160 . Staatsreent

Sachlage spricht nun dafür, dass dies Zürich ist, da er hier jeweilen mit
dem Vater zusammen auf eigenem Heimwesen wohnt, während er sich in Sursee
allein, ohne andere Familienglieder, aufhält und deshalb offenbar das
Bestreben hat, seine freie Zeit möglichst in Zürich zuzubriugen. Wenn
er auch noch im Sommer im Kanton Luzern Kurse leitet oder Vorträge
hält, so kann das hieran nichts ändern, zumal da es sich dabei nur
um eine vorübergehende Tätigkeit handeln würde. Die Sachlage ist,
wie die zürcherische Regierung zutreffend bemerkt, wesentlich gleich,
wie bei den tessinischen Arbeitern, die den Winter bei ihrer Familie im
Tessin zubringen, im Sommer aber jeweilen in andern Kantonen ihrer Arbeit
nachgehen. In diesen Fällen, hat das Bundesgericht stets ausschliesslich
dem Kanton Tessin die Steuerhoheit über das Arbeitseinkommen zuerkannt.

Infolgedessen ist das Recht zur Besteuerung des beweglichen Vermögens
des Rekurrenten und des aus seiner Anstellung fliessenden Einkommens
ausschliesslich dem Kanton Zürich zuzuerkennen.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Der Rekurs wird in dem Sinne gutgeheissen, dass das .

Vermögen und Einkommen des Rekurrenten für das Jahr 1920 im Kanton Luzern
nicht besteuert werden darf. 'Doppeibesteuemng. N° 24. 181

24. Urteil vom 11. Juni 1921 iS. Paar gegen Zürich und Thurgau.
Verbot. der Doppelbesteuemng. Steuerdomizii eines unselbständig
erwerbenden Familienhauptes in einem Falle, wo

dieses zunächst den Ort der Berufsausübung und später die Familie den
Aufenthaltsort wechselt.

A. Der Rekurrent, der Ingenieur Max Paur von Zürich, war früher
Instruktionsoffizier der Artillerie. Er wohnte seit 1911 mit der
Familie in Frauenfeld. Zu Beginn des Jahres 1919 trat der Rekurrent
als Instruktionsoifizier zurück und bezog am 1. Februar, zunächst
provisorisch, eine Anstellung als Prokurist bei der Firma Baumann,
Kölliker & Cie, A.-G. in Zürich. Das bedingte seine persönliche
Übersiedelung nach Zürich, wo er zwei möblierte Zimmer bewohnte. Die
Familie blieb in Frauenfeld, wo die Kinder nach wie vor die Schule
besuchen. Der Rekurrent hält sich von

,Samstag bis Montag regelmässig bei der Familie in

Frauenfeld auf. Seit dem 1. Februar 1920 ist die Anstellung des
Rekurrenten in Zürich eine definitive. Die Übersiedelung auch der
Familie nach Zürich oder Umgebung war in Aussicht genommen ; sie konnte
aber noch nicht bewerkstelligt werden, weil der Rekurrent keine Wohnung
fand. Im Mai 1921 wollte der Rekurrent mit der Familie nach Kilchberg bei
Zürich ziehen oder ist dorthin gezogen. Der Heimatschein des Rekurrenten
blieb in Frauenfeld ; bei seiner Anmeldung in Zürich erhielt er einen
Personalausweis als Stadtbürger. Der Rekurrent bezahlte die Steuern
vom Einkommen und Vermögen bis Ende 1920 in Frauenfeld. Pro 1919 wurde
in Zürich mit Rücksicht auf den provisorischen Charakter der Anstellung
des Rekurrenten auf eine Besteuerung verzichtet. Am 7. April 1921 teilte
ihm das A8 47 i 132! ;-

1 62 . Staatsrecht

kantonale Steueramt Zürich nach längern Verhandlungen mit, dass er
seit dem 1. Februar 1920 in Zürich steuerpflichtig sei und für seinen
halben Verdienst besteuert werde ; er möge sich in dieser Beziehung
mit den thurganischen Behörden auseinandersetzen. Der Rekurrent wandte
sich hierauf an das Finanzdepartement des Kantons Thurgau, von dem er
am 18. April den Bescheid erhielt, dass, solange er seine Familie in
Frauenfeld habe und regelmässig zu ihr zurückkehre, sein Steuerdomizil
dort sei, weshalb eine steuer-rückzahlung nicht in Frage kommen könne.--

B. Mit staatsrechtlichem Rekurs vom 17. April 1921 hat Paur heim
Bundesgericht den Antrag gestellt, es möge über den Ort seiner
Steuerpflicht seit dem 1. Februar 1920 entscheiden.

