung und führt die unübertragbaren Aufgaben des Stiftungsrats auf.
2    Sie regelt die Rechte und Pflichten weiterer mit der Geschäftsführung betrauter Personen und deren Kontrolle.
3    Die Regelung zur Detailorganisation muss den Verhältnissen der Stiftung angemessen sein.
MStV: 2  5
SR 322.2 Verordnung vom 24. Oktober 1979 über die Militärstrafrechtspflege (MStV)
MStV Art. 5 Aufgebote - Jede Aufforderung einer zuständigen Dienst- oder Kommandostelle zu einer dienstlichen Tätigkeit gilt für den betroffenen Untersuchungsrichter als Aufgebot.
BGE Register
55-I-183
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vorinstanz • italienisch • zusicherung • von amtes wegen • bundesgericht • berechnung • dauer • stichtag • vermächtnisnehmer • entscheid • kommunikation • begründung des entscheids • verhältnis zwischen • einkommen • verhalten • bundesrat • beginn • original • auslandschweizer • erwachsener
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