S. 375 / Nr. 51 Gleichheit vor dem Gesetz (d)

BGE 54 I 375

51. Urteil vom 21. September 1928 i.S. Schmid gegen Zürich Polizeidirektion.


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Regeste:
Befugnis der Behörden gewisse Disziplinarfehler der mit ihnen «im
Geschäftsverkehr stehenden Privaten», wie «Störung der vorgeschriebenen
Ordnung des Geschäftsgangs» mit Ordnungsbusse zu belegen (§§ 1 und 2 des
zürcherischen Gesetzes betr. Ordnungsstrafen). Anwendung auf denjenigen, der
den Automobilisten die auf einer bestimmten Strecke angeordnete polizeiliche
Geschwindigkeitskontrolle verrät. Anfechtung aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und 58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV. Abweisung.
Kognition des Bundesgerichts aus der letzteren Verfassungsvorschrift
hinsichtlich der kantonalgesetzlichen Zuständigkeitsabgrenzung zwischen
Gerichten und Verwaltung.

A. - Am 9. Februar 1928 nahm die zürcherische Kantonspolizei an der Seestrasse
in Kilchberg eine Geschwindigkeitskontrolle über die vorbeifahrenden
Automobile vor. Der Rekurrent Schmid, der hievon erfahren hatte, hielt
Automobile, die ihm vor der Kontrollstrecke entgegenfuhren, an, um sie auf die
Kontrolle aufmerksam zu machen. Er wurde deshalb vom kantonalen
Polizeikommando in Anwendung von § 1, § 2 Ziff. 2 und § 4 Ziff. 2 litt. a des
kantonalen Gesetzes betreffend Ordnungsstrafen vom 30. Weinmonat 1866 in eine
Ordnungsbusse von 10 Fr. verfällt. Einen

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Rekurs hiegegen wies die kantonale Polizeidirektion durch Entscheid vom 26.
April 1928 ab.
Die in Betracht kommenden Vorschriften des Gesetzes vom 30. Weinmonat 1866
lauten:
«§ 1. Den sämtlichen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden steht die Befugnis zu,
Disziplinarvergehen ihrer Mitglieder, sowie der ihnen untergeordneten Behörden
und der einzelnen Mitglieder derselben, ferner der unter ihnen stehenden
Beamten und Bediensteten und der mit ihnen in mündlichem oder schriftlichem
Geschäftsverkehr stehenden Privaten durch Ordnungsstrafe zu belegen.»
Ǥ 2. Als Disziplinarfehler gilt:
1. ...
2. Störung der im einzelnen Falle oder im allgemeinen vorgeschriebenen Ordnung
des Geschäftsganges.
3. ...».
«§ 4. Als Ordnungsstrafen können vorbehältlich weitergehender gesetzlicher
Bestimmungen verhängt werden:
2. Geldbusse, und zwar:
a) von Kantonalstellen bis auf Fr. 100.­».
Im Entscheide der Polizeidirektion wird hiezu ausgeführt: die «im einzelnen
Falle vorgeschriebene Ordnung des Geschäftsganges» sei hier die Durchführung
einer geheimen Kontrolle über die Schnelligkeit der Automobile gewesen. Wer
eine solche Kontrolle verrate, vereitle damit ihren Hauptzweck und hindere die
Polizei in der Erfüllung ihrer Verrichtungen, störe also deren Geschäftsgang
(BGE 52 I S. 42). Wenn das Gesetz von 1866 die Disziplinargewalt der Behörden
auch auf die mit ihnen im Geschäftsverkehr stehenden Privaten erstrecke, so
verwende es damit freilich einen Begriff, der seinem Wortlaute nach nicht auf
Fälle wie den vorliegenden zugeschnitten sei. Auch die zürcherischen Gerichte
hätten indessen bei Ausübung der ihnen zustehenden Disziplinargewalt den
Begriff

