294 A. Siaatsrechiiiche Entscheidungen. ]I. Abschnitt. Bundesgesetze.
Teil vereiteln würde. Es kommt hinzu, dass auch die Entstehungsgeschichte
des Gesetzes (siehe hierüber namentlich Colombi, Verhandlungen des
schweizerischen Juristenvereins 1887, chhwR 28 S. 4.6? ff.) dafür spricht,
dass der Grundsatz der Nichtauslieferung der eigenen Angehörigen vor
dem des Art. 4 Abs. 2 als dem durchgreifenderen zurückzutreten hat. Der
Gedanke der Konzentration des Strafversahrens, wie er in Art. 4 Abs. 2
zum Ausdruck gelangt ist, ist alter, unbestrittenen eidgenösfischer
Rechtsgrundsatz; er findet sich schon in einem Tagsatzungsbeschluss
vorn 2. August 1803 (Colombi, S. 467 f.), ferner, mehr andeuiungsweise,
im Konkordat vom 8. Juni 1809, bestätigt den 8. Juli 1818, betreffend
Ausschreibung, Verfolgung, Festsetzung und Auslieferung von Verbrecheru
oder Beschuldigten, und namentlich deutlich in einem Konkordatsentwurf
vom Jahre 1821 (Colombi, S. 484 s.), während der Grundsatz der
Nichtauslieferung der eigenen Bürger oder gar Niedergelassenen weder
im Konkordat von 1809s18, noch im eben genannten Konkordatsentwurs,
in welchem die Auslieferung der eigenen Bürger vielmehr vorgesehen
war (S. 8), erscheint, in den betreffenden Tagsatzungsverhandlungen
nur vereinzelt geltend gemacht wurde und auch bei den Beratungen des
den Abschluss der Entwicklung bildenden Bundesgesetzes von 1852 nicht
unbestritten, vielmehr vom Nationalrat zuerst abgelehnt war (Colombi,
S. 499 f.; vgl. zur Entstehungsgeschichte des am. 1 Abs. 2 und Art. 4
Abs. 2: Bericht der ständerätlichen Kommission im Falle Ochsenbein,
Bundesblatt 1872 I S. 776). Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Der Rekurs wird gutgeheissen. Demgemäss wird der Regierungsrat des Kantons
Glarus eingeladen, den Adolf Höle dem Regierungsrat des Kantons Aargau
behufs Strafverfolgung (im Abtreibungsfalle B.) auszuliefern.
iii. Zivilrechtl. Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter. N°
49. 295
II. Persönliche Handlungsfàhîg-keit. Capacità civile.
Vergl. Nr. 40.
III. Zivilrechtliche Verhältnisse der Niedergelassenen und
Aufenbhalter. Repports de droit civil des citoyens ètablis ou en séjour.
49. Arbeit vom 24. Juni 1908 in Sachen Regierungsrat Biiridj gegen
Regierung-rat ga. Hallen
,Art. 4 Abs. 3,-17Ieg. cit.: Letzier Wohnsitz eines Bevormundeten. Er
ist da, we die Vormundschaft tatsächlich ausgeùbz wird ; das gilt (za-ch
für Vormundschaftsfdlle, die vor Inkrafttreten des cit. BG begründet
werden sind. DusErbschaftssteuerdomizü befindet sich für Vò'gttinge am
setze der Vor-mundschaftsbehérde, auch wenn die Vom-ussetzungen für eine
Uebertragu-ng vorhanden ware-n.
