340 B Strafrechtspflege.

kräftet werden könne; und dieser Unschuldbeweis sei nun vorliegend
geleistet.

Der Kassationsbos zieht in Erwägung:

Zu entscheiden ist einzig die Frage, ob Ari· 55 litt. h des Zollgesetzes,
wonach eine Zollübertretung begeht: Wer eine Gewichtsangabe macht, die
um mehr als 50/0 zu niedrig ist und dadurch den Zollbetrag verkürzt-
in dem Sinne auszulegen sei, dass ein Verschulden des Thäters zu dessen
Strafbarkeit nicht erforderlich ist, dass also der Begriff der Übertretung
rein objektiv zu fassen sei, oder aber im entgegengesetzten Sinne, dass
zwar dieSchuld präsnmiert, gegen diese Präsumtion aber der Unschuldsbeweis
zugelassen werde. Diese Frage konnte nach dem alten Zollgesetz -- vom
27. August 1851 nicht zweifelhaft sein : nach Art. 51 Abs. 2 desselben
konnte der Bundesrat die Busse ermässigen oder selbst gänzlich nachlassen,
wenn sich ergab, dass der Ubertreter nicht die Absicht hatte, eine
Zollverschlagnis zu begehen." Es hatte also der Bundesrat einzig das
diskretionäre Recht, den Nachweis der mangelnden rechtswidrigen Absicht in
Betracht zu ziehen (vgl. Urteil des Kassationshofes vom 22. Dezember 1893
E. S. Schwab und Müller-, Umts. Samml., Bd. XIX, S. 682 ff.); Botschaft
des Bundesrates, B.B. 1851, II, S. 12; Bericht der Kommission des
Nationalrates, B.:..B 1851if III, S. 52 ff.). Nach diesem Gesetze hätte
sich die richterliche Uberprüfung jedenfalls nicht auf die Schuldsrage
erstrecken können. Das gegenwärtig geltende Zollgesetz von 1893 nun
enthält jene Vorschrift bezüglich des Nachlasses durch den Bundesrat
nicht mehr. Dieselbe wurde auf den Antrag des Bundesrates gestrichen.
Aber aus der Begründung des Antrages (B.-B. 1892, HI, S. 442) folgt,
dass damit nicht das System des Gesetzes-, welches Bestrafung jeder
objektiven Zollübertretung fordert, abgeändert werden sollte. Der Richter
soll beim Nachweis der Schuldiosigkeit nicht vollständige Strasbefreiung
aussprechen können: wenigstens eine Ordnungsbusse soll immer auferlegt
werden müssen. Wohl aber kann der Richter dem Fehlen eines Verschuldens
oder dem geringen Masse desselben bei der Strafaus-

messung Rechnung tragen, was durch das Fallenlassen des bis-

hetigen gesetzlichen Strafminimums ermöglicht ist. Gegen
dieseII. Polizeigesetze des Bundes. Urheberrecht. N° 63. 5341

Vorschrift verstösst das vorliegende ganz freisprechende Urteil des
Polizeigerichtes von Basel. Dasselbe hat auch andern Umständen des Falles
zu wenig Rechnung getragen, so der Bestimmung des

Art. 22 Zollgesetz, der Möglichkeit, dass der Empfänger das Missverhältnis
des angegebenen und des wirklichen Geivichtes der Ware ersehen konnte
und der Unterlassung der in der Verordnung zum Zollgesetz vorgesehenen
Revision des Geivichtes. Es hat es sogar unterlassen, den J. Braun zur
Nachbezahlung der nmgangenen Zollgebühr zu verurteilen. Demnach hat
der Kassationshof erkannt: Das Urteil des Polizeigerichtes des Kantons
Baselstadt vom 16.Miirz1900 wird aufgehoben und es wird die Sache zu
neuer Beurteilung dem Polizeigerichte Liestal überwiesen

II. Poh'zeigesetze des Bundes. Urheberrecht. Lois de police de 1a
Confédération. Propriétè

littéraire et ar'eistique.

63. Urteil des Kassationshoses vom 3. Juli 1900 in Sachen Keller-Steffen
gegen Thurgau.

Z wes}; des Pritentlaxrengesetzes ; Anwenäöarkeit desselòen auf
Prinzipa-le, falls sie reisen, mn Bestellunger aufzueämm. Beseelt-edited-
keit der grösseren aller geringeren Anzahl der Bestellungen. Aufnaàme
von Bestellung-enauf Hazadelsarlikel, oder Entgegennahme Don
ArzeltsnirfireikiaeteP Letztere ,fällt nicht uns-er das Perle-stimmen-

gesel: .

