185 B. Strafrechispflege.

II. Bahnpolizei. Police del chemins de fer.

28. get-teil vom 23. Zum-z 1909 in Sachen Hehweizerische genudeebahnen
gegen Hoffletter.

Die Handieabuusigs der Bahnpolizei als eine in erster Linie
den Eisenbaiengeseilsehaften zugewiesene Aufgabe. Hieraus sich
ergebende Le-- gitimatian der Bakewerwaltnngen zur Stellung des
Strafantrages in Uebertreäungsfällen; infolgeéessen auchzur Erhebungder
Kassa-tionsbesehwerde im Falle {ler Freisprecàung eines Angeschnidigten. -
Interpreîation der Bestimmung von Ae't. 3 Abs. 2 des Baimpole'zeigesetzex,
wontwhdie Barrieren von Privatübergängen s in der Regel i geschlossen
sein sollen. Möglichkeit des Voeèe'egeres einer est-rafbaren Uebertretung
auch bei Messer Fahrlässigkeit, welche unebbei einem Handeln in guten
Tre-nenD not-Fermaten sein kann.

A. Gegen Jost Hofstetter, Landwirt in Werthenstein, hatte die
Kreisdirektion II der Schweizerischen Bundesbahnen, gestützt auf Art. 8 BG
betr. Handhabung der Bahnpolizei, vom 18. Februar 1878, am 23. Juli 1907
Strafanzeige erstattet wegen Übertretung des Art. 3 Abs. 2 jenes Gesetzes
(Biff. 4 des Anschlag-s für Wegübergänge), weil er am 12. Juli 1907 die
Barrieren des in seinen Grundbesitz führenden Privatüberganges bei km
79,265 der Bahnstrecke Langnau-Luzern für die Durchfahrt mehrerer Züge
nicht geschlossen habe. In dieser Angelegenheit hat das Bezirksgericht
Entkebuch als Polizeistrafrichter durch Urteil vom 1. Juli 1908 erkannt:

1. Der Beklagte habe sich eines Polizeivergehens nicht schuldig gemacht.

2. Der Staat trage die ergangenen Kosten, jedoch habe der Beklagte für
seine Parteigebühren keine Entschädigung zu fordern.

B. Gegen dieses endgültige kanlonale Urteil hat die Kreisdirektion II
der Schweizerischen Bundesbahnen rechtzeitig und in richtiger Form die
Kassationsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts ergriffen
und Aufhebung des Urteils beantragt.

G. Der Kassationsbeklagte Hofstetter hat den Antrag gestellt, es sei
auf die Kassationsbeschwerde mangels Legitimation derll. Bahnpolizei. N°
28. 187

Schweizerischen Bundesbahnen zur Beschwerdesührung nicht ein-

zutreten, eventuell sei die Kassationsbeschwerde als unbegründet
abzuweisen, unter Kostensolge.

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Art. 3 Abs. 2 BG betr. Handhabung der Bahnpolizei vom 'ÎLS. Februar
1878 schreibt vor:

Die Barrieren von Privatübergängen für Fuhrwerke und ,Fussgänger sind
in der Regel geschlossen und werden von den Berechtigten zur Benutzung
des Ubergangs unter eigener Verantwortlichkeit geöffnet und wieder
geschlossen.

Übertretungen dieser Vorschrift werden gemäss Art. 8 des Gesetzes mit
einer Busse bis auf 20 Fr. bestraft.

2. Der Beanzeigte Hofstetter hat den ihm zur Last gelegten Tatbestand an
sich nicht bestritten, zu seiner Verteidigung jedoch wesentlich geltend
gemacht: Er habe die Barrieren jeweilen nur dann offen gelassen, wenn
viel mit Holz, Heu und Dünger habe gefahren werden müssen. In solchen
Fällen sei er nicht verpflichtet, die Barrieren nach jeder Durchfahrt
zu schliessen, es müsse vielmehr aus praktischen Rücksichten genügen,
wenn die Barrieren erst nach Beendigung der Fuhren wieder geschlossen
würden. So sei es denn tatsächlich auch stets gehalten worden, ohne dass
die Bahn deswegen bisher reklamiert hätte. Dieser Rechtsansfassung des
Beanzeigten ist der kantonale Richter beigetretem indem er aussùhrt,
wenn am. 3 Abs. 2 des Bahnpolizeigesetzes sage, die Barrieren von
Privatübergängen müssen in der Regel geschlossen sein, so sei dies so
zu verstehen, dass die Barrieren ans der Liegenschast des Beanzeigten
während der gewöhnlichen Yearbeitung des Landes, welche eine häufige
nacheinandersolgende Uberschreiiung des Bahnkörpers erfordere, offen
gelassen werden bitt-sen Gegen diese Argumentation richtet sich die
vorliegende Kassationsbeschwerde.

