76 Entscheidungen der Schuldbetreibuags-

den Beamten erklärt werden kann (vgl. JAEGER, Note 7 zu Art. 74),
auch allfällige vom Schuldner selbst , anlässlich der Zustellung jenem
gegenüber abgegebene

Erklärungen in Berüksichtigung ziehen. Vor diesem Zeitpunkt ist das
Betreibungsamt somit auch nicht in der Lage, dem Gläubiger mitzuteilen,
dass Rechtsverschlag erhoben worden sei.

2. Abgesehen bievon wiirde die Mitteilung der von Dr. V. E. Scherer
abgegebenen Erklärung an den betreibenden Gläubiger übrigens gar
nicht bewirken, dass die in Art. 278 Abs. 2 SchKG vorgeschriebenen
Fristen zu laufen beginnen." Denn nach Art. 76 SchKG ist der Inhalt
des Rechtsverschlages dem Betreibenden auf der für ihn bestimmten
Ausfertigung des Zahlungsbefehls mitzuteilen, und nur die Mitteilung in
dieser gesetzlich vorgesehenen Form vermag diejenigen Rechtswirkungen
auszulösen, welche das Gesetz an die Mitteilung des Rechtsverschlages
an den Gläubigen knüpft. Nun hat aber nach Art. 72 Abs. 2 SchKG
das Gläubigerdoppel beim Zustellungsakte Verwendung zu finden '
und gelangt erst nach erfolgter Zustellung des Zahlungs_befehls,
versehen mit der Zustellungsbescheinigung, ' wieder in den Besitz
des Betreibungsamtes. Dieses vwäre somit im gegenwärtigen Stadium des
Verfahrens gar nicht in der Lage, die verlangte Mitteilung in derjenigen
Form zu machen, welche einzig die Rechtswirkung nach sich ziehen kann,
die der Vertreter des Schuldners im Auge hat.

Demnach erkennt die Schuldbetrss und Konkurskammer .'

Der Rekurs wird abgewiesen.

und Konkurskammer. N° 19. 77

19. Auszug aus dem Entscheid vom 22. September 1920 i. S. Konkursamt
Rorschach.

SchKG Art. 10 Ziff. 3 ist auch auf den 'Konkursbeamten anzuwenden,
der kurze Zeit vor Ausbruch des Konkurses als Anwalt die Interessen des
Schuldners in einer Betreibungssache vertreten hat.

2. Gemäss Art. 10 Ziff. 3 SchKG darf ein Beamter keine Amtshandlungen
vornehmen in Sachen einer Person, deren gesetzlicher Vertreter,
Bevollmächtigter oder Angestellter er ist. Stellt man bloss auf den
Wortlaut dieser Bestimung ab, so scheint nur demjenigen Beamten die
Vornahme von Amtshandlungen verboten zu sein, welcher zur Zeit ihrer
Vornahme Vertreter oder Angestellter einer der beteiligten Parteien
ist. Jedoch ist dieser Wortlaut offenbar zu eng, da er den ihr zu
Grunde liegenden Gedanken nur unvollkommen zum Ausdruck bringt. Denn
die Absicht dieser Vorschrift geht zweifellos dahin, es solle ein
Beamter von der Vornahme amtlicher Funktionen ausgeschlossen sein,
wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in seine
Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Nun ist aber ein solches Misstrauen
auch dann gerechtfertigt, wenn ein Konkursbeamter kurze Zeit vor
Ausbruch des Konkurses als Anwalt die Interessen des Schuldners in einer
Betreibungssache vertreten hat, und es hat demnach die Ausstandspflicht
auch für diesen Fall zu gelten. Ein solcher Fall liegt aber hier in der
Tat vor, indem der Konkursbeamte Hug vom Januar bis zum Aprilalso wenige
Monate vor der Eröffnung des Konkurses über Knöpfel, in dessen Vertretung
Verhandlungen mit dem Rekursgegner, einem seiner Hauptgläubiger, geführt
hat, die darauf abzielten, den Konkurs zu vermeiden, jedoch nicht zum
gewünschten Resultat. führten, und ferner nach den Feststellungen der
Vorinstanz und eigener Zugabe in der Rekursschrift auch später noch,

T " Entscheidungen der Schuldhctreibungs-

wenige Tage vor der Konkurseröfinung, im Auftrage des Knöpfel, mindestens
als ,dessen Berater, tätig war. Mit Recht hat daher die Vorinstanz den
Ausstand des Konkursbeamten Hug verfügt.

