496 Obligationenrecht. N° 77.

77. Auszug aus dem Urteil der I. Ziviladteilnng vom 2. Dezember 1924
i. S. Timber Boldinggesellschaft gegen Kenner & Cie. Aktienrecl'zt :
Frist zur Einberufung einer Generalversammlung und zur Hinterlegung der
Aktien. Aufhebung eines Generalversammlungbeschlusses, weil letztere
Frist zu kurz ange-

setzt war. Auch ein Aktionär, der an der Generalver--

samrzllung teilnehmen konnte. ist zur Anfechtung legitinuer .

A. Die Beklagte, Timber Holdinggesellschaft, ist eine Aktiengesellschaft
mit Sitz in Zürich, deren Zweck in der dauernden Verwaltung von
Beteiligungen an Unternehmungen des Holzhandels und der Holzindustrie
besteht. Ihr Grundkapital beträgt 6,000,000 Fr. und ist eingeteilt
in 60,000 volleinbezahlte Inhaberaktien zu 100 Fr. Im Januar 1924
beabsichtigte die Verwaltung dasselbe durch Ausgabe von 40,000
Namenaktien zu 20 Fr. auf 6,800,000 Fr. zu erhöhen. Durch Publikation
im Schweizerischen Handelsamtsblatt und in der Wiener Zeitung vom
17. Januar berief sie die II. ordentliche Generalversammlung auf den
26. Januar 1924 nach Zürich ein. In der Einladung wurde erklärt, dass
die Stimmkarten für die Generalversammlung bis spätestens am 21. Januar
beim Bankhaus Blankart & C.18 in Zürich und bis 19. Januar 1924 bei
der Österreichischen Kreditanstalt für Handel und Gewerbe in Wien gegen
Hinterlegung der Aktien bezogen werden könnten.

In der Generalversammlung vom 26. Januar 1924 protestierte Rechtsanwalt
Dr. M. Thalberg, als Vertreter einer Anzahl Aktionäre, gegen die Abhaltung
wegen zu kurzer Fristansetzung zum Bezuge der Stimmrechtsausweise und
dadurch bewirkter Verhinderung einer Anzahl Aktionäre an der Ausübung
ihres Teilnahmeund Stimmrechts. Die Versammlung wurdeObiigationenrecht. N°
77. 49?

aber. gleichwohl abgehalten und die in den Traktanden vorgesehene
Kapitalerhöhung beschlossen, wogegen er erneut Protest erhob.

B. Mit der vorliegenden Aniechtungsklage verlangt die Klägerin als
Aktionärin die Ungültigerklärung der von der Generalversammlung der
Beklagten am 26. Januar 1924 gefassten Beschlüsse, eventuell wenigstens
das Kapitalerhöhungsbeschlusses. Begründend führt sie aus: Durch die
Ansetzung einer ungebührlich kurzen Frist zur Hinterlegung der Aktien
behufs Erlangung der Stimmkarten sei vielen Aktionären die Teilnahme
an der Generalversammlung und damit die Ausübung des Stimmrechts
verunmöglichst worden. Darin liege eine Verletzung wohlerworbener Rechte
der Aktionäre im Sinne von Art. 627 OR. Mit der Ausgabe von 40,000 neuen
Aktien zu 20 Fr. habe die Verwaltung den Zweck verfolgt, einer. bisherigen
Minderheitsgruppe die Mehrheit der Aktienstimmen zu verschaffen. Da sich
der grösste Teil der Aktien im Besitze von in Österreich domizilierten
Gesellschaften und Privatpersonen befinde, sei es ihr vor allem darauf
angekommen, diese Aktionäre durch Ansetzung einer noch kürzern Frist in
Wien als in Zürich an der Teilnahme zu verhindern.

Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Eine Verletzung
wohlerworhener Rechte könne nicht in Frage kommen, weil die Verwaltung
weder das Gesetz, noch die Statuten missachtet habe. Die für die
Hinterlegung der Aktien angesetzte Frist sei durchaus angemessen gewesen,
was schon daraus hervorgehe, dass insgesamt 28,292 Aktien, (1. h. nahezu
50 % aller damals vorhandenen, innert Frist deponiert wurden. Selbst
bei Annahme einer zu kurzen Frist wäre die Klägerin zur Anfechtung der
Beschlüsse nicht legitimi'ert, da es ihr möglich gewesen sei, ihre Aktien
zu hinterlegen und sich an der Generalversammlung vertreten zu lassen.
Abgesehen hievon könnte sie mit ihrer Anfechtung nur durchdringen,
wenn das Ergebnis der Versammlung

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durch die geltend gemachte Verletzung beeinflusst Werden wäre, was nicht
zutreffe. Zudem habe die Teilnahme an der Generalversammlung keineswegs
von der Hinterlegung der Aktien innert der angesetzten Frist abhängig
gemacht werden wollen, sondern es hätte auch jeder andere Nachweis der
Aktionäreigenschaft genügt. .

