690 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster Zivügerichtsinstanz.

89. gingzug aus dem genau vom 11. Dezember 1909 in Sachen Hausrat-mageJos.
gingen & Ste., Kl. u. Ber.-Kl., gegen Yillithody, Bekl. u. Ber.-Bekl.

Art. 603 Abs. 3 u . Art. 608 Abs. 2 OR: Stellung der Kommanditsumme
im Kankurse der Kommanditgeseilschaft. zulässige-sit der Verrechnung
von Forderungen des Kommandétdrs an die Gesellschaft mit einem. beim
Konkursausb-r-zwhe noch. nicht einbezahléen Komma-nditbetrage, gemäss
Art. 131 OR u. Art. 213 Abs. 1 SGhKG. Nichtzutressen der Bestimmungen
des Art. 132 Ziffer 2 OR 14. des Ari. 213 Abs. 3 SchKG.

Die Konkursmasse der Kommanditgesellschaft Jos. Ruhrig & (Sie. in Viel
fordert vom Beklagten Pillichody als ihrem Kommanditär die Einzahlung
eines angeblich noch aus-stehenden Kommanditbetrage-s von 20,000
Fr. in die Masse. Der Beklagte hat dieser Forderung gegenüber unter
anderem die Einrede der Verrechnung erhoben, gestützt auf eine Anzahl von
Forderungen an die Gesellschaft, mit denen er im Gesellschaftskonkurse für
insgesamt 42,398 Fr. rechtskräftig kolloziert worden isf. Die Klägerin
hat die Zulässigkeit dieser Verrechnung bestritten, der faut. Richter
(I. Abteilung des beruischen Appellationsund Kassationshoses) aber hat
die Verrechnungseinrede geschützt und demgemäss durch Urteil vom 15. Juni
1909 die Klage abgewiesen.

Dieser Entscheid ist vom Bundesgericht aus folgenden Erwägungen bestätigt
worden:

(4. ) Zn der Hauptsache fallen die Art. 131 ff . OR, in Verbindung
mit Art. 213 SchKG, in Betracht. Danach ist die Verrechrrung zweier
Geldsorderuugen zulässig, sofern sie beide fällig sind und in einem
solchen Gegenseitigkeitsverhältnis zu einander stehen, dass der
Gläubiger der einen Schuldner der andern Forderung ist und umgekehrt
(Art. 131 Abs. i OR), sodass, im Falle des Konkurses, Forderungen
eines Konkursgläubigers an den Gemeinschuldner nur mit Forderungen, die
diesem letzteren selbst dem Gläubiger gegenüber zustehen, verrechnet
werden können (Art. 213 Abs. 1 SchKG). Nun hat der kantonale Richter
vorliegend mit Recht auch das Ersordernis solcher Gegenseitigkeit der
frag-X. Schuldhetreibung und Konkurs. N° 89. 691

Tlichen Forderungen als gegeben erachtet. Ju der Tat steht die
Klageforderung auf Einzahlung eines aus-stehenden Kommanditbetrages
gemäss Art. 603 OR der Kommanditgesellschaft selbst, nicht etwa deren
Konkursgläubigern persönlich, zu. Denn der Anspruch dieser letzteren ist
in Art. 603 Abs. 3 ausdrücklich auf die Einforderung der Kommanditsumme
zur Masse der Gesellschaft beschränkt, und ebenso führt Art. 608 Abs. 2 OR
die Kommanditsumme als zum Gesellschaftsvermögeu gehör-end auf. Folglich
erscheint die streitige Verrechnuug nach der Regel des Art. 213 Abs. 1
SchKG als zulässig. Allein die Klägerin macht geltend, dass diese Regel
mit Rücksicht auf den besondern Charakter der Klageforderuug keine
Anwendung finde. Dabei beruft sie sich vorab auf die Ausnahmebestimmung
des Art. 132 Ziffer 2 OR, wonach durch Verrechnung wider den Willen
des Gläubigers nicht Xgetilgt werden können: Verpflichtungen, deren
besondere Natur die tatsächliche Erfüllung an den Gläubiger verlangt,
z. B. Alimente, nicht pfändbare Lohnguthaben und ähnliche Ansprüche-
Dieser Hinweis ist jedoch offensichtlich verfehlt Die herangezogene
Bestimmung hat nur Forderungen im Auge, die aus sozialpolitischen Gründen
dein ökonomisch schwachen Gläubiger wegen seiner Bedürftigkeit stets
unvermindert in bar zukommen sollen, und :kann, diesem Zwecke nach,
die Verbindlichkeit des Kommanditärs betreffend die Entrichtung der
Kommanditsumme schlechterdings nicht umfassen. Übrigens ergibt sich dies
auch schon aus dem Wortlaute der Bestimmung, indem Kommanditeinlagen
keineswegs notwendigerweise tatsächlich erfüllt" d. h. durch direkte
Zahlungen an die Gesellschaft gemacht werden müssen, sondern auch
durch anderweitige Leistungen zu Gunsten der Gesellschaft verwirklicht
werden können, sofern dadurch nur ein ihrem Betrage entsprechender
Vermögens-wert der Gesellschaft zugeführt wird. (Vergl. AS 27 II Nr. 4
Erw. 3 S. 35 ff.) Im weitern will die Klägerin die Unzulässigkeit
der zwangsweifen Tilgung ihrer Klageforderung durch Verrechnung auch
ableiten aus einer sinngemässen Anwendung der Vorschrift des Art. 213
Abs. 3 SchKG, welcher Ibestimmtt Im Konkurse einer Aktiengesellschaft
können rückstän.,dige Aktienbeträge, im Konkurse einer Genossenschaft
rückständige ,.,statutarische Beiträge nicht mit Forderungen gegen
die Gesell-

