CIVILRECHTSPFLEGE A])MINISTRATION DE LA JUSTICE CIVILE

I, Civilstand und Ehe. Etat civil et mariag-e.

30. Zier-teil vom 5. Lapi-it 1905 in Sachen @ass, Bekl. u. Ber.-Kl.,
gegen Gas}, Kl. n. Ber.-Bekl.

fheeinsprache. Ehehindernis des Blödsinns. Art. 28 Ziff.3GEG. Inkompetenz
des Bumiesgerichtes (als Berufungsinstanz in Civilsachen) in
Bevogteîgu-ngssachen. Art. 57 OG.

A. Durch Urteil vom 20. Februar 1905 hat das Appellationsgericht des
Kantons Baselstadt erkannt:

Es wird das erstinstanzliche Urteil bestätigt

Das Urteil der I. Instanz, des Civilgerichts Baselstadt, lautet:

Es wird dem Emil Gass von Basel, geboren 10. März 1878, wegen geistiger
Gebrechen die Handlungsfähigkeit entzogen und es soll ihm vom Waisenamt
ein Vormund bestellt werden; ferner wird ihm untersagt, die Ehe mit
Witwe Bertha Schweikert-Blienhard einzugehen

B. Gegen das appellationsgerichtliche Urteil hat der Beklagte rechtzeitig
und in richtiger Form die Berufung ans Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrag: Es sei die Klage abzuweisen, eventuell es sei eine Qberexpertife
zu veranlassen und der Entscheid bis zu deren Eingang auszustellen.

C. In der heutigen Verhandlung vor Bundesgericht hat der

XXXL, 2. 1905 14

ZOO ' Civih'echtspflege.

Vertreter des Beklagten diese Anträge begründet. Der Vertreterv der
Klägerin hat auf Abweifung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen
Urteils, eventuell auf Ergänzung der Akten durch Einvernahme der von
der Klägerin angerufenen Zeugen angetragen;

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

'l. Der Beklagte, der 1873 geborene Emil Gass, wollte sich mit der
Witwe Bertha SchweifertzBîienhard, die zwei Kinder im Alter von 10 und
12 Jahren hat, verehelichen. Die Klägerin, seine Mutter, erhob hiegegen
rechtzeitig Einsprache, gesiiitztaqurLLS Ziff. 8 EEG, wonach die Eingehung
der Ehe Geisteskranken und Blödsinnigen untersagt ist. Da der Beklagte
die Einsprache bestritt, machte die Mutter sie beim Civilgericht von
Baselstadt gerichtlich geltend, indem sie gleichzeitig auf Bevogtignng
des Sohnes klagte( Die beiden kantonalen Jnstanzen hiessen in den
sub Fakt. siî angeführten Urteilen sowohl die Bevogtigungsklage
als auch die Eheeinsprache gut, indem sie sich wesentlich auf ein
von Prof Wolff, Direktor der baselstädtischen Heilund Pflegeansialt
Friedmatt, erstattetes Gutachten stützten. Dieses Gutachten geht dahin,
dass der Beklagte an einein geistigen Schwächezustand leide,der ihn
zur selbständigen Besorgung seiner Angelegenheiten unfahig mache und
seine Bevormundung erfordere, und dass. derovorham bene Grad geistiger
Schwäche derart sei, dass ihm die-Eingehiing einer Ehe untersagt werden
sollte. Der Erperteqweist eingehend nach, wie geringe Schulkenntnisse
der Beklagte besitze, wie schwach er alle Lebensverhältnisfe benrteile
und wie ihm die richtige Vorstellung von der Bedeutung der Ehe fehle;
er verstehe sie nicht einmal von der physiologischen Seite, und es fehle
ihm das elementarste Verständnis flir die ihm aus derEhe erwachsenden
Pflichten und ein Ueberblick über die ihm bevorstehenden Aufgaben
Seine Unsähigkeit zur Vermögensverwaltung ergehe sich aus seiner
Urteils-schwäche, seiner Unerfahrenheit Und fLeichtglauvbigkeit und
seinen geringen rechnerischen Fähigkeiten Sein eigentliches Motiv zur
Heirat sei der Wunsch, sich dadurch der Beaufsichtigung der Mutter zu
entziehen, von dieser frei zu werden. Der geistige Zustand des Beklagten
biete das Bild eines Schwachsinns mittleren Etudes, wahrscheinlich auf
angeborener Grundlage, der

!. Civilstand und Ehe. N° 30. 201

ihn zur selbständigen Besorgung seiner Angelegenheiten und überhaupt zu
einer selbständigen Lebensführung unfähig mache-.