3. Der Kassationsbeklagte stützt seinen Einwand der mangelnden
Beschwerdelegitimation der Kassationskläger auf die BehaupLung,
dass die Kassationskläger nach dem hiefür massgebenden luzernischen
Strafprozessrecht nicht als Prozessbeteiltgte anzusehen seien, welchen
allein Art. 161 OG das Recht zur Erhebung der Kassationsbeschwerde
zuerkenne. Hier ist jedoch bora!) zu bemerken,

188 B. Strasrechtspflege.

dass Art. 161 OG diese Legitimationsfrage nicht erschöpfend regelt. Er
hat seinem Wortlaute nach in erster Linie nur Bezug auf die Verfolgung
der Antragsdelikte (eidgenössischen Rechts), indem er für sie den
Charakter der zur Beschwerde legitimierten ProzessBeteiligten" nur den
durch die Entscheidung Befroffenen d. h. den persönlich beteiligten
Parteien einräumt. Dabei fügt er zwar unter Hinweis auf die Art. 158
und 155 OG ergänzend bei, dass in den Strafsällen (eidgenössischen
Rechts), welche die Savionalen Gerichte kraft besonderer Überweisung
des Bundesrat-es zu entscheiden haben vergl. Art. 123 Abs. 2 OG -,
oder aus einem Rechtsgebiet, für welches bei allgemein gegebener
Gerichtsbarkeit der Kantone der Bundesrat sich die Mitteilung der
kantonalen Strafentscheide ausdrücklich vorbehalten hat, auch er als
Prozessbeteiligter anzusehen sei. Im übrigen aber berührt Art.161
die letztgenannte Hauptgruppe von Straffällen, bei welcher die
Kantone nach allgemeiner Gesetzesvorschrift, von Amtes wegen oder auf
Privatklage des hier Berechtigten hin, die Verfolgung der Strafansprüche
eidgenössischen Rechts durchzuführen haben, nicht, gibt also über
den Kreis der Beschwerdeberechtigten in diesen Fällen abgesehen vom
Bundesrat, in seiner erwähnten Ausnahmestellung keine Auskunft. Nun
ist bei dieser Gruppe von eidgenössischen Strafsachen, zu denen die
Übertretungen des Bahnpolizeigesetzes gehören, für die Regelung des
Strafverfahrens, welche naturgemäss auch die Prozesslegitimation umfasst,
allerdings grundsätzlich, mit dem nach Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
Übergangsbestimmungen
zur BV selbstverständlichen Vorbehalt einschlägiger Vorschriften der
Bundesgesetzgebung, das kantonale Strafprozessrecht massgebend. In diesem
Sinne bestimmt insbesondere Art. 11 des Bahnpolizeigesetzes ausdrücklich:
Die kantonalen Behörden beurteilen die Ubertretung dieses Gesetzes.., was
das Verfahren.... anbetrifft, nach den jeweilen bestehenden kantonalen
Vorschriften Allein für die Beantwortung der Frage, wer in solchen
Straffiillen als Prozessbeteiligter im Sinne des Art. 161 OG aufzutreten
berechtigt sei, d. h. als formell zugelassene Prozesspartek die in
dieser Eigenschaft, mangels einer abweichenden Sonderbestimmung für das
Rechtsmittel der bundesrechtlichen Kassationsbeschwerde, als speziell
auch zu deren Erhebung legitimiert erscheint,IL Bahnpolizei. N° 28. 189

Macht das kantonale Strafprozessrechi immerhin, wie schon betont, nur
neben einschlägigen eidgenössichen Rechtsnormen Regel.

