Urteilskopf

148 III 296

35. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_69/2020 vom 12. Januar 2022

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 297

BGE 148 III 296 S. 297

A. Die Parteien sind die unverheirateten Eltern von zwei Kindern mit Jahrgängen 2006 und 2008. Mit Unterhaltsverträgen aus den Jahren 2007 bzw. 2008 verpflichtete sich der Vater zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen pro Kind von Fr. 600.- bis zum vollendeten 6. Altersjahr, von Fr. 650.- bis zum vollendeten 12. Altersjahr und von Fr. 700.- bis zur Volljährigkeit bzw. dem Abschluss der Ausbildung.
B. Mit Schlichtungsgesuch vom 21. Oktober 2015 und Klage vom 7. März 2016 verlangte der Vater eine angemessene Reduktion der Unterhaltsbeiträge. Gestützt auf ein Gesuch der Mutter wurden diese ab dem 1. Mai 2016 durch den Sozialdienst Oberes Emmental bevorschusst. In der Folge beschränkte das Regionalgericht Emmental-Oberaargau das Verfahren mit Verfügung vom 20. November 2018 auf die Frage der Passivlegitimation und mit Entscheid vom 25. Juni 2019 traf es die Feststellung, dass die Passivlegitimation für den Zeitraum vom 1. November 2015 bis 30. April 2016 gegeben sei (Ziff. 1) und für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2016 fehle (Ziff. 2). In Bezug auf Ziff. 2 reichte der Vater eine Berufung ein. In teilweiser Gutheissung modifizierte das Obergericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 18. Dezember 2019 den erstinstanzlichen Entscheid dahingehend, dass es die Klage nicht generell ab dem 1. Mai 2016, sondern nur für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum obergerichtlichen Entscheid mangels Passivlegitimation abwies und die Sache für die sich daran anschliessende Zeit zur materiellen Beurteilung an das Regionalgericht zurückwies.
C. Dagegen hat der Vater am 27. Januar 2020 beim Bundesgericht eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit dem Begehren, das Regionalgericht Emmental-Oberaargau sei anzuweisen, den Sozialdienst Oberes Emmental für die Zeit ab dem 1. Mai 2016 nebst ihm und der Mutter von Amtes wegen als Partei am Verfahren zu beteiligen, wobei die Verfahrensrollen von Amtes wegen zu bezeichnen seien, und dem Eventualbegehren, es sei festzustellen, dass die Passivlegitimation der Mutter auch für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 18. Dezember 2019 (Datum Berufungsentscheid) gegeben sei. Ferner verlangt er die unentgeltliche Rechtspflege.
BGE 148 III 296 S. 298

Der im Rubrum der Beschwerde aufgeführte und deshalb ebenfalls zu einer Vernehmlassung eingeladene Sozialdienst hält mit Schreiben vom 18. Februar 2020 fest, sich nicht vernehmen lassen zu können, da er nie in das obergerichtliche Verfahren einbezogen worden und durch die Komplexität der Streitsache überfordert sei; er fühle sich als Spielball der Parteien und müsse die Unterhaltsbeiträge wohl oder übel bevorschussen, solange ein gültiger und vollstreckbarer Titel vorliege. Mit Vernehmlassung vom 5. März 2020 schliesst die Mutter auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. (Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. (...)
Gegenstand der Beschwerde bildet die Frage der Passivlegitimation bei einer vom Unterhaltsschuldner eingeleiteten Abänderungsklage, wenn während des hängigen Prozesses neu eine Bevorschussung der Unterhaltsbeiträge einsetzt. Das Obergericht hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens (dazu nicht publ. E. 2) bedauert, diese aber strikt umgesetzt und sich als Folge schwergewichtig zur (fehlenden) Möglichkeit eines wie auch immer gearteten Einbezuges des Gemeinwesens in das bereits hängige Abänderungsverfahren geäussert (dazu E. 3). Der Beschwerdeführer versucht im Hauptstandpunkt, prozessuale Möglichkeiten für einen Parteiwechsel oder eine Einbindung des Gemeinwesens aufzuzeigen, und macht im Eventualstandpunkt geltend, dass das Kind im Abänderungsverfahren auch nach der Aufnahme der Bevorschussung allein passivlegitimiert bleibe (dazu E. 4). Der Hauptstandpunkt des Beschwerdeführers lässt sich nicht umsetzen (dazu E. 5). Indes hat das Bundesgericht heute in BGE 148 III 270) eine Änderung der Rechtsprechung vorgenommen und entsprechend kann das Eventualbegehren gutgeheissen werden (dazu E. 6).
(...)