A. Am 13. Oktober 1907 starb in Zürich Fräulein Martha Sabine Karoline
Bärlocher von St. Gallen, die seit 1857 unter der Vormundschast des
Waisenamts St. Gallen gestanden und seit dem Jahre 1887 in Zürich gewohnt
hatte. Fräulein Bärlocher hatte in Zürich einen Heimatschein deponiert
und sie war daselbst jeweilen für ihr Vermögen besteuert worden. Am
20. Februar 1908 ersuchte der Regierungsrat Zürich den Regierungsrat
St. Gallen, ihm die Hinterlassenschaft der Fräulein Bärlocher zwecks
Teilung zu til-ermitteln Das Gesuch war wie folgt begründet: Nach
Art. 35 des Bundesgesetzes über die zwilrechtlichen Verhältnisse
der Niedergelassenen und Aufenthalter und gemäss dem bundesrätlichen
Kreisschreiben vom 28. Juni 1892 betreffend die Vollziehung dieses
Gesetzes hätte die über Fräu.lein Bärlocher bestehende Vormundschaft
sobald als möglich dem Waisenamt Zürich als der Wohnsitz-behörde der
Bevormundeten
298 A. Staats-rechtliche Entscfieidungen. H. Abschnitt. Bündesgesetze.
übertragen werden sollen, und zwar spätestens bis zum 1. Juli 1898,
Dies ist nun nicht geschehen, obschon das zitierte Bundesgesetz in
diesem Punkte zwingendes Recht enthält, das selbst nicht durch besondere
Vereinbarungen der beteiligten Vormundschaftsbehörden der beiden Kantone
hätte abgeändert werden können. Im vorliegenden Falle kommt noch hinzu,
dass dem Waisenamt Zürich überhaupt nicht bekannt war, dass über
Fräulein Bärlocher eine Vormundschaft bestand. Die Vorinundschaft ist
daher seit dem Inkrafttreten des ziiierten Bundesgesetzes vom Waisenamt
St. Gallen zu Unrecht geführt worden, und es äussern sich nun die Folgen
des hiedurch geschaffenen ungesetzlichen Zitstandes auch bei der Beerbung
der Bevormundeten. Gemäss§ 22 des zitierten Bandes-gesetzes richtet sich
aber die Erbfolge nach dem Rechte des letzten Wohnsitzes des Erblassers.
Der Regierungsrat von St. Gallen antwortete am 10. März 1908,
dass er dem Gesuch nicht entsprechen könne. Die Übertragung der
Vormundschaft sei anlässlich des Jnkrafttretens des BG betreffend
zivr. V. d. N. u. A. deshalb unterblieben, weil schon damals Fräulein
Bärlocher sehr alt gewesen sei und sich zudem wegen geistiger und
körperlicher Gebrechen in Pflege bei Verwandten befunden habe. Das
Bestehen der Vormundschaft sei den Zürcher Behörden keineswegs
verheimlicht worden, wie ja auch der Vormund das Vermögen des Mündels in
Zürich versteuert babe. Nach den neuern Entscheiden des Bundesgerichts
befinde sich der Wohnsitz einer bevorrnundeten Person, der auch die
Erbfolge bestimme, da, wo die vormundschaftliche Verwaltung tatsächlich
geführt werde.
B. Mit Rechtsschrift vom 16. Mai 1908 hat der Regierungsrat Zürich
beim Bundesgericht das Begehren gestellt, es möchte der Regierungsrat
des Kantons St.Gallen angehalten werden, das Waisenamt St. Gallen
zur Aushingabe des Vermögens der in Zürich wohnhaft gewesenen und
am 13. Oktober 1907 ledig verstorbenen Sabine Karoline Bärlocher an
das Waisenamt Zürich zu veranlassen zwecks Eröffnung der Erbschaft
nach zürcherischem Rechte (Teilung des Nachlasses und Entrichtung
der Erbschastssteuer), und es möchte der Kanton Zürich zur Erhebung
der Erbschaftssteuer aus dem Nachlasse der Verstorbenen als aus-IH,
Zivilrecht}. Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter. N° 49 297
chliesslich berechtigt erklärt werden. Die Vegründnng dieses Begehrens
deckt sich im wesentlichen mit derjenigen des Gesuchs des Regierungsrats
Zürich an den Regierungsrat St. Gallen vom 20. Februar 1908.
C. Der Regierungsrat St. Gallen hat ans Abweisung des Begehrens von Zürich
angetragen und sich zur Begründung wesentlich auf die Ausführungen des
Bundesgerichts in Sachen Walvis, AS 30 I Nr. 118,berufen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Im Urteil in Sachen Waldis gegen Nidwalden vom N. Oktober 1904 (US
30 I Nr. 118) hat das Bundesgericht unter eingehender Motivierung,
auf die hier verwiesen wird, grundsätzlich ausgesprochen, dass der
letzte Wohnsitz eines Mündels, von welchem gemäss den Art. 22 und 28
BG betr. zivilr. V. d. N. u. A. das Recht der Erbfolge und der Ort
der Erbschaftseröffnung abhängen, nach richtiger Auslegung der Art. 4
Abs. 3 und 17 leg. cit. sich an dem Ort befindet, wo die Vormundschaft
tatsächlich ausgeübt wird und nicht an dem Orte, dessen Behörden nach
Art 17 die Übertragung der Vormund schaft hätten verlangen können An
dieser Rechtsansfassung muss festgehalten werden Darnach hatte aber
die Erblafserin Fräulein Bärlocher ihr letztes Domizil in St Gallen
weil dort die Vormundschaft bis zu ihrem Tode gefuhrt wurde, und zwar
selbst dann, wenn, was nicht naher zu untersuchen ist, die gesetzlichen
Voraussetzungen für eine Übertragung der Vormundschaft nach Zürich gegeben
waren Auch der Umstand, dass die Erblasserin schon vor Inkrafttreten des
Bundesgesetzes in St. Gallen unter Vormundschaft stand und in Zürich sich
aufhielt, bedingt keine andere Lösung. Unmittelbar nach Jnkrafttreten
des Gesetzes sollte allerdings in Fällen, wo nach früherem Recht der Sitz
der Vormundschaftsbehörde Und das Domizil des Mündels auseinanderfielen,
die Regel des Art. 4 Abs. 3, wie speziell Art. 35 zeigt, kaum sofort
Platz greifen, sondern es war wohl der bisherige Wohnort des Mündels noch
während einer gewissen Übergangszeit auch als dessen rechtliches
Domizil anzunehmen Allein dies konnte nur sur die Frist gelten,
innerhalb welcher nach dem natürlichen Lan der Dinge die Übertragung
der Vormundschast aus den Kanten des Wohnsitzes mos-
298 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. H. Abschnitt. Buudesgesetze.