Vorbemerkung Wegen des in Erw. 2 zusammenfasseud dargestellteu
Thaibestandes ist Keller-Steffen, iBuchdrucker in Steckborn,
letztinstanzlich von der Rekurskommission des Obergerichtes des Kantons
Thurgau zu einer Busse von 40 gr., zur Nachzahlung der Patentgebühr von
100 Fr. für das II. Semester 1899 und zu sämmtlichen Kosten verurteilt
worden, Hie-

342 B. Strafrechtspflege.

gegen hat er Kassationsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichtes
ergriffen, mit dem Antrage auf Aufhebung des angefochten-ten Urteils
und Freisprechung von Schuld und Strafe.

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. In formeller Beziehung ist zu bemerken, dass der Antrag des
Kassationsklägers jedenfalls so, wie er lautet, nicht gingeheissen
werden kann: Der Kassationshof kann im Falle der Gutheissnng der
Kassationsbeschwerde nicht in der Sache selbst ein Urteil fällen,
sondern er muss alsdann die Sache zu neuer Beurteilung an die Amtsstelle,
die das Urteil gefällt hat (so nach Art. 172 Org.-Ges., der hier zur
Anwendung kommt), oder an ein beliebiges Gericht von gleichem Range
(so nach Art. 18 Abs. 2 B.-G. betreffend Fiskalstrafverfahren, dem
indessen das Patenttaxengesetz nicht untersteht) zurückweisen. Der formell
unrichtige Antrag hindert indessen nicht, auf die Beschwerde einzutreten,
zumal der Antrag auch in richtiger Weise auf Aufhebung des angefochtenen
Entscheides geht.

2. Zu entscheiden isf, ob auf den nom kantonalen Gerichte festgestellten
Thatbeftand der Begriff einer Übertretung des Patenttarengesetzes
zutreffe, und hiefür ist präjudizierend die weitere Frage, ob die
Thätigkeit, die der Kassationskläger ausgeübt hat, unter das genannte
Gesetz falle. Jener Thatbestand nun kann dahin formuliert werden:
Der Kafsationskläger, der als Geschäftsinhaber ohne Angestellte eine
kleine Druckerei betreibt, hat ausserhalb seines Geschäftsdomizils von
Geschäftsleuten und von Privaten Druckausträge entgegengenommenz er
liefert seinen Bestellern nicht nur den Druck (das bedruckte Papier)
sondern auch das Papier. Bei diesem Thatbestande nun schliesst vorerst
der Umstand, dass der Kassationskläger Geschäftsinhaber ist, nicht
aus, ihn dem Patenttaxengesetz zu unterstellen ; denn auch Prinzipale
(Geschäftsinhaber, Direktoren, Geschäftsführer ze.) unterstehen
den Bestimmungen dieses Gesetzes, sofern sie Handelsreisende sind,
d. h. reisen, um Bestellungen aufzunehmen (siehe Rahm, Sammlung der
Vorschriften für Handelsreisende, S. 2 sub b). Es ergiebt sich das
schon aus dem Zwecke des Gesetzes Dieser Zweck gieng neben den andern,
hier nicht in Betracht kommenden Hauptzwecken der Gleichstellung der
inländischen Han-II. Poiizeigesetze des Bundes. Urheberrecht. N° 63. 343
deisreisenden mit den ausländischen, speziell französischen, sowie der
Vereinheitlichung der Patentgebühren auf dem Gebiete der ganzen Schweiz
auch dahin (wenn auch nur kompeomitzwetse), den sesshaften Handelsleuten
und Gewerbetreibendem wie auch dem Publikum einen gewissen Schutz zu
bieten Ü. Botschaft des Bundesrates zu diesem Gesetz, B.-B. 1891, III,
Si ff., und speziell den Bericht von Ständerat Cornaz dazu, eod. S
11 ff.). Hieraus erklären sich die Unterscheidungen, diel das Gesetz
trifft: zunächst diejenige zwischen Handelsreisenden und Hausierern
(ogl. Art. 9), sodann diejenige zwischen EngrosFReisetiden (Art 'i)
und Detail-Reisenden (Art. 2). Sofern daher em Qeîchcsistssitn: haber
als Detail-Reisender auftritt, d. h. mit Prn.:aten, nnt dem Publikum,
im Gegensatze zu Wiederherkaufern und Gewerbetreibenden, in der Weise
in Verkehr tritt, dass-er von auswärts zu ihnen kommt und bei ihnen
Bestellungen aufnimmt, wird er m ichti . '