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weit aufgefasst und eine mittelbare Beteiligung eines Dritten am
Prozessbetrieb als genügend erachtet. So habe die III. Kammer des Obergerichts
in einem Urteil vom 15. September 1925 (Blätter für zürcherische
Rechtsprechung 25 S. 87) sogar die Tätigkeit eines Privatexperten einer
Partei, der unbestrittenermassen nicht direkt mit dem Gerichte verkehrte,
unter § 1 des Ordnungsstrafengesetzes gestellt. Die Verwaltungsbehörden hätten
keinen Anlass die Bestimmung enger auszulegen. Als mittelbarer
Geschäftsverkehr in jenem Sinne müsse es aber auch angesehen werden, wenn
jemand sich in die polizeilichen Kontrollen einmische, indem er Automobilisten
davor warne. Die Polizeidirektion habe denn auch schon früher vom
Polizeikommando wegen des gleichen Tatbestandes ausgesprochene Ordnungsbussen
bestätigt (Verfügungen von 1923 i. S. Jäggli und 8. Februar 1928 i.S.
Wiskemann und Küng).
B. - Gegen den Entscheid der Polizeidirektion hat Schmid den staatsrechtlichen
Rekurs ans Bundesgericht wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und 58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV, Art. 58
zürcherische KV ergriffen mit dem Antrage auf Aufhebung des Entscheides und
der ausgefällten Busse. Er hält daran fest, dass in der Warnung vor einer
Autokontrolle eine Störung dieser Kontrolle und damit des Geschäftsganges der
Polizei nicht liegen könne. Wenn der Zweck einer solchen Kontrolle nach dem
von der kantonalen Polizeidirektion angeführten Urteile des Bundesgerichts
nicht sowohl in der Ausfällung von Bussen bei begangenen Übertretungen als
darin bestehe, die Automobilisten durch das Rechnen mit Kontrollmassnahmen zu
ständiger Beobachtung der Geschwindigkeitsvorschriften zu erziehen, so könne
auch dieser Zweck durch eine derartige Warnung nicht beeinträchtigt werden. Er
werde durch den Hinweis auf die zu gewärtigende Kontrolle geradesogut, wenn
nicht besser, erreicht als durch die Kontrolle selbst und die Ahndung dabei
festgestellter

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Übertretungen. Die gegenteilige Schlussfolgerung des Bundesgerichts in jenem
Urteil bedürfe deshalb der Überprüfung. Sie laufe darauf hinaus, die
Verhinderung einer Übertretung, die Pflicht jedes Bürgers sei, als strafbaren
Tatbestand zu behandeln. Auf alle Fälle fehle es an dem Erfordernis eines
«Geschäftsverkehrs» zwischen der Polizei und dem Rekurrenten i. S. von § 1 des
Ordnungsstrafengesetzes. Für die angebliche ausdehnende Auslegung dieses
Begriffs durch die zürcherischen Gerichte vermöge sich die Polizeidirektion
auf ein einziges Urteil zu stützen. Es sei willkürlich, deshalb von einer
Gerichtspraxis zu reden. Dass die Gerichte im allgemeinen keineswegs auf
diesem Boden stünden und deshalb auch das von der Polizeidirektion angerufene
Urteil der III. Kammer des Obergerichts nicht den angenommenen Sinn haben
könne, ergebe sich aus einem früheren Entscheide des Obergerichts von 1881,
der noch im Kommentar Sträuli zu § 327 der geltenden StPO im Jahre 1924 als
Ausdruck der geltenden Gerichtspraxis wieder abgedruckt worden sei und wo
ausgeführt werde: als Spezialgesetz dürfe das Ordnungsstrafengesetz nicht
ausdehnend interpretiert werden und nicht dazu dienen, Handlungen im
Verwaltungswege zu ahnden, die sich. «lediglich als Übertretungen bestehender
Gesetze oder Verordnungen oder Anordnungen kompetenter Amtsstellen
polizeilicher Natur» darstellen; solche Handlungen müssten vielmehr im Sinne
der §§ 1040 ff. (heute 327 ff.) StPO als Polizeiübertretungen nach dem für
solche geltenden Verfahren verfolgt werden. Wenn dies aber für die Übertretung
einer polizeilichen Anordnung zutreffe, so könne auch die Störung einer
solchen Anordnung nach zürcherischem Rechte höchstens ein Polizeivergehen und
niemals ein Disziplinarvergehen darstellen. Da gegen Polizeibussen die
gerichtliche Beurteilung verlangt werden könne, so laufe die unrichtige
Unterstellung eines Tatbestandes unter die Disziplinarvergehen statt unter die
gewöhnlichen Polizeiübertretungen darauf hinaus, den Gebüssten seinem