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Zivilgerichtsinstanz.

schaft (Genossenschaft) verrechnet werden. Sie folgert nämlich hieraus-,
dass jede Verbindlichkeit, deren Vermögens-wert zu einein Haftungszwecke
besonders ausgeschieden sei (was bei der Kommunditsumme als dem festen
Haftungsbetrage des Kommanditärs für die Schulden der Gesellschaft
in gleicher Weise zutreffe, wie beim Aktienoder Genossenschaftsanteil
des einzelnen Aktionärs oder Genossen), durch direkte Leistung erfüllt
werden müsse. Allein dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass
die erwähnte Vorschrift als Ausnahmebestimmung über ihren klaren
Wortlaut hinaus auf die Kommanditbeträge jedenfalls nur ausgedehnt
werden dürfte, wenn sich dies nach ihrem vernünftigen Sinn und Zweck
derart aufdrängen würde, dass anzunehmen wäre, der Gesetzgeber habe die
ausdrückliche Gleichstellung der Kommanditbeträge mit den Aktienbeträgen
und den statutarischen Genossenschaftsbeiträgen aus blossem Versehen
unterlassen. Hievon kann jedoch offenbar nicht die Rede sein. Schon
aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift muss mit der Vorinstanz
geschlossen werden, dass die Kommanditbeträge darin bewusst nicht
aufgenommen worden sind. Die Vorschrift stellt sich als Erweiterung von
Art. 136 Abs. 2 OR dar, welcher nur die Aktienbeträge vorsah. Wenn aber
diese Erweiterung, mit der naturgemäss eine Neuprüfung der Berechtigung
des fraglichen Ausnahme-Rechtssatzes verbunden war, ausdrücklich auf
die statutarischen Genossenschaftsbeiträge beschränkt worden ist,
so kann darin zum vorneherein, mangels gegenteiliger Anhaltspunkte,
kein Versetzen des Gesetzgebers erblickt werden. Übrigens lässt sich
diese verschiedene Behandlung der in Rede stehenden Forderungen auch
sachlich rechtfertigen. Bei den Aktiengesellschaften, und ebenso
bei den Genossenschaften wenigstens im Negelfalle des Ausschlusses
persönlicher Hastbarkeit der einzelnen Genossen), bildet das Aktienkapital
bezw. das durch die statutarischen Beiträge der Genossen geäuffnete
Genossenschaftsvermögen die alleinige ökonomische Grundlage, und es
ergab sich hieraus die praktische Notwendigkeit, den effektiven Bestand
derselben nach Möglichkeit klarznstellen. Zu diesem Zwecke sah sich der
Gesetzgeber genötigt, im Aktienrecht die Einlöfung der Aktien durch
Barzahlung als Regel, mit statutenmässig festzulegenden Ausnahmen,
vorzuschreiben (Art· 619 Abs. 1

OR), und ähnlich im Genossenschaftsrecht auch die Art
(nehmX. Schuidheîreibung und Konkurs. N° 89. 893

der Grösse) der von den einzelnen Genossen zu leistenden Beiträge
als wesentlichen Bestandteil der Statuten zu erklären (Art. 680
Ziffer 5 ON). Bei der Kommanditgesellschaft dagegen besteht neben
den Kommanditbeträgen zur Sicherung der Gesellschaftsgläubiger noch
die persönliche Haftbarkeit der Komplementäre, sodass jenen Beträgen
jedenfalls nicht die gleiche Bedeutung für die ökonomische Situation
der Gesellschaft zukommt, wie den Gesellschaftsanteilen der Aktionäre
und Genossen. Deshalb konnte der Gesetzgeber davon absehen, über die Art
der Leistung der Kornmanditbeträge besondere Vorschriften zu erlassen,
und sich nach dem früher Gesagten mit dem Erfordernis begnügen, dass ihr
deklarierter Vermögens-wert der Gesellschaft tatsächlich zugekommen fein
muss. Es gilt also hinsichtlich des Institutes der Verrechnuug für die
Schuldpflicht des Kommanditärs gegenüber der Kommentditgesellschaft
einfach die gesetzliche Regel der Art. 131 Abs. 1 OR und Art. 213
Abs. 1 SchKG (So auch die schweizerische und die herrschende Meinung
der deutschen Doktrin: Jaeger, Kommentar des SchKG, Anm. 19 zu Art. 213;
Wieland, in Zeitschrift für das ges. Handelsrecht und Konkursrecht 621
S. 101; Staub, Kommentar des deutschen HGB, 8. Aufl., Anm. 20 zu § 171;
Behrend, Handelsgesetzbuch, § 89; Lehmann-Ring, Handelsgesetzbuch, g
171 Anm. 5; Jaeger, Konkurs der offenen Handelsgesellschaft, S. 110/11;
Jaeger, Kommentar zur deutschen Konkursordnung, § 53 Anm. M; RG 63
S. 265).
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 35 II 690
Date : 11 décembre 1909
Publié : 31 décembre 1909
Source : Tribunal fédéral
Statut : 35 II 690
Domaine : ATF - Droit civil
Objet : 690 A. Entscheidungen des Bundesgerichts als oberster Zivügerichtsinstanz. 89. gingzug


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LP: 213
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commandite • valeur • société en commandite • société coopérative • société anonyme • volonté • tribunal fédéral • défendeur • mesure • paiement comptant • décision • nombre • masse en faillite • part sociale • poussière • question • apport du commanditaire • mobilier • partie intégrante • doctrine
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