4. Borliegend nun leiten die Kasfationskläger ihre Beschwerdelegitimation
in erster Linie aus dem eidgenössischen Rechte ab, indem sie auf die
allgemeine Stellung Verweisen, die den Bahnverwaltungen mit Bezug
auf die Bahnpolizei durch die Bundesgesetzgebung eingeräumt isf. Bei
Prüfung dieses Argumente-s ergibt sich: Art. 32 Abs. 1 des BG über Bau und
Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872 bestimmt, die Handhabung der
Bahnpolizei liege zunächst neben den der kantonalen Polizei zustehenden
Aufsichtsbefugnissen den Gesellschaften ob. Und für die Aufstellung
der materiellen Bahnpolizeivorschriften, der Anordnungen zum Schutze
der Bahnanlagen und zugehörigen Einrichtungen einerseits, und der damit
in Berührung tretenden Personen anderseits, sah Abs. 2 daselbst von den
Gesellschaften mit Genehmigung des Bundesrates zu erlassende Reglemente
vor, welche dann ersetzt worden sind durch die einheitlichen Normen des
Bundesgesetzes vom 18. Februar î878, das zugleich eine einheitliche,
bis dahin den Kantonen überlassene Strafsanktion für die Übertretungen
solcher Vorschriften einführte (vergl. die bundesrätliche Botschaft zum
Gefetzesentwurfc BBl. 1877 IV S. 679 ff.). Diese besondere Ordnung der
Bahnpolizei, namentlich die direkte Beiziehung auch der Bahngesellschaften
selbst, wenigstens zu ihrer Handhabung, entspricht der natürlichen
Eigenart des Eisenbahnbetriebes. Die diesem Betriebe inhärente
Gefährlichkeit erfordert, bei seiner gewaltigen Ausdehnung und Bedeutung
für das gesamte Verkehrsleben, gebieterisch die strikte Durchführung der
zur Sicherung seines normalen Ganges angeordneten Massnahmen Sie liegtim
eminenten Interesse nicht nur der Bahnunternehmungen mit ihrer strengen
Haftung für alle Folgen eines ordnungswidrigen Betriebes, sondern auch
des dadurch gefährdeten Publikums Hiezu bedarf es jedoch zuverlässiger,
jederzeit zur Verfügung siehender und mit den Betriebsverhältnissen
vertrauter Vollziehungsorgane, als welche naturgemäss in erster Linie
die Organe der Bahnverwaltung selbst in Betracht fallen. Deshalb darf die
den Bahngesellschaften nach Gesetz obliegende bahnpolizeiliche Betätigung
nicht zu enge aufgefasst werden; Zur Handhabung" der Bahn-

190 B. Strafrechtspflege.

polizei in einem weitern Sinne gehört aber gewiss nicht nur die
Verhindernng versuchter-, sowie die Feststellung und Anzeige vollendeter
Übertretungen der einschlägigen Vorschriften, sondern ferner auch die
Durchsetzung der dadurch ver-wirkten Straffolgen. Die strafgerichtliche
Verfolgung der Bahnpolizeiübertretungen bildet einenwesentlichen
Bestandteil der zweckgemässen, wirksamen Handhabung der Bahnpolizei. Es
kann daher unmöglich im Willen des Bun:desgesetzgebers gelegen haben, die
hiefür nach gesetzlicher Anordnung ins erster Linie zuständigen Organe
der Bahnverwaltung von jenen speziellen Funktionen auszuschliessen,
sind doch die Bahnorgane zufolge ihrer unmittelbaren Kenntnis der
Bedürfnisse der Betriebssicherheit zweifellos auch am besten in
der Lage, die praktische Tragweite und damit die Angemessenheit
der strafrechtlichen Ahndung gegebener Bahnpolizeiübertretungen zu
würdigen. Vielmehrmuss in Ermangelung einer ausdrücklichen Norm hierüber
Art.7 des Bahnpolizeigesetzes sagt lediglich, dass die Übertretungen
seiner Vorschriften bei der nach dem Rechte ihres Vegehungsortes
zuständigen Polizeioder Gerichts-stelle einzuklagen seien aus dem
vernünftigen Sinn und Zweck der erörterten KompetenzBestimmung in
Art. 32 des Eisenbahngesetzes vom Jahre 1872 auch die Kompetenz
der Bahngesellschasten zur gerichtlichen Verfolgung der aus den
Bahnpolizeiübertretungen resultierenden Strafansprüche abgeleitet
werden. Und da jene Bestimmung des allgemeinen Eisenbahngesetzes gemäss
Art. 11 des kurz sogen. Eisenbahnriickkaufsgesetzes vom 15. Oktober 1897
auch für die Schweizerischen Bundesbahnen gilt, wobei die Überwachung
der Bahnund die Bahnpolizei in am. 35 Biff. 6 daselbst ausdrücklich
den Kreisdirektionen zugewiesen sind, so ist die Zulässigkeit der
vorliegenden Kafsationsbeschwerde mit den Kassationsklägern schonaus
dem Gesichtspunkte des eidgenössischen Rechts zu bejahen. Folglich kann
dahingestellt bleiben, ob diese Legitimationsfrage nicht auch auf Grund
der gegebenenfalls im kantonalen Verfahren zur Anwendung gebrachten
Vorschriften des luzernischen StrV im gleichen Sinne zu entscheiden ware.

