244 A. staatsrechtliciie Entscheidungen. l. Abschnitt.. Bundesverfassung.
III. Vollziehung kantonaler Urteile. Exécution
de jugements cantonaux.
59. Urteil vom 26. September 1902 in Sachen Garantie Fédérale gegen
Schillig
Art. 61 B.-V, Entscheid über em Rechtséffnungsbegehren. Ari. 81 Sen-.u.
Is.-Ges. _; Umfang der res judicata einer reiche-is Entscheides.
Praz-aguzzare des Gerichtsstandes (Art. 59 EP.-V.). Steläemg des
Bundesgerichées ais Sta-atsgeréchishof.
A. Laut Vertrag vom 5. Mai 1900 stellte die Garantie Fédérale,
gegenseitige Pferdeund Viehversicherungsgesellschast in Paris, dir in
Neuenburg ein Geschäftsdomizil hat, den Kaufmann Franz Schillig in Altdorf
als Hauptagenten für den Kanton Uri an. In der Schlussbestimmung des
Vertrages wurde vereinbart: Über alle etwaigen Differenzen, die betreffend
Aussührung dieses Vertrages hervortreten könnten, haben die Ge"richie von
Neuenburg zu entscheiden Unterm Y./12. November 1900 erhob die Garantie
Fédérale vor den neuenburgischen Gerichten gegen Franz Schillig Klage auf
Bezahlung eines Rechnungssaldos von 569 Fr. 80 (CTZ. nebst Zins zu 50/0
seit 9. Oktober 1900. Zur gerichtlichen Verhandlung erschien der Beklagte
nicht. Die Klägerin ermässigte dabei ihre Klage ans 69 Fr. 85 Ets. nebst
Zins, als Betrag dreier Prämienquittungen, die dem Schillig übergeben,
von ihm aber nicht rechtzeitig zurückgesandt worden seien, und für die er
nach dem Vertrage persönlich hafte. Mit Urteil des Gerichtspräsidenten
von Neuenbnrg vom 14. Januar 1901 wurde die Klage im reduzierten Betrag
von 60 Fr. 85 Cis. nebst Zins zu 5 0/9 seit 9. Oktober 1900 geschützt und
der Beklagte in die Kosten verfällt. Die Kostenforderung der Klägerin
wurde am 21. Januar 1901 vom Gerichtspräsidenten von Neuenburg auf
79 Fr. 20 Ets. bestimmt. Die Garantie Fédérale machte ferner vor dem
Friedensrichter von Neuenburg gegen Franz Schillig Ende Dezember 1900
eineIII. Vollziehung kantonaler Urteile. N° 59. 245
Schadenersatzforderung von 100 Fr. wegen Unregelmässigkeiten und
Verzbgerungen in der Vertragserfüllung und einen Anspruch aus Rückgabe
einer Zange für das Zeichnen des Viehs oder aus Ersatz ihres Wertes mit 20
Fr. geltend. Auch zur Verhandlung über diese Klage erschien der Beklagte
nicht. Mit Urteil vom 18. Januar 1901 verurteilte der Friedens-Dichter
von Neuenburg den Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 120 Fr. und
zu den Kosten, die aus 4 Fr. bestimmt wurden. Aus Begehren der Garantie
Fédérale erliess das Betreibungsamt Altors am 28.j29. Januar 1901 an
Franz Schillig einen Zahlungsbefehl für die urteilsmässig festgestellten
Forderungen im Betrage von 264 Fr. 05 Ets. nebst Zins zu 50X0 seit
9. Oktober 1900 von 60 Fr. 85 (Cfs. und vom 28. Januar 1901 an vom
Reste. Der Betriebene erhob Rechts-vorschlag, woraus die Gläubigerin
vor der Gerichtskornmission Uri definitive Rechtsössnung verlangte
Sie wurde mit diesem Begehren am 28. Februar 1901 abgewiesen, weil
die Gerichte des Kantons Neuenburg zur Beurteilung der gegen Schillig
erhobenen Ansprüche nicht kompetent gewesen seien, indem laut Vertrag
die Kompetenz der Neuenburger Gerichte nur bezüglich Streitigkeiten
über die Ausführung des Vertrages vorgesehen und anerkannt ist, für
Forderungen dagegen der Schuldner an seinem Domizil vor den Gerichten
Rede und Antwort zu stehen hat Ein Rekurs der Garantie Fédéraie an
das Obergericht des Kantons Uri wurde mit Entscheid vom 9. Mai 1901
abgewiesen; in den Erwägungen wurde zunächst ebenfalls erklärt, dass
die Kompetenz der neuenburgischen Gerichte durch den Anstellungsvertrag
nicht begründet sei, dem aber beigefügt, dass nach Art. 23 Ziff. 7 des
urnerischen Einsührungsgesetzes zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs Rechtsössnungsentscheide inappellabel seien. Mit Rücksicht
auf die letztere Erwägung trat das Bundesgericht laut Entscheid vom
Z. Oktober 1901 aus eine von der Garantie Fédérale bei ihm erhobene
staats-rechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Art. 4, 60 und 61 der
Bundesverfassung, die sich gegen den erstinstanzlichen Entscheid wegen
Versäumung der Frist nicht mehr direkt richten konnte, nicht ein.
