146 Schuldbetreibungs und Konkursrecht. N° 41.

41. Entscheid vom 2. Oktober 1922 i. S. A.-G-. für Landverwertung. .
SchKG Art. 98, Ahss und 4, 283 f., OR Art. 272 ff. : Das Retentlonsrecht
des Vermieters wird dadurch nicht berührt,

dass das Betreibungsamt die Retentionsgegenstände infolge Pfandung oder
Arrestierung in amtliche Verwahrung nimmt.

Auf Verlangen der A.-G. für Landverwertung belegte

das Betreibungsamt Zürich 8 am 27. April für deren hlietzinsforderung an
der Marcolid A..-G. in Liq. für d1e Zeit vom 1. April bis 30. September
1922 Seidensteife mit Retention, welche bereits im Oktober 1921
ans Verlangen der A._-G. für Landverwertung selbst, dle für eine
Mietzinsund eine Schadenersatzforderung Arreste gegen die Marcolid
A.-G. in Liq. herausgenommen hatte, vom Betreibungsamt aus den vermieteten
Räumen an der Seefeldstrasse 64 in Verwahrung genomm'e'n worden waren.

rjsiI-Iiegegen beschwerte sich die Marcolid A. G. in Liq. mit dem Hinweis
darauf, dass die Retention von Gegenständen, welche sich nicht in den
vermieteten Räumen befinden oder, sofern sie gewaltsam fortgeschafft
wurden. nicht innert zehn Tagen zurückgebracht werden, unzulässig sei. *
Durch Entscheid vom 28. August hat das Obergericht des Kantons Zürich
die Beschwerde gutgeheissen und die Retention aufgehoben.

.. Gegen diesen am 8. September zugestellten Entscheid hat die A.-G. für
Landverwertung am 13. September den Rekurs an das Bundesgericht eingelegt.

Die Schuldbeireibungsund Konkurskammer zieht _ in Erwägung :

l. Ob die Inverwahrungnahme von gepfändeten oder arrestierten Sachen
durch das BetreibungsamtSchuldbetreibungs und Konkursrecht. N° 41. 147

gemäss Art. 98 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 98 - 1 Geld, Banknoten, Inhaberpapiere, Wechsel und andere indossable Papiere, Edelmetalle und andere Kostbarkeiten werden vom Betreibungsamt verwahrt.215
1    Geld, Banknoten, Inhaberpapiere, Wechsel und andere indossable Papiere, Edelmetalle und andere Kostbarkeiten werden vom Betreibungsamt verwahrt.215
2    Andere bewegliche Sachen können einstweilen in den Händen des Schuldners oder eines dritten Besitzers gelassen werden gegen die Verpflichtung, dieselben jederzeit zur Verfügung zu halten.
3    Auch diese Sachen sind indessen in amtliche Verwahrung zu nehmen oder einem Dritten zur Verwahrung zu übergeben, wenn der Betreibungsbeamte es für angemessen erachtet oder der Gläubiger glaubhaft macht, dass dies zur Sicherung seiner durch die Pfändung begründeten Rechte geboten ist.216
4    Die Besitznahme durch das Betreibungsamt ist auch dann zulässig, wenn ein Dritter Pfandrecht an der Sache hat. Gelangt dieselbe nicht zur Verwertung, so wird sie dem Pfandgläubiger zurückgegeben.
SchKG einen Einfluss auf den , Bestand des
Retentionsrechts des Vermieters an diesen Sachen ausübe, ist eine
Frage nach den Wirkungen jener betreibungsrechtlichen Massnahme, also
betreibungsrechtlicher Natur und daher von den Aufsichtsbehörden zu
entscheiden. Sie ist im Gegensatz zu den Vorinstanzen zu verneinen. Dass
die Wegnahme von gepkändeten oder arrestierten Sachen, welche sich in
vom Schuldner gemieteten Räumen befinden, durch das Betreibungsamt zwecks
Inverwahrungnahme das

_ Retentionsrecht des Vermieters nicht zu beeinträchtigen

vermag, ergibt sich zweifelsfrei aus Art. 98 Abs. 4 leg. cit., wonach
die Besitznahme durch das Betreibungsamt auch dann zulässig ist,
wenn ein Dritter Pfandrecht an der Sache hat, worunter gemäss Art. 37
auch das Retentionsrecht zu verstehen ist, ohne dass ein Unterschied
zwischen dem gewöhnlichen Retentionsrecht und demjenigen des Vermieters
und Verpächters gemacht Wäre. Kann sich aber der Vermieter gegen die
Weg-' nahme der seine Mietzinsforderung versichernden Sachen} durch
das Betreibungsamt nicht zur Wehr setzen, so darf sie ihm auch nicht
schaden, m. a. W. muss sie seine Rechte unberührt lassen. Insbesondere
kann der Ansicht der unteren Aufsichtsbehörde nicht beigestimmt werden,
die Rekurrentin habe das Retentionsrecht dadurch verwirkt, dass sie nicht
gemäss Art. 284
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 284 - Wurden Gegenstände heimlich oder gewaltsam fortgeschafft, so können dieselben in den ersten zehn Tagen nach der Fortschaffung mit Hilfe der Polizeigewalt in die vermieteten oder verpachteten Räumlichkeiten zurückgebracht werden. Rechte gutgläubiger Dritter bleiben vorbehalten. Über streitige Fälle entscheidet der Richter.494
SchKG bezw. Art.. 274 Abs. 2 OR innert zehn Tagen seit
der Fortschaffnng der Retentionsgegenstände deren Zurückverbringung in
die vermieteten Räumlichkeiten verlangt habe. Denn von einer gewaltsamen
Fortschaffung im Sinne dieser Bestimmungen, die zu einer solchen
Zurückverbringung Anlass geben könnte, kann doch nur dann gesprochen
werden, wenn die-Wegnahme zu Unrecht, zum Zwecke der Benachteilung'
des Retentionsgläubigers erfolgt. während die Inverwahrungnahme von
gepfändeten oder arrestierten · Sachen durch das Betreibungsamt eine
rechtmässige Handlung darstellt, die nach dem Ausge-