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ordentlichen Richter zu entziehen (Art. 58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV, 58 KV). Das Bundesgericht sei
deshalb befugt, die Frage des Vorliegens eines unter § 1 des
Ordnungsstrafengesetzes fallenden Verhältnisses hier frei und nicht nur vom
Gesichtspunkte der Willkür zu prüfen. Dass die Einmischung in amtliche
Verrichtungen nicht unter § 1 des Ordnungsstrafengesetzes fallen könne, zeige
zudem § 5 der Polizeiverordnung der Stadt Zürich, wo «die Einmischung Dritter
in die dienstlichen Funktionen der Polizeiorgane» als besonderes
Polizeivergehen unter Strafe gestellt werde, was anderenfalls nicht nötig
gewesen wäre. Es gehe ferner aus § 74 des Gesetzes über das Gemeindewesen vom
8. März 1926 hervor, wonach der Gemeinderat die «Vorkehren zur richtigen
Erfüllung der Aufgaben der Ortspolizei auf allen Verwaltungsgebieten zu
treffen» und zu diesem Zwecke eine Gemeindepolizeiverordnung zu erlassen habe,
in der Polizeibussen bis auf 50 Fr. angedroht werden können. Dass eine
ähnliche Kompetenzdelegation zu Gunsten der Kantonspolizei fehle, könne nicht
dazu führen, den Begriff des Geschäftsverkehrs nach § 1 des Gesetzes von 1866
für deren Verrichtungen ausdehnend auszulegen, um ihr eine Strafbefugnis zu
verleihen. Wo der zürcherische Gesetzgeber für einzelne Tatbestände die
Disziplinargewalt über den ihr durch den Wortlaut der erwähnten Vorschrift
gezogenen Rahmen hinaus habe ausdehnen wollen, sei dies jeweilen ausdrücklich
ausgesprochen worden (so z. B. im Gerichtsverfassungsgesetz §§ 38, 219, der
ZPO §§ 90, 155, 182, 196, der StPO §§ 62, 67. 77, 103, 112, 222). Umsomehr sei
die ausdehnende Interpretation beim Fehlen einer solchen Sonderbestimmung
ausgeschlossen.
C. - Die Polizeidirektion des Kantons Zürich hat auf Abweisung des Rekurses
angetragen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Durch die polizeilichen Geschwindigkeitskontrollen soll nicht bloss die
Bestrafung auf der

