S. 244 / Nr. 48 Sachenrecht (d)

BGE 54 II 244

48. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 31. Mai 1928 i.S.
Stähelin gegen Meyerhans.

Regeste:
Besitz, Rechtsschutz, Art. 920
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 920 - 1 Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
1    Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
2    Wer eine Sache als Eigentümer besitzt, hat selbständigen, der andere unselbständigen Besitz.
, 930
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 930 - 1 Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
1    Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
2    Für jeden früheren Besitzer besteht die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen ist.
, 931
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 931 - 1 Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
1    Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
2    Besitzt jemand eine bewegliche Sache mit dem Anspruche eines beschränkten dinglichen oder eines persönlichen Rechtes, so wird der Bestand dieses Rechtes vermutet, er kann aber demjenigen gegenüber, von dem er die Sache erhalten hat, diese Vermutung nicht geltend machen.
ZGB: Der Besitzer einer beweglichen
Sache kann die Vermutung seines Eigentums auch demjenigen gegenüber geltend
machen, von welchem er die Sache erhalten hat.

A. - Die Klägerinnen und ihr Sohn bezw. Bruder Adolf Stähelin, welche
Gesamteigentümer der Liegenschaft Papiermühle in Kriens sind, meldeten im
Sommer 1919 beim zuständigen Grundbuchamte die Errichtung von fünf zu 4½%
verzinslichen Inhaberschuldbriefen zu je 4000 Fr. auf ihrer Liegenschaft an
und liessen sie nach erfolgter Errichtung im Frühjahr 1920 dem Beklagten,
einem Schwager des Adolf Stähelin, aushändigen. Als der Beklagte im Herbst
1926 für die seither aufgelaufenen Schuldbriefzinsen im Betrage von 6300 Fr.
gegen die Gesamteigentümer als Solidarschuldner Betreibungen anhob und für die
seit 1922 verfallenen Zinsen im Betrage von 4500 Fr. provisorische
Rechtsöffnung erhielt, verlangten die Klägerinnen mit

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der vorliegenden Klage Aberkennung aus dem Grunde, dass die Schuldbriefe dem
Beklagten nicht an Zahlungsstatt, sondern nur als Pfand übergeben worden
seien.
Alle Instanzen haben die Klage abgewiesen,
das Bundesgericht u.a. aus folgender Erwägung:
2.- Die Klägerinnen haben zunächst in Zweifel gezogen, ob die
Eigentumsvermutung des Besitzers auch dann gelte, wenn wie hier zwischen dem
Vorbesitzer und dem gegenwärtigen Besitzer gerade streitig sei, ob jener
diesem die Sache habe zu Eigentum übertragen wollen. In der Berufungsschrift
weisen die Klägerinnen besonders auf Art. 931 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 931 - 1 Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
1    Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
2    Besitzt jemand eine bewegliche Sache mit dem Anspruche eines beschränkten dinglichen oder eines persönlichen Rechtes, so wird der Bestand dieses Rechtes vermutet, er kann aber demjenigen gegenüber, von dem er die Sache erhalten hat, diese Vermutung nicht geltend machen.
ZGB hin: «Besitzt jemand
eine bewegliche Sache mit dem Anspruch eines beschränkten dinglichen oder
eines persönlichen Rechtes, so wird der Bestand dieses Rechtes vermutet, er
kann aber dem jenigen gegenüber, von dem er die Sache erhalten hat, diese
Vermutung nicht geltend machen,» und geben der Auffassung Ausdruck, die
gleiche Beschränkung der Rechtsvermutung aus Besitz sei gegenüber dem
umfassenderen Eigentumsanspruch um so eher gerechtfertigt. Indessen vermöchte
diese Heranziehung des Art. 931 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 931 - 1 Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
1    Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
2    Besitzt jemand eine bewegliche Sache mit dem Anspruche eines beschränkten dinglichen oder eines persönlichen Rechtes, so wird der Bestand dieses Rechtes vermutet, er kann aber demjenigen gegenüber, von dem er die Sache erhalten hat, diese Vermutung nicht geltend machen.
zwecks einschränkender Auslegung des
Art. 930 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 930 - 1 Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
1    Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
2    Für jeden früheren Besitzer besteht die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen ist.
ZGB den Klägerinnen nichts zu helfen, wenn der Beklagte - nach
dem in Erw. 1 Ausgeführten - den Art. 846
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 846 - 1 Die Statuten können die Gründe bestimmen, aus denen ein Genossenschafter ausgeschlossen werden darf.
1    Die Statuten können die Gründe bestimmen, aus denen ein Genossenschafter ausgeschlossen werden darf.
2    Überdies kann er jederzeit aus wichtigen Gründen ausgeschlossen werden.
3    Über die Ausschliessung entscheidet die Generalversammlung. Die Statuten können die Verwaltung als zuständig erklären, wobei dem Ausgeschlossenen ein Rekursrecht an die Generalversammlung zusteht. Dem Ausgeschlossenen steht innerhalb drei Monaten die Anrufung des Gerichts offen.
4    Das ausgeschlossene Mitglied kann unter den für den freien Austritt aufgestellten Voraussetzungen zur Entrichtung einer Auslösungssumme verhalten werden.
OR für sich in Anspruch nehmen kann.
Übrigens hat die Vorinstanz zutreffend entgegnet, die Art. 930 einerseits und
931 anderseits stehen in einem gewissen Gegensatz zueinander, indem der
erstere die Vermutung des Eigentums, der letztere die Vermutung bei
unselbständigem Besitz, und zwar jeweilen abschliessend, regle. Zudem weisen
die von der Vorinstanz nicht bis zum entscheidenden Punkte zitierten
Erläuterungen zum Vorentwurf (25. Titel II C II 1) auf eine gegenteilige
Absicht des Gesetzesredaktors hin. Aber auch die

