S. 143 / Nr. 29 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 54 III 143

29. Entscheid vom 16. Mai 1928 i.S. Casaulta.


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Regeste:
Der Vollzug eines Arrestes hat sofort zu erfolgen. Nichtbeachtung dieser
Vorschrift zieht den Hinfall des Arrestes nach sich. Ob ein Arrest verspätet
vollzogen worden sei, ist von Fall zu Fall auf Grund der konkreten Umstände zu
entscheiden.
Die mangelnde Bestimmbarkeit der Höhe einer (im übrigen genau präzisierten)
Forderung hindert deren Verarrestierung nicht.
Im Arrestaufhebungsprozess kann nur untersucht werden, ob im Moment des
Erlasses des Arrestbefehls ein Arrestgrund vorhanden war, während nachträglich
eingetretene Änderungen nicht berücksichtigt werden können.
SchKG Art. 275, 279.
L'exécution du séquestre doit avoir lieu immédiatement. L'inobservation de
cette règle fait tomber le séquestre. La question de savoir si l'exécution est
tardive doit être tranchée dans chaque cas particulier, d'après des
circonstances.
Ne met pas obstacle au séquestre le fait que le montant d'une prétention
(d'ailleurs suffisamment précisée) n'est pas déterminable.
Dans l'action en contestation de séquestre, le juge doit se borner à examiner
s'il existait un cas de séquestre au moment où l'ordonnance de séquestre a été
rendue; il ne saurait tenir compte de modifications survenues dans la suite.
Art. 275 et 279 LP.
Un sequestro dev'essere eseguito immediatamente. L'inosservanza di questo
precetto lo rende caduco. La questione, se l'esecuzione è tardiva, dev'essere
decisa, caso per caso, secondo le circostanze.
Non osta al sequestro l'indeterminabilità di una pretesa, del resto, in caso,
insufficientemente precisata.
Nell'azione in contestazione del caso di sequestro il giudice si limiterà ad
esaminare, se al momento del sequestro esisteva caso legittimo di sequestro:
non terrà conto delle modificazioni successive.
Art. 275 e 279 LEF.

A. - Am 4. Juli 1927 erwirkten die Graubündner Kantonalbank in Chur sowie
Christoffel Cadolla in Disentis gegen Lucas Casaulta in St. Moritz je einen
Arrestbefehl, in denen als Arrestgegenstand «die

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Erbschafts-Liquidationsquote, welche dem Schuldner aus der Erbteilung im
Nachlasse seines Vaters, Ferdinand Casaulta, in Disentis-Disla wohnhaft
gewesen, zufallen sollte» aufgeführt wurde. Der Vollzug dieser beiden
Arrestbefehle erfolgte erst am 17. März 1928, weil die vorgenannte
Erbschaftsquote nicht vorher habe ermittelt werden können.
B. - Hiegegen beschwerte sich der Schuldner bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde, indem er die Aufhebung der beiden Arrestbefehle verlangte,
da deren Vollzug verspätet erfolgt und der fragliche Arrestgegenstand zudem in
den Arrestbefehlen nicht genau präzisiert worden sei.
C. - Mit Entscheid vom 20. April 1928 hat der Kleine Rat des Kantons
Graubünden als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
die Beschwerde abgewiesen.
D. - Hiegegen hat der Beschwerdefahrer am 5. Mai 1925 den Rekurs an das
Bundesgericht erklärt, indem er das bei der Vorinstanz gestellte
Beschwerdebegehren wiederholte.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Aus der Natur des Arrestes als vorsorglicher Verfügung ergibt sich, dass der
Arrestvollzug in der Regel sofort zu erfolgen hat. Es fragt sich nun aber, ob,
wenn der Betreibungsbeamte diese Vorschrift verletzt, der Arrestschuldner
deshalb auf dem Beschwerdeweg die Aufhebung des verspätet vollzogenen Arrestes
verlangen kann. Das muss, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, bejaht
werden. Die Unterlassung eines sofortigen Arrestvollzuges stellt nicht nur
eine Gefährdung der Rechte des Gläubigers dar, sondern sie birgt auch die
Gefahr in sich, dass der Arrestgrund, der zur Zeit des Erlasses des
Arrestbefehles gegeben war, in der Folge, noch bevor der Arrest vollzogen
wird, dahinfällt, z.B. dadurch, dass