2. Die Kompetenz des Bundesgerichts ist nach Art. 57 QG nur gegeben,
soweit mit der Berufung die Gutheissung der Eheeinsprache durch die
kantonalen Jnstanzen angefochten wird. Die von den letztern ausgesprochene
Bevogtigung des Beklagten dagegen beruht auf der Anwendung des kantonalen
Vormundschaftsrechts und entzieht sich daher der Ueberpriifung durch
das Bundesgericht als Berufungsinstanz.

8. Unter dein Blödsinn, der zusammem mit der Geisteskrankheit in Art. 28
Ziff. 3 CEG als Ehehindernis genannt ist, kann, wie das Bundesgericht
schon früher ausgesprochen hat (U.S. V, S. 260), nicht nur diejenige
hochgradige Schwäche der gesamten Geistestätigkeit verstanden werden,
die technisch als Blödsinn im eigentlichen Sinn bezeichnet zu werden
pflegt, und die sich in fast völliger Gemütsstumpfheit und Willenlosigkeit
äusserl; denn für Leute auf dieser tiefsten Stufe geistiger Schwäche,
die den Gedanken an Verehelichung gar nicht fassen und aussprechen können,
bedurfte es keines besondern Verbots. Nach dem Gesetz soll vielmehr auch
bei Schwachsinn erheblichen Grades, der ja im gewöhnlichen Sprachgebrauch
auch Blödsinn genannt wird, die Eingehuug der Ehe untersagt sein und
zwar muss es hiebei nach dem Zweck des Gesetzes darauf ankommen, ob der
geistige Schwächezustand des Nupturienten derart ist, dass diesem die
Fassungskraft und Einsicht für das Wesen und die Bedeutung der Ehe,
das Verständnis für die Aufgaben und Pflichten, die mit der Ehe nach
allgemeiner Auffassung verbunden sind, völlig abgeben. Das Recht zur
Ehe soll solchen entzogen sein, denen infolge unvollkommener geistiger
Entwicklung oder erworbener Geistesschwäche die Empfindung dafür, was
die Stellung eines Ehegatten bedeutet und erfordert, mangelt.

Dass beim Beklagten diese Voraussetzungen des Eheverbotes zutreffen,
haben die kantonaien Jnstanzen mit Recht bejaht. Aus dem psychtatrischen
Gutachten ergibt sich in der Tat in überzeugeuder Weise, dass der
Beklagte an wahrscheinlich angeborenem Schwachsinn leidet und vermöge
dieses Zustandes einer richtigen Vorstellung über die Bedeutung der Ehe
als Lebensgemeinschaft,

202 Civilrechtspnege.

der Pflichten und Aufgaben, die sie mit sich bringt, nicht fähig
ist. Darnach liegt das zsxauptrnotivf weshalb sich der Beklagte
verehelichen will, darin,_ dass er von der Mutter und deren Obhut
loskommen möchte und eine Versorgung zu finden hofft, während er sich
absolut keine Rechenschaft über die Wichtigkeit des beabsichtigten
Schrittes und speziell darüber gibt, dass er als Ehemann seiner Gattin den
Unterhalt schuldet, und wie er bei seinem bescheidenen Vermögen und der
Unfähigkeit, ein selbständiges Leben zu führen und sich durch Ausübung
eines Berufs einen ordentlichen Verdienst zu erwerben, dieser Pflicht
nachkommen will. Dass der Beklagte vielleicht auf beschränkten Gebieten,
z. V. als Schütze, gewisse Leistungen aufzuweisen hats ist nicht geeignet,
das Gutachten zu entkräften; denn bei Schwachsinnigen sind bisweilen
einzelne Fähigkeiten besser ausgebiidet, was aber nicht ausschliesst,
dass jemand trotzdem wegen im übrigen zurückgebliebener Entwicklung oder
erworbener geistiger Schwäche sowohl für das allgemeine Leben, als auch
speziell für das Gemeinschaftsleben der Ehe unbrauchbar sein kann.

