214 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Von einer willkürlichen, d. h. gegen absolut klares und unzweideutiges
Recht verstossenden Gesetzeshandhabung keine Rede sein, weil eben
das Gesetz den Begriff des Reingewinns nicht definiert und daher
in dieser Beziehung der Auslegung durch die zuständigen Organe Raum
lässt. Die Argumente, welche die Rekurrentin für ihre Auffassung anführt,
insbesondere das Verhältnis der Ertragsteuer zur Kapitalsteuer nach § 2,
mögen für die Interpretation des Gesetzes beachtenswert sein. Sie sind
aber, auch wenn sie mehr oder weniger zutreffend sein sollten, höchstens
geeignet, den augefochtenen Entscheid als einen irrtümlichen, niemals
aber ihn als einen willkürlichen erscheinen zu lassen, wie denn auch die
Motive des Verwaltungsgerichts, wie auch diejenigen des Regierungsrates,
den Eindruck einer durchaus ernsthaften und objektiven Rechtserörterung
machen, wobei insbesondere als gewichtiges (vom Regierungsrat speziell
hervorgehobenes) Moment der Ausdruck des Gesetzes: Ertragssteuer sich
darstellt, der auf die steuerrechtliche Erfassung des Betriebsgewinns
und nicht des Reingewinns im Sinne des Vermögenszuwachses deutet. Dass
das Verwaltungsgericht irrtümlich angenommen hat, dass die Reserven einer
Aktiengesellschaft der Kapitalsteuer nicht unterliegen, kann dabei nichts
verschlagen, weil der betreffenden Erwägung

nach dem ganzen Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung-

zukommt, indem das Gericht zweifellos auch ohne den Irrtum zum selben
Schluss gelangt wäre, und weil eben feine übrigen Argumente vor Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

BV nicht anfechtbar sind. Der Vorwurf der Willkür ist hier um so weniger
begründet, als dieBesteuerung der Aktiengesellschaften für den Betriebsund
nicht den bilanzmässigen Reingewinn auch auswärts geltendes Recht ist
und auch in der Theorie als richtiges und angemessenes System vertreten
wird (siehe Rehm, die Bilanzen der Aktiengesellschaften, S. 674 und die
dortigen Ausführungen über preussisches und österreichisches Recht und
zwar speziell betreffend die steuerrechtliche Behandlung des vom Vorjahr
übernommenen Verlustes).

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird
abgewiesen.Ill. Schweizerbürgerrecht. N° 41. 215

III. Schweizerbürgerrecht. Nationalité suisse.

41. gilt-teu vom 8. Juni 1910 in Sachen Zur-nolens gegen giant.

Umfang der Kompetenz des Bundesgerichts in Bürgerrechtsstreitigkeiten
(Erw. i). Kompetenz des Bundesgerichts, gewisse grundsätzlich in
einem andern Verfahren zu entscheidende Fragen als Präjudizialfragen
insoweit zu überprüfen, als es zum Entscheide über die der direkten
Beurteilung des Bundesgerichtes unterstellte Streitfrage erforderlich ist
(Erw. 2). Recht auf Verabfolgung eines Heimatscheines. Ableitung dieses
Rechts a) aus Art. 44 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
' BV (Erw. 3); b) aus Art. 45 Abs. i ,
und zwar auch dann, wenn der Heimatschein zum Zwecke der Niederlassung
im. Ausland verlangt wird (Erw. li). Verlust-des Sehweizerbürgerreelits
im Falle der Verheiratung einer Sbhweizerin mit einem Ausländer:
nur dann, wenn sie gleichzeitig dessen ausländisches Burger-rechi
erwirbt (Erw. '5)-.si'Fehlen dieser Voraussetzung im Falle der blossen
Zivilehe zwischen einer Sehweizerin und einem Bulgaren (da Bulgarien
nur die nach griechisch-orthodoxem Ritus eingesegneten Ehen anerkennt);
infolgedessen Beibehaltung des Sohweizerbdrgerreehts durch die betre/fende
E/iefrau, trotzdem die Ehe nach schweizerischem Recht durchaus gültig
ist (Erw. 6). Verhältnis zwischen den Wirkungen des Eheabsohlusses
auf den Z ioilstand und den Familiennamen einerseits und auf die
Bürger-rechtsverhdltnisse anderseits (Erw. 7).

A. Die damals nnbestrittenermassen in Erlach (Bern) heimatberechtigte
Rekurrentin ist am 30. Dezember 1902 vom Zwilstandsamt Lausanne mit Jean
Manolosf, von Philippopoli (Bulgarien), getraut worden. Eine Erklärung
der zuständigen auswärtigen Behörde über die Anerkennung der Ehe im
Sinne von Art. 37 Abs. 4 ZEG hatte zwar nicht vorgelegen, wohl aber die
in der angeführten Gesetzesbeftimmung vorgesehene Dispensationserklärung
der Regierung des Kantons Waadt bezw. ihres Justizdepartementes Diese
Dispensationserklärung war ihrerseits auf Grund folgender Auskunft der
diplomatischen Agentur Bulgariens in Paris ausgestellt worden:

D'aprés les lois et eontumes bulgares, seul le mariage 'religieux est
valable en Bulgarie; par conséquent,.le mariage civil, accompli en Suisse,
ne serait pas valable aux

216 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

yeux des autorités compétentes en Bulgarie, s'il n'était pas suivi du
mariage religieux dans une Eglise orthodoxe, russe par exemple, soit
a Lausanne, soit à Genève, etc. Donc M. Jean Manoloff, s'il veut ne
rencontrer aucun des-agrément de ce còté-là une fois rentré dans son
pays, doit, après le marjage civil, remplir sans kaute la formalite,
indispensable, du mariage religieux. Il aura alors le soin de demander
au prétre qui les aura unis, un certificat qu'il enverra à la mairie de
Philippopoli pour la transcription del'acte de mariage religieux sur
les registres de l'état civil. En outre, il serait prudent de sa part
d'adresser aussi une copie de ce certificat à la légation de Bulgaria a
Paris pour y etre enregistrée et conservée dans les archives, en vue de
toute éventualité. Quant aux publications, elles ne sont pas necessaires
en Bulgarie.