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der Schuldner, der keinen festen Wohnsitz hatte, inzwischen einen solchen
begründet, dass der flüchtige Schuldner zurückkehrt, oder dass ein Schuldner,
der im Momente des Erlasses des Arrestbefehles im Ausland wohnte, sich in der
Schweiz niederlässt u.a. Würde man einen verspäteten Arrestvollzug zulassen,
so würde das in derartigen Fällen zu dem nicht zu billigenden Ergebnis führen,
dass ein Schuldner sich eine Verarrestierung gefallen lassen müsste, obwohl im
Momente des Vollzuges gar kein Arrestgrund mehr besteht; denn mit der
Arrestaufhebungsklage vermöchte er sich hiegegen nicht zu wehren, da in diesem
Verfahren nur zu untersuchen ist, ob im Momente des Erlasses des
Arrestbefehles ein Arrestgrund vorhanden war, wahrend nachträglich
eingetretene Änderungen nicht berücksichtigt werden können (vgl. auch JJEGER,
Kommentar zu Art. 279
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 279 - 1 Hat der Gläubiger nicht schon vor der Bewilligung des Arrestes Betreibung eingeleitet oder Klage eingereicht, so muss er dies innert zehn Tagen nach Zustellung der Arresturkunde tun.
1    Hat der Gläubiger nicht schon vor der Bewilligung des Arrestes Betreibung eingeleitet oder Klage eingereicht, so muss er dies innert zehn Tagen nach Zustellung der Arresturkunde tun.
2    Erhebt der Schuldner Rechtsvorschlag, so muss der Gläubiger innert zehn Tagen, nachdem ihm das Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls
3    Hat der Schuldner keinen Rechtsvorschlag erhoben, so muss der Gläubiger innert 20 Tagen, nachdem ihm das Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls zugestellt worden ist, das Fortsetzungsbegehren stellen. Wird der Rechtsvorschlag nachträglich beseitigt, so beginnt die Frist mit der rechtskräftigen Beseitigung des Rechtsvorschlags. Die Betreibung wird, je nach der Person des Schuldners, auf dem Weg der Pfändung oder des Konkurses fortgesetzt.486
4    Hat der Gläubiger seine Forderung ohne vorgängige Betreibung gerichtlich eingeklagt, so muss er die Betreibung innert zehn Tagen nach Eröffnung des Entscheids einleiten.
5    Die Fristen dieses Artikels laufen nicht:
1  während des Einspracheverfahrens und bei Weiterziehung des Einsprachenentscheides;
2  während des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007487 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und bei Weiterziehung des Entscheides über die Vollstreckbarerklärung.488
SchKG Note 5 S 332 und die daselbst angeführten
Entscheide). Diese einem Schuldner nicht zuzumutende Rechtsfolge weist somit
daraufhin, dass die Pflicht zur sofortigen Vornahme des Arrestvollzuges nicht
nur, wie die Vorinstanz glaubt, als blosse Ordnungsvorschrift zu erachten ist,
sondern sich als Gültigkeitserfordernis darstellt, dessen Nichtbeachtung den
Hinfall des Arrestes nach sich zieht. Natürlich will damit nicht gesagt
werden, dass ein Arrestbefehl schon dadurch verwirkt sei, dass er nicht am
gleichen Tage, an dem er erlassen wurde, vollzogen worden war. Geringe
Verzögerungen von einigen Tagen bewirken nicht den Hinfall eines Arrestes
(vgl. auch BGE 36 I S. 157 ff. = Sep.-Ausg. 15 S. 244 ff.). Eine bestimmte,
allgemein gültige Maximalfrist lässt sich hiebei nicht bestimmen, vielmehr ist
von Fall zu Fall auf Grund der konkreten Umstände zu entscheiden, ob ein
Arrest verspätet vollzogen worden war. Auf alle Fälle muss dies hier, wo der
Vollzug erst 3½ Monate nach dem Erlass erfolgte, angenommen werden. Dass
vorliegend deshalb mit dem Vollzug so lange hätte zugewartet werden müssen,
weil die Höhe

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des fraglichen als Arrestobjekt bezeichneten Erbanspruches des Schuldners
nicht früher feststellbar war, trifft nicht zu, da die mangelnde
Bestimmbarkeit der Höhe einer (Im übrigen genau präzisierten) Forderung deren
Verarrestierung nicht hindert.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, und es werden demgemäss die beiden angefochtenen
Arrestbefehle aufgehoben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 54 III 143
Datum : 01. Januar 1927
Publiziert : 16. Mai 1928
Quelle : Bundesgericht
Status : 54 III 143
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Der Vollzug eines Arrestes hat sofort zu erfolgen. Nichtbeachtung dieser Vorschrift zieht den...


Gesetzesregister
SchKG: 279
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 279 - 1 Hat der Gläubiger nicht schon vor der Bewilligung des Arrestes Betreibung eingeleitet oder Klage eingereicht, so muss er dies innert zehn Tagen nach Zustellung der Arresturkunde tun.
1    Hat der Gläubiger nicht schon vor der Bewilligung des Arrestes Betreibung eingeleitet oder Klage eingereicht, so muss er dies innert zehn Tagen nach Zustellung der Arresturkunde tun.
2    Erhebt der Schuldner Rechtsvorschlag, so muss der Gläubiger innert zehn Tagen, nachdem ihm das Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls
3    Hat der Schuldner keinen Rechtsvorschlag erhoben, so muss der Gläubiger innert 20 Tagen, nachdem ihm das Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls zugestellt worden ist, das Fortsetzungsbegehren stellen. Wird der Rechtsvorschlag nachträglich beseitigt, so beginnt die Frist mit der rechtskräftigen Beseitigung des Rechtsvorschlags. Die Betreibung wird, je nach der Person des Schuldners, auf dem Weg der Pfändung oder des Konkurses fortgesetzt.486
4    Hat der Gläubiger seine Forderung ohne vorgängige Betreibung gerichtlich eingeklagt, so muss er die Betreibung innert zehn Tagen nach Eröffnung des Entscheids einleiten.
5    Die Fristen dieses Artikels laufen nicht:
1  während des Einspracheverfahrens und bei Weiterziehung des Einsprachenentscheides;
2  während des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007487 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und bei Weiterziehung des Entscheides über die Vollstreckbarerklärung.488
BGE Register
36-I-157 • 54-III-143
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
arrestbefehl • schuldner • arrestvollzug • arrestgrund • vorinstanz • bestimmbarkeit • arrestgegenstand • weiler • tag • schuldbetreibungs- und konkursrecht • not • betreibungsbeamter • chur • fester wohnsitz • wille • monat • ordnungsvorschrift • kantonalbank • vater • zufall
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