3. Das Obergericht befolgte im angefochtenen Entscheid strikt die in der nicht publ. E. 2 dargestellte bundesgerichtliche Rechtsprechung zur "gemeinsamen" Passivlegitimation von Kind und bevorschussendem Gemeinwesen ab dem Zeitpunkt der Bevorschussung - obwohl fraglich sei, inwiefern das Gemeinwesen ein praktisches
BGE 148 III 296 S. 299

Interesse an einem Eintritt in das Abänderungsverfahren habe, zumal das betroffene Kind bzw. dessen Vertreter in einem deutlich engeren Bezug zum Streitgegenstand stehe und bei der praktischen Umsetzung zahlreiche Unklarheiten und Schwierigkeiten bestünden, auf welche auch die Lehre hinweise - und verneinte in der Folge die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung von Art. 286 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 286 - 1 Das Gericht kann anordnen, dass der Unterhaltsbeitrag sich bei bestimmten Veränderungen der Bedürfnisse des Kindes oder der Leistungsfähigkeit der Eltern oder der Lebenskosten ohne weiteres erhöht oder vermindert.
1    Das Gericht kann anordnen, dass der Unterhaltsbeitrag sich bei bestimmten Veränderungen der Bedürfnisse des Kindes oder der Leistungsfähigkeit der Eltern oder der Lebenskosten ohne weiteres erhöht oder vermindert.
2    Bei erheblicher Veränderung der Verhältnisse setzt das Gericht den Unterhaltsbeitrag auf Antrag eines Elternteils oder des Kindes neu fest oder hebt ihn auf.
3    Bei nicht vorhergesehenen ausserordentlichen Bedürfnissen des Kindes kann das Gericht die Eltern zur Leistung eines besonderen Beitrags verpflichten.357
ZGB und Art. 169
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 169 - 1 Einreden, die der Forderung des Abtretenden entgegenstanden, kann der Schuldner auch gegen den Erwerber geltend machen, wenn sie schon zu der Zeit vorhanden waren, als er von der Abtretung Kenntnis erhielt.
1    Einreden, die der Forderung des Abtretenden entgegenstanden, kann der Schuldner auch gegen den Erwerber geltend machen, wenn sie schon zu der Zeit vorhanden waren, als er von der Abtretung Kenntnis erhielt.
2    Ist eine Gegenforderung des Schuldners in diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewesen, so kann er sie dennoch zur Verrechnung bringen, wenn sie nicht später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
OR sowie von Art. 49
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV. Es warf aber die Frage auf, ob Anlass bestehe, auch für die Zeit nach Eintritt der Rechtskraft des obergerichtlichen Urteils weiterhin von einer "gemeinsamen" Passivlegitimation von Kind und bevorschussendem Gemeinwesen auszugehen, was das Bundesgericht soweit ersichtlich bislang nicht geklärt habe. Es verneinte einen entsprechenden Bedarf und hiess die Berufung deshalb teilweise gut, unter diesbezüglicher Rückweisung der Sache zur materiellen Beurteilung. Hingegen schützte das Obergericht die Klageabweisung für die Zeit ab der Bevorschussung bis zur Rechtskraft des obergerichtlichen Urteils, indem es wie gesagt die in der nicht publ. E. 2 dargestellte bundesgerichtliche Rechtsprechung befolgte und in prozessualer Hinsicht die Möglichkeit verneinte, das Gemeinwesen ab dem Zeitpunkt der Bevorschussung in das Verfahren einzubeziehen. Es hielt fest, dass für einen Parteiwechsel nach Art. 83 Abs. 1
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 83 - 1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
1    Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
2    Die eintretende Partei haftet für die gesamten Prozesskosten. Für die bis zum Parteiwechsel aufgelaufenen Prozesskosten haftet die ausscheidende Partei solidarisch mit.
3    In begründeten Fällen hat die eintretende Partei auf Verlangen der Gegenpartei für die Vollstreckung des Entscheides Sicherheit zu leisten.
4    Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten.
ZPO zwingend die Zustimmung des Erwerbers erforderlich wäre und der Sozialdienst als bevorschussendes Gemeinwesen es ausdrücklich abgelehnt habe, in den Prozess einzutreten. Abgesehen davon trete beim Parteiwechsel nach Art. 83 Abs. 1
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 83 - 1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
1    Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
2    Die eintretende Partei haftet für die gesamten Prozesskosten. Für die bis zum Parteiwechsel aufgelaufenen Prozesskosten haftet die ausscheidende Partei solidarisch mit.
3    In begründeten Fällen hat die eintretende Partei auf Verlangen der Gegenpartei für die Vollstreckung des Entscheides Sicherheit zu leisten.
4    Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten.
ZPO der Erwerber nach dem expliziten Wortlaut der Norm "an die Stelle" des Veräusserers; dies verhalte sich aber vorliegend gerade nicht so, weil gemäss BGE 143 III 177 E. 6.3.3 und 6.3.6 das Kind selbst bei vollständiger Bevorschussung weiterhin neben dem Gemeinwesen passivlegitimiert bleibe. Sodann kenne die Zivilprozessordnung das Instrument der Beiladung nicht; möglich wäre einzig eine Anfrage nach Art. 56
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 56 Gerichtliche Fragepflicht - Ist das Vorbringen einer Partei unklar, widersprüchlich, unbestimmt oder offensichtlich unvollständig, so gibt ihr das Gericht durch entsprechende Fragen Gelegenheit zur Klarstellung und zur Ergänzung.
ZPO zur Teilnahme am Prozess, was aber der Sozialdienst wie gesagt klar abgelehnt habe. Ferner hat das Obergericht die Argumentation des Beschwerdeführers verworfen, wonach das Gemeinwesen als notwendiger Streitgenosse nicht unbedingt am Prozess teilnehmen müsse, weil im Sinn von Art. 70 Abs. 2
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 70 Notwendige Streitgenossenschaft - 1 Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
1    Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
2    Rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken auch für säumige Streitgenossen; ausgenommen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln.
ZPO die Handlungen des Kindes auch für das säumige Gemeinwesen wirken würden, indem es das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft verneint hat. Frage sei vielmehr, ob dem Sozialdienst überhaupt
BGE 148 III 296 S. 300