Ausserdem-hatten sich die Ehegatten in einer dem Zivilstandsamt
Lausanne ausgestellten Erklärung schriftlich verpflichtet, ihre Ehe
nach griechisch-orthodoxem Ritus kirchlich einsegnen zu lassen. Auch
anerkannten sie schriftlich, vom Zivilsiandsbeamten darauf aufmerksam
gemacht worden zu sein, dass ihre Ehe in Bulgarien nur nach erfolgter
kirchlicher Trauung anerkannt werde.

Tatsächlich unter-blieb die kirchliche Trauung infolge beharrlicher
Weigerung des Ehemannes und trotz aller Vorstellungen der Rekurrentin.
Infolgedessen wurde die Ehe im Eheregister des Bür- germeisteramtes von
Philippopoli niemals eingetragen.

Nach der am 27. Februar 1903 erfolgten Geburt eines Kindes begab sich
der Ehemann Manolosf nach Brüssel Anfangs 1905 erfuhr die Rekurrentin,
dass Manolosf daselbst eine zweite Ehe abgeschlossen habe, und zwar
mit nachfolgender kirchlicher Trauung nach bulgarischem Ritus. Eine im
Jahr 1906 von der Rekurrentin gegen Manolosf angestrengte Strafklage
wegen Bigamie wurdevon den belgischen Behörden nicht entgegengenommen,
da nach bulgarischem Recht die zweite Ehe allein gültig sei.

Am 18. März 1909 erwirkte die Rekurrentin vom Bezirksgericht Lausanne
die Scheidung ihrer Ehe aus Grund von Art. 46 b ZEG Dabei ging das
Gericht davon aus, dass die Rekurrentin trotz ihrer Verheiratung mit
einem Ausländer ihr Schweizerbür-III. Schweizerbürgerrecht. N° 41. 217

gerrecht nicht verloren habe, weshalb Art. 56 ZEG auf ihre Ehe mit
Manolosf nicht anwendbar sei.

B. Durch Entscheid vom 18. Februar 1910 hat der Regierungsrat des Kantons
Bern ein von der gegenwärtig in Ungarn sich aufhaltenden Rekurrentin
gestelltes Gesuch um Verabfolgung eines Heimatscheines, durch welchen
sie als Gemeindebiirgerin von Erlach und als bernische Kantonsbiirgerin
anerkannt werde, abgewiesen.

Die Erwägungen dieses Entscheides lassen sich folgendermassen
zusammenfassen: Da die Rekurrentin einen Bulgaren geheiratet

habe, sei sie als nunmehrige Bulgarin im Biirgerrodel von Erlach

gelöscht worden. Die Eintragung der Ehescheidung im Eheregister
B von Erlach habe kein Wiederaufleben des ehemaligen Bürgerrechts
zur Folge gehabt. Habe die Rekurrentin durch die Verheiratung eine
neue Staatsangehörigkeit nicht erworben, so sei sie gegenwärtig als
heimatlos zu betrachten und als solche im Kanton Waadt, wo sie geboren,
bisher gelebt und heimatlos geworden sei, einzubürgern, sofern sie
nicht gestützt auf am. 10 des Bundesgefetzes betreffend die Erwerbung
des Schweizerbürgerrechtes vom 25. Juni 1903 die Wiederaufnahme in das
Bürgerrecht von Erlach verlangen könne.

C. Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende, rechtzeitig
und formt-ichtig ergriffene staatsrechtliche Rekurs. Die Re- kurrentin
beschwert sich über Verletzung des Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV. Sie macht auch geltend,
dass ihr die Niederlassung im Ausland in verfassungs-widriger Weise
erschwert werde. Jhre Rechtsbegehren lauten :

Plaise an Tribunal federal

a) prononcer que la recourante est reconnue ressortjssante de la commune
de Cerlier, canton de Berne;

b) annuler l'arrété du Conseil d'Etat du canton de Berne, du 18 janvier
1910, dont est recours, comme contraire à l'article 44 de la Constitution
fédérale ;

c) dire que le Gouvernement bernois est tenu de reconnaître la recourante
comme bourgeoise de la commune de Cerlier, et de sommer la dite commune
de lui délivrer ses papier-s de légitimation.

218 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

D. Der Regierungsrat des Kantons Bern hat Abweisungz des Rekurses
beantragt und dabei die aus Erwägung 3 Abs. 1 und Erwägung 7 Abs. 1
ersichtlichen Standpunkte eingenommen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Insoweit die Rekurrentin beantragt, das Bundesgericht wolle erkennen,
dass sie Bürgerin der Gemeinde Erlach sei, und insoweit sie verlangt, es
sei die Verpflichtung des Regierungsrates des Kantons Bern zur Anerkennung
dieses ihres Bürgerrechtes festzustellen, kann ihren Rekursbegehren
nicht entsprochen werden. Der Erlass eines derartigen Urteilsdispositivs
wäre allerdings zulässig, wenn es sich um eine Bürgerrechtsstreitigkeit
zwischen Gemeinden verschiedener Kantone handeln würde, in Bezug auf
welche dem Bundesgericht kraft positiver Verfassungsund Gesetzesbestimmung
(Art. 110 Abs.2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
BV und Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 110 * - 1 Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
1    Der Bund kann Vorschriften erlassen über:
a  den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
b  das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, insbesondere über die gemeinsame Regelung betrieblicher und beruflicher Angelegenheiten;
c  die Arbeitsvermittlung;
d  die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.
2    Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen.
3    Der 1. August ist Bundesfeiertag. Er ist arbeitsrechtlich den Sonntagen gleichgestellt und bezahlt.
OG) eine materielle Entscheidungsbefugnis
zusteht. Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor, da ja überhaupt
nur das Bürgerrecht einer einzigen schweizerischen Gemeinde und also auch
nur dasjenige eines einzigen schweizerischen Kantons in Frage steht. Die
Rekurrentin hat sich denn auch in rechtlicher Beziehung selber auf einen
andern Boden gestellt, indem sie die Verletzung eines verfassungsmässigen
Rechts im Sinne der Art. 113
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
Ziff. Z BV und 175 Biff. 3 OG geltend
macht. Das Bundesgericht hat daher, falls der Standpunkt der Rekurrentin
prinzipiell begründet erscheint, lediglich den angefochtenen Entscheid
aufzuheben und im Anschluss daran den Regierungsrat des Kantons Bern
einzuladen, für die Ausstellung des verlangten Heimatscheines besorgt
zu sein. Dabei ist die Frage der Existenz des streitigen Bürgerrechts,
gleichwie es übrigens schon im angesochtenen Entscheid geschehen ist,
auch vom Bundesgerichte bloss als Präjudizialfrage einer Überprüfung
zu unterziehen