B. Die Garantie Fédérale liess nun die erste Betreibung
xxvm, l. 4902 17
246 A. Staatsrechcliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
fallen und erwirkte unterm T.,/8. Januar 1902 vom Betreibungs: amt Altdorf
einen neuen Zahlungsbefehl gegen Franz Schillig mit dem die nämliche,
auf die neuenburgischen Urteile sich stützende Forderung von 284 Fr. 05
W., nebst Zins zu ö 00 von 60 Fr. Sò Ets. vom 9. Oktober 1900, von dem
Rest vom 28. Januar 1.901 an, geltend gemacht wurde. Wiederum erfolgte
Rechtsvorschlag, den die Gläubigerin durch ein Rechtsöffnungsbegehren zu
beseitigen suchte. Am 16. Juni 1902 wurde von der Gerichtskommission Uri
über dieses Begehren verhandelt DerSchuldner liess auf Abweisung desselben
antragen, weil res judisata vorliege. Die Gerichtstommission erkannte:
Zn Anbetracht-: 1. Dass schon sub 25. Februar 1901 für die gleiche,
mit Zahlungsbefehl vom 28. Januar 1901 geltend gemachte Forderung
Rechtsöffnung verlangt, jedoch nicht beawisligt worden war;
2. Dass heute das Rechtsöfsnungsbegehren gestützt aus diegleichen Akten
und Gründe gestellt wird wie beim Begehren vom 25. Februar 190slz
3. Dass es nun aber nicht als zulässig erscheint, auf einen gerichtlichen
Entscheid, ohne dass bezüglich des Begehren-s in formeller oder
materieller Beziehung eine Änderung stattgefunden hat, zurückzukommen
und einen neuen Entscheid abzugeben;
4. Dass dies im vorliegenden Falle noch um so weniger geschehen kann, als
das Obergericht Uri durch Rekursentscheid vom 9. Mai 1901 den Entscheid
der Gerichtskommission Uri vom 25. Februar 1901 betreffend Rechtsöffuung
bestätigte und den fraglichen Agenturvertrag, auf welchen sich die
Urteile stützen, nicht als massgebend erklärte, und der gegen dieses
obergerichtIiche Urteil erhobene Rekurs durch Urteil des Bundesgerichtes
vom 3. Oktober 1901 abgewiesen wurde; --
"In das vorliegende Rechtsöffnungsbegehren wird nicht eingetreten,
resp. dasselbe abgewiesen.