Parteistellung zukommen könne, wenn er damit nicht einverstanden sei. Eine gesetzliche Grundlage für eine Prozessstandschaft fehle aber und eine gewillkürte Prozessstandschaft sei dem schweizerischen Recht fremd.
4. Vorab macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 52
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 52 Handeln nach Treu und Glauben - Alle am Verfahren beteiligten Personen haben nach Treu und Glauben zu handeln.
ZPO bzw. Art. 29
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV geltend mit der Begründung, es sei ihm nicht zuzumuten, seine Klage für die Zeit ab der Bevorschussung zurückzuziehen und eine neue Klage einzureichen, die sich nur in der zusätzlichen Nennung des Gemeinwesens auf der beklagtischen Seite unterscheide. Umso mehr wäre dies stossend, als der Sozialdienst ausdrücklich erklärt habe, am Prozess nicht interessiert zu sein. All dies würde nicht der Verwirklichung des materiellen Rechts dienen, sondern wäre reiner Selbstzweck. Das Obergericht halte denn auch selbst fest, dass es unbefriedigend sei, wenn dem Kind die alleinige Passivlegitimation fehle. Indes besteht der Beschwerdeführer in der Folge nicht darauf, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu ändern sei, weil er diese als gefestigt betrachtet, sondern er versucht, mit verschiedenen Begründungslinien zum Ergebnis zu gelangen, dass die erst während des bereits hängigen Abänderungsprozesses aufgenommene Bevorschussung zu einem Übergang der Passivlegitimation auf das Gemeinwesen und einem automatischen Parteiwechsel führen müsse. Im Einzelnen macht der Beschwerdeführer diesbezüglich geltend, im angefochtenen Entscheid werde nicht dargelegt, inwiefern zu "allen Rechten" im Sinn von Art. 289 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 289 - 1 Der Anspruch auf Unterhaltsbeiträge steht dem Kind zu und wird, solange das Kind minderjährig ist, durch Leistung an dessen gesetzlichen Vertreter oder den Inhaber der Obhut erfüllt, soweit das Gericht es nicht anders bestimmt.364
1    Der Anspruch auf Unterhaltsbeiträge steht dem Kind zu und wird, solange das Kind minderjährig ist, durch Leistung an dessen gesetzlichen Vertreter oder den Inhaber der Obhut erfüllt, soweit das Gericht es nicht anders bestimmt.364
2    Kommt jedoch das Gemeinwesen für den Unterhalt auf, so geht der Unterhaltsanspruch mit allen Rechten auf das Gemeinwesen über.
ZGB bzw. zu den "Nebenrechten" im Sinn von Art. 170 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 170 - 1 Mit der Forderung gehen die Vorzugs- und Nebenrechte über, mit Ausnahme derer, die untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpft sind.
1    Mit der Forderung gehen die Vorzugs- und Nebenrechte über, mit Ausnahme derer, die untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpft sind.
2    Der Abtretende ist verpflichtet, dem Erwerber die Schuldurkunde und alle vorhandenen Beweismittel auszuliefern und ihm die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Aufschlüsse zu erteilen.
3    Es wird vermutet, dass mit der Hauptforderung auch die rückständigen Zinse auf den Erwerber übergehen.
OR nicht auch die Prozessführungsbefugnis bzw. Prozessführungslast gehöre und wieso das Gemeinwesen gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung, auf welche das Obergericht verweise, lediglich an der Passivlegitimation des Kindes "teilhaben" und dieses nicht als beklagte Partei ersetzen soll. Bei Renten werde zwischen dem nicht abtretbaren Stammrecht und den Einzelforderungen unterschieden. Mit der Bevorschussung dieser Einzelforderungen müsse als Nebenrecht auch die Passivlegitimation bzw. die prozessuale Stellung auf das Gemeinwesen übergehen, und es müsse zu einem automatischen Parteiwechsel kommen, denn die Forderung gehe in dem Zustand über, in welchem sie sich im Zeitpunkt der Legalzession befinde, und das Prozessführungsrecht sei in diesem Zeitpunkt bereits betätigt gewesen. Insofern müsse es aufgrund der materiellen Rechtslage ohne Zutun der Parteien auch zum Parteiwechsel im Abänderungsverfahren kommen.