5, Materiell steht die Auslegung von Art. 3 Abs. 2 des Bahnpolizeigesetzes
in Frage. Dessen Bestimmung [amet, soweit hier von Belang, dahin, dass
die Barrieren von Privatübergiingen fürsll. Bahnpolizei. N° 28. 191

Fuhrwerke und Fussgänger in der Regel geschlossen sein sollen und
im Gegensatz zu den Barrieren der bewachten (für den allgemeinen
Verkehr bestimmten) Bahnübergänge, deren Bedienung dem Bahnpersonal
obliegt (Abs. 1 des Art. 3) von den Berechtigten zur Benutzung
des Überganges.. geöffnet und wieder geschlossenist werden. Dabei
gilt auch für solche Prioatübergänge die in Abs. 1 allgemein
aufgestellte Vorschrift, dass die Bahn beim Herannahen eines Zuges
nicht überschritten werden darf. Danach dürfen also die Barrieren der
Privatübergänge nur ausnahmsweis e, während der zulässigen Benutzung,
offen stehen. Und zwar ist es mit dieser Ausnahme grundsätzlich
strenge zu nehmen; denn die Tendenz der fraglichen Bestimmung ist
nach dem hervorgehobenen Zusammenhang ihres Textes unverkennbar
darauf gerichtet, das von der Bahnunternehmung vertretene allgemeine
Interesse grösstmögkicher Sicherheit des Bahnbetriebes, soweit seine
Wahrung sich mit dem naturgemässen Ansprüche des Übergangsberechtigten,
möglichst ungehindert Über die Bahn verkehren zu können, nicht verträgt,
diesem privaten Interesse unbedingt vorgehen zu lassen. Diese Erwägung
aber führt ohne weiteres zu der Gesetzesauslegung, dass die Barrieren
eines Privatüberganges vorn Benutzungsberechtigten in jedem einzelnen
Benutzungsfalle geöffnet und wieder geschlossen- werden müssen, derart,
dass sie jedenfalls beim Herannahen eines Zuges, solange die Benutzung des
Überganges ausdrücklich Verboten ist, geschlossen sind. Die abweichende
Auffassung des kantonalen Richters, wonach die Privatbarrieren auf
der Liegenschaft des Kassationsbeklagten während der gewöhnlichen
Bearbeitung des Landes, welche eine häufige nacheinandersolgende
Überschreitung des Bahnkörpersl erfordere, ohne Rücksicht auf den
Zugverkehr offen gelassen werden dürften, wird der erörterten Tendenz
des Gesetzes nicht gerecht. Sie stellt unrichtigerweise das Interesse
des Übergangsberechtigten als solchen dem höhern Interesse der Sicherung
des Bahnbetriebes voran.

6. Im Sinne der vorstehenden Erwägung müssen nach dem vom
Kassationsbeklagten nicht beftrittenen Anzeigetatbestande entgegen der
kantonalen Instanz anf Grund von Art. 8 des Bahnpolizeigesetzes strafbare
Übertretungen der Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 daselbst ais in objektiver
Hinsicht gegeben erachtet