2. Kann das Bundesgericht nach dem Gesagten auch im Falle der
grundsätzlichen Gutheissung des Rekurses kein Urteilsdispositiv Über die
Existenz des von der Rekurrentin beanspruchten Vürgerrechts erlassen,
so ist es dagegen, wie bereits angedeutet, durchaus kompetent, diese
Frage als Präjudizialpunkt zu überprüfen. Allerdings wäre es an sich
auch befugt, die Rekurrentin zunächst, behufs Erwirkung eines positiven
Entscheides über jene-

Ill. Sehweizerbiirgerrecht. N° 41. 219

Bürgerrechtsfrage, an die zuständigen kantonalen Behörden zu
verweisen. Da jedoch nach nunmehr feststehender bernischer Praxis
(vergl. Zschr. d. bern. Juristenvereins 27 S. 141 ff., Pillichody,
Bernischer Zivilprozess Nr. 130) zum letztinstanzlichen Entscheide
über Bürgerrechtsfragen gerade der Regierungsrat berufen ist, diese
Behörde aber im angefochtenen Beschlusse bereits mit aller Bestimmtheit
zur streitigen Bürgerrechtsfrage Stellung genommen hat, so würde eine
Verweisung der Rekurrentin an ein kantonales Vorversahren eine durchaus
überflüssige Weiterung bedeuten. Das Bundesgericht hat sich denn auch
wiederholt für kompetent erachtet, derartige grundsätzlich in einem
andern Verfahren zu entscheidende Fragen als Präjudizialfragen insoweit
zu überprüfen, als es zum Entscheide über die der direkten Beurteilung
des Bundesgerichts unterstellte Streitfrage erforderlich war; dies
z. B. (vergl. AS 8 S. 853 f. Erw. 3) in Bürgerrechtsstreitigkeiten
zwischen Gemeinden verschiedener Kantone, wenn dabei eine Statusfrage
von präjudizieller Bedeutung war; ebenso aber auch (vergl. AS 35 I S. 673
ff. Erw. 3) gerade bei Rekursen wegen Verweigerung der Ausstellung eines
Heimatscheines, wenn dabei Statusund zugleich Bürgerrechtsfragen eine
präjudizielle Rolle spielten.

Jn diesem Sinne ist das Bundesgericht zur Anhandnahme desRekurses
kompetent und dabei insbesondere auch befugt, die Frage der Existenz
des beanspruchten Bürgerrechts als Vorfrage zu überprüfen.

3. In der Sache selbst ist vor allem zu konstatieren, dass die
Rekurrentin, falls sie wirklich das Schweizerbürgerrecht beibehalten
hat in der Tat ein verfassungsmässig-CIR,t-ch.t..sxi.f-.AYH-

stellnng eines Heimatscheines besitzt. Ein solches Recht lässt sich

nämlich zunac'sshsf, mit der Rekurrentin aus Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV ableiten Es
kann nicht als richtig anerkannt werden, wenn in der Vernehmlassung
des Regierungsrates ausgeführt wird, eine Verletzung der genannten
Verfassungsbestimmnng stehe hier ausser Frage, da ja nicht
einem Kantonsbürger das bernische Landrecht aberkannt, sondern
bloss fesigestellt worden sei, dass bei der Rekurrentin eine gewisse
Tatsache eingetreten sei, die nach allgemein anerkannten Grundsätzen die
Wirkung habe, dieselbe das bernische Landrecht verlieren zu machen. Der
Regierungsrat vertritt hier

220 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. [. Abschnitt. Bundesverfassung.

den Standpunkt, dass durch Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV, neben der Verbannung, nur
der förmliche Entzug eines bis dahin als rechtsbeständig anerkannten
Bürgerrechts verboten sei, dass die mehrerwähnte Verfassungsbestimmung
aber nicht angerufen werden könne, wenn lediglich konstatiert worden
sei, dass eine bestimmte Person ein bestimmtes Bürgerrecht infolge
einer unabhängig von der Staatsgewalt eingetretenen Tatsache nicht mehr
besitze. Obwohl diese Auffassung in einem Urteile des Bundesgerichts
aus dem Jahre 1898 (AS 24 II S. 210 f. Erw. 1) gewisse Anhaltspunkte
finden mag, kann dieselbe doch nicht als richtig anerkannt werden.
Allerdings scheint sich Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV seinem Wortlaute nach von der
Verbannung abgesehen nur auf den Fall zu beziehen, dass durch einen
rechtsvernichtenden Akt der Staatsgewalt ein bis dahin als solcher
anerkannter Kantonsbürger seines Bürgerrechtes förmlich verluftig erklärt
wird. Allein Sinn und Tragweite der mehrerwähnten Verfassungsbestimmung
gehen zweifellos dahin, dass die Kantone verpflichtet seien, ihre
Bürger jederzeit und unter allen Umständen als solche anzuerkennen,
sofern das betreffende Bürgerrecht nicht kraft eines bundesrechtlich
zulässigen Rechtssatzes verloren gegangen ist. Darnach aber enthält
Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV die Garantie eines subjektiven öffentlichen Rechts, nämlich
des jedem Schweizer zustehenden Rechts, jederzeit und überall als Bürger
seines Heimatkantons und infolgedessen (vergl. Tagsatzungsbeschluss vom
13. Juli 1819, abgedruckt bei Wolf I S. 204, sowie Art. 43 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 43 Aufgaben der Kantone - Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen.
BV)
auch als Schweizerbiirger anerkannt zu werden.