BGE 148 III 296 S. 301

Was sodann Art. 83
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 83 - 1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
1    Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
2    Die eintretende Partei haftet für die gesamten Prozesskosten. Für die bis zum Parteiwechsel aufgelaufenen Prozesskosten haftet die ausscheidende Partei solidarisch mit.
3    In begründeten Fällen hat die eintretende Partei auf Verlangen der Gegenpartei für die Vollstreckung des Entscheides Sicherheit zu leisten.
4    Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten.
ZPO anbelange, werde dieser in erster Linie im Kontext des gewillkürten Parteiwechsels diskutiert. Dort gehe es um die (freiwillige) Veräusserung, während es hier um eine Legalzession gehe und folglich der Parteiwechsel in Bezug auf die bevorschussten Einzelforderungen ipso iure eintreten müsse. Rein praktisch müsse es dem Gemeinwesen aber trotzdem freistehen, ob es überhaupt am Prozess teilnehmen oder sich im Sinn einer uneigentlichen Prozessstandschaft vom Unterhaltsberechtigten vertreten lassen wolle. Insofern sei der in der Berufungsschrift erfolgte Hinweis auf Art. 70 Abs. 2
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 70 Notwendige Streitgenossenschaft - 1 Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
1    Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
2    Rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken auch für säumige Streitgenossen; ausgenommen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln.
ZPO berechtigt gewesen, zumal dem erstinstanzlichen Urteil habe entgegengesetzt werden müssen, dass bei nachträglicher Bevorschussung gerade keine aktive Beteiligung des Gemeinwesens am Verfahren erforderlich sei, damit dieses seinen Fortgang nehmen könne. Jedenfalls dürfe das Zivilverfahren nicht einfach ins Leere laufen, wenn das Gemeinwesen nachträglich bevorschusse, aber am Abänderungsverfahren nicht teilnehmen wolle. Zur Begründung des Eventualstandpunktes macht der Beschwerdeführer geltend, dass die zivilprozessrechtliche Passivlegitimation keine formelle Eigenschaft sei, die beispielsweise mit einer Veräusserung untergehe; ausschlaggebend sei vielmehr die materielle Rechtslage. Solange der Erwerber nicht in den Prozess eintrete, behalte die veräussernde Partei das Prozessführungsrecht. Vorliegend würden die verfallenen Einzelforderungen den Gegenstand der Subrogation bilden. Sei in diesem Zeitpunkt ein Abänderungsverfahren hängig, sei die Höhe der zedierten Forderung noch offen, weil sich die Höhe der Unterhaltspflicht während der Dauer des Verfahrens in der Schwebe befinde. Im Übrigen könne der Schuldner gegenüber dem Erwerber sämtliche Einreden und Einwendungen geltend machen, die schon bestanden hätten, als er von der Abtretung Kenntnis erhalten habe. Das Gemeinwesen erwerbe demnach eine Forderung, deren Höhe noch in der Schwebe sei. Deshalb verliere der Unterhaltsberechtigte die Sachlegitimation im Herabsetzungsverfahren nicht, zumal er dem Gemeinwesen gemäss Art. 171 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 171 - 1 Bei der entgeltlichen Abtretung haftet der Abtretende für den Bestand der Forderung zur Zeit der Abtretung.
1    Bei der entgeltlichen Abtretung haftet der Abtretende für den Bestand der Forderung zur Zeit der Abtretung.
2    Für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners dagegen haftet der Abtretende nur dann, wenn er sich dazu verpflichtet hat.
3    Bei der unentgeltlichen Abtretung haftet der Abtretende auch nicht für den Bestand der Forderung.
OR für den Bestand der Forderung hafte und gemäss Art. 10 Abs. 3
SR 747.201 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1975 über die Binnenschifffahrt (BSG)
BSG Art. 10 Betriebssicherheit
1    Schiffe müssen so gebaut, ausgerüstet und unterhalten sein, dass die Verkehrsregeln befolgt werden können und die Personen an Bord, die Schifffahrt und andere Benützer der Gewässer nicht gefährdet werden.
2    Schiffe dürfen nur verkehren, wenn sie betriebssicher sind und den Vorschriften entsprechen.
des Gesetzes des Kantons Bern vom 6. Februar 1980 über Inkassohilfe und Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen (BSG 213.22) für zu viel Empfangenes rückerstattungspflichtig wäre. Insofern bestehe nach wie vor ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beurteilung des Herabsetzungsbegehrens zwischen dem Unterhaltsschuldner und dem Unterhaltsberechtigten. Dafür könne auch die bundesgerichtliche Formel sprechen,
BGE 148 III 296 S. 302