C. Der Regierungsrat von Zürich hat beantragt, der Rckurrent sei als
seit dem 1. Januar 1920 in Zürich steuerpflichtig zu erklären. Der
Rekurrent habe spätestens seit dem 1. Februar 1920, da seine Anstellung
in Zürich eine definitive geworden sei, seinen zivilrechtlichen Wohnsitz
und damit auch sein allgemeines Steuerdomizil in Zürich. Nach richtiger
Auffassung sei dies schon früher der Fall gewesen. Doch werde darauf
verzichtet, auf die Verhältnisse des Jahres 1919 zurückzukcmmen. Dagegen
werde das Besteuerungsrecht in Bezug auf Berufs-einkommen und bewegliches
Vermögen seit dem 1. Januar 1920 nunmehr in Anspruch genommen. Eine solche
Erweiterung des Steueranspruchs gegenüber dem früher geltend gemachten sei
zulässig, weil noch keine definitive Einschätzung des Rekurrenten pro 1920
stattgefunden und weil Thurgau den Vorschlag einer hälftigen Besteuerung
des Berufseinkommens in Zürich seit 1. Februar 1920 nicht angenommen habe.

D. Der Regierungsrat von Thurgau hat beantragt, der Rekurrent sei als in
Frauenfeld steuerpflichtig zu erklären, da er dort seinen zivilrechtlichen
und damit auch steuerrechtlichen Wohnsitz habe.Doppelbesteuerung N°
24. 163

Das Bundesgericht zieht in Erwägung ,:

Alsunselbständig erwerbende Person hat der Rekurrent ,nach den
bundesrechtlichen Grundsätzen über das Verbot der Doppelbesteuerung sein
Steuerdomizil da, wo. sein bürgerlicher Wohnsitz ist. Es fragt sich daher,
ob dieser seit Anfang 1920 in Frauenfeld oder Zürich war.

Es steht fest, dass der Rekurrent von 1911 bis 1919 seinen Wohnsitz
in Frauenfeld hatte. Das dortige Domizil blieb auch bestehen, als der
Rekurrent am 1. Februar 1919 eine provisorische Anstellung in Zürich
annahm. Die Anstellung hatte zwar zur Folge, dass er sich die Woche
über in Zürich aufhalten musste. Allein schon der bloss provisorische
Charakter der Stelle schloss es aus, dass mit dem Aufenthalt in Zürich
die Meinung dortigen dauernden Verbleibens verbunden gewesen wäre.
Auch diente der-Aufenthalt mehr nur einem Sonderzweck, demjenigen
der Berufsausühung, während der Rekurrent seinen Lehensmittelpunkt in
Frauenfeld beibehielt : dort verblieb die Familie unter den bisherigen
Verhältnissen, dort besuchten die Kinder die Schule, und dort hielt sich
namentlich der Reliurrent selber regelmässig vom Samstag bis zum Montag
auf. Als dann am 1. Februar 1920 die Anstellung des Rekurrenten in Zürich
eine definitive wurde und als spätestens damit die Übersiedelung der
Familie nach Zürich oder Umgebung ins Auge gefasst wurde, mochte die
Frage nach dem bürgerlichen Wohnsitz des Rekurrenten als zweifelhaft
erscheinen. Gewisse Momente die dauernde Anstellung in Zürich, das nur
noch vorübergehende Wohnen in Frauenfeld sprechen nunmehr unverkennbar
für Zürich, andere die Fortdauer der bisherigen äussern tatsächlichen
Verhältnisse für Frauenfeld. Man hat es mit einem der Fälle zu tun,
wo eine Person zu zwei Orten derartige Beziehungen unterhält, dass
es schwierig ist, zu entscheiden, welcher der beiden Orte Wohnsitz
ist. Berücksichtigt man alle Verhältnisse, so dürfte