C. Am 19. Juli 1902 erhob die Garantie Fédérale staatsrechtliche
Beschwerde gegen den Entscheid der Gerichtskoinmission Uri vom 16. Juni,
weil dadurch die Art. 4 und 61 der Bundesverfassung verletzt seien;
eventuell wurde geltend gemacht, der angefochtene Entscheid stehe mit
dem französisch-schweizerischen
IH, Vollziehung kantonalen" Urteile. N° 594 247
Niederlassungsvertrag in Widerspruch Die Rekurrentin geht von der Annahme
aus, die Gerichtskommission habe das neue Rechtsöffnungsbegehren lediglich
aus dem Gesichtspunkte der res judicata abgewiesen, und sucht darzutun,
dass ein Rechtsiiffnungsentscheid nur Geltung habe für die Vetreibung, in
der er erging und in einer neuen Betreibung für die nämliche Forderung,
deren Zulässigkeit nicht bestritten werden könne, nicht die Wirkungen
eines rechtskräftigen Urteils habe. Im übrigen wird auf die Akten
und insbesondere auf den frühem Rekurs verwiesen. Die Anträge gehen
dahin: 1. Der angefochtene Entscheid der Gerichtskommission Uri vom
16. Juni 1902 sei aufzuheben 2. Die genannte Behörde sei anzuhalten,
der Rekurrentin für die fragliche Forderung definitive Rechtsöffnung zu
erteilen; nötigenfalls sei die Rechtsöffnung auszusprechen
D. Von dem Rekursbeklagten Franz Schillig ist eine Antwort auf den
Rekurs nicht eingegangen; dagegen hat sich die Gerichtskommission
Uri im wesentlichen dahin vernehmen lassen: Es sei irrig, dass die
Gerichtskommission Uri das Rechtsösfnungsbegehren der Rekurrentin einzig
aus dem Gesichtspunkte der res judicata abgewiesen habe; dasselbe sei
im Gegenteil neuerdings materiell geprüft, aber allerdings wiederum
abgewiesen worden, weil die Aktenlage die nämliche gewesen sei,
wie bei der Beurteilung des frühem Rechtsöffnungsbegehrens. Wenn
die Gerichtskommission bei dieser Sachlage auf dem frühem Standpunkt
verharrt sei, so könne ihr deshalb der Vorwurf der Rechtsverweigerung
nicht gemacht werden, zumal da die obern Instanzen, als sie das erste
Mal angerufen wurden, denselben ausdrücklich gutgeheissen haben. Auch
Art. 61 der B.-V. sei nicht verletzt, da der Rechtsösfnungsrichter zu
prüfen gehabt habe, ob die Urteile, für welche die Rechtsöffnung verlangt
wurde, vollstreckbar seien; er habe zu diesem Zwecke die Zuständigkeit
der neuenburgischen Gerichte untersuchen müssen, wobei er zu einem
negativen Resultate gelangt sei, und zwar gestützt auf den Wortlaut des
Agenturvertrages selbst. Der Antrag geht dahin, der Rekurs sei abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Art. 61 der Bundesversassung bestimmt, dass die rechtskräftigen
Civilurteile, die in einem Kanton gefällt sind, in der
248 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
ganzen Schweiz sollen vollzogen werden können. Dadurch wird, wie
die buudesrechtliche Praxis stets angenommen hat, für die Parteien,
zwischen denen ein solches Urteil ergangen ist, ein individuelles, auf
dem Wege der staatsrechtlichen Beschwerde verfolgbares Recht darauf
begründet, dass ihnen die Vollziehung eines kantonalen Civilurteils
von den Behörden der andern Kantone gestattet bezw. dass ihnen dabei
Hülfe geleistet merde. Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes
über Schuldbetreibung und Konkurs wird sich für den Fall, dass es
sich um ein Civilurteil handelt, durch welches eine Partei zu einer