wonach das Gemeinwesen an der Passivlegitimation des Unterhaltsberechtigten bloss "teilhabe". Verbleibe dem Unterhaltsberechtigten das Prozessführungsrecht, bleibe seine Passivlegitimation bestehen, zumal er dem Gemeinwesen das herabsetzende Urteil aus einem bereits hängigen Abänderungsprozess entgegensetzen können müsse.
5. Der Hauptstandpunkt des Beschwerdeführers, wonach - unter der Hypothese, dass die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung befolgt und somit von einer (wie auch immer) geteilten Passivlegitimation von Kind und Gemeinwesen bei der vom Unterhaltsschuldner eingeleiteten Abänderungsklage ausgegangen wird - der Einbezug des erst während des hängigen Abänderungsverfahrens die Bevorschussung aufnehmenden Gemeinwesens nicht an prozessualen Hürden scheitern darf, ist nachvollziehbar, lässt sich aber rechtlich nicht umsetzen; keine der beschwerdeweise vorgetragenen Möglichkeiten, wie das Gemeinwesen einbezogen werden könnte, lässt die verneinenden Erwägungen des angefochtenen Entscheides als rechtsverletzend erscheinen: Ein Parteiwechsel nach Art. 83
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 83 - 1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
1    Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
2    Die eintretende Partei haftet für die gesamten Prozesskosten. Für die bis zum Parteiwechsel aufgelaufenen Prozesskosten haftet die ausscheidende Partei solidarisch mit.
3    In begründeten Fällen hat die eintretende Partei auf Verlangen der Gegenpartei für die Vollstreckung des Entscheides Sicherheit zu leisten.
4    Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten.
ZPO scheitert an der in BGE 143 III 177 geäusserten Vorgabe, dass das Kind und das Gemeinwesen "gemeinsam" passivlegitimiert seien, und vorliegend insbesondere auch an der Weigerung des Sozialdienstes, am Verfahren teilzunehmen; eine entsprechende Erklärung ist für einen Parteiwechsel unabdingbar (statt vieler: GROSS/ZUBER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 9, 16 und 18 zu Art. 83
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 83 - 1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
1    Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
2    Die eintretende Partei haftet für die gesamten Prozesskosten. Für die bis zum Parteiwechsel aufgelaufenen Prozesskosten haftet die ausscheidende Partei solidarisch mit.
3    In begründeten Fällen hat die eintretende Partei auf Verlangen der Gegenpartei für die Vollstreckung des Entscheides Sicherheit zu leisten.
4    Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten.
ZPO). Die Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft im Sinn von Art. 70
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 70 Notwendige Streitgenossenschaft - 1 Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
1    Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
2    Rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken auch für säumige Streitgenossen; ausgenommen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln.
ZPO setzt nach der Legaldefinition voraus, dass mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt sind, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, was sich in der Regel aus dem materiellen Recht ergibt und typischerweise bei einem Gesamthandverhältnis der Fall ist (statt vieler: GROSS/ZUBER, a.a.O., N. 7 zu Art. 70
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 70 Notwendige Streitgenossenschaft - 1 Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
1    Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
2    Rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken auch für säumige Streitgenossen; ausgenommen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln.
ZPO). Bei der Zession geht indes die Forderung vom Zedenten auf den Zessionar über; nicht nur vor der Abtretung, sondern auch nach dem Forderungsübergang hat immer bloss eine Person Gläubigerstellung und damit die Sachlegitimation. Mithin scheitert auch der Erklärungsversuch des Beschwerdeführers, das Kind könnte im Sinn von Art. 70 Abs. 2
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 70 Notwendige Streitgenossenschaft - 1 Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
1    Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
2    Rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken auch für säumige Streitgenossen; ausgenommen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln.
ZPO den Prozess als Prozessstandschafter weiterführen, wenn das Gemeinwesen wie vorliegend keine Lust an der Prozessführung habe und am Verfahren nicht teilnehmen wolle.
BGE 148 III 296 S. 303

