B. STRAFRECHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA JUSTICE PENALEPolizeigesetze
des Bundes. Lois de police de la Confédération.

1. Patenti-axa der Handelsreisenden. Taxes de patente des voyageurs
da commerce.

50. guten des Facattoushojee vom 23. guckt 1906 in Sachen Bundesrat,
Kass.-Kl., gegen Yiiedi, Kass.-Bekl.

Legitimation des Bundesrates zur Kassaäionséesckwerde: Art.155 OG. Begeisf
des Handelsreisenden. (Verkauf wer eigenem Wein in geringem Umfang durch
den Produzenten.)

A. Durch Urteil vom 24. Januar 1906 hat das Obergericht des Kantons
Solothurn erkannt:

Der Beklagte Jakob Rüedi hat sich des Vergebens der Übertretung des
Bundesgesetzes betr. die Patenttaren der Handelsreisenden nicht schuldig
gemacht und ist deshalb von der Anklage freigesprochen

B, Gegen dieses Urteil hat der Bundesrat durch Vermittlung der Regierung
des Kantons Solothurn die Kassationsbeschwerde an den Kassationshof des
Bundesgerichts ergriffen, mit dem Antrage:

Es sei das angefochtene Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn
wegen Verletzung eidgenössischen Rechtes aufzuhebenPolizeigeselze des
Bundes. 'l. Patenttaxen der Handelsreisenden. N° 50. 349

und die Sache zu neuer Entscheidung an den Gerichtshof zurückzuweisen
(Art. 172 OG).

C. Der Kassationsbeklagte hat aus Abweisung der Kassationsbeschwerde
angetragen.

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. (Rechtzeitigkeit und Form.) Die Legitimation des Bundesrates zur
Kassationsbeschwerde ist auf Grund des Art. 155 OG in Verbindung mit dem
Bundesratsbeschluss vom 27. Oktober 1905 betr. Einsendung der Strafurteile
in Sachen Patentiaren (BBl 1905 V S. 499 f.) gegeben.

2. Zn tatsächlicher Beziehung ist zu bemerken: Der Kassationsbeklagte
Rüedi ist Landwirt in Gächlingen (Kanton Schaffhausen) und besitzt
u. a. einen Rebberg von zirka 60 Aren Inhalt. Im Herbst 1905 hatte
er ausser seinem eigenen Weinertrag auch denjenigen seiner Mutter zu
verfaufen, und es standen ihm zirka 70 Hektoliter zur Verfügung. Davon
bot er im Herbst 1905 mehreren Privaten in Rodersdorf, Kanton
Solothurn, an; er ging mit einem dort wohnenden Bekannten von Haus
zu Haus und nahm Besiellungen für 600 700 Liter auf. Infolgedessen
wurde, da er keine Taxkarte besass, gegen ihn Strafuntersuchung wegen
Übertretung des Patenttaxengesetzes eingeleitet, und das Amtsgericht
Dorneck-Thierstein hat ihn zu 100 Fr. Busse verurteilt. Auf Appellation
des Kassatiousbeklagten hin hat jedoch das Obergericht des Kantons
Solothurn ihn durch das heute von der Bundesanwaltschaft angefochtene
Urteil freigesprochen Das Obergericht gebt in diesem Urteile davon
aus, die Einwendungen des Kassationsbeklagten, er sei selber Prinzipal
und er habe nur Eigengewächs verkauft, seien zwar nicht stichhaltig;
dagegen könne der Kassationsbeklagte nicht als Handelsreisender im
Sinne desGesetzes angesehen werden, da es sich nur um gelegentliches
Absetzen einer Ware, nicht um den berufsund gewerbsmässigen Umsatz von
solcher handle. In dieser Interpretation sieht der Kassationskläger eine
Verletzung des Bundesgesetzes über die Patenttaxen der Handelsreisenden.

3. Das Schicksal der Kassationsbeschwerde hängt davon ab, ob der Beklagte
als Handelsreisender im Sinne des Bundesgesetzes betr. die Patenttaer
der Handelsreisenden angesehen werden könne.