C. Mit Urteil vom 14. März 1924 hat das Handelsgericht des Kantons Zürich
in Gutheissung des Hauptklagebegehrens die von der zweiten ordentlichen
Generalversammlung der Beklagten am 26. Januar 1924 gefassten Beschlüsse
als rechtsungültig erklärt.

D. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 12. Mai 1924 rechtzeitig
die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung
der Klage.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung : (Einrede des Verzichts auf die
Weiterführung des Prozesses. )

2. Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, dass das Stimmrecht,
als Hilfsrecht zur Willensbildung bei der Aktiengesellschaft-. zu
den wohlerworbenen Rechten des Aktionärs im Sinne von Art. 627 Abs. 1
OR gehört, die ihm nicht entzogen werden können. Die Ausübung dieses
Stimmrechts setzt die Teilnahme an der Generalversammlung voraus. Die
Einladung dazu ist daher so rechtzeitig zu erlassen, dass das Erscheinen,
und falls ein Ausweis dazu erforderlich, die rechtzeitige-Beschaffung
desselben möglich ist. Das schweizerische Obligationenrecht sieht
im Gegensatz zum deutschen Handelsgesetzbuch, das in § 255 für die
Einberufung der Generalversammlung eine Mindestfrist von zwei Wochen
vorschreibt, eine bestimmte Frist nicht vor. Dagegen bestimmt § 7 der
Statuten der Gesellschaft: Die Einladungen zu den Generalversammlungeu
erfolgen durch Publikation im tc Schweizerischen Handelsamtsblatt ,
sowie in den' vom Verwaltungsrat bestimmten weitem Publikationsorganen.

Obligationen-Denn N° 77. 499

Vom Tage der Publikation bis zur Generalversammlung müssen 8 volle Tage
liegen. In dringenden Fallen können ausserordentliche Generalversammlungen
innert drei Tagen auf dem Zirkularwege, nötigenfalls telegraphisch,
einberufen werden. Da es sich gemäss ausdrücklicher Bezeichnung um
eine ordentliche Generalversammlung handelte, war die achttägige
Frist zu beobachten, wie es auch in der Tat in den am 17. Januar
1924 im Schweizerischen Handelsamtsblatt und in der Wiener Zeitung
erfolgten Publikationen geschehen ist. Dagegen ist gleichzeitig für die
Hinterlegung der Aktien behufs Beschaffung der Stimmrechtsausweise f
wovon die Statuten nichts sagen eine erheblich kürzere Frist angesetzt
worden, und zwar für Zürich bis 21. Januar und für Wien sogar nur bis
19. Januar. Die Vorinstanz erachtet diese Fristen auf Grund einer
aktengemässen Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ais zu kurz
und stellt insbesondere fest, dass es denjenigen Aktionären, die ihre
.Titel nicht sofort verfügbar bei der Hand hatten, nicht möglich war,
sich den Stimmrechtsausweis rechtzeitig zu beschaffen. ,Hierauf muss
das Bundesgericht abstellen. War danach aber die Hinterlegungsfrist zu
knapp bemessen, so lag darin eine unstatthafte Beeinträchtigung des
Stimmrechts der Aktionäre. Der Einwand der Beklagten, sie sei nicht
verpflichtet gewesen, auch in Wien eine Publikation zu erlassen, ist
nnbeheiflich. Wenn die Verwaltung dem Umstande, dass ein grosser Teil
der Aktionäre in Österreich wohnt, dadurch Rechnung getragen hat, dass
sie die Wiener Zeitung als weiteres Publikationsorgan wählte, wozu sie
auf Grund (Tr Statuten (§ 7) berechtigt war, so kam dieser Publikation
die gleiche Bedeutung wie derjenigen im Schweizerischen Handelsamtsblatt
zu, nämlich die, dass die Aktionäre, die sich die Veröffentlichung als
bekannt anrechnen lassen mussten, dadurch in die Lage versetzt werden
sollten, an der Generalversammlung teilzunehmen.