Jn diesem Recht, jederzeit als Schweizerbürger anerkannt zu werden,
ist nun zweifellos, als das kleinere in dem grösseren, auch das Recht
enthalten, die Aushändigung derjenigen Urkunde zu verlangen, durch welche
das Schweizerbürgerrecht offiziell konstatiert zu werden pflegt; dies
zum mindesten dann, wenn der betreffende Schweizerbürger ein rechtliches
Interesse daran hat, sich über seine Staatsangehörigkeit auszuweisen,
also z. B. wenn er zum Abschlusse einer Ehe eines solchen Ausweises
bedarf, oder auch, wie dies bei der Rekurrentin der Fall ist, behufs
Ermöglichung dauernden Aufenthaltes im Ausland.

Tatsächlich ist denn auch das Institut des Heimatscheines solllz
Schweizerhürgerrecht. N° 41. _ 221.

alt wie dasjenige des Schweizerbürgerrechts selber. Denn schon
Tagsatzungsbeschluss vom 13. Juli 1819 bestimmte im Anschluss an die
Definition des Schweizerbürgerrechts, dass der Beweis dafür durch die
Bescheiuigung des Kantonsund Schweizerbürgerrechts geleistet werde. Diese
zum Nachweis des Gemeindebürgerrechts erforderliche Bescheinig ung des
Kantonsund Gemeindebürgerrechts ist nichts anderes als der auch heute
noch demselben Zweck dienende Heimatschein, dessen Form übrigens seither
durch ein besonderes Konkordat, dem fast sämtliche Kantone beigetreten
sind (K. vom 28. Januar 1854, bei Wolf III S. 511) geregelt worden ist. ss

Stellt sich aber darnach der Heimatschein auch historisch als das
offiziell anerkannte Mittel zum Nachweis des Schweizerbürgerrechts
dar, so ist umsomehr das Recht auf Verabfolgung eines Heimatscheines
als ein Bestandteil des Schweizerbürgerrechtes selber zu betrachten,
sodass also die Weigerung eines Kantons, einem seiner Bürger einen
Heimatschein auszustellen, vom Standpunkte des Art. 44 BB in der Tat
gleich zu behandeln ist, wie ein Beschluss, durch den dieser Bürger
seines Bürgerrechts förmlich verlustig erklärt würde.

4. Ausser aus Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV folgt nun aber ein Recht des Schweizerbürgers
auf Verabfolgnng eines Heimatscheines auch noch aus Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV,
welcher im vorliegenden Rekurse, wiewohl nicht ausdrücklich, so doch
implicite angerufen wurde, insofern nämlich, als die Rekurrentin sich
über Erschwerung ihrer Niederlassung im Auslande beklagt. Wie von den
Bundesbehörden in konstanter Praxis erkannt wurde (Vergl. BGE 30 I S. 34
und die dortigen Zitate; ferner Bloch in Zeitschr. f. schw. R. n. F. 23
S. 637 ff.; Burckhardt, Kommentar S. 421 f.) besteht eine negative Seite
der in Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV garantierten Niederlassungsfreiheit darin, dass die
Heimatgemeinde bezw. der Heimatkanton die Niederlassung ihrer Bürger in
andern Gemeinden bezw. andern Kantonen nicht durch Zurückbehalten des
Heimatscheins oder durch die Verweigerung der Ausstellung eines solchen
erschweren darf. Allerdings wurde diese Schlussfolgerung aus dem Grundsatz
der Niederlassungsfreiheit bis jetzt direkt nur in innerund interkanto-

nalen Rechtsverhältnissen gezogen, entsprechend dem Wortlaute

AS 36 l 1910 15

222 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

des Art. 45, welcher nur von der Niederlassung innerhalb des
schweizerischen Gebietes spricht. Jndirekt aber ist das Recht
des im Ausland befindlichen oder nach dem Ausland sich begebenden
Schweizerbürgers auf Verabfolgung eines Heimatscheines wenigstens in
zwei konkreten Fällen durch die Buiidesbehorden anerkannt worden,
insofern nämlich, als in diesen Fällen (s. von S alis, Bundesrecht
2. Auflage II Nr. 643 und 664) der Amstand, dassder Heimatschein von
einem im Ausland befindlichenSchweizer bezw. behufs Auswanderung nach dem
Ausland verlangt worden war, nicht als gegen den Rekurrenten sprechend
betrachtet wurde. Grundsätzlich ist nun unbestreitbar, dass das aus dem
Begriff der Niederlassungsfreiheit sich ergebende Necht auf Verabfolgung
eines Heimatscheines auch im internationalen Verkehr anerkannt werden
muss, sobald die Niederlassungsfreiheit selber in extensivem Sinne
dahin ausgelegt· wird, dass jeder Schweizer auch berechtigt ist,
das Gebiet der Eidgenosseiischaft zu verlassen und sich dauernd im
Auslande aufzuhalten. Diese erweiterte Bedeutung kommt aber dem in
Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV aufgestellten Grundsatze zweifellos zu. Freilich kann die
Eisdgenossenschaft ihren Bürgern die Möglichkeit der freien Niederlassung
im Auslandenicht in positivem Sinne garantieren, da es 1a von den
allfällig bestehenden Niederlassungsverträgen abgesehen nicht ihr zusteht,
die Bedingungen festzusetzen, unter denen andere Staaten die Niederlassung
zu bewilligen haben. Wohl aber kann der Bund die Niederlassung der
Schweizer im Ausland dadurch erleichtern, dass er den Kantonen verbietet,
einem Bürger, der das Kautonsgebiet zu verlassen wünscht, Hindernisse
in den Weg zu legen. Ein solches an die Kantone gerichtetes Verbot ist
nun, wie bereits bemerkt, als in Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV enthalten zu betrachten,
da ja sonst schon die freie Niederlassung innerhalb des-Gebietes der
Eidgenossenschaft verunmöglicht werden könnte. Sind aber darnach die
Kantone nicht berechtigt, durch ein förmliches Verbot der Auswanderung die
Niederlassung im Auslande zu erschweren, so sind sie konsequenterweise
auch nicht berechtigt, sie-dadurch zu erschweren, dass sie einem
Kantonsbürger, der sich ins Ausland begeben will oder bereits dahin
begeben hat, die Verabfolgung eines Heimatscheines verweigern. Das Recht
der freien Nieder-lll. Schwelzerhiirgerrecht. N° 4-1. 223

lassung innerhalb des Heimatstaates bezw. des heimatlichen
Staatenverbandes wird denn auch allgemein als ein Ausfluss des Rechtes
auf freie Niederlassung überhaupt betrachtet, ein Recht, das freilich
nicht in den wechselseitigen Beziehungen sämtlicher Staaten anerkannt
ist, das jedoch immerhin, im Bereiche ihrer Machtsphäre, wenigstens
von denjenigen Staaten bezw. Staatenverbänden anerkannt zu werden
pflegt, welche für ihr eigenes Gebiet den Grundsatz der Freizügigkeit
aufstellen. Zu diesen Staaten bezw. Staatenverbänden gehört aber, wie
Art. 45 zeigt, insbesondere auch die Schweiz.

