S. 90 / Nr. 18 Erbrecht (d)

BGE 54 II 90

18. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. März 1928 i.S. Lüscher
gegen Lüscher.


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Regeste:
1. Die Begräbniskosten einer Ehefrau gehen grundsätzlich nicht zulasten ihres
Ehemannes, sondern der Erbschaft; nur wenn die Frau nichts hinterlässt, hat
diese Kosten der Ehemann (oder auch andere Unterstützungpflichtige) zu tragen
(Erw. 1).
2. Wer nach den gegebenen Verhältnissen zur Sorge um die Beerdigung des
Erblassers berufen ist, ist befugt, das Erforderliche auch ohne Mitwirkung der
andern Erben anzuordnen; doch kann dafür die Erbschaft nur soweit belastet
werden, als die Auslagen wirklich notwendig waren oder im Rahmen des
Ortsüblichen der gesellschaftlichen Stellung und den Vermögensverhältnissen
des Erblassers und seiner Familienangehörigen entsprechen (Erw. A2).

Aus dem Tatsächlichen:
Der Kläger verlangte gegenüber seinem Sohne, dem einzigen Nachkommen seiner
verstorbenen Ehefrau, dass deren Begräbniskosten (Auslagen für Leichenmahl und
Grabstein) von ihrer Erbschaft übernommen werden; der Sohn aber stellte sich
auf den Standpunkt, diese Kosten seien ausschliesslich vom Kläger als dem
unterstützungspflichtigen Ehemanne der Erblasserin zu tragen.
Aus den Erwägungen:
1.- Die Vorinstanz hat ihre Annahme, dass die Kosten des Begräbnisses einer
Ehefrau nicht aus deren Nachlass, sondern vom Ehemanne zu bestreiten seien,
nicht näher begründet. Sie ist dabei offenbar der Überlegung des Klägers
gefolgt, der diese Verpflichtung des Ehemannes «aus seiner Pflicht gegen die
eheliche Gemeinschaft», also aus Art. 160 ZGB ableiten will,

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wonach der Ehemann für den Unterhalt seiner Frau in gebührender Weise Sorge zu
tragen hat. Die Unterhaltspflicht schliesst jedoch nur die Pflicht in sich,
dem Anspruchsberechtigten das zum standesgemässen Leben Notwendige zu
gewähren; sie erlischt daher mit dem Tode des Berechtigten, wie denn auch das
der Unterhaltspflicht entsprechende Nutzniessungsrecht des Ehemannes am
Vermögen seiner Frau mit deren Tode aufhört. Die Bestattungskosten, die
notwendigerweise erst mit dem Tode der Frau erwachsen, gehören also nicht mehr
zu den Aufwendungen, zu deren Bestreitung der unterhaltspflichtige Ehemann
gehalten ist. Sie sind vielmehr grundsätzlich vom Nachlass der Ehefrau selbst
zu tragen, sofern sie etwas hinterlässt, wie denn auch Art. 474 Abs. 2 ZGB die
Auslagen für das Begräbnis allgemein, ohne für die Erbschaft von Ehefrauen
oder anderen Unterstützungsberechtigten eine Ausnahme vorzusehen, zu den
Schulden des Erblassers rechnet und auch Art. 219 SchKG bei der Aufzählung der
Nachlasskonkursschulden, die vorwegzubezahlen sind, ohne irgendwelche
Einschränkung auch von den Beerdigungskosten spricht. Diese grundsätzliche
Stellungnahme schliesst nicht aus, dass der Ehemann (oder auch andere
Unterstützungspflichtige, wie z.B. die Kinder) dann für die Kosten eines
angemessenen Begräbnisses eines verstorbenen Unterstützungsberechtigten
aufzukommen haben, wenn dieser mittellos gestorben ist. Es verstiesse gegen
die dem Verstorbenen schuldige Ehrerbietung, wollte man ihm, nachdem er bis
zum Tode standesgemässen Unterhalt genossen hat, nur ein notdürftiges
Begräbnis auf Kosten der Öffentlichkeit gewähren. Das ZGB hat allerdings keine
dahingehende Regelung getroffen. Doch muss dies im Sinne von Art. 1 Abs. 2 ZGB
als ungeschriebenes Recht anerkannt werden, wie es schon im gemeinen Recht
gegolten und das deutsche BGB in § 1615 geregelt hat (vgl. DERNBURG, Pandekten
III S. 197 und 295; STAUDINGER-ENGELMANN, Kommentar

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zum deutschen BGB § 1360 Anmerkung 5 c; §-1615, namentlich Anm. 1 b und 2 g).
Wer eine Person, für die er unterstützungspflichtig war, bestatten lässt,
handelt somit als Vertreter ihrer Erbschaft und kann sich aus dem Nachlass
bezahlt machen; nur wenn dies nicht möglich ist, hat er die Auslagen an sich
selbst zu tragen (wobei es hier, da es sich nur um das Verhältnis zwischen der
Erbschaft und den die Beerdigung anordnenden Erben handelt, dahingestellt
bleiben kann, ob sich Dritte zur Bezahlung ihrer Leistungen für das Begräbnis
unmittelbar an den Unterhaltspflichtigen, der das Begräbnis anordnete, halten
können, oder ob sie ihre Forderungen zunächst gegen die Erbschaft und erst im
Falle der Uneinbringlichkeit gegen den Besteller geltend zu machen haben).
2.- Da es sich sodann bei den Begräbniskosten um unvermeidliche Auslagen
handelt, hat jeder Erbe, insbesondere der, der nach den gegebenen
Verhältnissen zur Sorge um die Beerdigung des Erblassers berufen ist, die
Befugnis, das Erforderliche auch ohne Mitwirkung der andern Erben anzuordnen,
ohne dass diese sich der Bezahlung der Begräbniskosten aus dem Nachlass
widersetzen können. Beim Tode einer Ehefrau obliegt es der Regel nach dem
Ehemann, für ein schickliches Begräbnis zu sorgen. Selbst wenn daher der
Kläger den Weisungen des Beklagten hinsichtlich der Bestattung der Erblasserin
nicht zugestimmt oder ihnen sogar widersprochen haben sollte, kann er deren
Bezahlung aus dem Nachlass nicht ablehnen. Doch ist die Belastung der
Erbschaft nur soweit möglich, als die Auslagen wirklich notwendig waren oder
im Rahmen des ortsüblichen der gesellschaftlichen Stellung und den
Vermögensverhältnissen des Erblassers und seiner Angehörigen entsprechen. Für
die Mehrausgaben hat der Anordnende wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag
gemäss Art. 423 Abs. 2 OR selbst aufzukommen...
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 54 II 90
Date : 01. Januar 1927
Published : 09. März 1928
Source : Bundesgericht
Status : 54 II 90
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 1. Die Begräbniskosten einer Ehefrau gehen grundsätzlich nicht zulasten ihres Ehemannes, sondern...


Legislation register
OR: 423
SchKG: 219
ZGB: 1  160  474
BGE-register
54-II-90
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