350 B. Strafrechtspflege.

Mit Recht geht das angefochtene Urteil zunächst davon ans, es komme hiebei
nichts daraus an, dass der Kassationsbeklagte selber Prinzipal und nicht
Angestellter sei; diese Auffassung entspricht der bundesgerichtlichen
Praxis; s. namentlich BGE 26 I S.342 f. E. 2. Dagegen fragt es sich
nun weiter, ob die Tätigkeit des Kassationsbeklagten als diejenige
eines Handelsreisenden und sein Gewerbe als Handelshans im Sinne des
genannten Gesetzes (Art. 1, 2 und 3) bezeichnet werden könne. Was nun
vorab das Gewerbe des Kassationsbeklagten betrifft, so steht fest, dass
er von Beruf Landivirt ist und nur ein geringsügiges Quantum Wein zum
Absatz nach aussen zur Verfügung hat. Das Gesetz Versteht nun aber unter
Handelshaus etwas anderes als einen derartigen, mehr gelegentlichen
Absatz von Urvrodnkten Im volkswirtschaftlichen Sinne bedeutet
Huttdel den gewerbsmässigen Betrieb des Eintauschens oder Anlaufes
von Gütern und deren Wiederveränsserung zwecks Erzielung von Gewinn
(so die Definition von Lexis in Schönbergs Handhder polit. Okonomie,
3 Ausl Bd. II S. 811; ähnlich Rathgen in Elsters Wörterbuch der
Volkswirtschaft). Wenn nun auch nicht dieser enge volkswirtschaftliche
Begriff des Sandals dem Patenttaxengesetz zu Grunde gelegt werden wifi,
sondern anzunehmen ist, auch der direkte Absatz von Urprodukten bei
dem also der Einkauf ausgeschaltet ist gehöre unter Umständen dazu,
so ist doch, damit das Patenttaxengesetz Anwendung finden könne,
erforderlich, dass der Absatz in handelsmässiger, gewerbsmässiger
Weise stattfinde. Diese Auslegung deckt sich sowohl mit dem Wortlaute
des Gesetzes, das von Handelshäusern und Handelsreisenden- spricht,
als auch mit dessen Tendenz und Zweck, die nicht dahin gingen, der
Urproduktion den direkten Absatz ihrer Produkte zu erschweren, sondern
die den sesshaften Gewerbetreibenden und Handelsmann gegen auswärtige
Konkurrenz schützen wollten. (BGE 27 I S. 530 Î.) Für diese Auslegung
spricht sodann auch die ziemlich bedeutende Höhe der Patenttaer die einen
gewerbsmässigen Umsatz voraussetzt. Dies führt aus die besondere Tätigkeit
des Kassationsbeklagten im vorliegenden Falle. Hiebei ergibt sich, dass
nicht nachgewiesen ist, dass der Kassationsbeklagte in gewerbsmässiger
Weise nach Art eines Handelsgeschäftes den fraglichen Wein abgesetzt
habe. Schon das geringePolizeigeseize des Bundes. '2. Fabrikgesetz. N°
51. 351

Quantum des ihm für den Absatz zur Verfügung stehenden Weines
spricht dagegen. Sodann aber auch die Art und Weise, in welcher der
Kassattonsbeklagre mit den Abnehmern in Verbindung getreten ist:
es handelte sich um ein gelegentliches Aufsuchen von Kunden, die
durch einen Bekannten vermittelt ist, nicht um ein gewerbsmässiges
Absetzen der Produkte nach Art eines Handelshauses Ein derartiger
Geschäftsbetrieb und eine solche Tätigkeit fallen nicht unter das
Patenttarengesetzz jener Geschäftsbetrieb nicht, weil er nicht
Handelssondern Landwirtschastsbetrieb isf, diese Tätigkeit nicht,
weil sie nicht ein geioerbsmäsziges Absetzen von Gütern nach Art eines
Handelshauses bedeutet. Hieraus folgt, das-; der angesochtene Entscheid
durch seine Auslegung das Gesetz nicht verletzt hat und dass daher die
Kassationsbeschwerde abzuweisen ist.

si Demnach hat der Kassationsbof

erkannt: Die Kassationsbeschwerde wird abgewiesen.

2. Pabrîkgesatz. Loi sur les fahriques.

51. guten des Hassationshofeg vom 23 am 1906 in Sachen Wunder-mt,
Kass.-Kl., gegen Endine-x, Kass.-Bekl.

Legitimation des Bundesrates zur Kassationsbesnhwerde, Art. 155 OG. -Art.
19 FG,schriftliche Anweisung einer zuständigen Aufsichtsbehörde. (
Anweisung des Fabrikinspeklors, Spuckmîpfe anzubringen )

A. Durch Urteil vom 27. November 1905 hat das Obergericht des Kantons
Appenzell A.-Rh. erkannt:

Robert Endtner ist von der vom Staat gegen ihn gerichteten Klage aus
Übertretung des am. 19 des eidg. Fabrikgesetzes von Schuld und Strafe
freigesprochen

B. Gegen dieses Urteil hat der Bundesrat Einlegung der
Kasseltionsbeschwerde an den Kassationshos beschlossen und die Bundes-
anwaltschaft mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt Das
Kassationsbegehren lautet:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 32 I 348
Datum : 23. Januar 1906
Publiziert : 31. Dezember 1907
Quelle : Bundesgericht
Status : 32 I 348
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : B. STRAFRECHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA JUSTICE PENALEPolizeigesetze des Bundes.


Gesetzesregister
OG: 155  172
BGE Register
26-I-341 • 27-I-527
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
handelsreisender • bundesrat • wein • legitimation • entscheid • weiler • beklagter • kassationshof • umsatz • bundesgericht • unternehmung • kantonales rechtsmittel • ware • solothurn • produktion • form und inhalt • landwirt • anklage • verurteilter • vermittler
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BBl
1905/V/499