Die zwexxeflEinrgoendung des Kassationsklägers: eswhandle sich nur um
eine ganz geringe Zahl von Bestellungen, ist unerheblick); das Gesetz
kennt und gewiss mit Recht keinen Unterschied in der Taxpflichtigkeit
je nach der grossern oder geringern Zahl der Bestellungen. _

Dass sodann der Kassationskläger nicht etwa nurvam Orte seiner
Niederlassung Bestellungen aufgenommen hat in, welchem Falle er, als
sogenannter Platzreisender, allerdings nicht tarpslichtig wäre (Rahm
a. a. O. S. 1 sub 1 a) Ist unbe-

I strgietnhrüfen ist daher nur noch der weitere Standpunkt des
Kassationsklägers, es habe sich nicht um Entgegennahme von Bestellungen
-auf Handelsartikel, sondern um Arbeitsaufträge gehandelt. Richtig ist
nun, dass das Aufsuchenv von Arbeitsaufträgen an sich nicht unter das
Patenttaxengesetz falsilt, und pin; sich daher der Kassationskläger darauf
beschrankt hatte, leng I; Aufträge zu Druckarbeiten aufzusuchem so ware
die Kassation beschwerde begründet. Allein der Kassanonsklagerhhat _nun
nicht nur Aufträge zu Druckarbeiten ausgesucht nnv aufgenommen, sondern
er hats Bestellungen auf die mit der Firma des Bestellers bedruckten
Briefbogen und Enveloppem Fakturafortnulare u. dgl.

844 B. Strasrechtspflege.

übernommen; er hat also nicht nur die Ausführung des Druckes sondern
auch die Lieferung des Papieres übernommen. Bei diesen Bestellungen
kann nun aber nicht die Arbeit als das Wesentliche, der Stoff des
Papieres lediglich als ein unter-geordnetes Nebending betrachtet werden
(wie etwa bei einem bestellten Gemälde die Leinwand oder der Rahmen
im Verhältnis zum Bilde); vielmehr handelt es sich in der That Um die
Lieferung eines HandelsMittels-, nicht um einen Arbeitsauftrag Alsdann
aber war die Busze gerechtfertigt, wenn schon nicht zu verkennen ist, dass
derartigen kleinen Gewerbetreibenden gegenüber die Patenttaxe als grosse
Erschwerung des Beruer erscheint; und es muss die Kasseltionsbeschwerde,
da folgerichtig eine Verletzung einer eidgenösfisclsen Rechtsvorschrift im
angefochtenen Urteile nicht enthalten ist abgewiesen werden. ' Demnach hat
der Kassationshof erkannt: Die Kafsationsbeschwerde wird als unbegründet
abgewiesenC. Entscheidungen der Schuldbetreibungs und Konkurskammer.

Arréts de ia Chambre des poursuites

et des faillixes.

84. Entscheid vom 12. Juli 1900 in Sachen Thalmann.

Reahtsvorschiag; Inhali. Zulässigkeit von nova Omder oberer lesen-tonalen
Instanz ; Stellung der Ausîsicktsòehòrch. Für Rechtsverschlag zuständige
Stelle.

I. Auf Begehren des J. Thalmann in Mär-weil wurde gestützt auf
einen Glückschein vom 6. Januar 1885 auf Rudolf Katteler, früher in
Weinfelden, gegenwärtig in Amerika, ein angeblich dem Schuldner aus der
Verlassenschafr des Wirtes Huge... tobler in Boltshausen angefallener
Erbteil mit Arrest belegt. Das Waisenamt Weinfelden protestierte gegen
den Arrestvollzug, weil nicht der Ehemann Katteler, sondern seine Frau
erbberechtigt sei. Am 1. Februar 1900 fand zwischen dem Waisenamt und dem
Arrestgläubiger Thalmann ein Vorstand statt, wobei man sich einigte, man
wolle dem bekannt abwesenden Katteler und seiner Frau die Arresturkunde
sowohl, als auch die nachfolgenden Betreibungsurkunden zustellen und
gewärtigen, was dieselben in Sachen zu thun gedenken. Auf Begehren des
Z'. Thalmann erliess dann das Betreibungsamt Märstetten am 2. Februar
1900 gegen Rudolf Katteler einen Zahlungsbefehl, der einerseits am 3. Fe-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 I 341
Datum : 16. Januar 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 I 341
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 340 B Strafrechtspflege. kräftet werden könne; und dieser Unschuldbeweis sei nun


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
besteller • kassationshof • zollgesetz • bundesrat • handelsreisender • polizeigericht • frage • richtigkeit • busse • zahl • weiler • lieferung • reis • thurgau • druck • sammlung • entscheid • zuschauer • erbschaft • malerei
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