lich war-. Unterblieb dagegen diese Übertragung auîî irgend welehem
Grande, so musste notwendigerweise nach Ablauf einer gewissen Periode
die gesetzliche Regel durchgreifen, wonach der-rechtliche Wohnsitz des
Bevormundeten am Sitz der Pormundschastsbehorde tft. Auch wenn oorliegend
die Erblasserin beim vvzxnkrasttreten des Bandes-gesetzes ihr Domizil
im Rechtssinn in Zurich Tehom haben sollte, so war doch ohne Frage bei
ihrem Tode im kJahre li) 0.7 jene Übergangszeit längst abgelaufeii und
St. Gallen, als Sitz der Vormundschastsbehörde, seit vielen Jahren auch
ihr RechtsdomiziL · ·
2. Mit der Feststellung dass St. Gallen das letzte Domizil der Erblasserin
war, ist auch die Frage der Erbschastssteuer zu Gunsten von St, Gallen
entschieden Nach derneuern Mindesgeriehtlichen Praxis hat der Mündel,
der sich augerhalbn der Vormundschaftsgemeinde aushält, dennoch unter
allen Umstand-en sein Steuerdomizil am Sitz der Vormundschaftsbehorde,
auch dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für einen llbergang der
Vormundschaft an den Ansenthaltskanton vorhanden sind (AS lel S. 603 f.;
32 I S. 55 s.). Dies muss aber speziell auch sur die Erbschasissteuer
gelten, die nach den Ausführungen des Bundesgerichts im Falle Passavant
(AS 27 I Nr. 8, speziell Crw. 2) im interkantonalen Verhältnis am Ort
der Vormundsehaftsbehörde als dem letzten Domizil des Vögtlings zu
beziehen ist.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Das Rechtsbegehren des Kantons
Zürich wird abgewiesenIll. Zivilrecht}. Verhältnisse der Niedergelassenen
und Aufenthalter. N° 50. 299
50. Arrèt du 29 111311908 dans Za cause Gourîeff contre Gouriefi-Weimar.
Art.. 219 LP et droit cantone-1: Le dit article ne s'oppose pas à ce
que le droit eantonal accorde àla femme mariée, en dehors du privilege
de [Ve classe, d'autres droits contre son mari, p. exune hypothéque
legale (loi genev. du 12 sept. 1868, art. 6, 7 et 8). Art. 64 OF: Le
Violation de cette disposition ne donne ouverture à aucun recours de
droit public, parce que le dit article ne confere aucun droit individnel
aux citoyens. Art. 46, 47 et 60 GF : L'art. 60 ne règle pas les conflits
de lois. Quelle est la. loi applicable, dans les relations entre époux
vivant separés et résidant dans différents cansitons, pour la. solution
à donner à. la. question de savoir si la femme mariée jouit du droit
d'hypothèque légale sur les biens immeubles de son mari en garantie de
sa. créance d'afiments contre ce dernier? Nature de cette créence. Art. 46
CF; art. 1 LR.
A. Les époux Wladimir Gourieff, Dr en médecine, et Elisabeth-Marie ne'e
Weimar, alors tous deux sujets russes, se sont meriés à Saint Pétersbourg
en 1879 et ont eu en cette ville leur premier domicile conjugel. En 1887,
ils vinrent s'établir dans le canton d'Argovie, mais ils ne tardèrent
pas ä. "se séparer; dés 1889, en effet, le mari fixe, .son domicile à
Genève, et la femme sa résidence à Zurich.
En 1897, les epoux Gourieff obtinrent la naturalisation suisse par
l'acquisition du droit de bourgeoisie dans la commune de Portalban
(canton de Fribourg).
Le 20 octobre 1898, Gourieff introduisit contre sa femme devant les
tribunaux genevois une action en divorce qui fut définitivement éeartée
par arl-et du Tribunal fédéral du
Li novembre 1903.
B. Les éponx Gourieff n'ayant néanmoins pas repris la, Vie commune,
la, femme introduisit contre son mari devantles tribuneux genevois,
en 1904, une action tend-ent à obtenir la condamnation du défendeur au
paiement d'une
pension alimentaire de 800 fr. per mois dès le 1er décembre
AS 34 l _ 1908 20