Das angefochtene Urteil ist nach dem gesagten, soweit es die Cheeinsprache
betrifft, ohne weiteres zu bestätigen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Jn Bezug auf die Frage der Bevogtignng des Beklagten wird auf die
Berufung nicht eingetreten. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen
und das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Baselstadt vom
20. Februar 1905 bestätigt.II. Haftpflicht der Eisenbahnen bei Tötungen
und Verletzungen. N° 31. 203

II. Haftpflicht der Eisenbahnen u. 5. w. bei Tötungen
und. Verletzungen. Responsa'bilité des entreprises de chemins de fer,
etc. en cas d'accident entrainant mort d'homme ou lésions corporelles.

31. guten vom 17. 31m 1905 in Sachen Meier, Kl. u. Ber.-Kl., gegen
Zum-gimpionbahngesefsschatt, Bekl. u. Ber.-Bekl.

Ein Unfall, der einem Eisenbxeimbediensisseten mehrere Stunden
nach Beendigung des Balmdienstes auf dem Nachhausewege Zuslö'ssl,
kann weder als Beirlebsnnfall im Sinne des EHG (AN. 2), Motials ein
bei einer Hilfsarbeit zum Eisenbahnbetrieb (Art. 4
SR 611.0 Loi du 7 octobre 2005 sur les finances de la Confédération (Loi sur les finances, LFC) - Loi sur les finances
LFC Art. 4 Compétence - Le Conseil fédéral soumet chaque année le compte d'État à l'approbation de l'Assemblée fédérale.
Nov. 1. FHG)
sich erez'gnamier Unfall angesehen werden. Schädigung durch ein
Week. Art. 6? OH. (Mengellmflefr° Zustand einer Eisenbahnbr'ücke, die von
Bahnrmgestelllen begangen wird.) Selbstvee'schulden des l-ssemezfaliten
(Ae-t. 51 Abs. ? OB)? Haftpflickl für einen Unfall, der sich bei einer
Rettungshandlung des Ehemannes dee Ver-zmfalléen geeignet? Art. 2 EHH,
Art. 4
SR 611.0 Loi du 7 octobre 2005 sur les finances de la Confédération (Loi sur les finances, LFC) - Loi sur les finances
LFC Art. 4 Compétence - Le Conseil fédéral soumet chaque année le compte d'État à l'approbation de l'Assemblée fédérale.
Nov. z. FHG, ATS. 67 GB. Mass des Scimclenersatzes bei Tod der
Mutter; Art. 52 GB.

A. Durch Urteil vom 28. Februar 1905 hat das Obergericht des Kantons
Solothurn über das Rechtsbegehrem Es sei die Beklagte zu einer
Entschädigung von 5000 Fr. nebst 5 Ü/0 Zins seit Kiageeinleitung
(16. März 1904) aus Eisenbahnhaftpflicht, eventuell aus Art. 50 ff. ON
an den Kläger zu verurteilen erkannt:

Die vorliegende Klage ist des gänzlichen abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung ans Bundesgericht
ergriffen mit dem Antrag:

Es sei die Klage im Betrag von 5000 Fr. nebst Zins, eveniueîî in einem
nach richterlichem Ermessen reduzierten Betrag gutzuheiszen

C. In der heutigen Hauptverhandlung vor Bundesgericht hat
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 31 II 199
Date : 05 janvier 1905
Publié : 31 décembre 1905
Source : Tribunal fédéral
Statut : 31 II 199
Domaine : ATF - Droit civil
Objet : CIVILRECHTSPFLEGE A])MINISTRATION DE LA JUSTICE CIVILE I, Civilstand und Ehe. Etat


Répertoire des lois
LFC: 4
SR 611.0 Loi du 7 octobre 2005 sur les finances de la Confédération (Loi sur les finances, LFC) - Loi sur les finances
LFC Art. 4 Compétence - Le Conseil fédéral soumet chaque année le compte d'État à l'approbation de l'Assemblée fédérale.
OJ: 28  57
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
adulte • autorité judiciaire • bâle-ville • condamnation • conjoint • descendant • droit de garde • débat du tribunal • décision • défendeur • déficience mentale • empêchement au mariage • exactitude • intérêt • langage • lrespc • maladie mentale • mariage • mesure • mort • mère • obligation d'entretien • pouvoir d'appréciation • question • recours en réforme au tribunal fédéral • travaux accessoires • tribunal cantonal • tribunal fédéral • tuteur • témoin • veuve • vie • volonté