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materielle Betrachtung lässt die Auffassung der Klägerinnen als unhaltbar
erscheinen: Besitzt jemand eine bewegliche Sache mit dem Anspruch eines
beschränkten dinglichen oder eines persönlichen Rechtes, so anerkennt er, dass
derjenige, von dem er die Sache erhalten hat, ebensogut wie er selbst Besitzer
ist; denn wenn ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten
dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen hat, so sind sie beide
Besitzer und zwar hat der eine selbständigen, der andere unselbständigen
Besitz (Art. 920
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 920 - 1 Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
1    Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
2    Wer eine Sache als Eigentümer besitzt, hat selbständigen, der andere unselbständigen Besitz.
ZGB). Besitzt dagegen jemand eine bewegliche Sache mit dem
Anspruch des Eigentumsrechtes, so verneint er, dass derjenige, von dem er die
Sache erhalten hat, ebenfalls noch Besitzer sei - abgesehen von dem hier nicht
in Betracht kommenden Ausnahmefall des Besitzkonstitutes. Dass ein Besitzer
seinen Besitz nicht gegen einen anderen Besitzer soll ausspielen können,
leuchtet ohne weiteres ein. Allein ein derartiges Hindernis steht der vollen
Entfaltung der Rechtsvermutung aus dem Besitz eben nur entgegen, wo
beschränktes dingliches oder persönliches, dagegen nicht, wo wie hier das
Eigentumsrecht in Frage steht.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 54 II 244
Datum : 01. Januar 1927
Publiziert : 31. Mai 1928
Quelle : Bundesgericht
Status : 54 II 244
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Besitz, Rechtsschutz, Art. 920, 930, 931 ZGB: Der Besitzer einer beweglichen Sache kann die...


Gesetzesregister
OR: 846
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 846 - 1 Die Statuten können die Gründe bestimmen, aus denen ein Genossenschafter ausgeschlossen werden darf.
1    Die Statuten können die Gründe bestimmen, aus denen ein Genossenschafter ausgeschlossen werden darf.
2    Überdies kann er jederzeit aus wichtigen Gründen ausgeschlossen werden.
3    Über die Ausschliessung entscheidet die Generalversammlung. Die Statuten können die Verwaltung als zuständig erklären, wobei dem Ausgeschlossenen ein Rekursrecht an die Generalversammlung zusteht. Dem Ausgeschlossenen steht innerhalb drei Monaten die Anrufung des Gerichts offen.
4    Das ausgeschlossene Mitglied kann unter den für den freien Austritt aufgestellten Voraussetzungen zur Entrichtung einer Auslösungssumme verhalten werden.
ZGB: 920 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 920 - 1 Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
1    Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
2    Wer eine Sache als Eigentümer besitzt, hat selbständigen, der andere unselbständigen Besitz.
930 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 930 - 1 Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
1    Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei.
2    Für jeden früheren Besitzer besteht die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen ist.
931
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 931 - 1 Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
1    Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
2    Besitzt jemand eine bewegliche Sache mit dem Anspruche eines beschränkten dinglichen oder eines persönlichen Rechtes, so wird der Bestand dieses Rechtes vermutet, er kann aber demjenigen gegenüber, von dem er die Sache erhalten hat, diese Vermutung nicht geltend machen.
BGE Register
54-II-244
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vermutung • bewegliche sache • beklagter • persönliches recht • eigentum • unselbständiger besitz • vorinstanz • jahreszeit • entscheid • sachenrecht • bundesgericht • frage • provisorische rechtsöffnung • hindernis • zweifel • 1919 • pfand • schwager