192 B. Strafrechtspflege.'

werden. Trotzdem aber wäre das freisprechende Urteil des kantonalen
Richters nicht zu beanstanden, sofern, wie dieser weiterhin noch
ausgeführt und angenommen hat, ein als subjektives Erfordernis jener
strafbaren Handlungen notwendiges Verschulden des Kassationsbeklagten
nicht vorliegen sollte. sEs ist dahera in Anwendung des Art. Ni Abs. 2 OG
auch noch ans eine Uberpriifung dieser von den Kassationsklägern nicht
ausdrücklich zur Diskussion verstellten Rechtsfrage einzutreten. Nun
scheint die Vorinstanz von der zutreffenden rechtlichen Voraussetzung
auszugehen, dass als relevantes Verschulden des Täters bei den
Bahnpolizeiübertretungen schon blosse Fahrlässigkeit, als neben dem
rechtswidrigen Vorsatz mildere Schuldform, genüge (vergl. hier AS 31
I Nr· 116 Erw. 7 S. 700). Und ferner hat sie in nicht anfechtbarer
Weise tatsächlich festgestellt, dass der Kassationsbeklagte bisher
seit mehr als 30 Jahren unbeanstandet die fraglichen Barrieren in
zusammenhängenden Arbeitszeiten- jeweilen erst nach Beendigung der
Durchfahrten geschlossen habe. Diese Feststellung gründet sich zwar
lediglich aus die eigenen Behauptungen des Kassationsbeklagten, da die
zu deren Bekräftigung erst im Kassationsverfahren beigebrachten Zeugnisse
prozessualisch nicht mehr berücksichtigt werden können; es stehen diesen
Behauptungen jedoch anderweitige Erhebung-en nicht entgegen, so dass von
einer aktenwidrigen Beweiswtirdigung, gegen welche allein, feststehender
Praxis gemäss, der Kassaiionshof einzuschreiten berechtigt wäre, nicht
gesprochen werden kann. Dagegen muss die rechtliche Schlussfolgerung
des kantonalen Richters aus dem so festgestellten Tatbestande, dass der
Kassationsbeklagte danach in guten Treuen habe annehmen dürfen, sein
Verhalten genüge den bahnpolizeilichen Vorschriften, und dass ihm deshalb
kein Verschulden zur Last falle, als irrtümlich bezeichnet werden. Denn
das Handeln in guten Treuen schliesst wohl den rechtswidrigen Vorsatz,
nicht aber unbedingt auch die blosse Fahrlässigkeit aus. Es geht jedoch
aus der einschlägigen Erwägung des kantonalen Urteils immerhin nicht
klar hervor, ob dies Vorinstanz diesen Umstand übersehen hat, oder ob
sie von einem nnrichtigen Verschuldensbegriffe ausgegangen ist. Deshalb
empfiehlt es sich, ihr, da sie zum Erlasse eines neuen Urteils schon wegen
der irrtümlichen Auslegung von Art. 3 Abs. 2 des Bahnpolizeigesetzes,
nach Massgabe der Erw. 4 oben, verpflichtetIl, Bahnpolizei. N° 28. 193

ist, dabei auch eine nochmalige Beurteilung der Verschuldensfrage, unter
Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen, offen zu lassen. Jn
diesem Sinne ist ihr Urteil in Anwendung des Art. 17
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
OG aufzuheben.

Demnach hat der Kassationshof erkannt: In Gutheissung der
Kassationsbeschwerde wird das Urteil des IBezirksgerichts Entlebuch vom
1. Juli 1908 aufgehoben und die

Sache zu neuer Entscheidung nach Massgabe der vorstehenden 'Motwe an
das kantonale Gericht zurückgewiesen.

III. Polizeiliche Massreg'eln gegen Viehseuchen. Keem-es de police à
prendre contre les épizooties.

29. Arteic vom 23. März 1909 in Sachen Hehweizerische Bunde-bahnen gegen
Stuntsamrmaltschanft des EMut-MS Solothurn.

Bioss ewiges-eines Inkrafttreten der vom schweizerischen
Landwirtschaftsdeparlement erlassenen Vorschriften been Reinigung und
Desinfektion der set-m Vie/elransport benützten Wagen und Sek-lie,
wenigstens was die Erstellung der hiezn erforderlicfeen festen
Anlagen und Einrichtungen bate-im. Zulässigkeit einer Bestrafung
der Schweizerischen Bundesbahnen wegen Uebertretung einer Norm des
eidgenössischen Strafreckés ?

A. Durch Urteil vom 15. Januar 1909 hat das Obergericht des Kantons
Solothurn die Schweizerischen Bundesbahnen der Ubertretung des Art. 3
litt. d der vom schweizerischen Landwirtschaftsdepartement am 22. März
1907 mit Genehmigung des Bundesrates erlassenen Vorschriften betreffend
die Reinigung,

Waschung und Desinfektion der zum Viehtransport verwendeten

Eisenbahnwagen und Schiffe schuldig erklärt und sie deshalb in

Anwendung des Art. 7 der gleichen Vorschriften verurteilt: a) zu einer
Geldbusse von 50 Fr., AS 35 I 1909 13
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 35 I 186
Date : 23. Januar 1909
Published : 31. Dezember 1909
Source : Bundesgericht
Status : 35 I 186
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 185 B. Strafrechispflege. II. Bahnpolizei. Police del chemins de fer. 28. get-teil


Legislation register
BV: 2
OG: 17  123  155  158  161
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BBl
1877/IV/679