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Kontrollstrecke begangener Übertretungen der Vorschriften über die zulässige
Fahrgeschwindigkeit ermöglicht werden. Das hauptsächliche Ziel der Anordnung
solcher Kontrollmassnahmen an Orten, die den Automobilisten nicht zum voraus
bekannt sind, ist es vielmehr, diese dazu zu bringen, dass sie fortwährend mit
der Möglichkeit einer Überwachung rechnen und sich infolgedessen immer an jene
Vorschriften halten. Dieses Ziel würde aber zunichte gemacht, wenn die auf der
Kontrollstrecke verkehrenden Automobilisten vorher auf die Tatsache der
angeordneten Kontrolle aufmerksam gemacht werden dürften. Wer die ihm
entgegenkommenden Fahrer dergestalt warnt, will nicht eine Übertretung der
Geschwindigkeitsvorschriften überhaupt verhindern, sondern nur die
betreffenden Fahrer davor bewahren, dass sie sich einer solchen gerade auf der
Kontrollstrecke schuldig machen und ihnen eventuell Gelegenheit geben, der
Kontrolle durch Einschlagen eines Umweges auszuweichen. Er beeinträchtigt
demnach den Hauptzweck der Kontrolle: die Feststellung des Verhaltens der
Fahrer, wenn sie sich unbewacht glauben. Dass in einer solchen
Beeinträchtigung des Kontrollzweckes, wenn sie wirklich durch die Warnung
stattfindet, eine Störung des Geschäftsganges im Sinne von § 2 Ziff. 2 des
kant. Gesetzes betreffend die Ordnungsstrafen erblickt werden dürfe, wird aber
im Rekurse mit Recht nicht bestritten. Zu prüfen bleibt demnach allein, ob
auch die weitere Voraussetzung des § 1 desselben Gesetzes zutreffe, d. h. ob
die Störung in einem Verhältnis begangen worden sei, das den Rekurrenten nach
dieser Gesetzesbestimmung der Disziplinargewalt der Polizeibehörde unterwarf.
2.- Auch diese Frage kann das Bundesgericht nur vom Standpunkt des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV,
der Willkür und Missachtung klaren Rechts nachprüfen. Dass die Annahme eines
Disziplinarvergehens im Sinne des erwähnten Gesetzes dem Gebüssten die
Anrufung der Gerichte gegen die Bussenverfügung unmöglich macht, die ihm bei

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einer gewöhnlichen Polizeibusse nach kantonalem Rechte offenstehen würde,
ändert daran nichts. Die in Art. 58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV enthaltene und in manchen
Kantonsverfassungen wiederholte Garantie des ordentlichen
(verfassungsmässigen, natürlichen) Richters, hat, wie schon oft aus gesprochen
wurde, nicht zur Folge, die Bestimmungen der kantonalen Gesetzgebung über den
sachlichen Zuständigkeitskreis der kantonalen Gerichte und dessen Abgrenzung
von demjenigen der Verwaltungsbehörden ihrerseits zu Verfassungsvorschriften
zu erheben, deren Anwendung im einzelnen Falle der freien Kognition des
Staatsgerichtshofes unterstünde. Von einer Verletzung der streitigen Garantie
durch eine Verwaltungsverfügung, die sich formell auf die den
Verwaltungsbehörden für einen bestimmten Gegenstand durch kantonales Gesetz
eingeräumte Rechtsprechungsgewalt stützt, kann viel mehr höchstens dann die
Rede sein, wenn die diesem Gesetze gegebene Anwendung offenbar unhaltbar und
willkürlich ist und demgemäss auf eine ausnahmsweise Behandlung der
betroffenen Partei hinausläuft, die Kompetenzbestimmung also damit auf ein
Verhältnis aus gedehnt worden ist, das ihr schlechterdings nicht unterstehen
kann. Die Beschwerde aus Art. 58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BV fällt also in einem solchen Falle mit der
anderen aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV zusammen. (BGE 46 I 148; 50 I 51 Erw. 3). Dasselbe muss
umsomehr für die Berufung auf Art. 58 der zürcherischen KV gelten, wonach «das
Gesetz die Zahl, Organisation, Kompetenz und das Verfahren der Gerichte
bestimmt». Von einer solchen offenbar missbräuchlichen, willkürlichen
Ausdehnung der Disziplinargewalt, die den Verwaltungsbehörden gemäss § 1 des
kant. Gesetzes vom 30. Weinmonat 1866 auch gegenüber Privaten zusteht, kann
aber hier nicht die Rede sein.
3.- «Geschäftsverkehr» einer Behörde sind die Beziehungen, in die sie bei
Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit, innerhalb des ihr durch die kantonale
Behördenorganisation zugewiesenen Geschäftskreises zu den