Geldzahlung oder zu einer Sicherheitsleistung verurteilt wurde,
und dass gestützt aus dieses Urteil in einem andern Kanton die
Zwangsvollitreckung in das Vermögen des Schuldners eingeleitet worden
ist, die Frage der Vollziehbarkeit oder des Rechtes, Vollziehung
zu verlangen, regelmässig in der Form eines Gesuches um Erteilung
desinitiver Rechtsöffnung (Art. 80 f. B.-G.) bieten. Soweit sich das
Rechtsösfnungsverfahren auf die Vollziehbarkeit eines in einein andern
Kanton ergangenen Civilurteils bezieht, enthalten sonach die einschlägigen
Vorschriften des eidgenössischen Betreibungsgesetzes (Art. 81 Abs. 2)
die bundesgesetzliche Ausführung des in Art. 61 B.-V. niedergelegten
Grundsatzes Wenn nun der kantonale Rechtsöfsnungsrichter in einem
solchen Falle die Rechtsöffnung infolge unrichtiger Anwendung der
erwähnten bundesgesetzlichen Bestimmung verweigert, und hieran das
Bundesgericht auf Grund von Art. 61 der Bundesverfassung angerufen wird,
so kann die Kognition des letztern in Hinsicht auf die Vorschriften
des eidgenössischen Betreibungsgesetzes unmöglich auf die Frage
beschränkt sein, ob dieselben willkürlich ausgelegt worden seien,
sondern es muss ihm zustehen, die kantonalrichterliche Entscheidung
frei auf ihre Übereinstimmung mit dem Bundesrechte nachzuprüfen. Von
diesem Gesichtspunkte aus war es im vorliegenden Falle unnötig, den
Rekursgrund der Rechts-verweigerng bezw. der Verletzung von Art. 4 der
B.-V beizuziehen. Auch der Vorhalt, dass die Gerichtskommission Uri
dem Entscheid über das frühere Rechtsöffnungsbegehren eine Bedeutung
beigelegt habe, die ihm bundesrechtlich nicht zukomme, läuft auf eine
Beschwerde wegen Verletzung des Art. 61 der Bundesverfasfung hinaus,
bei deren Beurteilung das
lll. Vollziehung kanionaler Urteile. N° 59. 249
Bundesgericht, wie bemerkt, den Entscheid der kantonalen Behörde nicht
nur vom Standpunkte der Rechtsverweigerung aus, sondern frei auf ihre
Richtigkeit zu prüfen hat.
2. Die Fassung des augefochtenen Entscheides lässt über seinen Sinn
und seine Bedeutung im vUnklaren Das Dispositiv ist zwiespältig,
und zwar ist der zweite, mit resp. eingeleitete Teil, es werde das
Rechtsöffnungsbegehren abgewiesen, mit dem erstenes werde darauf
nicht eingetreten, nicht vereinbar. Nach den Erwägungen scheint der
entscheidende Gesichtspunkt der der resjudicata gewesen zu sein, womit es
übereinstimmt, dass im Dispositiv das Nichteiutreten vorangestellt ist
Immerhin wurde eine die materielle Seite der Sache betreffende Erwägung
beigefügt, und in der Vernehmlassung auf den Rekurs wird entschieden
betout, dass das Begehren auch in dieser Richtung geprüft wordendass
man aber nicht zu einem andern Entscheide gelangt sei, als das erste
Mal, weil die Aktenlage die nämliche gewesen sei. Es braucht nun aber
nicht näher untersucht zu werden, welcher Sinn und welche Bedeutung
dem Entscheide beizumessen ist, da weder die formelle Zurückweisnng des
Gesuches aus dem Gesichtspunkte der res judicata, noch die materielle
Abweisung, die darauf beruht, dass die neuenburgischen Urteile nicht
von einem kompetenten Richter ausgefüllt seien und deshalb nicht zur
Vollziehung zugelassen zu werden brauchen, vor einer Prüfung auf Grund
des Bundesrechtes stand halten.