164 · staatsrecht-

es doch richtiger sein, hier Frauenfeld den Vorzug zu geben, dies auch
deshalb, Weil im Zweifel eher das bisherigeDomizil als fortdauernd
zu betrachten ist (vgl. ZGB Art. 24 Abs. 1). Die äussern Beziehungen
des Rei_ kurrenten zu Frauenfeld und Zürich bestanden wie bis anhin
weiter.-Wenn auch der Wegzug der Familie von Frauenfeld beschlossen war,
so konnte doch nach den Verhältnissen mit einer raschen Übersiedelung
nach Zürich oder Umgebung wohl nicht gerechnet werden," und die Familie
blieb auch in der Tat noch beinahe 11/2 Jahre in Frauenfeld, nachdem
die Anstellung-des Rekurrenten in Zürich eine definitive geworden war.
Das Verhältnis des Rekurrenten zu Zürich war auch nach dem l. Februar
1920 insofern noch unsicher, als nicht feststand, dass er sich gerade in
der Stadt Zürich definitiv mit der Familie niederlassen werde, wie nun
ja der neue Wohnsitz in Kilehberg und nicht in Zürich ist. Die Annahme
hätte etwas Gezwungenes, dass-der Rekurrent seinen Wohnsitz bis 1. Februar
1920 in Frauenfeld gehabt habe, dass dann sein bisheriger Aufenthalt in
Zürich zum Wohnsitz geworden sei, um als solcher mit der Übersiedelung
der Familie nach Kilchberg vom letzteren Orte abgelöst zu werden. Es
erscheint als einfacher und natürlicher, hier den Wohnsitzwechsel an
die Übersiedelung der Familie, die einschneidendste Veränderu11gder
Verhältnisse, zu knüpfen. Die Umstände des vorliegenden Falles decken
sich denn auch nicht völlig mit denjenigen, die den Urteilen Riedlin vom
21. November 1919 und Lohrmann vom 15. Mai 1920 (beide nicht publiziert)
zu Grunde lagen, auf welche Urteile sich der Regierungsrat von Zürich
beruft. Riedlin war erst kurz vor dem Antritt seiner d a 11 e r n d e 11
Stelle in Zürich mit der Familie vom Ausland nach Basel gekommen, und
die Familie folgte ihm nach 10 Monaten nach Zürich nach. Auch Lohrmann
trat eine definitive Anstellung in einer Gemeinde des Kantons Zürich an,
und die Familie kam nach 7 Monaten dahinDoppelbesteuerung N° 25. 165

nach. In keinem der-beiden Fälle bestanden so intensive persönliche
Beziehungen des Familienhauptes zum bisherigen Wohnsitz fort, Wie beim
Rekurrenten.

Ist nach dem Gesagten Frauenfeld als bürgerlicher Wohnsitz des Rekurrenten
während des Jahres 1920 (und bis zur Übersiedelung nach Kilehberg) zu
betrachten, so ist der Rekurs dahin gutzuheissen, dass er in Zürich für
1920 nicht besteuert werden darf.

Demnach erkermi das Bundesgericht :

Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der Rekurrent in Zürich für
1920 nicht besteuert werden darf.

25. Urteil vom 17. Juni 1921 i. S. Hofer gegen Zürich und Thurgau. Verbot
der Doppelbesteuerung steuerdomizil für das Einkommen unselbständig
erwerbender Personen, die in einem Kanton dauernd ihrem Berufe nachgehen,
aber den Sonntag,

Wie auch allfällige Ferien regelmässig in einem andern Kanton bei ihren
Eltern zubringen.

· A. _ Die Rekurrenten, die Geschwister Otto und Elise Hofer, arbeiten
seit dem Jahre IMS in Zürich als Bureauangestellte und ohnen dort
in gemieteten Zimmern. Jeden Samstag gehen sie zu ih1en Eltern In
Fimmelsbeig (Munizipalgemeinde Asimlikon) im Kanton T'huigau, um d01t
den Sonntag zuzuhringen. Hier übt Otto I lofei auch sein Stimmrecht
aus. Die Rekurrenten sind stets in Amlikou besteuert werden und haben
die ihnen hier auferlegten Steuern jeweilen bezahlt. Im Februar und
März 1921 erklärte ihnen die Finanzdirektion des Kantons Zürich, dass
sie vom l. Januar 3919 an ausschliesslich in Zürich für ihr Einkommen
steuerpflichtig seien.

B. Hierauf haben Otto und Elise Hofer am 31 M;? rx
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 47 I 161
Datum : 11. Juni 1921
Publiziert : 31. Dezember 1921
Quelle : Bundesgericht
Status : 47 I 161
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 160 . Staatsreent Sachlage spricht nun dafür, dass dies Zürich ist, da er hier


BGE Register
47-I-129
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
frauenfeld • familie • 1919 • bundesgericht • thurgau • weiler • regierungsrat • doppelbesteuerung • samstag • beginn • familienhaupt • bewegliches vermögen • stelle • frage • richtigkeit • monat • zimmer • sonntag • charakter • jahreszeit
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