148 Schuldbetreihungsund Konkursrecht. No 41.

führten mit dem Retentionsrecht nicht in Konflikt kommt. Freilich
können Pfändung und Arrest, die gegen den Mieter vollzogen werden,
zur Folge haben, dass der Vermieter sein Retentionsrecht verwirkt,
nämlich wenn er unterlässt, es rechtzeitig geltend zu machen (vgl. AS
41 III S. 114 ff.); doch sind hiefür einzig die Vorschriften der
Art. 106 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1    Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
2    Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist.
3    Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes.
. SchKG massgebend, aus denen indes im vorliegenden Falle
nichts gegen die Rekurrentin her-' geleitet werden kann, weil, was die
untere Aufsichtsbehörde gänzlich übersehen hat, eine solche Verwirkung
nur für dasjenige Betreibungsverfahren gilt, in welchem der Vermieter
die Anmeldung versäumt hat, also nicht für das gegenwärtig einzig
in Frage stehende. Der streitigen Retention steht aber auch nicht,
wie die obere Aufsichtsbehörde meint, der Umstand entgegen, dass sie
nicht für den zur Zeit der Inverwahrungnahme verfallenen Jahresoder
den laufenden Halbjahreszins, sondern für einen späteren Zins vollzogen
worden ist, für welchen dem Vermieter ein Retentionsrecht damals noch
gar nicht zustand. Denn die Wegnahme der Retentionsgegenstände durch das
Betreibungsamt zwecks "'länverwahrungnahme vermag eben an der materiellen
Rechtslage überhaupt nichts "zu ändern, nicht nur nicht mit Bezug auf
die bereits bestehenden Rechte des Vermieters, sondern auch nicht mit
Bezug auf die Rechte, welche ihm aus der Fortsetzung des Mietvertrages
erwachsen mögen. Und wenn endlich die Rekursgegnerin zu bedenken gibt,
die Verwahrung durch das Betreibungsamt hätte, wenn die angefochtene
Retention nicht aufgehoben wird, zur Folge, dass sich die Rekurrentin
das Retentionsrecht für eine längere als die gesetzlich vorgesehene
Zeit zu sichern vermöge, weil sie (die Rekursgegnerin) die betreffenden
Seidenstoffe sonst schon längst verkauft haben würde, so ist darauf
hinzuweisen, dass ihr schon durch den Arrestvollzug als solchen die
Verfügung über die RetentionsgegenStände entzogen wurde, ohne dass es
hiefür der InverwahrungnahmeSchuldbetreibungs und Konkursrecht. N° 42, 149

durch das Betreibungsamt bedurft hätte, auf die also in diesem
Zusammenhange nichts ankommt.

2. Wollte man aber auch annehmen, die Streitfrage sei materiellrechtlicher
Natur und daher der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörde-n entzogen,
so wäre der Rekurs doch gutzuheissen, weil das Betreibungsamt nach
ständiger Rechtsprechung (AS 29 I S. 524 ff. ; 32 I S. 369 = Sep-Ausg. 6
S. 248 ff. ; 9 S. 139, Entscheid vom 15. September 1922 i. S. Scherrer)
die Aufnahme des Retentionsverzeichnisses nur dann ablehnen darf, wenn
es von vorneherein ausgeschlossen er-

. scheint, dass dem Vermieter ein Retentionsrecht zusteht, was angesichts
der vorstehenden Ausführungen gewiss

nicht gesagt Werden kann.

Demnach erkennt die schuf-idemund Kankurskammer :

Der Rekurs wird begründet erklärt, der Entscheid des Obergerichts des
Kantons Zürich vom 28. August 1922 aufgehoben und die Beschwerde der
*Rekursgegnerin abgewiesen. .

42; Ist-M vom 10. October 1922 . 1. S. Karlsruher Lebensversicherung
auf Gegenseitigkeit-?

Bundesgesetz über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften Art, 2,
Ziff. 1, 6, 7, Abs. 1 ; SchKG Art. 42
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 42 - 1 In allen andern Fällen wird die Betreibung auf dem Weg der Pfändung (Art. 89-150) fortgesetzt.
1    In allen andern Fällen wird die Betreibung auf dem Weg der Pfändung (Art. 89-150) fortgesetzt.
2    Wird ein Schuldner ins Handelsregister eingetragen, so sind die hängigen Fortsetzungsbegehren dennoch durch Pfändung zu vollziehen, solange über ihn nicht der Konkurs eröffnet ist.
: Unzulässigkeit der gewöhnlichen
Betreibung gegen ausländische Versicherungsgesellschaiten für Forderungen
aus Versicherungsverträgen, die von ihnen in der Schweiz zu erfüllen sind.

Am 1. September liess Witwe Frida Biaser durch das Betreibungsamt Bern
Stadt gegen die Karlsruher Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit,
Generalbevollmächtigter G. Marti, Gutenbergstrasse 14, Bern eine
ordentliche Betreibung auf Pfändung oder Konkurs für.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 48 III 146
Date : 02. Oktober 1922
Published : 31. Dezember 1922
Source : Bundesgericht
Status : 48 III 146
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : 146 Schuldbetreibungs und Konkursrecht. N° 41. 41. Entscheid vom 2. Oktober 1922


Legislation register
SchKG: 42  98  106  284
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