5. Nach den bisherigen Ausführungen ist die Rekurrentin, sei es auf
Grund des Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
, sei es auf Grund des Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV, berechtigt, von
den Berner Behörden die Ausstellung eines Heimatscheines zu verlangen,
sofern sie nicht infolge ihrer Heirat mit einem Ausländer das Bürgerrecht
der Gemeinde Erlach bezw. das beruische Kantonsbürgerrecht und das
Schweizerbürgerrecht verloren hat; denn, dass die Rekurrentin ursprünglich
dieses Bürgerrecht besass, ist unbestritten.

Darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Schweizerbürgerin
durch ihre Verheiratuiig mit einem Ausländer ihr Schweizerbürgerrecht
verliere, enthält weder die Bundesverfassung noch ein Bundesgefetz
ausdrückliche Bestimmungen. Wie schon die BV in Art. 44 Abs. 2 der
Erteilung des Bürgerrechtes an einen Ausländer- nicht allgemein den
Verlust des Schweizerbürgerrechts, sondern speziell den Verzicht
auf dasselbe entgegenstellt, so haben auch die in Ausführung dieser
Verfassungsbestimmung erlassenen beiden Bundesgesetze (dasjenige vom
8. Juli 1876 und dasjenige vom 25. Juni 1903) von Verlustgründen lediglich
den Verzicht" behandelt. Obwohl nun dieser Umstand darauf hinzudeuten
scheint, dass das Schweizerbürgerrecht überhaupt nur infolge Verzichtes
untergehen könne, und wiewohl für die Annahme eines solchen Grundsatzes
auch abgesehen hievon zahlreiche Momente sprechen, indem z. B. gerade
Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
Abs. i BV zu Gunsten desselben angeführt werden könnte, so gilt
doch gewohnheitsrechtlich der Satz, dass die Frau durch die Heirat in
der Regel ihr bisheriges Bürgerrecht verliert; und zwar gilt dieser Satz
sowohl für den Fall der Heirat einer Schweizerin mit einem Schweizer,

224 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. l. Abschnitt. Bundesverfassung.

als für denjenigen der Heirat einer Schweizerin mit einem AusHinder.
Das Konkordat vom 8. Juli 1908 (bei Burckhardt S. 543), auf- Grund
dessen sich dieser gewohnheitsrechtliche Satz im interkantonalen
Rechtsverkehr ausgebildet hat, bestimmte freilich-, und Art. 54
Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV, welcher in seiner Entstehungsgeschichte ebenfalls auf
dieses Konkordat zurückzuführen ist, bezw. Art. 25 ZEG, welcher den
Grundsatz des Art. 54 reproduziert, bestimmt auch heute noch direkt nur,
dassdie Frau durch den Abschluss der Ehe das Heimatrecht des Mannes
erwerbe, nicht auch, dass sie gleichzeitig ihr bisheriges Bürgerrecht
verliere. Allein, offenbar von dem Gedanken ausgehend, dass einerseits
die Frau, sobald sie das Heimatrecht des Mannes erworben habe, ihres
bisherigen Bürgerrechtes nicht mehr bedürfe, und dass anderseits aus
der Zulassung von Doppelbürgerrechten Schwierigkeiten und Komplikationen
entstehen könnten, hat sich die Praxis dahin entschieden, dass bei der
verheirateten Frau mit dem Erwerb des neuen zugleich der Verlust des alten
Bürgerrechts eintrete. Vergl. Stoll, Verlust des Schweizerbürgerrechts
S. 59 f., Sieber, Staatsbürgerrecht I S. 442. Entsprechend der Erwägung,
die zu diesem Satz geführt hat, und analog den Grundsätzen-, welche für
den Verzicht auf das Schweizerbiirgerrecht gelten, ist jedoch in der
Praxis der Verlust desbisherigen Bürgerrechts bei der Frau stets nur
in denjenigen Fällen an die Verheiratung geknüpft worden, in denen. die
Frau auch wirklich das Heimatrecht des Mannes erwirbt.

Diese Präzisierung der Voraussetzungen, unter welchen die Frau infolge
ihrer Heirat ihr bisheriges Bürgerrecht verliert, ergibt sich freilich
bei einigen Schriftstellern (vergl. Dubs, das öffentl. Recht der
schweiz. Eidgenossenschaft [S. 39 und von Orelli, das Staatsrecht
der schweiz. Eidgenossenschaft S. 70) nur aus der zur heutigen
Rechtsauffassung nicht mehr passenden Fiktion eines in der Verheiratung
liegenden Verzichts der Ehefrau auf ihr bisherige-Z Bürgerrecht, wobei
dann ohne weiteres an den bereits allgemein anerkannten Satz angeknüpft
werden konnte, dass der Verzicht auf das Schweizerbürgerrecht nur
insoweit zulässig ist, als derVerzichtende gleichzeitig ein anderes
Jndigenat erwirbt.