20. Auszug aus dem Entscheid vom 23. September 1920 ,i. S. Köppel. _
SchKGArt. 93: Lohnpfändung, Existenzminim um. Kann der geschiedenen Frau,
die Ansprüche aus

Art. 152 ZGB in Betreibung setzt, der Art. 93 SchKG unbeschränkt
entgegenhalten werden '? _

1... 2. Vom 1. Mai 1920 an dagegen sind die Lohnpfändungen
aufzuheben. Art. 93 SchKG ist bestimmt,

dem Schuldner die notwendigsten Mittel für seinen '

Lebensunterhalt zu sichern. Aber nicht nur den Schuldner, sondern auch
seine gesamte Familie will Art. 93 vor dem Entzug der notwendigen
Existenzmittel schützen. Dieser Schutz wäre für die nicht in
Hausgemeinsehaft mit dem Schuldner lebenden Familienglieder illusorisch,
wenn der Schuldner auch ihnen gegenüber sich unbeschränkt auf Art. 93
berufen könnte. Aus diesem Grunde hat das Bundesgericht in dem Urteil
in Sachen May, AS 45 III 82, das die Vorinstanz zitiert hat, für den
Unterhaltsanspruch des ausserehelichen, mit Standesi'olgen anerkannten
Kindes die Anwendbarkeit des Art. 93 in dem oben angeführten Sinne
ausgeschlossen.

Allein zu Unrecht hat die kantonale Aufsichtsbehörde jene Grundsätze
auch auf die Ansprüche der geschiedenen Frau aus Art. 152 ZGB anwendbar
erklärt.

Mit der Scheidung werden die Bande, die den geschiedenen Ehegatten
bisher mit der Familie des andern Gatten verbunden haben, aufgelöst,
er ist nicht mehr Glied dieser Familie und daher auch von dem Momente

und Konkurskammer. N° 20. 79

der Scheidung an nicht mehr dureh Art. 93 geschützt. Eine Pfändung
die das Existenzminimum des Schuldners und seiner Familie angreifen
wiirde, kann daher nicht mehr zulässig sein.' Uebrigens kann auch
nicht damit argumentiert werden, dass doch die Forderung aus Art. 152
ZGB noch als familienrechtlicher Unterhaltsamspruch betrachtet werden
müsse. Vielmehr handelt es sich dabei um eine, allerdings in Form einer
wiederkehrenden Leistung , zugesicherte En t s c h ä dig u n g dafür,
dass die familienrechtlichen Ansprüche, die während des Bestehens der
Ehe zwischen den Ehegatten bestanden haben, aufgehoben werden sind.

Aber noch eine andere Erwägung steht dem Entscheid der Vorinstanz
entgegen. Art. 152 ZGB zwingt den Richter nicht, eine Unterhaltpflicht
zu statuieren. Der Richter kann einen Unterhaltsansprueh zubilligen,
er hat aber dabei die ,Vermögensverhältnisse des pflichtigen Ehegatten zu
berücksichtigen. Damit ist unzweideutig ss ausgedrückt, dass dem letztem
die für seinen und seiner Familie Unterhalt notwendigen Mittel nicht
entzogen werden dürfen (EGGER, Note 3 .zu Art. 152). Diese Bestimmung des
materiellen Rechtes kann unmöglich im Exekutionsverfahren entkräftet
werden. Der Anspruch des geschiedenen Gatten muss daher notwendig dem
Anspruch des Schuldners, dass ihm und seiner Familie das Existenzminimum
unversehrt belassen wird, nachstehen. Geht man aber hievon aus, so
bleibt für eine Lohnpfändung de'rRekursbeklagten kein Raum mehr, denn
die Behauptung, das aussereheliche Kind des Rekurrenten habe nicht mit
Standesfolgen anerkannt werden können, kann von den Aufsichtsbehörden
nicht überprüft werden. Zudem hat das Bundesgericht wiederholt auch
das nicht mit Standesfolgen zugesprochene Kind als zur Familie des
ausserehelichen Vaters gehörig erklärt (AS 45 III 115).
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 46 III 77
Date : 22 septembre 1920
Publié : 31 décembre 1920
Source : Tribunal fédéral
Statut : 46 III 77
Domaine : ATF - Droit des poursuites et de la faillite
Objet : 76 Entscheidungen der Schuldbetreibuags- den Beamten erklärt werden kann (vgl. JAEGER,


Répertoire des lois
CC: 152
LP: 10  72  76  93  278
Répertoire ATF
45-III-113 • 45-III-80
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
débiteur • famille • préposé aux faillites • autorité inférieure • récusation • détresse • tribunal fédéral • conjoint • commandement de payer • minimum vital • office des poursuites • décision • personne divorcée • copie • forme et contenu • déclaration • volonté • représentation légale • enfant né hors mariage • délai • mariage • père • mois • début • droit matériel • fonction • office des faillites • jour
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