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Bürgern oder anderen Behörden tritt. Es kann deshalb auch zur Annahme eines
Geschäftsverkehrs zwischen dem Bürger und der Behörde nach Massgabe von § 1
des zitierten Gesetzes ohne Willkür jedes Verhältnis als genügend betrachtet
werden, kraft dessen der Private zur Behörde in einer ihn berührenden
Angelegenheit in solche Beziehungen kommt, mag er nun darin selbst das
Eingreifen der Behörde nachgesucht haben oder diese ihm gegenüber von Amtes
wegen, ohne seinen Willen, tätig geworden sein. Derartige amtliche
(«geschäftliche») Beziehungen bestehen aber u. a. infolge der einschränkenden
polizeilichen Vorschriften über die Verwendung und Benützung des Automobils
als Fahrmittels zwischen dem Automobilfahrer und der Polizeibehörde, die die
Einhaltung jener Vorschriften zu überwachen hat. Handlungen, wodurch der
Fahrer selbst eine ihm vorher bekanntgewordene, auf einer bestimmten Strecke
angeordnete polizeiliche Geschwindigkeitskontrolle vereitelt, unwirksam macht,
würden daher ohne Willkür als eine Störung der vorgeschriebenen Ordnung des
Geschäftsganges im «Geschäfts- (amtlichen) Verkehr des Fahrers mit der Polizei
betrachtet und als solche kraft des Gesetzes von 1866 ihm gegenüber mit
Ordnungsbusse belegt werden können. Dann darf aber dasselbe auch gegenüber dem
Dritten angenommen werden, der von ihm angetroffene Automobilisten vor der
Kontrolle warnt. Wer dergestalt in die von der Polizei gegenüber bestimmten
Personen angeordneten Kontrollmassregeln eingreift, um sie zu vereiteln, macht
damit die Angelegenheit der betreffenden Person zu seiner eigenen. Er muss es
sich deshalb auch gefallen lassen, dass er gleich ihr, als ihr Vertreter und
durch sein eigenes Verhalten in die amtlichen Beziehungen, die sie mit der
Behörde verbinden, den «Geschäftsverkehr» zwischen ihr und der Behörde
eintretend behandelt wird. Auf diesem Boden steht denn auch das von der
zürcherischen Polizeidirektion angerufene Urteil der III.

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Appellationskammer des zürcherischen Obergerichts von 1925 und nur so konnte
es dazu kommen, den Privatexperten einer Partei, der in deren Auftrag gewisse
Aktenstücke einer Echtheitsprüfung unterworfen und dabei diese Urkunden
beschädigt hatte, wegen Störung des prozessualen Geschäftsganges mit
Ordnungsbusse zu belegen. Ob die frühere Gerichtspraxis das Gesetz enger
ausgelegt hatte, ist demgegenüber unerheblich, da auch eine solche
Rechtsprechung der Gerichte die Polizeidirektion nicht hindern konnte,
ihrerseits für die Handhabung der den Verwaltungsbehörden übertragenen
Disziplinargewalt eine weitere Auslegung zu vertreten. Das im Rekurse erwähnte
Präjudiz des Obergerichts von 1881 hat zudem offenbar nicht die behauptete
Bedeutung, sondern will lediglich feststellen, dass unter den Begriff der
Störung des Geschäftsganges nicht auch schon die Zuwiderhandlung gegen
polizeiliche Gebote zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen einbezogen werden
dürfe, die an den Gebüssten ergangen waren oder unmittelbar aus einem Gesetze
sich ergeben, eine derartige Zuwiderhandlung vielmehr nur eine gewöhnliche
Polizeiübertretung bilden könne, die in dem für solche vorgeschriebenen
Verfahren zu verfolgen sei. Was hier dem Rekurrenten vorgeworfen wird, ist
aber nicht die Übertretung eines solchen Gebotes, sondern ein Handeln, das
darauf gerichtet war, die Polizei an der wirksamen Durchführung dienstlicher
Massnahmen zu hindern, wodurch sie das Verhalten anderer Personen einer
Kontrolle auf die Übereinstimmung mit den bestehenden polizeilichen
Vorschriften unterstellen wollte. Der Umstand, dass ein bestimmtes Handeln den
Tatbestand eines Vergehens im Sinne des kriminellen oder Polizeistrafrechts
ausmacht, schliesst im übrigen nach allgemeinen Grundsätzen nicht aus, dass
darin nicht zugleich ein Ordnungsstrafe nach sich ziehender Disziplinarfehler
liegen kann (vgl. z. B. eidg. Beamtengesetz vom 30. Juni 1927 Art. 50), und es
hat auch eine positive Vorschrift des