Der. Grundsatz, dass die Frau infolge ihrer Verheiratung
ihrIll. Schweizerhürgerrecht. N° 41. 225

bisheriges Bürgerrecht nur dann verliert, wenn sie zugleich ein neues
erwirbt, ist aber schon früh auch unabhängig von jener Verzichtstheorie
ausgesprochen worden. So z. B. in den bei Ullmer, Staatsrechtl. Praxis
I sub Nr. 508 zitterten Urteilen des Bundesgerichts vom 22. Dezember
1853 und vom 22. Oktober 1855; so ferner in einem bei Ullmer II sub
Nr. 815 auszugsweise wiedergegebenen Entscheide des Bundesrates vom
6. Juni 1862; so endlich auch, seit 1874, in folgenden, in der AS
abgedruckten Urteilen des Vuudesgerichts: 5 S. 82, 7 S. 97, 17 S. 41
f. Erw. 1. Allerdings beziehen sich diese Entscheide mit Ausnahme
eines einzigen (Ullmer II Nr. 815) direkt nur auf die Verheiratung
von Schweizerinnen mit Heimatlosenz allein der den Entscheidungen zu
Grunde liegende Satz, dass die Schweizerin durch Verheiratung ihr
Schweizerbürgerrecht nur dann verliert, wenn sie gleichzeitig ein
anderes Vürgerrecht erwirbt, dieser Satz ist ohne weiteres auch auf
die Verheiratung von Schweizerinnen mit Ausländern anwendbar. Die
Literatur hat sich denn auch fast ausnahmslos dahin ausgesprochen,
dass der Verlust des bisherigen Bürgerrechts infolge Heirat nur in
denjenigen Fällen erfolgt, in welchen die Frau mit der Heirat zugleich
ein neues Bürgerrecht erwirbt. Vergl. Stoll a. a. O. S. 63 ff., Sieber
a. a. O. I S. 443; anderer Ansicht nur Burckhardt, Kommentar S. 552,
wobei jedoch zu bemerken ist, dass die von ihm zitterte Meinungsäusserung
des eidg. Justizdepartements (BBl. 1901 II S. 17 sub Nr. 11), soweit sie
sich auf den Verlust des Bürgerrechts durch Heirat mit einem Ausländer
bezieht, von der nomalerweise zutreffenden Voraussetzung ausgeht, dass
die Ehefrau zugleich ein neues Bürgerrecht erworben habe.

Die Richtigkeit des Satzes, dass die einen Ausländer heiratende
Schweizerin ihr Schweizerbiirgerrecht nur dann verliert, wenn sie
infolge dieser Heirat das ausländische Bürgerrecht ihres Mannes erwirbt,
ergibt sich, von allen bisherigen Ausführungen abgesehen, auch noch
aus der Erwägung, dass Art. 54 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV, welcher heute die einzige
verfassungsrechtliche Grundlage für die Annahme eines Verlustes des
Schweizerbürgerrechtes infolge Heirat bildet (während Art. 44
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 44 Grundsätze - 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
1    Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2    Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3    Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
BV an sich
dagegen sprechen würde), sich naturgemäss nur auf den Fall beziehen kann,
dass eine Schwei-

226 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

zerin einen Schweizer oder dass eine Ausländerin einen Schweizer heiratet,
dagegen nicht auch auf den Fall, dass eine Schweizerin einen Ausländer
heiratet. Denn es steht nicht in der Macht der Eidgenossenschaft,
irgend jemandem den Erwerb eines ausländischen Bürgerrechts zuzusichernz
eine solche Zusicherung aber würde in Art. 54 Abs. 4 enthalten sein,
wenn diese Verfassungsbestimmung wirklich auch auf die Heirat einer
Schweizerin mit einem Ausländer Bezug hätte. Kann sich aber darnach
Art. 54 Abs. 4 schon in seiner direkten und positiven Rechtswirkung
(Erwerb des Heimatrechtes des Mannes durch die Frau) nur auf die Fälle
der Heirat einer Schweizerin oder einer Ausländerin mit einem Schweizer
beziehen, so darf a fortiori auch die daraus abgeleitete indirekte und
negative Rechtswirkung (Verlust des bisherigen Heimatrechtes der Frau)
nicht auf weitere Fälle ausgedehnt werden.

Endlich spricht gegen diese ausdehnende Interpretation auch die der
mehrerwähnten Berfassungsbestimmung, wie schon dem Konkordat vom 8. Juli
1808 und übrigens auch der ganzen seitherigen Bürgerrechtsgesetzgebung
der Schweiz, unstreitig zu Grunde liegende Tendenz, die Fälle
der Heimatlosigkeit wo immer möglich zu vermindern, unter keinen
Umständen aber zu vermehren. Würde die Frau durch den Abschluss
der Ehe ihr bisheriges Heimatrecht auch dann verlieren, wenn sie
dasjenige des Mannes nicht erwirbt, so würden dadurch auf Grund des
Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV neue Fälle der Heimatlosigkeit geschaffen, während doch
gerade die Bundesverfassung von 1874, ebenso wie diejenige von 1848,
und gleichwie alle Konkordate und alle bezüglichen Bundesgesetze des
vorigen Jahrhunderts, den ausgesprochenen Zweck verfolgten, die als
Landplage empfundene Heimatlosigkeit zu bekämpfen.

6. Jst somit als feststehend zu betrachten, dass die Rekurrentin ihr
Schweizerbürgerrecht, bezw. das Bürgerrecht der Gemeinde Erlach und das
bernische Kantonsbürgerrecht, infolge ihrer Heirat mit einem Ausländer
nur dann verloren hat, wenn sie gleichzeitig infolge dieser Heirat das
Bürgerrecht ihres Mannes erworben hat, so hängt das Schicksal·des
Rekurses nur nach davon ab, ob die Rekurrentin das betreffende
auswärtige Bürgerrecht, nämlich das bulgarische, wirklich erworben
habe. lll. Schweizerbiirgerrecht. N° 41. 227

Über den Erwerb eines ausländischen Bürgerrechts zu legiferieren,
steht selbstverständlich der Eidgenossenschaft nicht zu, da es ein
integrierender Bestandteil der Souveränität eines jeden Staates ist,
die Bedingungen des Erwerbs seines Bürgerrechtes selber festzusetzen.
Art. 54 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV bezieht sich denn auch, wie bereits in anderm
Zusammenhang betont (vergl. übrigens Sieber a. a.O.I S. 56, Burckhardt
Kommentar S. 551) nur auf die Heirat einer Schweizerin oder Ausländerin
mit einem Schweizernicht auch auf die Heirat einer Schweizerin mit einem
Ausländer. Die Frage, ob die Rekurrentin infolge ihrer Heirat mit dem
Bulgaren Manoloff Bulgarin geworden sei, ist deshalb ausschliesslich
auf Grund des bulgarischen Rechts zu entscheiden.