Weiter hat das Obergericht zutreffend erwähnt, dass der schweizerischen Zivilprozessordnung die "Beiladung" fremd ist (vgl. RUGGLE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 25 zu Art. 70
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 70 Notwendige Streitgenossenschaft - 1 Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
1    Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
2    Rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken auch für säumige Streitgenossen; ausgenommen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln.
ZPO; DOMEJ, in: ZPO, Kurzkommentar, Oberhammer und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2021, N. 14 zu Art. 70
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 70 Notwendige Streitgenossenschaft - 1 Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
1    Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.
2    Rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken auch für säumige Streitgenossen; ausgenommen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln.
ZPO; SCHWANDER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Aufl. 2016, N. 13 zu Art. 83
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 83 - 1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
1    Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.
2    Die eintretende Partei haftet für die gesamten Prozesskosten. Für die bis zum Parteiwechsel aufgelaufenen Prozesskosten haftet die ausscheidende Partei solidarisch mit.
3    In begründeten Fällen hat die eintretende Partei auf Verlangen der Gegenpartei für die Vollstreckung des Entscheides Sicherheit zu leisten.
4    Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnachfolge bleiben vorbehalten.
ZPO), was im Kontext mit der Passivlegitimation bei der Abänderungsklage auch das Bundesgericht festgehalten hat (BGE 143 III 177 E. 6.1 und 6.3.5; Urteile 5A_634/2013 vom 12. März 2014 E. 4.2; 5A_694/2019 vom 24. Februar 2020 E. 4.2). Vertiefende Erörterungen zur prozessualen Umsetzung der bisherigen Rechtsprechung erübrigen sich jedoch insofern, als mit dem bereits erwähnten BGE 148 III 270 eine Änderung der Rechtsprechung in Bezug auf den Gegenstand der Subrogation vorgenommen worden ist, aus welcher sich zwangsläufig ergibt, dass bei der vom Unterhaltsschuldner angehobenen Abänderungsklage einzig das Kind bzw. dessen gesetzlicher Vertreter passivlegitimiert ist (dazu E. 6).
6. BGE 148
III 270
lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass der Unterhaltsprozess grundsätzlich ein zivilprozessuales Zweiparteienverfahren zwischen dem Unterhaltsschuldner und dem Kind (bzw. seinem Vertreter) ist und sich der Unterhaltsanspruch des Kindes unmittelbar aus dem Kindesverhältnis ergibt (Art. 276
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 276 - 1 Der Unterhalt wird durch Pflege, Erziehung und Geldzahlung geleistet.342
1    Der Unterhalt wird durch Pflege, Erziehung und Geldzahlung geleistet.342
2    Die Eltern sorgen gemeinsam, ein jeder Elternteil nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt des Kindes und tragen insbesondere die Kosten von Betreuung, Erziehung, Ausbildung und Kindesschutzmassnahmen.343
3    Die Eltern sind von der Unterhaltspflicht in dem Mass befreit, als dem Kinde zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Arbeitserwerb oder andern Mitteln zu bestreiten.