3. Nach dem System des eidgenössischen Betreibungsrechtes schiebt
sich das Rechtsössnungsverfahren der Art. 80 ff. B-G als Jneident in
das der Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners dienende
Betreibungsoerfahren ein. Es setzt voraus, dass eine Betreibung
eingeleitet sei und bezweckt, die Fortsetzung derselben trotz eines
vom Schuldner erhobenen Recht-Bootschlags in gewissen Fällen zu
ermöglichen, ohne dass der Gläubiger den Weg des ordentlichen Prozesses
zu betreten braucht. Uber den Bestand der betriebenen Forderung wird im
Rechtsöffnungsverfahren nicht entschieden. Nach den ersten Entwürfen zum
Betretbungsgefetz war dies allerdings, im Anschluss an das zürcherische
Recht, vorgesehen. Es hiess dort, der Gläubiger könne unter bestimmten
Voraussetzungen in einem besondern Verfahren die Auf-
250 A. Siaatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
hebung des iiiechtsdorschlags und die Anerkennung seines Anspruches
(Rechtsöffnung) verlangen (s. Art. 82 Abs-. 2 des bundesrätlichen
Entwurfes vom 3. Februar 1886 und Botschaft des Buiidesrates vom 6. April
1886, S. 65). In der letzten Fassung wurde jedoch die Wirkung der
Rechtsöfsnung, unter gleichzeitiger Ausdehnung ihres Anwendungsgebietes,
auf die Beseitigung des Rechtsvorschlags beschränkt (Art. 91 bis
u. ff. der bundesrätlichen Vorlage vom Dezember 1888); und zwar geschah
dies, wie sich aus der Botschaft zur letzten Vorlage vom 7. Dezember
1888 (S. 9 ff) ergibt, absichtlich. Dementsprechend wird dann, um die
Frage über den Bestand der Forderung zur Beurteilung zu bringen, bei der
provisorischen Rechtsöffnung dein Schuldner die Aberkennungsklage gegeben
(Art. 83 Abs. 2 und 3 B.-G.), und ist sowohl bei der provisorischen
als bei der definitiven Rechtsöffnung die besonders gestaltete Klage
auf Nückersiattung (Art. 86 B.-G.) vorgesehen. Hieraus folgt, dass ein
Rechtsöffnungsentscheid über die Betreibung hinaus, in der er erlassen
wurde, keine Wirkung auszuüben vermag; letztere erschöpft sich mit der
Beseitigung des die Betreibung hemmenden Rechtsoorschlags des Schuldners
und nur in diesem beschränkten Uinfange kann einem solchen Entscheide die
Rechtskraft der beurteilten Sache im Sinne der Begründung der exceptio
rei judjcatae beigemessen werden (vergl. hier Jäger-, Kommentar zum
Bundesgesetze über Schuldbetreibung und Konkurs, Note 7 zu Art. 8()). Ein
Unterschied zwischen provisorischer und desinitiver Rechtsöffnung kann
angesichts der gleichartigen rechtlichen Grundlage und Ausgestaltung des
Justituts nicht gemacht werden. Auch bei der definitiven Rechtsöffnung
ist das Begehren nicht eine Judikatsklage, wie wohl nach dem ersten
Entwurfe hätte angenommen werden müssen, sondern ein Gefnch um Beseitigung
des Rechtsvorschlages und Gestattiing der Fortsetzung der Betreibung,
und der Entscheid darüber ist nicht ein Exequatururteil, sondern eine,
allerdings auch vom Richter und erst nach kontradiktorischer Verhandlung
zu treffende prozessualische Verfügung Da nun im vorliegenden Falle die
Betretbung, in der der frühere Rechtsöffnungsentscheid ergangen ist,
fallen gelassen wurde, ohne dass dagegen Einspruch erfolgte, so fällt
auch die Wirksamkeit jenes Entscheides dahin und kann der
Ill. Vollziehung kanionaler Urteile. N° 59. 251-
Schuldner die Einrede der beurteilten Sache nicht erheben, wenn in der
neu angehobenen Betreibung einem neuen Rechtsvorschlag gegenüber das
Rechtsbffnungsbegehren wiederum gestellt wird, mag sich dieses immerhin
im übrigen auf die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe stützen,
wie das frühere. Das Eintreten auf das neue Gesuch durfte daher, wenn
sich die Gerichts-kommission von Uri nicht mit dem Wesen der definitiven
Rechtsöffnung, wie sie im eidgenössischen Betreibungsrecht ausgebildet
istund damit indirekt mit Art. 61 der B.-V. in Widerspruch setzen wollte,
nicht abgelehnt werden.