Nun steht allerdings fest (vergl. bei Sieber Staatsbürgerrecht II
S. 33, Art. 15 des Gesetzes über die bulgarische Staatsangehörigkeit
vom 19. Dezember 1903), dass das Königreich Bulgarien, gleichwie die
Schweiz in Art. 54 Abs. 4, und gleichwie die meisten übrigen Staaten
Europas (vergl. von Bar, Internat. Privatr. I S. 231 f.) den Grundsatz
der sogen. privilegierten Naturalisation der Ehefrau kennt, d. h. den
Grundsatz-, dass die einen Jnländer heiratende Ausländerin durch ihre
Heirat ohne weiteres das inländische Staatsbürgerrecht erwirbt. Die
Rekurrentin wäre somit in der Tat Bulgarin geworden, wenn ihre Ehe mit
Manoloff von Bulgarien anerkannt worden wäre. Diese Voraussetzung trifft
nun aber nicht zu.

Wie Meili, Internat. Zivilund Handelsrecht I S. 281 ausführt, wird der
Satz iocus regit actum, dessen Gültigkeit z. B. von Bar (a. a. O. I
S, 460 ff.) auch für die Formen der Eheschliessung postuliert,
von Russland lund Griechenland insofern nicht anerkannt, als diese
Staaten, sofern es sich um einen ihrer eigenen Angehörigen handelt,
die religiöse Zeremonie ohne Rücksicht auf den Ort des Eheabschlusses
als eine unerlässliche Bedingung der Gültigkeit der Ehe betrachten. Aus
diesem Grunde statuiert denn auch Art. 5 ber freilich im vorliegenden
Falle nicht direkt anwendbaren Haager Übereinkunft betr. Eheschliessung
vom 12. Juni 1902 (eidg. Gesetzessammlung, n. F. 21 S. 403 und 409),
welcher in seinem ersten Absätze den Grundsatz locus regit actum enthält,
in seinem zweiten Absatze folgende Ausnahme von

228 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

diesem Grundsatze: Doch brauchen die Länder, deren Gesetzgebung
eine religiöse Trauung vorschreibt, die von ihren Angehö rigen unter
Nichtbeachtung dieser Vorschrift im Ausland eingegangenen Ehen nicht
als gültig anzuerkennen.

Auf dem gleichen Boden wie Russland und Griechenland stehen, nach
ROGUIN, Traité de droit civil comparé. Le mariage S. 139, anch Serbien
und Montenegro.

Über Bulgarien enthalten die zitierten Werke keine Angaben. Es steht
jedoch aktenmässig fest, dass Bulgarien, dessen christliche Bevölkerung
ebenfalls der griechisch-orthodoxen Kirche angehört, in Bezug auf das
Erfordernis der kirchlichen Trauung den gleichen Standpunkt einnimmt,
wie Russland, Griechenland, Serbien und Montenegro. Nach der bei
den Akten liegenden beglaubigten Abschrift der Auskunft, welche die
diplomatische Agentur Bulgariens in Paris unterm 27. Dezember 1902 dem
Zivilstansdsbeamten von Lausanne erteilt hat (vergl. auch Handbuch für die
schweiz. Zivilstandsbeamten, Nachtrag S. 115), anerkennt Balgarien nur die
kirchliche Trauung, und zwar auch in internationalen Rechtsverhältnisseu.

Obschon die Pariser diplomatische Agentur Bulgariens bei der Schweiz
nicht akkreditiert ist, verdient diese von einer offiziellen Vertretung
des damaligen Fürstentums Bulgarien ausgehende amtliche Auskunft doch
vollen Glauben, zumal da ihr Inhalt vom Regierungsrat des Kantons Bern
in seiner Rekursbeantwortung mit keinem Worte angezweifelt worden ist,
wie denn auch diese Behörde die Behauptung der Rekurrentin, ihre Ehe
mit Manoloff werde in Bulgarien nicht anerkannt, überhaupt unbestritten
gelassen hat.

Jst somit als feststehend zu betrachten, dass die von der Refin: rentin
am 30. Dezember 1902 in Lausanne mit dem Bulgaren Manoloff abgeschlossene
Ehe, weil ihr keine kirchliche Trauung nachgefolgt ist, von Bulgarien
nie anerkannt worden ist, so ergibt sich daraus ohne weiteres, dass
die Rekurrentin auch das bulgarische Staatsbürgerrecht nie erworben
hat. Denn es ist selbstverständlich, dass das bulgarische Gesetz von 1903
nur derjenigen Ausländerin das bulgarische Bürgerrecht verleiht,die mit
einem Bulgaren eine in Bulgarien als gültig anerkannte Ehe abge-

schlossen hat.lll. Schweizerbürgerrecht. N° 4-1. 229

Hat aber darnach die Rekurrentin infolge ihrer Ehe kein ausländisches
Bürgerrecht erworben, so hat sie auch, nach den oben in Erwägung 5
enthaltenen Ausführungen, das Schweizerbürgerrecht nicht verloren, und
es sind somit, gemäss Erwägung 3 und 4, die Berner Behörden verpflichtet,
ihr den verlangten Heimatschein auszustellen.

7. Es erübrigt noch, auf den Rechtsstandpunkt einzutreten, den der
Regierungsrat des Kantons Bern in seiner Vernehmlassung in den Vordergrund
gestellt hat.

Die rekursbeklagte Behörde legt darin das Hauptgewicht darauf, dass
die Trauung der Rekurrentin mit Manoloff im Zivilstandsregister der
Gemeinde Erlach eingetragen worden und dass darauf die Streichung der
Frau Manoloff im Bürger-register dieser Gemeinde erfolgt sei, Erst wenn
die Eintragung der Ehe mit Manoloff im Zivilstandsregister aufgehoben sei,
könne die Rekurrentin wieder als Bürgerin von Erlach anerkannt werden. Die
Aufhebung dieser Eintragung ihrerseits aber dürfe kraft Art. 9 ZEG nur
gestützt auf ein gerichtliches Urteil stattfinden. Jedenfalls könne
Übrigens die Rekurrentin nicht als Frau Manoloff Bürgerin von Erlach
sein; denn entweder sei die Eingebung ihrer Ehe mit Manoloff gültig,
und dann sei sie Bulgarin geworden, oder die Ehe sei ungültig, und dann
sei sie nicht Frau Manoloff geworden.