500 Obligatiouenrecht. N° 77.

3. Nun ist es freilich der Klägerin möglich gewesen,

ihre Aktien innert der angesetzten Frist zu hinterlegen und auf Grund
des erlangten Auswehes an der ssVersammlung teilzunehmen, sodass
sie persönlich durch die getroffene Massnahme in der Ausübung ihres
stimmrechts nicht beeinträchtigt worden ist. Hieraus kann jedoch gegen
ihre Legitimation zur Anfechtungsklage nichts hergeleitet werden. Jeder
Aktionär hat ein wohlerworbenes Recht darauf, dass das Gesetz und die
Statuten eingehalten werden, und kann sie verletzende Beschlüsse der
Generalversammlung anfechten, auch wenn die Verletzung nicht gegen ihn
persönlich gerichtet ist, sofern er nur ein Interesse daran hat, dass
sie nicht erfolgte (vgl. AS 27 II 235; 29 II 463 ; STAUB, Komm. N. 3
zu § 271 DHGB). Dieses Interesse bestand vorliegend für die Klägerin
darin, dass diejenigen Aktionäre, die gegen die Kapitalerhöhung stimmen
wollten, daran nicht verhindert wurden. Wenn die Beklagte einwendet,
das Ergebnis der Generalversammlung .wäre auch bei Einräumung einer
länger-n Hinterlegungsfrist kein anderes gewesen, so trifft sie hiefür die
Beweislast. Diesen Nachweis aber hat sie nicht erbracht. Da nicht einmal
die. Hälfte aller Aktien an der Versammlung vertreten war, erscheint es
jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Mitwirkung der verhinderten
Aktionäre von Einfluss auf das Abstimmungeergebnis gewesen Wäre. Den'
Einwand endlich, die Hinterlegungsfrist habe nicht den Sinn gehabt,
dass bei Nichteinhaltung derselben die Mitwirkung eines Aktionnärs an
der Generalversammlung unter allen Umständen ausgeschlossen sein sollte,
hat die Vorinstanz mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

Demnach erkennt das Bundesgericbi : Die Berufung wird abgewiesen und
das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 14. März 1924
bestätigt.Odllgationenrechsitss N° 78. , 501.

78. uma der I. Zlviîabteflung vom 8. Dezember 1924 i. S. Schuler gegen
Humor. Aussergerichtlicher Nachlassvertrag: Rechtsnatur. -Die Bevorzugung
eines Gläubigers ist dann undttlich, wenn sie den andern Gläubigern
vorenthalten wird und diese durch Täuschung zum Beitritt zum

Nachlassvertrage bewogen werden.

A. Der Beklagte Messmer hatte dem Kläger Schuler verschiedene
Speditionsaufträge erteilt und war ihm bis Mitte 1920 Fr. 18,827
schuldig geworden. Im Jahre 1920 bot er seinen Gläubigern einen
ausser-gerichtlichen Nachlassvertrag an, und zwar zu folgenden
Bedingungen : 10% jeder Forderung sollten bis 31. Juli 1920 bezahlt
werden und für den Rest sollten die Gläubiger bis 15. August 1920 für 1
Schweizerfranken 3 Mark erhalten. In der Zustimmungserklärung war bemerkt
: Die Erklärung hat nur Gültigkeit, wenn sämtliche Gläubiger zustimmen.
Der Kläger stimmte diesem Nachlassvertrage zu, nachdem ihm der Beklagte
noch eine Markgarantie zugesichert hatte. Mit Schreiben vom 22. Juli
1920 bestätigte dieser die Zusicherung wie folgt : Un-s terzeichneter
erklärt dafür, dass er an E. Schuler folgende ss Garantie gibt : sollte
die Mark innert 2 Jahren ab heute nicht 33 Cts. im Wert sein, so erklärt
sich Unterzeichneter bereit, für die Differenz, welche durch die über-_
nommenen Mark bis 22. Juli 1922 entstehen könnte, aufzukommen. Also wäre
die Mark nur 25 Cts. am 22. " Juli 1922, so müsste ich pro Mark, die
Sie von mir übernommen hahen, Ihnen eine Differenz von 8 Cts. vergüten
...... Obige Erklärungen haben nur Gültigkeit, wenn mein Vorhaben
mit den Gläubigern zustandekomrnt. und diese Abmachuug streng diskret
behandelt wird.

Nach dem Zustandekommen des Nachlassvertrages erhielt der Kläger am
11. September 1920 von der Schweiz. Volksbank in St. Gallen, die für
den Beklagten
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 50 II 496
Date : 02. Dezember 1924
Published : 31. Dezember 1925
Source : Bundesgericht
Status : 50 II 496
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 496 Obligationenrecht. N° 77. 77. Auszug aus dem Urteil der I. Ziviladteilnng vom


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