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zürcherischen Rechts, welche eine solche doppelte Verfolgung ausschliessen
würde, nicht angeführt werden können. Es spricht deshalb auch nicht zwingend
gegen die im vorliegenden Falle vertretene ausdehnende Auslegung des
Ordnungsstrafengesetzes, dass gewisse zürcherische
Gemeindepolizeiverordnungen, so diejenige der Stadt Zürich, die Einmischung
Dritter in die dienstlichen Verrichtungen der Polizeiorgane als besonderes
Polizeivergehen behandeln. Und ebensowenig kann aus § 74 des neuen
Gemeindegesetzes notwendig hergeleitet werden, dass eine solche Einmischung
nicht unter Umständen ohnedies schon nach dem Ordnungsstrafengesetz verfolgt
werden könne. Auch dass das Gerichtsverfassungsgesetz, die ZPO und StPO die
Folge der Ordnungsstrafe bei einer Reihe von Tatbeständen, wo ihre
Zulässigkeit sonst vielleicht hätte fraglich sein können, besonders vorgesehen
haben, nötigt nicht zu dem Schlusse, dass §1 des Gesetzes vom 30. Weinmonat
1866 im übrigen, wo es an einer solchen Sondervorschrift fehlt, in dem engen
Sinne zu verstehen sei, den ihm der Rekurs beilegen möchte. Mehrfach beziehen
sich gerade jene Vorschriften der Prozessordnungen auf Tatbestände, bei denen
das heute streitige Erfordernis eines «Geschäftsverkehrs» zwischen der Behörde
und dem mit Busse bedrohten Privaten von vorneherein, selbst bei engster
Auslegung ausser Zweifel gegeben ist und zweifelhaft ohne die besondere
Regelung höchstens hätte sein können, ob auch eine Ordnungswidrigkeit i. S.
von § 2 des Ordnungsstrafengesetzes vorliege und von wem die disziplinarische
Ahndung auszugehen habe, ob sie der Instruktionsrichter oder Gerichtsvorstand
von sich aus verfügen könne oder dazu ein Beschluss des Gesamtgerichtes
notwendig sei usw.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 54 I 375
Datum : 01. Januar 1927
Publiziert : 21. September 1928
Quelle : Bundesgericht
Status : 54 I 375
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Befugnis der Behörden gewisse Disziplinarfehler der mit ihnen «im Geschäftsverkehr stehenden...


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
58
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1    Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
2    Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
3    Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18
BGE Register
46-I-143 • 50-I-49 • 52-I-39 • 54-I-375
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • busse • geschwindigkeitskontrolle • automobil • wille • kv • disziplinarfehler • verhalten • entscheid • amtliche tätigkeit • polizei • frage • behörde • richterliche behörde • richtigkeit • verhältnis zwischen • gerichts- und verwaltungspraxis • verfügung • voraussetzung • kantonales rechtsmittel
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