Was speziell dieses letztere Argument betrifft, so genügt es, zu
konstatieren, dass die Frage, welchen Familiennam en die Rekurrentin
zu führen befugt sei, mit der den Gegenstand des Rekurses bildenden
Bürgerrechtsfrage nichts zu tun hat. Es ist sehr wohl möglich, dass eine
Eheschliessung in Bezug auf den Familiennatnen der Frau die normalerweise
mit der Eheschliessung verbundene Wirkung gehabt habe, trotzdem sie in
Bezug auf das Bürgerrecht infolge besonderer Verhältnisse ihre normale
Wirkung nicht ausüben konnte.

Jm übrigen ist gegenüber dem in der Rekursantwort eingenommenen
Standpunkte daran zu erinnern, dass das Zivilstandsregister, speziell das
Eheregister, nur bestimmt ist, über die Statusverhältnis s e der darin
eingetragenen Personen Auskunft zu geben, dass es dagegen keineswegs
dem Zwecke dient, über das Bürger-

230 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. [. Abschnitt. Bundesverfassung.

recht derselben direkten Ausschluss zu erteilen. Das Eheregifter bildet
bloss den Beweis für die geschehene Eheschliessung. Dass eine Ehefrau
durch ihre Heirat ein neues Bürgerrecht erworben und ihr bisheriges
Bürgerrecht verloren habe, ergibt sich dagegen erst aus Grund einer
rechtlichen Folgerung aus der Tatsache der Eheschliessung. Diese
rechtliche Folgerung aber ist, wie gerade der vorliegende Fall
zeigt, keineswegs eine notwendige, in jedem Fall der Eheschliessung
eintretende. Es bildet deshalb der Eintrag der Trauung im Eheregister
durchaus keinen Beweis für den Verlust des alten und den Erwerb eines
neuen Bürgerrechts seitens der Frau, sondern bloss in Verbindung mit
der Anerkennung oder Nichtanerkennung der Ehe durch den Heimatstaat des
Mannes die tatsächliche Unterlage für die Erörterung der Frage, welche
Wirkung die Eheschliessung auf das Bürgerrecht der Frau gehabt habe.

Jm vorliegenden Falle nun war die Trauung der Rekurrentin mit Manoloff
nach schweizerischem Recht vollkommen gültig, sodass also von einer
Rückgängigmachung der bezüglichen Eintragung in den Eheregistern
der Gemeinden Lausanne und Erlach, wie sie der Rekurrentin in der
Rekursantwort zugemutet wird, keine Rede sein kann. Dagegen hat in
Bezug auf die Frage des Bürgerrechts die Nichtanerkennung der Ehe
durch Bulgarien die Folge gehabt, dass die Rekurrentin trotz des nach
schweizerischem Recht vollkommen gültigen Eheabschlusses das bulgaris
che Bürgerrecht nicht erworben und infolgedessen das Schweizerbürgerrecht
auch nicht verloren hat.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird im Sinne der Motive gutgeheissen und demgemäss,
unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides, der Regierungsrat des
Kantons Bern eingeladen, dafür besorgt zu sein, dass der Rekurrentin ein
Heimatschein ausgestellt werde, in welchem sie als Bürgerin der Gemeinde
Erlach und als bernische Kantonsbürgerin anerkannt wird.IV. Verweigerung
und Entzug der Niederlassung. N° 42. 231

IV. Verweigerung und. Entzug der Niederlassung. Refus et retrait de
l'établissement.

Siehe, ausser dem nachstehenden Urteile, auch noch Nr. 41 Erw. 4. ... Voir
en outre n° 41 consid. 4.

42. Zweit vom 11. Mai 1910 in Sachen Yohuer gegen evveuzelsi Si.-Yh-

Niehtbesitz der bürgerlichen Ehren und Rechte im Sinne von Art. 45
Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV. Liegt diese Voraussetzung des Entzugs bezw. der Verweigerung
der Niederlassung schon dann vor, wenn der Betresfende zwar in seinem
passiven Wahlrecht eingestellt 'wurde, das aktive Wahlrecht aber weiter
auszuu'ben befugt ist ( Herabsetzung der bürgerlichen Ehren und Rechte
im Gegensatz zum Entzug derselben)?

A. Jakob Rohner, Bürger von Walzenhausen, der im Frühling 1909 in
Wolfhalden in Konkurs gefallen ist, wurde vom Kriminalgericht von
Appenzell A.-Rh. mit Urteil vom 15. Oktober 1909 des leichtsinnigen
Bankrotts, verursacht durch trägen, liederlichen Lebenswandel, Spiel
und Wirtshausbefuch, schuldig erklärt und in Anwendung von Art. 123
lit. b, 45 und 50 des Strafgesetzes zu einer Gefängnisstrafe von 14
Tagen, zur Herabsetzung in den bürgerlichen Ehren und Rechten auf 2
Jahre und zu einem Jahr Wirtshausverbot verurteilt. Gestützt auf dieses
Urteil verweigerte der Bezirksrat von Oberegg als I, Instanz und die
Standeskommission von Appenzell J.-R. als Rekursinstanz dem Jakob
Rohner die Niederlassung in Oberegg. Die Standeskommission nahm an,
Jakob Rohner sei auf die Dauer von 2 Jahren in den bürgerlichen Ehren
und Rechten eingestellt, und es treffe deshalb Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV zu.

B. Gegen den Entscheid der Standeskommission von Appenzell J.-Rh., vom
21. Februar 1910, hat Jakob Rohner am 4. April 1910 den staatsrechtlichen
Rekurs ans Bundesgericht er-

griffen, mit dem Antrage, die Standeskommission einzuladen, ihm--
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 36 I 215
Date : 08. Juni 1910
Published : 31. Dezember 1910
Source : Bundesgericht
Status : 36 I 215
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 214 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. Von einer


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BV: 4  43  44  45  54  110  113
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BBl
1901/II/17