ZGB). Soweit das Gemeinwesen Unterhaltsbeiträge bevorschusst, subrogiert es in diese (Art. 289 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 289 - 1 Der Anspruch auf Unterhaltsbeiträge steht dem Kind zu und wird, solange das Kind minderjährig ist, durch Leistung an dessen gesetzlichen Vertreter oder den Inhaber der Obhut erfüllt, soweit das Gericht es nicht anders bestimmt.364
1    Der Anspruch auf Unterhaltsbeiträge steht dem Kind zu und wird, solange das Kind minderjährig ist, durch Leistung an dessen gesetzlichen Vertreter oder den Inhaber der Obhut erfüllt, soweit das Gericht es nicht anders bestimmt.364
2    Kommt jedoch das Gemeinwesen für den Unterhalt auf, so geht der Unterhaltsanspruch mit allen Rechten auf das Gemeinwesen über.
ZGB). Dabei geht nicht das Stammrecht über, sondern die daraus abgeleiteten, tatsächlich bevorschussten einzelnen Unterhaltsbeiträge. Gegenstand der Abänderungsklage ist indes die neue Quantifizierung des Stammrechtes und entsprechend liegt die Passivlegitimation unabhängig von einer allfälligen Bevorschussung immer beim Kind oder dessen Vertreter. Wird auch während des Abänderungsverfahrens weiter bevorschusst (oder wie vorliegend die Bevorschussung überhaupt erst aufgenommen), ist die Höhe der einzelnen Unterhaltsbeiträge bis zur definitiven Quantifizierung des Stammrechtes im neuen Titel in Schwebe. Wird darin der Unterhalt herabgesetzt oder die Unterhaltspflicht sogar ganz aufgehoben, entfällt rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Klageeinleitung im betreffenden Umfang die materielle Grundlage bzw. der Gegenstand der Subrogation. Die Folgen der "Überbevorschussung" richten sich nach dem kantonalen öffentlichen Recht. Für Einzelheiten kann auf BGE 148 III 270 E. 6 verwiesen werden.
BGE 148 III 296 S. 304

Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer, welcher seine Abänderungsklage gegen das Kind richtete, nicht nur bei der Klageeinleitung den richtigen Passivlegitimierten ins Recht gefasst hat, sondern dass das Kind auch während des ganzen Verfahrens passivlegitimiert blieb. Demnach ist der angefochtene Entscheid in dahingehender Gutheissung des Eventualbegehrens aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und die Angelegenheit zusätzlich auch für die Zeit ab der Aufnahme der Bevorschussung bis zum Vorliegen des obergerichtlichen Entscheides zur materiellen Beurteilung an das Regionalgericht zurückzuweisen.
Ferner ist die Sache in Bezug auf die Regelung der Kosten des Berufungsverfahrens entsprechend dem neuen Ausgang des Verfahrens an das Obergericht zurückzuweisen (Art. 68 Abs. 5
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 148 III 296
Date : 12. Januar 2022
Published : 10. November 2022
Source : Bundesgericht
Status : 148 III 296
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Art. 131a Abs. 2 und Art. 289 Abs. 2 ZGB; bei der Abänderungsklage für Kindesunterhalt ist das bevorschussende Gemeinwesen
Classification : Änderung der Rechtsprechung


Legislation register
BGG: 68
BSG: 10
BV: 29  49
OR: 169  170  171
ZGB: 131a  276  286  289
ZPO: 52  56  70  83
BGE-register
143-III-177 • 148-III-270 • 148-III-296
Weitere Urteile ab 2000
5A_634/2013 • 5A_69/2020 • 5A_694/2019
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