&. Aber auch die Abweisnng des Begehrens stellt sich nach der Begründung,
auf der sie beruht, als bundesrechtsund verfassungswidrig dar. Die
Gerichtskommission Uri stellte im ersten Rechtsöffnungsentscheide, auf
den zurückgegangen werden muss, weil das zweite Mal im wesentlichen
einfach darauf Bezug genommen wurde, einzig darauf ab, dass die
Prorogationsklausel im Anstellungsvertrag zwischen der Rekurrentin und
dem Rekursbeklagten Schillig die Forderungen, welche den Gegenstand
der in Frage stehenden neuenbnrgischen Urteile bilden, nicht treffe,
da dieselbe sich nur auf Differenzen betreffend Ausführung des Vertrages
beziehe. Eine solche einschränkende Auslegung der Klausel ist aber mit dem
Wortlaut, Sinn und Zweck des Vertrages nicht vereinbar. Eine Differenz
betreffend Ausführung des Vertrages liegt auch dann vor, wenn von der
einen Vertragspartei behauptet wird, der Vertrag sei von der andern
nicht ausgeführt worden, und sie erfasst nicht mir den Anspruch auf
Erfüllung, sondern auch die verschiedenen Ansprüche, die als Folgen der
Nichterfullung nach Vertrag und Recht entstehen und erhoben werden koimen.
Unter den so gefassten Begriff der Differenzen betreffend Ausführung des
Vertrages fallen aber zweifellos sämtliche von der Rekurrentin an den
Rekiirsbeklagten eingeklagten Ansprüche Du neuenburgischen Gerichte waren
daher nach der Prorogation im Anstellungsvertrag zu ihrer Beurteilung
fompetent, und es er: weist sich sonach auch der materielle Grund, aus dem
die Gerichts-F kommission Uri die Vollziehbarkeit der Urteile im Kanten
Uri verneint und die Rechtsöffnung verweigert hat, als unstichhaltig
E). Diese Betrachtungen führen dazu, dass der angefochtene Ent-
252 A. Staatsrechtlîche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.
scheid der Gerichtskommission von Uri vom 16. Juni 1902 ausgehoben werden
muss. Dagegen kann dem zweiten Rekursbegehren
nicht entsprochen werden, weil dem Bundesgericht die Befugnis
fehlt, dem, kompetenten urnerischen Rechtsöfsnungsrichter eine bindende
Weisung über seinen Entscheid zu erteilen und weil dasselbe noch
weniger selbst über die Rechtsössnung entscheiden kann. VielFehr hat
die Gerichtskommission Uri neuerdings über das Rechtsosfnnngsgesuch
der Reknrrentin, selbstverständlich unter Berücksichtigung dieses
Entscheides, zu erkennen Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der
Rekurs wird gutgeheissen und demgemäss der angefochtene
Entscheid der Gerichtskommission von Uri, vom 16. Juni 1902, aufgehoben
Organisation der Bundesrechtspflege. i ° 60. 253
Zweiter Abschnitt. Deuxié'me section.
Bundesgesetze. Lois iédérales.
M
Organisation der Bundesrechtspfleg'e.
Organisation judiciaire fédérale.
60. Arr-él du 25 septembre 1902, dans Za cause Cor-baz et Fischéin et
commis contre Bolis & Cie.
Délai du recours de droit public, art. 178, a]. 3 OJF. Gommunication de
I'arrèt. Texte franeajs et texte allemand.
La. maison Beile & Cie a ouvert action en mars 1901 à, MM. Corboz et
Fischlin et consorts pour les faire condamner à reconnaitre son droit de
propriété sur des vins Iogés dans 1a cave de l'Auberge des Arbognes et
qu'en conséquence les défendeurs, en qualité de subrogés aux créanciers
de la masse en faillite de Gaspard Nosperger, n'avaient aucun droit sur
les dits vins.
Par jugement du 7 juin 1901, le Tribunal civil de l'arrandissement de
la Broye & adjugé à. Bolle & Cie les conclusions (ie leur demande.
Par exploit du 27 juin, Corboz et Fischh'n et consorts ont déclaré
recourir en cassasition contre ce jugement et ont assigne Bolle & Cie
sur le 9 octobre 1901 par devant 1a Cour de cessation pour ou'ir statner
sur le recours.
Le 9 octobre 1901, la Cour de cassatiou de Fribourg a.
pronuncé :